'Siddharta' - Vierter Teil: "Om"

  • Zum erstenmal in seinem Leben verspürt Siddharta Schmerz und Verlust. Dass ihm sein Sohn so kalt und herzlos den Rücken gekehrt hat, tut weh. Aber er hilft wohl mit, dass Siddharta seine Nabelschau beendet und seinen Horizont erweitert. Und siehe da: Siddharta ist nicht der Mittelpunkt des Universums.


    Die letzten Seiten sind mir ein wenig zu philosophisch, aber trotzdem schön zu lesen. Und der für mich schönste und wichtigste Satz des Buches bringt das letzte Wiedersehen mit Govinda. Allein dieser Satz ist es mir wert, das Buch gelesen zu haben: Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Wie Recht du hast, Siddharta :anbet

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Ich fand den letzten Teil ehrlich gesagt am schönsten. Es entstehen Konflikte wie die zwischen ihm, seiner Liebe zu seinem Sohn und seinem Lebensziehl, der Erlösung.
    Schließlich hätte er mit seinem Sohn auch in die Stadt gehen können, ihn schlagen/umerziehen können und seine Liebe vll. wiederfinden können. Gleichzeitig aber hätter er keine Erlösung gefunden!
    Des Weiteren habe ich mich auch gefragt ob es von seiner seite her überhaupt richtig war, den Sohn gehen zu lassen, wo er sich doch denken kann, was dieser ohne ihn nur werden konnte: Irgendein selbstsüchtiger armer schlucker, was Siddartha aber statt es irgendwie zu verhindern einfach geschehen lässt um Erlösung zu finden.


    Was mir sehr gut gefiehl war die Tatsache, dass er Erlösung im Fluß /Wasser (meinem lieblings Element) fand, dass überall gleich ist und sich vor ihm genauso befindet, wie es sich in der weit entfernten Quelle befindet.


    Wahrscheinlich sind es einfach die philosophischen Güter die mir genau den Teil zum Liebsten machen!

  • durch seinen Sohn spürt Siddhartha zum ersten Mal, was es heißt, von ganzem Herzen zu lieben. Das hat mich sehr berührt. Auch die Trauer, als sein Sohn aus seinem Leben verschwindet, Siddhartha tat mir da richtig leid :-(


    Mit der Schlusserkenntnis hatte ich so meine Schwierigkeiten: ich ahne zwar, was gemeint ist, kann es aber nicht so wirklich greifen oder in Worte fassen.


    Ich schreib mal, wie ich das so verstanden habe, bitte korrigiert mich, wenn ich Blödsinn erzähle: Siddhartha erkennt, dass es nichts bringt, zu suchen, sondern dass das Finden im Hier und Jetzt die wahre Erleuchtung bringt?


    Also, dass alles, was geschieht, ob gut oder schlecht eigentlich die Antwort auf alle Fragen ist? Man muss es nur wahrnehmen, in jedem Moment des Lebens.


    Ist also das Bewusstsein für den Moment und die Gegenwart die Antwort und die wahre Erleuchtung?


    Ich fand diesen Satz hier sehr schön, den Siddhartha seinem Freund Govinda sagt:


    "Suchen heißt: ein Ziel haben. Finden aber heißt: frei sein, offen stehen, kein Ziel haben. Du , Ehrwürdiger, bist vielleicht in der Tat ein Sucher, denn, deinem Ziel nachstrebend, siehst du manches nicht, was nah vor deinen Augen steht."


    :anbet

  • :lache Das erinnert mich an den Witwer von Venedig: Wer nicht sucht der findet.


    Aber genau so hab ich das auch verstanden: nicht das Suchen bringt die Erlösung. Wenn man aber das hier und jetzt erkennt statt blind seinem Ziel hinterher zu hechten, der findet die Ewigkeit/Nirwana

  • Ihr Lieben,


    gestern Abend habe ich den Siddhartha zu Ende gelesen - und aufgegeben.
    Ab Seite 60 habe ich zwar noch gelesen, aber immer mit Blick auf die Uhr und auf die letzte Seite: Wie lange geht das denn nun noch?


    Das Buch kam mir vor wie eine endlose Erweckungshymne. Meine Tochter fand schlicht: "Du bist zu alt. Siddhartha liest man bis spätenstens 25. Danach langweilt man sich dabei."


    Nun bin ich an sich kein großer Fan der "Erbauungsliteratur". Aber ich möchte die Frage gern euch stellen:


    Ist man irgendwann zu alt für den Siddhartha?


    Viele seiner Erkenntnisse sind mir im Laufe meines 41jährigen Lebens auch schon zu Teil geworden. Viele seiner Erfahrungen habe ich - auf eine andere Art und Weise - ebenfalls schon gemacht, so dass ich nicht wirklich Neues erfahren habe. Den Steppenwolf habe ich als Teenager wie die Bibel gelesen. Jeder Satz eine neue Offenbarung. Heute würde ich dieses Buch höchstwahrscheinlich auch anders lesen.

  • Hallo Ines,


    Zitat

    Original von Ines als Gast
    Das Buch kam mir vor wie eine endlose Erweckungshymne. Meine Tochter fand schlicht: "Du bist zu alt. Siddhartha liest man bis spätenstens 25. Danach langweilt man sich dabei."


    Ist man irgendwann zu alt für den Siddhartha?


    *grins* Ich würde ja mit Mäkel verhandeln, ob sie die Altersgrenze noch ein wenig hochsetzen kann. Werde dieses Jahr 30. :wow


    Mir dreht sich immer der Magen um, wenn ich für irgendetwas "zu alt" werden sollte. Das ist diskriminierend. :fetch


    Zu alt ist man sicherlich nie, ich bereue es zumindest nicht, den Siddhartha in die Hand genommen zu haben. Ich habe aber noch kein abschließendes Urteil gefällt.


    Ansonsten war das vierte Kapitel auch das schwächste für mich. Ich habe die Lektüre 2 Seiten vor Schluss abgebrochen. Das ist mir eigentlich noch nie passiert.
    Aber ich werde die restlichen Seiten auch noch lesen.


    Lieben Gruß,


    die Fride. :wave

  • Liebe Friderike,


    der Mäkel lässt leider keinerlei Verhandlungsspielraum zu, so lange es sich um die Mutter handelt.
    Dir würde sie bestimmt noch Jugend bis 35 zugestehen.


    Und ich finde es auch gar nicht schlimm, für bestimmte Dinge zu alt zu sein. Wenn ich mir nur vorstelle, ich müsste Eminem hören! Oder bei der Kälte bauchfrei rumrennen!


    Ich bin sehr gespannt auf dein Endurteil, Friderike. Allerdings glaube ich nicht, dass die letzten beiden Seiten noch der große Reißer sind.


    Ist dir aufgefallen, wie sich die Sprache mitverwandelt?


    Grüße von Ines

  • • Den Neid, den Siddhartha verspürt, wenn er andere Väter mit Kinder übersetzt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Den Neid verspüre ich immer wieder, wenn ich Eltern mit ihren Sprösslingen sehe und ich meine Kinderlosigkeit betrauere.
    • Der Blick auf den Fluss, wo Siddhartha seinen Vater, sich und seinen Sohn sieht, erinnerte mich an das Bild von Klimt: Drei Generationen, nur dass es sich dabei um Frauen handelt.
    • Nachdem ich den Einstieg in das Buch geschafft habe, fand ich es dann ganz nett, obwohl ich schon weit über 25 bin. :lache Ich denke, es kommt eher auf die selbst gemachten Erfahrungen, Schicksalsschläge,… an. Sollte ich das Buch in vielen Jahren mal wieder lesen, sehe ich das Buch vielleicht mit ganz anderen Augen, habe ganz andere Eindrücke, auch ganz andere Erfahrungen zwischendurch gemacht. Auf jeden Fall bin ich jetzt ganz froh, dass ich es dank der Leserunde tatsächlich gelesen habe.
    Alice und @ mina: Die beiden Zitate sind auch bei mir haften geblieben, fand ich sehr eindrucksvoll. Außerdem habe ich mir das notiert: „In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden.“ Das werde ich mir vielleicht mal als Motto nehmen.

