Selim Özdogan: Die Tochter des Schmieds

  • Zitat

    Original von Lilli
    Ich habe das Buch schon eine Weile (von Selim signiert!!! :grin) bei mir liegen und hoffe noch immer, daß eine Leserunde mit Autor zustande kommt. *hoff*


    *neid* ich will auch ein signiertes :fetch
    :-]

  • Nachdem hier in Braunschweig scheinbar so schlechte Werbung gemacht wurde, das nur 15 Leute zu seiner Lesung kamen, kommt er bestimmt eh nie wieder hierher.


    Ich wusste ja auch nichts davon... richtig ärgerlich, ich kenne ne Menge Leute, die da auf jeden Fall auch hingehen würden (ich verleihe die Bücher andauernd und es ergeben sich schon so langsam Koordinationsschwierigkeiten, wer wann was liest :grin )

  • So, da ich das Buch auch mittlerweile gelesen habe, will ich hier auch mal kurz meinen Senf zu dem Buch abgeben.


    Bisher kannte ich von ihm nur Es ist so einsam im Sattel wenn das Pferd tot ist und irgendwie hatte ich wohl was ähnliches erwartet, auch wenn der Titel für mich eher auf einen historischen Roman oder so schließen lies.


    Mir persönlich hat Die Tochter des Schmiedes sehr gut gefallen. Was mich zwar immer wieder irritiert, mir aber auch gefällt, ist die Tatsache, dass Selim Özdogan so realistisch schreibt. Er schreibt eigentlich keine phantastischen Romane mit glücklicher Liebe und Happy End, sondern so, wie das Leben ist. Das ist mir auch in diesem Buch wieder aufgefallen. Er berichtet vom Leben von Gül, wie es tatsächlich abgelaufen sein könnte mit all seinen Höhen und Tiefen. Was ich auch sehr gut fand war, dass am Schluss mancher Kapitel dem Buch vorausgegriffen wird und man quasi einen Einblick in das Leben der Figuren nach Ende des Buches bekommt... Damit kann man sich quasi die Lebensgeschichte der Protagonisten ein wenig weiter spinnen und hat eine Art roter Faden...


    Ich fand das Buch klasse und hatte es sehr schnell durch... Sehr schön geschrieben... :-)

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Ich habe von Selim gestern eine mail erhalten, dass er sich wieder meldet, wenn er im August wieder zurück ist. Es könnte sein, dass ich dann noch im Urlaub bin, ihr werdet euch also auf eine Antwort bezüglich einer gemeinsamen Leserunde noch etwas gedulden müssen :wave

  • Zitat

    Original von Wolke
    Ich habe von Selim gestern eine mail erhalten, dass er sich wieder meldet, wenn er im August wieder zurück ist. Es könnte sein, dass ich dann noch im Urlaub bin, ihr werdet euch also auf eine Antwort bezüglich einer gemeinsamen Leserunde noch etwas gedulden müssen :wave


    :hop :hop


    das fänd ich ja mal klasse......

  • HOORAY ich war vorhin in der Bücherei in Salzgitter und was finde ich da?


    Die Tochter des Schmieds!



    Voll gefreut, jetzt kann ich das tatsächlich schon lesen, ohne das TB abwarten zu müssen!

  • Ich hab das Buch gestern zu Ende gelesen und bin begeistert.


    Selim Özdogan hat wirklich genau den richtigen Weg gefunden, Vorgabe und Phantasie in Balance zu halten.
    Seine Figuren sind perfekt abgerundete Persönlichkeiten und besonders Melike ist mir schnell ans Herz gewachsen.
    Güls Geschichte ist klasse erzählt, ich hätte gern noch mehr gehört, von ihrem "neuen" Leben und von ihren Kindern und und und...


    Alles in allem: Auch dieses Genre beherrscht Selim Özdogan sehr gut! Und seine Sprache ist absolut angepasst zu dem, was er schreibt. Toll!

    Bücher sind nur große Briefe an Freunde. [Antoine de Saint-Exupéry]

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  • Wer Özdogans Erstling „Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist“ oder die jüngere Anthologie „Trinkgeld vom Schicksal“ kennt, wird von „Die Tochter des Schmieds“ überrascht. Der Roman erzählt eine Familiensaga, die in der Türkei der Fünfziger und Sechziger angesiedelt ist, und seine Heldin ist Gül, „die Rose“, titelgebende Tochter des örtlichen Schmieds.


