'Lebensbande' - Seiten 209 - Ende

  • Was für ein Auf und Ab mit dem Hof der Gertens: sie fangen an, ihren Hof wieder aufzubauen. Dann liegt er in der Sperrzone und sie müssen wieder gehen. Aber letztlich können sie dann doch wieder dahin zurück.


    Besonders berührt mich Leos Werdegang, der ein guter Arbeiter auf dem Hof und später ein ebenso guter Gärtner wird. Immer wieder denke ich mir da verbittert, dass die elenden Nazis Menschen wie ihn als nicht lebenswert erachteten. Da kocht mir das Blut in den Adern!


    Noras und Lottes Geschichte im Gulag finde ich berührend und traurig. Berührend, wie die Frauen zusammen halten und einander helfen. Und traurig, wie sie nach und nach immer weniger werden. Die einen, weil sie im Lager sterben und die anderen, weil sie dann doch irgendwann freigelassen werden. Nur Nora und Lotte müssen dort bis 1953 ausharren. Was für eine unvorstellbar lange Zeit! Und dann, kurz bevor die Freiheit für sie naht, erkrankt Lotte an Tuberkulose. Hier hat mir gefallen, dass sie Nora ermutigt, unter ihrem Namen die Heimreise anzutreten und ihr größter Wunsch ist, dass Ferdinand erfahren soll, dass sie ihn nie verlassen hat. So traurig!


    Schön finde ich, dass Lene übers rote Kreuz eine Suchmeldung nach Nora aufgibt. So erfährt sie in den nächsten Jahren zumindest ein kleines bißchen über deren Schicksal.


    Was mir hier auch gefallen hat ist, dass Mutter Maria Gertens sich letztlich doch eingestehen muss, dass Joop ein feiner Kerl ist. Und dass die beiden 1949 heiraten, nach sovielen Jahren, das freut mich ganz besonders.


    Inzwischen ist mir dann auch mal aufgefallen, dass Christian Wegener aus Nürnberg ja gar nicht Noras, sondern Lottes Neffe ist. „Nürnberg“ hatte ich nicht mehr auf dem Schirm, sonst wäre ich da schon früher drauf gekommen. Umso gespannter war ich nun auf das Treffen der beiden. Und natürlich auch, wie ihre langjährige Freundin Trude auf die Aufzeichnungen reagieren wird.


    So schön fand ich Gustavs Worte: „Lotte hat Dir ihre Schuhe überlassen, damit Du durchs Leben gehen kannst“


    Nach ihrer Rückkehr wird Nora schnell klar, dass sie in der DDR als Lotte Plass leben kann, während sie im Westen wieder die Mörderin Nora Losen wäre. Doch bevor sie wieder in die DDR, in ihr neues Leben zurückkehrt, kann sie Lene wiedersehen und sich mit ihr aussprechen. Sie nimmt Lene das Versprechen ab, niemandem zu sagen, dass sie lebt. Das erklärt natürlich auch Elisabeths Worte Aussage, Nora wäre schon lange tot während des Telefonats.


    Das Ende finde ich sehr berührend: dass Trude und Alfons ihre Lüge nicht überlnehmen. Dass sie Lottes Neffe Christian die Wahrheit erzählt und vor allem, dass sie – wie ich bereits vermutete – nicht als Mörderin belangt wird und 2004 nach ihrem Tod wie von ihr gewünscht, als Nora neben ihrem Mann bestattet wird.


    Was für ein tolles, wunderbares Buch. Ich habe schon lange kein Buch mehr in so kurzer Zeit verschlungen.


    Was mir auch sehr gut gefallen hat, auch wenn das eher mehr so beiläufig eingestreut war: wie sich die anfängliche Begeisterung und Zuversicht auf den Sieg Hitlers (z.B. anfangs bei Lotte) in immer mehr Frustration und Zweifel (z.B. bei den von der Front zurück gekehrten Soldaten) umgewandelt haben.

