Susanne Abel - Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104

  • Herausgeber: dtv-Verlag (14. August 2025)

    Taschenbuch: ‎544 Seiten

    ISBN10:

    ASIN/ISBN: 3423283920


    Kurzbeschreibung


    Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führt


    Am Ende des Zweiten Weltkriegs wird mitten in Deutschland ein kleiner Junge gefunden, der nichts über sich selbst und seine Herkunft weiß. Sein Alter wird geschätzt, er bekommt den Namen Hartmut und wächst in einem katholischen Kinderheim auf, in dem viel Ordnung und noch mehr Zucht herrscht.


    Wer ist man, wenn man niemand ist?


    Dort lernt er die etwas ältere Kriegswaise Margret kennen, die ihn Hardy nennt und schon im Heim zu beschützen versucht. Die beiden werden zu einer unverzichtbaren Stütze füreinander und beschließen, sich nie wieder loszulassen.


    Klug, einfühlsam und berührend erzählt Susanne Abel in ihrem neuen Roman von der lebenslangen Liebe zweier Heimkinder.

    Doch während sie mit aller Kraft versuchen, gemeinsam das Geschehene zu vergessen und ein normales Leben zu führen, werden die Folgen ihrer Vergangenheit auch für die nachkommenden Generationen bestimmend.


    Eindringlich und aufrüttelnd. Ein bewegender Familienroman über den Einfluss unserer Vergangenheit auf unsere Nachkommen.

    Die kleine Emily leidet unter dem hartnäckigen Schweigen ihrer Urgroßeltern Margret und Hardy, bei denen sie wegen des unsteten Lebenswandels ihrer Mutter aufwächst. Als Jugendliche beginnt sie schließlich, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wird es ihr gelingen, das Erbe der unverarbeiteten Traumata ihrer Familie endlich aufzubrechen?


    Autorin


    Susanne Abel arbeitete als Erzieherin und realisierte nach ihrem Filmstudium als Regisseurin zahlreiche Dokus für das deutsche Fernsehen. Seit 2017 konzentriert sie sich ganz auf das Schreiben. Ihr gefeiertes Romandebüt ›Stay away from Gretchen‹ stürmte bis an die Spitze der SPIEGEL-Bestsellerliste und war ein sensationeller Erfolg, genau wie sein Nachfolger ›Was ich nie gesagt habe‹. Die gebürtige Badenerin lebt nach Stationen in Bochum, Berlin und Hamburg überwiegend in Köln.


    Rezension


    „Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104“ von Susanne Abel erzählt die Geschichte von Hardy und Margret, zwei Kindern, die im Chaos der Nachkriegszeit aufeinandertreffen und sich aneinander festhalten, weil es sonst niemanden gibt. Hartmut, genannt Hardy, wird nach dem Krieg allein aufgegriffen. Niemand weiß, woher er kommt oder wie alt er ist. Man steckt ihn in ein katholisches Kinderheim, wo Zucht und Ordnung herrschen. Dort trifft er Margret, ein etwas älteres Mädchen, das ihn fortan beschützt und ihm Halt gibt. Aus dieser Verbindung wächst eine tiefe Freundschaft, später Liebe, die beide durch ihr ganzes Leben begleitet.


    Jahrzehnte später wächst ihre Urenkelin Emily in dieser Familie auf. Sie spürt das Schweigen, das über allem liegt, die Schwere, die niemand erklären kann. Als Jugendliche beginnt sie, Fragen zu stellen und in der Vergangenheit zu graben, und stößt auf Geschichten, die lange niemand mehr aussprechen wollte.


    Susanne Abel schreibt ruhig, aber mit einer Tiefe, die einen nicht mehr loslässt. Schon nach wenigen Seiten hat mich dieses Buch komplett gepackt. Der Spannungsbogen bleibt bis zum Ende straff, jede Szene sitzt. Abel erzählt von Liebe, von Verlust, von Schuld und vom Schweigen. Von den Wunden, die man nicht sieht, und davon, wie sie über Generationen weitergegeben werden. Das, was Hardy und Margret im Heim erleben, verfolgt sie ein Leben lang. Und auch die Nachkommen spüren es noch, selbst wenn sie die Gründe nicht kennen.


    Abel zeigt, dass Leid und Gewalt viele Gesichter haben und dass es immer Menschen gibt, die die Folgen tragen, auch wenn sie selbst nichts dafür können. Dieses Buch ist keine leichte Lektüre. Das Leid der Heimkinder, die Gewalt, das Schweigen, all das bekommt hier Raum. Ihre klare, reduzierte Sprache verstärkt die Wirkung nur noch mehr.


    Ein großartiger Roman, ehrlich, bewegend und tiefgehend. Keine leichte Kost, aber ein Buch, das man so schnell nicht vergisst.

  • Im Roman vorangestellter Hinweis der Autorin: "...geht um Gewalt ggü. Heimkindern in der dt. Nachkriegszeit und um sexuellen Missbrauch sowie deren seelische Folgen bis in die Gegenwart. Falls Sie auf diese Themen sensibel reagieren, lesen Sie meinen Roman vielleicht lieber, wenn eine vertraute Person in Ihrer Nähe ist, mit der Sie über das Gelesene sprechen können."