    Özdogan erzählt liebevoll und achtsam, und all jene, manchmal etwas großkotzigen Anmerkungen und Nebensätze, die seine vorigen Werke enthielten, fehlen – der Autor läßt ausschließlich handeln und hält sich mit Kommentaren zurück. Auf diese Weise entsteht eine sehr nahegehende und –wirkende Familiengeschichte, die ein Türkeibild zeichnet, das überrascht und häufig sehr „untürkisch“ wirkt, die von kleinen Katastrophen durchsetzt ist und von der Entwicklung seiner Heldin lebt, ohne sie zu einer zu stilisieren. Ein bemerkenswertes, auf seltsame Art schlichtes Buch, das eine Stimmung erzeugt, die man erst nach dem Zuklappen richtig wahrnimmt. Schön!

  • Das Buch habe ich sehr genossen, weil es etwas eher Seltenes ist.
    Nämlich ein echter Roman. Hier wird nicht, wie so oft heutzutage, einfach nur eine Geschichte erzählt, sondern der Ablauf der Handlung, die Sprache und die auftretenden Personen sind aufeinander abgestimmt.
    Es ist eine Geschichte zwischen den klassischen Polen Mann – Frau. Es ist die Geschichte von Ehen. Es ist eine Geschichte von Frauen, von Liebenden, Töchtern, Schwiegertöchtern, Müttern, Großmüttern und Schwiegermüttern. Es geht um Träume, Wünsche, Vorstellungen von der Welt, um Sehnsüchte.
    Es ist aber auch eine Familiengeschichte, sie beginnt mit einem Mann und endet eine Generation später mit einer Frau. Die Beziehung zwischen Timur und Gül, das Vater-Tochter-Verhältnis, ist einer der Stützpfeiler des ganzen Aufbaus. Von ihr leiten sich die weiteren Beziehungen zwischen allen auftretenden Figuren ab, bis in ziemlich feine Verästelungen. Beim Lesen entsteht das Bild eines echten Beziehungsgeflechts, geschildert mit einfachen Mitteln, wenigen, aber gewichtigen Worten, nicht selten nur durch die Beschreibung eines Blicks, einer Geste, eines Geräusch, das von irgendwoher dringt. Vor allem aber durch die bewundernswert aufmerksam beobachteten und dann genauso bewundernswert präzis wiedergegebenen Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonistin.
    Erzählt wird auch vom Leben, und zwar von seinem steten Verlauf. Nicht nur die Entwicklung vom Kind zur Frau oder zum Mann bringen dauernd Veränderungen, nein, alle sind ständig unterwegs. Man wechselt die Häuser, die Wohnorte, zieht in ein anders Dorf, in einen Vorort, man fährt in die Stadt. Immer aufs Neue muß man das Unbekannte für sich entdecken und erobern. Güls Wegzug in ein fremdes Land ist nur die größte Reise, der längste Weg, den sie auf sich nimmt, vor der allerletzten Reise, dem Tod.
    Stabilität geben der Ablauf der Jahreszeiten, - deren Beschreibung ich, auch wenn ich es schon hundertmal in anderen Romanen gelesen habe, hier wieder ganz neu genossen habe - , die Familie, gleich, ob in Freud oder Leid, Feste und Feiern und der eine oder andere vertraute Gegenstand, Melikes Ball z.B.
    Timurs Brautbett, das halb erschwindelt selbst geschaffene, das heißgeliebte, oft verliehene und schließlich zerstörte, ist ein ganz überraschendes, wunderbar-wunderliches, eindrückliches, hinreissendes und nicht zuletzt komisches Symbol für das Leben und die Menschen.


    Was mich ein wenig gestört hat, war, daß vor allem die Generation der jüngeren Männer recht stereotyp beschrieben wurde, so, als hätte sich die schöpferische Phantasie ganz den Frauengestalten gewidmet und für die Männer zu wenig übrig gelassen.
    Gestört hat mich auch ein gelegentliches hartes Gefälle in der ästhetisch-stilistisch anspruchsvollen Sprache. Ein Wort wie ‚klauen’ stößt da auf oder ‚mal’ für einmal, bei den Schimpfwörtern müßte einem doch etwas Bildhafteres einfallen, als das übliche ‚ficken’ und ‚verschissen’, wobei gerade das erstere so abgenutzt ist, daß es schon fast seine Bedeutung verloren hat, vom toten Klang gar nicht zu reden.


    Das beeinträchtig den Gesamteindruck aber nicht.
    Wie gesagt, ein echter Roman, ein Panorama des Lebens, vielschichtig, ein Erlebnis. Gut.
    Ich wünsche ihm weite Verbreitung und vor allem, daß Güls auch Geschichte als [I]Roman[/ gelesen wird und nicht nur als ethnologischer Beitrag zum Leben irgendwo in Anatolien.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus