Antonia Blum - Der Kindersuchdienst: Für immer in deinem Herzen

  • Herausgeber ‏ : ‎ Ullstein Paperback

    Erscheinungstermin ‏ : ‎ 2. Mai 2025

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Seitenzahl der Print-Ausgabe ‏ : ‎ 496 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 3864932513

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864932519



    Kurzbeschreibung:

    Hamburg 1955: Die schüchterne Annegret und die vornehme Charlotte arbeiten Seite an Seite beim Kindersuchdienst des Deutschen Roten Kreuzes. Doch als ein Geheimnis aus Charlottes Vergangenheit ans Licht kommt, droht ihre Freundschaft zu zerbrechen. Dabei braucht Charlotte gerade jetzt Annegrets Hilfe, um die Eltern der kleinen Monika zu finden, die als Säugling auf einem Bauernhof ausgesetzt wurde. Als dann auch noch der Kindersuchdienst vor dem Aus steht, liegt das Schicksal Tausender Waisen plötzlich in Annegrets und Charlottes Händen. Nicht nur ihr Chef steht ihnen dabei im Weg, sondern auch der gut aussehende Hauptkommissar Hartmann von der Kriminalpolizei. Dabei verbindet ihn und die beiden Frauen dasselbe Ziel: die verlorenen Kinder wieder zu ihren verzweifelten Familien zu bringen.


    Über die Autorin:

    Antonia Blum lebte längere Zeit in Berlin, ohne den Weißen See dort je gesehen zu haben. Erst Jahre später, nachdem sie die Hauptstadt längst verlassen hatte, entdeckte sie durch einen Zufall die Ruine der einstigen Kinderklinik in Weißensee und kommt seitdem von dem Ort und seiner bewegten Geschichte nicht mehr los. Heute fährt Antonia nicht nur zum Spazierengehen immer wieder an den Weißen See, der dem Berliner Stadtteil seinen Namen gab. Sie ist überzeugt, dass dort ein Tor in die Vergangenheit existiert.


    Meine Meinung:

    Als ich die Leseprobe bei Vorablesen las, fand ich das Thema des Buchs sehr interessant.

    Mitte der 50er Jahre, 10 Jahre nach dem 2. Weltkrieg gibt es immer noch etliche Personen, die nach ihrer Familie suchen. Die Hamburger Filiale des Roten Kreuzes kümmert sich um die vermissten Kinder, während es in München noch eine Stelle gibt, die nach Erwachsenen sucht.


    Antonia, die alleinerziehende Mutter des 8-jährigen Oscars, hat Glück und bekommt einen Arbeitsplatz im Hamburger Kindersuchdienst. Sie verschweigt, dass sie ein Kind hat. Zudem fällt ihr das Lesen und Schreiben recht schwer, doch sie kämpft sich durch. Der intrigante Abteilungsleiter Jochen Krüger legt ihr immer wieder Stenie in den Weg und gibt ihr zu verstehen, dass er sie längst entlassen hätte. Doch durch ihr gutes Gedächtnis und ihre mitfühlende Art wird sie zu einer wertvollen Hilfe, um vermisste Kinder mit ihren Eltern wieder zusammenzuführen.


    Auch Charlotte, Tochter eines Hamburger Reeders, landet im Büro des Kindersuchdienstes, nachdem sie von zuhause abgehauen ist. Ihre Eltern wollen sie mit einem reichen schwedischen Bankier verheiraten, doch Charlotte verabscheut den Mann und so sieht sie keinen anderen Weg, als zu ihrem ehemaligen Kindermädchen Femke zu fliehen und sich einen Job zu suchen. Auch sie fängt mit einem Geheimnis beim Kindersuchdienst an, was ihr noch zum Verhängnis wird.


    Die Arbeit des Kindersuchdiensts steht jedoch auf der Kippe. Zum einen finanziell, da sich viele nicht vorstellen können, dass es nach so langer Zeit überhaupt noch vermisste Personen und Zusammenführungen geben könnte, zum anderen aber auch intern, denn die Suche gestaltet sich oftmals schwierig.


    Der Roman las sich flüssig, zwischendurch auch ein wenig wie ein Krimi, und ich fand es spannend, über die Methoden der Vermisstensuche zu lesen. Tausende Karteikarten, die die Merkmale der vermissten Kinder aufführen, die manuell durchsucht werden mussten. Erst eine Bildersuche brachte größere Erfolge, doch auch nicht immer verlässlich, denn die Kinder waren oftmals noch so klein, dass sie sich an ihre Eltern kaum erinnern konnten. Die Herstellung von Fotografien bzw. Suchplakaten ist jedoch sehr teuer. Zudem waren Dokumente aus dem Krieg verschwunden, vernichtet oder unlesbar geworden.


    Fesselnd las sich auch die Reise von Annegret nach Kaliningrad, um dort nach Unterlagen zu suchen, die zu dem Verbleib eines kleinen Jungen Auskunft geben könnte, denn erst musste ein Visum beantragt werden, dann eine mühevolle Zugfahrt unternommen werden, um vor Ort eventuell vor dem Aus zu stehen, weil es die Krankenhäuser nicht mehr gab oder niemanden, der weiterhelfen konnte.


    Was mir weniger gefiel, war das Verhalten der beiden jungen Frauen bezüglich ihrer Verehrer, das war für mich doch arg klischeehaft geschildert. Beispielsweise dass man nie wieder einem Mann trauen kann, weil man schon mal enttäuscht wurde. Oder auch das Hin und Her in einer Beziehung, weil man sich Schwierigkeiten herbeidenkt, die es eigentlich nicht gibt. Manches Problem wurde mir auch zu reibungslos aufgelöst.


    Interessant war jedoch der Auftritt Konrad Adenauers nebst Tochter Libet. Sein Besuch sollte den Kindersuchdienst retten. Das gefiel mir sehr.


    Alles in allem ein interessanter Roman über die 50er Jahre und die Arbeit des Kindersuchdienstes.

    Es wird im April 2026 eine Fortsetzung geben, die jedoch 1962 zu Zeiten der Hamburger Sturmflut spielt.


    Von mir 7 Punkte



    ASIN/ISBN: 3864932513

  • Durch Krieg und Vertreibung getrennte Familien suchen ihr Kind


    Vor vielen Jahren war ich in Bonn im Haus der Geschichte und stand vor Karteikästen und Suchplakaten. Das ist mir in Erinnerung geblieben. In einem meiner letzten Bücher konnten ein im Hamburger Feuersturm vermisster Sohn mit dem aus dem Krieg zurückgekehrten und um seine Familie trauernden Vater zusammengeführt werden. Nun wurde gerade dieser Roman zur Arbeit des Hamburger Kindersuchdienstes veröffentlicht. Da mich das Geschehen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg generell sehr interessiert, habe ich nach der gelungenen Leseprobe gern zu dieser Lektüre gegriffen.


    Von Antonia Blum hatte ich zuvor nichts gelesen – so war dieser Roman auch in dieser Hinsicht eine weitere neue Begegnung, die geglückt ist.


    Zwei Frauen, Anfang 20, sind die Protagonistinnen der Geschichte: Annegret und Charlotte sind Suchdienstmitarbeiterinnen in Hamburg. Beide haben ihre pers. Geheimnisse: Die ledige Annegret verschweigt, dass sie den siebenjährigen Sohn Oskar hat. Auch hat sie Probleme aus Buchstaben Wörter zu bilden, Lesen und Schreiben fällt ihr schwer. Charlotte stammt aus einer bekannten Reederfamilie und hat die elterliche Villa nach einer großen Enttäuschung wütend verlassen. Sie ist somit mittellos, gibt sich als Waise mit sehr guter Tippgeschwindigkeit an der Schreibmaschine aus, um den Arbeitsplatz zu bekommen.


    So unterschiedlich die Frauen sind, ihr Antrieb ist groß, vermisste Kinder und suchende Eltern wieder miteinander zu vereinigen. Während der Lektüre stellt man schnell fest, alle Beteiligten mussten viel Geduld haben und stießen schnell auf Hürden.


    Kinder wussten manchmal nicht ihren vollständigen Namen oder die Schreibweise und auch Herkunftsort war unbekannt. Waren sie noch kleiner, tragen sie nun einen neuen Namen? Stammt das geliebte Spielzeug des Kindes, an welches es sich klammert, noch aus der Zeit mit den Eltern? Es gibt manchmal Plakate mit Fotos, um die Suche voranzubringen und so melden sich auch bewusst Eltern für Suchkinder, die sich vielleicht eine Geschichte überlegen, um damit eine Familie zu gründen. Wie will man anhand von aktuellen Fotos nach Jahren sein Kind wiedererkennen? Dann gibt es Kinder in Pflegefamilien, die wirklich sicher gehen wollen, dass sie keine Verwandtschaft haben oder es kommen Erinnerungen an das „davor“, die sich nicht zuordnen lassen. Vermeintlich unlösbare Fälle lassen sich vielleicht auch doch noch zuordnen.


    Die Suchdiensthelfer benötigen viel Geduld, Genauigkeit Fingerspitzengefühl und emotionale Balance, um jeden Tag den alten und neuen Herausforderungen zu stellen. Es gab damals zwei Standorte für Suchkarteien: Hamburg und München, jede erfolgreiche Zusammenführung ist wahrlich ein Wunder, doch gelingt es auch zu einer Familie wieder zusammen zu wachsen? Jahre des Aufwachsens fehlen, andere Bezugspersonen haben die Entwicklung geprägt. Wir Leser sind manchmal auch einen Schritt weiter, die Suchfälle zusammen zu bringen.


    Die finanzielle Unterstützung des Suchdienstes steht auch immer wieder auf der Kippe. 10 Jahre nach dem Krieg gibt es vielfältigen Bedarf für Förderungen und wer nicht persönlich betroffen ist, jemanden zu suchen oder es aus seinem Umfeld mitbekommt, meint vorschnell, jetzt könnte es doch keine erfolgreichen Zusammenführungen mehr geben. Die Suche ist personal- und zeitaufwändig.


    Gefallen hat mir auch der Bezug zu Adenauers Kanzlerschaft und Familienleben, insbes. weil ich im letzten Jahr das Buch „Gussie“ zu seiner zweiten Ehefrau Auguste gelesen habe.


    Der Roman besteht aus vielen Kapiteln, er liest sich flüssig und die Geschichte wird spannend erzählt. Ich habe mich durch diesen Roman mit der bisher unbekannten Arbeit des Kindersuchdienstes beschäftigt. Mir hat er gut gefallen.


    Ich freue mich auf die Fortsetzung, die in einem Jahr zur Zeit der Hamburger Sturmflut spielen wird. Hier wird bestimmt der Lotse in der Katastrophe, Helmut Schmid, seinen Auftritt erhalten. Ich bin gespannt.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)