    Dieser macht deutlich, wer die Verschickungsromane von Eva Völler und Barbara Leciejewski nicht lesen will, wg. Gewalt an Kindern, der wird hier von viel Schlimmerem und langer Qual lesen.



    Gleich zu Beginn des Buches wurden meine Augen feucht und auch zwischendurch wird man sehr nachdenklich und traurig, was kleinen und größeren Kindern an Gewalt geschieht. Es ist zwar ein Roman, doch leider beschreibt er Fakten aus der deutschen Geschichte.


    Ist doch bereits grausam, sich vorzustellen, wie viele Kinder in den Kriegswirren ihre Eltern auf Flucht, im Feld und durch Zerstörung verloren haben. Wer dann keine Angaben machen kann zum Namen, der Adresse und Erinnerungen an die Familie fehlen, hat es schwer mit Familie zusammengeführt zu werden und etwas zu seiner Identität zu erfahren. Die Zukunft und das Aufwachsen ist dann abseits von Liebe und der Willkür fremder Bestimmer ausgesetzt. Es ist grausam!


    Während der Lektüre habe ich an meinen Onkel gedacht, der anderthalb Jahre alt war, als Mutter, Großmutter und mein Vater (6) auf die Flucht gingen. Sie sind zusammengeblieben, wurden nicht getrennt. Glück gehabt!



    Mit der Tochter Sabine und Enkelin Julia bin ich nicht warm geworden. Susanne Abel hat aber eine wichtige -familienunabhängige - sympathische und wichtige Figur im Roman, den vor dem Golfkrieg als Jugendlicher geflohene iranische Nachbar Dariush Zamani, der Jahrzehnte nach Hardy elternlos in der Fremde ankommt.


    Ich konnte das Buch nicht aus den Händen legen und es muss schon viel passieren, wenn dies nicht mein Monatslesehighlight Oktober bleiben wird.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Danke dir, Buchkomet , für deine "Eröffnungsrezi". Ich hatte das Buch schon gesehen, als ein paar Eulen in Köln unterwegs waren, aber es da noch nicht gekauft. Aber dann wollte ich etwas zum Lesen und mir fiel dieses Buch ein, was mich von der Handlung ja nicht losließ und dann hab ich es gekauft und gelesen.

    Ich kann mich den positiven Rezis von Buchkommet und Gucci anschließen. Die Thematik im Buch ist natürlich teilweise schwer zu verdauen, dennoch finde ich, dass es ein tolles und spannendes Buch ist. Es behandelt einige wichtige Themen, es geht ans Herz und berührt und auch das Nachwort der Autorin mit den Hintergründen fand ich sehr gut.

    Ich habe "Stay away from Gretchen" nicht gelesen, aber da mir dieses Buch gefallen hat, werd ich auch das vorherige Buch der Autorin lesen.


    Was mir nicht so gut gefallen hat oder für mich hätte anders sein können: ich fand die Sprache, die hier als "klar" beschrieben wird, nicht immer so schön. Die Sprache bzw. der Schreibstil waren mir manchmal zu abgehakt, zu nüchtern, zu trocken. Ich kann es schwer beschreiben, aber in meinem Kopf ist ein Vergleich mit "Fritz und Emma" von Barbara Leciejewski (ein wunderbares Buch, auf welches ich beim Eulentreffen in Hannover aufmerksam wurde, evtl. erinnerst du dich noch, Gucci ) und die Sprache und den Schreibstil von Barbara Leciejewski habe ich etwas "berührender" in Erinnerung.


    Nichtsdestotrotz bleib ich dabei, dass ich das Buch "Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104" berührend, besonders und auch wichtig fand.


    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Sehr berührend


    Die Geschichte schildert die brutalen Verhältnisse in einem katholischen Kinderheim während des Zweiten Weltkriegs und folgt Hardy, der nichts über seine Herkunft weiß, sowie Margret, die ihn beschützt. Die beiden mussten viel erleiden und so sieht es Margret als Pflicht an, ihre Lieben vor allem Unrecht zu beschützen.


    Emily, ihre Urenkelin kann das nicht verstehen, weil weder Hardy noch Margret jemals über das sprechen, was ihnen damals passiert ist. Emilys Mutter Julia ist sehr unzuverlässig und ihre Oma Sabine kreist nur um sich selbst, sehr zur Enttäuschung von Emily.


    Meine Meinung:

    Vera Teltz liest eindringlich und macht das Leid der Kinder spürbar; die Missstände wirken nach und hinterlassen tiefe seelische Narben bei Margret und Hardy. Das zieht sich bis in deren Gegenwart.

    Gerne hätte ich mehr über Sabine und Julia erfahren, warum sie so geworden sind und keinen wirklichen Halt finden.

    Margret ist auch nicht sonderlich sympathisch, aber ich kann nachvollziehen, warum das so ist.

    Ans Herz gewachsen sind mir Hardy, und vor allem Emily, mit ihr kann man richtig gut mitfühlen.

    Emily gelingt es am Ende hinter die Wahrheit zu kommen und sie bringt Erstaunliches zu Tage. Das Ende hat mich tief berührt.


    Fazit: Ein sehr spannendes und hochemotionales Buch über ein wichtiges Thema.