    Lieben Gruß,


    Batcat batsmile.gif


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Was mir auch sehr gut gefallen hat, auch wenn das eher mehr so beiläufig eingestreut war: wie sich die anfängliche Begeisterung und Zuversicht auf den Sieg Hitlers (z.B. anfangs bei Lotte) in immer mehr Frustration und Zweifel (z.B. bei den von der Front zurück gekehrten Soldaten) umgewandelt haben.

    Auch Lotte hat irgendwann gemerkt, dass sie einem Rattenfänger auf den Leim ging, wie bei vielen halt viel zu spät, es war ein langsamer Prozess, ich finde hier am Besten in der Figur der Maria dargestellt.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen űbersit :lesend :lesend America against America Wang Huning

  • Auch Lotte hat irgendwann gemerkt, dass sie einem Rattenfänger auf den Leim ging, wie bei vielen halt viel zu spät, es war ein langsamer Prozess, ich finde hier am Besten in der Figur der Maria dargestellt.

    Maria finde ich auch so eine starke Protagonistin. Sie hat für sich eine klare Haltung dazu, was richtig und was falsch ist. Aber sie muss dies wiederholt auf den Prüfstand stellen.


    Ich bin ihr im Lauf der Jahre näher gekommen. Am Anfang war ich noch nur entsetzt, wie sehr sie Joop ablehnen, der Lene aufrichtig liebt, weil nur ein Bauer als Schwiegersohn in Frage kommt (dazu war mein Gedanke: er dürfte als saufen und fremdgehen, solange er nur auf dem Feld arbeitet?). Doch im Lauf vieler Jahre wächst sie über sich selbst hinaus (z.B. als sie für Leo lügt) und letztlich revidiert sie sogar noch ihre Meinung über Joop.


    Ich habe das erlebt, was diese Unterschrift hieß nie über Workuta zu reden.

    Kennst Du etwa Menschen, die in Workuta waren? 8|

    Lieben Gruß,


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  • Kennst Du etwa Menschen, die in Workuta waren? 8|

    Ich kenne nicht, ich kannte und ich habe dienstlich mit der Rentenversicherung gerungen, wegen Anerkennung von nicht nachgewiesenem. Aber die Mandantin fand genau das zitierte Papier wieder. Das reichte dann.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen űbersit :lesend :lesend America against America Wang Huning

  • Also eigentlich beruht 80% der Geschichte auf der Dummheit der Protagonistin Nora nicht gleich nach Workuta einen Anwalt aufzusuchen. Die Tat, die sie ja tatsächlich begangen hat war 1961 verjährt. Da hätte sie noch vor dem 13. August aus dem Osten nach Hause zurückkehren können.

    Nemo tenetur :gruebel


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  • Also eigentlich beruht 80% der Geschichte auf der Dummheit der Protagonistin Nora nicht gleich nach Workuta einen Anwalt aufzusuchen. Die Tat, die sie ja tatsächlich begangen hat war 1961 verjährt. Da hätte sie noch vor dem 13. August aus dem Osten nach Hause zurückkehren können.

    So kann man das natürlich auch sehen. :lache Allerdings ist diese knappe Zusammenfassung der Umstände nicht besonders nett. :lache

    Lieben Gruß,


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    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Lottes Strohhalm, dass Nora ihre Entlassungspapiere nimmt, für sie Ferdinand sucht und wieder in Freiheit gelangt, ist richtig. Dies scheint ihr auch Ruhe zu geben auf ihrem letzten Weg. Ja, es ist traurig, dass Lotte nicht gerettet werden kann, doch so hat sie auch nie erfahren, dass Ferdinand längst "oben auf sie wartet". Nora nutzt die Chance unter Lottes Identität zu leben, nicht wg. des Todes von Dr. Pfeifer, sondern um das Lager endgültig verlassen zu dürfen. Gut, dass Ärztin und Valentina den Plan mitspielen.


    Nora, die Leo gerettet hat, hatte ein schwereres Leben, als Lene. Ich hoffe, dass sie zumindest in ihren DDR Jahren und durch die Ehe mit Gustav, ihre vermeintliche Schuld beiseite schieben konnte. Mir gefällt, dass Lene einrn Suchauftrag beim DRK gestellt hat.


    Lene und Joop haben geheiratet und haben noch eine gemeinsame Tochter bekommen. Es wird ihnen durch die Friedenszeit nun ein ganz anderes Familienleben ermöglicht. Erfreulich, wie Leo sich entwickelt hat, eine zuverlässige Arbeitskraft, wertvoll und anerkannt.


    Lenes Mutter Maria hat eine große Wandlung vollzogen, sich für Leo eingesetzt und ihn verteidigt; anerkannt, was Joop auf sich nimmt, Leo bei sich aufzunehmen (eine klasse Entscheidung, dass er "aussteigt" aus den geschwisterlichen Aktivitäten, weil Leo bei ihnen lebt) und so ist es auch für sie richtig, dass die beiden heiraten und Lene wegzieht.


    Mich störte am Buchcover, dass die beiden Frauen sich ähneln und für mich ein wenig statisch, wie Schaufensterpuppen, wirken. Jetzt kann ich, mit dem Wissen der geteilten Identität, es ein bisschen anders deuten.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • So kann man das natürlich auch sehen. :lache Allerdings ist diese knappe Zusammenfassung der Umstände nicht besonders nett. :lache

    Mag sein, aber die gute hat 30 Jahre gelitten, weil ihr ein paar Kreuzer für einen Anwalt zu teuer waren und so etwas ist für mich ein Emetikum (im es mal vornehm zu formulieren).

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen űbersit :lesend :lesend America against America Wang Huning

  • Dass auch Frauen in russische Zwangsarbeit verschleppt wurden, wusste ich noch gar nicht. Wurden da Frauen einfach willkürlich mitgenommen oder nur welche, die irgendwie in Bezug zur Wehrmacht standen?


    Ich kann Nora verstehen, dass sie die gerade erst wieder gewonnene Freiheit auf keinen Fall riskieren wollte und die "Chance" der falschen Identität genutzt hat.


    Ein Happy End für Lene und Joop, das hat mir gut gefallen.

  • Dass auch Frauen in russische Zwangsarbeit verschleppt wurden, wusste ich noch gar nicht. Wurden da Frauen einfach willkürlich mitgenommen oder nur welche, die irgendwie in Bezug zur Wehrmacht standen?


    Ich habe gestern Abend gleich noch den Wiki-Beitrag gelesen und empfand ihn als hilfreiche Ergänzung. Erschreckende Lebensumstände, Anzahl der Zwangsarbeiter...

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Also eigentlich beruht 80% der Geschichte auf der Dummheit der Protagonistin Nora nicht gleich nach Workuta einen Anwalt aufzusuchen. Die Tat, die sie ja tatsächlich begangen hat war 1961 verjährt. Da hätte sie noch vor dem 13. August aus dem Osten nach Hause zurückkehren können.

    Wäre aber schade gewesen, dass wir keine Geschichte gehabt hätten ;).


    Aber hinterher ist man immer schlauer und ich denke, diese Frau war durch ihre Erlebnisse auch stark traumatisiert und konnte in Hinsicht auf den angeblichen Mord gar nicht klar denken, geschweige denn, das Risiko eigehen, sich Rat zu holen.


    Ich habe endlich die Antwort, warum Nora-Lotte so lange namenlos bleiben musste. Schlau gemacht.

  • Mich störte am Buchcover, dass die beiden Frauen sich ähneln und für mich ein wenig statisch, wie Schaufensterpuppen, wirken. Jetzt kann ich, mit dem Wissen der geteilten Identität, es ein bisschen anders deuten.

    Das ist ein guter Hinweis.


    Mit dem Cover war ich nämlich bis jetzt auch nicht arg glücklich.

    Aber so betrachtet.............

  • Das Cover finde ich abgrundtief hässlich. 8|

    Das Cover muss man ja immer beschreiben und ich hätte das Buch nie geholt bei dem Cover. Es ist wirklich potthässlich, da muss ich mich leider anschließen, aber ohne Leserunde hätte ich wahrscheinlich auch ein Leseeindruck abgegeben, weil ich zuvor schon "Trümmerkind" gelesen habe, was auch wirklich empfehlenswert ist. Ich war nicht so schnell wie Batcat aber ich hatte durchaus recht schnell herausgefunden weswegen ich die Namensprobleme hatte und hatte die Antwort quasi auf der Zunge mir fehlte nur der Name. Der war mir erst später klar.


    Dennoch finde ich das Buch echt stark, weil es eben nicht nur die Nazi-Zeit innehat, sondern auch die russischen Arbeitslager der Nachkriegszeit. Ich hatte schonmal ein Buch gelesen was nur über diese Zeit geschrieben wurde, was leider unzureichend und sehr fehlerhaft umgesetzt wurde, aber es war auch in Eigenregie veröffentlicht worden. Ich habe das Buch deswegen nicht gut bewertet, aber das Thema war trotzdem gut.


    Geschichte ist für mich wie ein Puzzle und klar ist der zweite Weltkrieg sehr dominant, aber dennoch will ich auch wissen was davor und danach passiert ist und auch wie es aus Sicht von anderen Menschen oder anderen Ländern aussieht. Der zweite Weltkrieg ist so dominant, dass diese Verbrechen quasi die deutschen Verbrechen in der Kolonialzeit geradezu verschlucken. Dass es den Deutschen in russischen Arbeitslagern nicht besonders gut ging ist natürlich erklärbar, aber auch eine ähnlich perfide Art mit Menschen umzugehen. Deswegen finde ich es immer mutig, wenn dieser Teil der Geschichte auch literarisch verarbeitet wird.


    Auch super, dass man auch am Ende noch erfährt wie es Leo geht und was aus ihm geworden ist und das schließt für mich das Buch ab mit einem lächelnden Blick. Es braucht halt immer Menschen die auch gegen das System sind, damit im Kleinen etwas positives entstehen kann.

    :lesend: Wie fühlst du dich? - Über unser Innenleben in Zeiten wie diesen Mensch (Axel Hacke) 0 / 255 Seiten

    :lesend: Das Kind in dir muss Heimat finden (Stefanie Stahl) 76 / 248 Seiten

  • Also eigentlich beruht 80% der Geschichte auf der Dummheit der Protagonistin Nora nicht gleich nach Workuta einen Anwalt aufzusuchen. Die Tat, die sie ja tatsächlich begangen hat war 1961 verjährt. Da hätte sie noch vor dem 13. August aus dem Osten nach Hause zurückkehren können.

    Das kommt immer darauf an was am Ende tatsächlich passiert ist. Ob die Tat Mord oder Totschlag oder Notwehr war. Tatsächlich kann ich mir auch vorstellen, dass Dr. Pfeiffer bewusstlos war und die Nazis ihn halt gefunden haben, ihn ermordet haben und den Mord Nora in die Schuhe geschoben haben. Aber das juristisch auszufechten, nachdem man quasi gesehen hat was die alles sonst so gemacht haben, wäre des Mutes zuviel. Fakt ist, dass sie für eine noble Tat ganz schön gelitten hat, aber sie hat auch lange mitgemacht und zugesehen und vielleicht war das der Punkt wo das Maß voll war und sie deswegen diesen Schritt gegangen ist. In solchen Zeiten konnte man sein gehässigen Nachbarn verdammt leicht loswerden.

    :lesend: Wie fühlst du dich? - Über unser Innenleben in Zeiten wie diesen Mensch (Axel Hacke) 0 / 255 Seiten

    :lesend: Das Kind in dir muss Heimat finden (Stefanie Stahl) 76 / 248 Seiten