Flashman in Afghanistan - George McDonald Fraser

  • Die sie auszeichnenden Attribute mögen sich von Held zu Held unterscheiden, doch gehören in der Regel Körperkraft, gepaart mit gutem Aussehen, (Edel)Mut, Aufopferungsbereitschaft und Galanterie gegenüber Frauen, Kindern, Hilflosen und hin und wieder auch Angehörigen einer Kirche dazu, um als Held durchzugehen Er ist – kurz gesagt – der Gute! Dann wäre da noch der Antiheld, der allerdings trotz des zu der Annahme verleitenden Begriffs nicht das genaue Gegenteil des Helden ist. Oft sehen sie nicht besonders gut aus – obwohl einige von ihnen, vor allem unter anderem in der Hardboiled- und Noir Literatur, durchaus Schlag bei Frauen haben – und sind einsame Außenseiter, die der Gesellschaft kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Es sind immer wieder gescheiterte Träumer, die es nicht schaffen sich ihren Weg zurück in die Gesellschaft zu bahnen und es zum Teil gar nicht mehr versuchen. Oft war es seine Individualität, sein Wunsch, unabhängig zu sein und zu bleiben, welche ihn zum Außenseiter machte, nicht das Fehlen von Attributen, welche man auch dem Helden zuschreibt. Auf Harry Flashman trifft nichts davon zu! Da weder die dem Helden noch die dem Antihelden zugeschriebenen Attribute – welche sich eh oft überschneiden - hier geeignet sind Harry Flashman zu charakterisieren möchte ich ihn, bevor ich auf Einzelheiten, welche den geneigten Leser vielleicht zu Gunsten oder Ungunsten das Buch betreffend beeinflussen, näher eingehe, kurz mit einem oberflächlich alle Antworten gebenden Begriff definieren: Arschloch! Er ist, folgen wir streng den Begrifflichkeiten, der wahre Anti-Held, also das genaue Gegenteil eines solchen. Er ist ein erbärmlicher Feigling, der nach Möglichkeit jedem Kampf aus dem Weg geht, es sei denn er kann durch Bescheißen den Ausgang zu seinen Gunsten manipulieren. Wenn nicht, macht er sich aus dem Staub. Sein Freund ist man nur so lange, wie man ihm nutzt. Sollte man als sein Freund zusammen mit ihm in Gefahr geraten, ist man in jedem Fall auf sich allein gestellt – im Falle eines Angriffs sollte man schneller laufen können als er. Für Frauen hat er sehr viel übrig - solange sie sich ihm willig hingeben. (Was allerdings seines guten Aussehens wegen in der Regel kein Problem ist) Und wenn es hin und wieder notwendig ist, heiratet Flashman sogar.

    Eines seiner Talente ist seine Fähigkeit, Fremdsprachen sehr schnell zu lernen, so ist er in seinen Einsätzen rund um die Welt oft der Einzige, der die Landessprache spricht und versteht, was seinem Verhältnis zur Bevölkerung - für die der arrogante britische Rassist in der Regel nur Verachtung übrig hat – sehr zugutekommt. Ein Arschloch eben. Der kauzige Charme eines liebenswerten Tunichtguts geht ihm ebenfalls vollkommen ab, denn da ist nichts Liebenswertes. Auch wenn sein Erfolg bei Frauen den Neid eines notgeilen Teenagers durchaus wecken kann, gibt es als Projektionsobjekt immer noch James Bond, der als Identifikationsfigur wesentlich mehr zu bieten hat, und er ist auch Brite! Dem geneigten Leser, welcher sich bis hierhin durchgearbeitet hat, mag sich nun unweigerlich die Frage stellen, warum jemand ein – oder sogar mehrere – Buch mit einer solchen Hauptfigur lesen sollte. Abgesehen von Frasers seiner Figur nachempfundenen locker-ironischen Schreibstils ist es genau dieser verabscheuungswürdige Negativcharakter, welcher diese Lektüre so reizvoll macht, da er das kleine Arschloch, das wohl in allen von uns schlummert, direkt anspricht – der düstere Charme des Verbotenen, des Schlechten und des Bösen wird direkt stimuliert. Wider besseres Wissen wartete ich immer wieder auf irgendetwas, das meine Sympathie für diesen Drecksack in irgendeiner Weise rechtfertigen könnte, wohl wissend, das eine solche Entdeckung den Reiz dieser Bücher unwiederbringlich zerstören würde. Flashman ist so konsequent als Nicht-Identifikationsfigur angelegt das gerade dieser Umstand den Reiz der Lektüre seiner Abenteuer ausmacht, und das er für seine Feigheit und sein intrigantes Verhalten immer wieder den ihm keinesfalls auch nur im Mindesten zustehenden Lohn einstreichen kann erhöht das Vergnügen ungemein. Ich persönlich empfinde es als eine sehr wohltuende Abwechslung einer Hauptfigur zu folgen, die nichts mit irgendjemandem gemein hat, der sonst meine Lektüre bevölkert.die keinesfalls arm an zwielichtigen Gestalten ist!

    Die Literatur ist voll von bösen, düsteren Gestalten, deren Faszination wir und nicht entziehen können - viele Schauspieler finden die Darstellung einer solchen Rolle als viel erfüllender, weil interessanter, als nur den braven, guten Helden zu mimen, der am Ende das Mädchen kriegt. (Denn im Film darf man das Mädchen am Ende nicht behalten – Held hin oder her) Ich erwähne das nur der Vollständigkeit halber und damit mein Text länger wird – auf Flash (nur seine engen Freunde dürfen ihn so nennen!) trifft nichts davon zu. Natürlich kann man sich die Lektüre und das Vergnügen an dieser dahingehend schönreden und rechtfertigen, indem man dem Autor unterstellt, eine böse, vor bitterer Ironie nur so triefende Parodie auf die britische Armee, das Verhalten der Briten als Kolonialmacht, ihre Arroganz und ihren Rassismus verfasst zu haben. Wer es braucht... Für alle anderen sind die Flashman-Papiere ein für den Leser äußerst vergnüglicher Gegenentwurf zu den unzähligen historischen Heldengeschichten, wie sie zum Beispiel Bernard Cornwell (Sharpe), C. S. Forrester, (Hornblower) oder Alexander Kent (u.a. Captain Blackwood) zu Papier gebracht haben.

    Es ist wahrlich eine Serie für die heutige Zeit, der lange überfällige Arschtritt für die political correctness - die Triggerwarnungen werden separat in einem 5-bändigen Appendix veröffentlicht, groß, schwer und in Leder gebunden um jeden, der nach so einem Bullshit verlangt damit so effektiv wie möglich zu verprügeln!


    ASIN/ISBN: 3942270919

  • Ich habe gerade nachgeschaut, das Buch habe ich 2011 gelesen.

    Ich hatte es damals aber schon als Satire verstanden, denn hier wird nichts und niemand ernst genommen, am wenigsten Flashy selbst.

    Immerhin habe ich mich danach in die Anglo-Afghanischen Kriege eingelesen, das ist heute noch brauchbares Wissen.