  • Hallo Ines,


    ich kann das Mäkel (welch Nick, übrigens) verstehen. Bei meiner Mutter bin ich auch immer kritischer als bei anderen Personen. ;-)


    Vielleicht kann ich auf eine Liste von Literatur von Mäkel hoffen, die meinem Alter angemessen ist? Oder Literatur, die ich dringend noch lesen muß, bevor ich die magische 30 überschreite? :grin


    Zitat

    Und ich finde es auch gar nicht schlimm, für bestimmte Dinge zu alt zu sein. Wenn ich mir nur vorstelle, ich müsste Eminem hören! Oder bei der Kälte bauchfrei rumrennen!


    *gg* Ja, es hat manchmal auch Vorteile, zum "reiferen" Alter zu gehören.


    Zitat

    Ist dir aufgefallen, wie sich die Sprache mitverwandelt?


    Ja, sie erscheint mir jetzt bodenständiger, nüchterner geworden zu sein. Unter Umständen auch sachlicher. Nicht mehr so "abgehoben" wie am Anfang des Buches. Vielleicht ist aber bei mir auch bloß eine Gewöhnung eingetreten.
    Aber auch da werde ich nochmal nachlesen...


    Lieben Gruß,


    die Fride. :wave

  • Friderike,


    es heißt "DER Mäkel". Aber frag mich nicht, warum. Der Name ist übrigens seit Jahren der Spitzname und mehr als ein Nick.


    Ich habe noch ein bisschen nachgedacht. Vielleicht bin ich ein bisschen überheblich gewesen. Immerhin "arbeitet" Siddhartha ziemlich an sich, mit sich, stellt sich in Frage, will oben und unten, links und rechts, hinten und vorn kennen lernen, am eigenen Leib erfahren.

  • ICh weiß nicht ob das am Alter liegt, aber mir ging es an einigen Stellen so, dass ich dachte naja, das wußte ich schon länger, dazu muss ich auf keine "Erfahrungsreise" gehen.
    Ich freue mich, dass ich das Buch jetzt durch habe und mich wieder anderen/wichtigeren Lektüren zuwenden kann, aber ich habe nicht bereut es zu lesen.
    Mir gehts wie Alice "Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht.", das ist es was ich von diesem Buch mitnehme

  • hatte so einen schönen Text heute mittag geschrieben und dann *schwupps* alles weg :cry naja, zusammenfassend war das ungefähr so:


    ich bin 30 und irgendwie geht es auch vielen meiner gleichaltrigen Freunde zur Zeit so, dass das doch nochmal so ein Wendepunkt im Leben darstellt.


    Man zieht Resümee, steckt sich neue Ziele, die ersten Klassentreffen nach zig Jahren usw. :grin


    Insofern stellt man sich selbst nochmal in Frage. Man weiß zwar viele Dinge - sei immer Du selbst, handle aus eigenen Maßstäben heraus - aber die Umsetzung ist dann doch manchmal nicht ganz einfach...durch die ganzen gesellschaftlichen Konventionen (z. B. Thema Selbstverwirklichung versus man kann froh sein, überhaupt einen Job zu haben usw.) . Irgendwie sind wir die klassiche "Generation X", die jetz teilweise immernoch etwas orientierungslos durchs Leben schippert - zwar kriegt man alles ganz gut auf die Reihe...aber Selbstverwirklichung...da macht man doch einige Abstriche - oder muss diese zwangsläufig machen.


    Von daher fand ich an diesem Buch sehr schön, dass man nochmal schwarz auf weiß und in geballter Form diese Botschaft hier präsentiert bekommt. Sozusagen eine gute Auffrischung und Erinnerung, bzw. Ermahnung, dass es nun aber wirklich mal Zeit wird, die Selbstverwirklichung an erste Stelle zu setzen :grin

  • Mina,


    meinst du wirklich, die Selbstverwirklichung ist der Sinn des Lebens?
    Und wenn ja, in welchem Sinne meinst du dies?
    Ich habe die Befürchtung, dass mit diesem Zwang nach Individualität und Selbstverwirklichung die Gesellschaft, das Gegenüber auf der Strecke bleiben.


    Mina, bitte fühle dich jetzt nicht angesprochen. Ich kenne dich ja gar nicht, und habe meinen Satz auf die Allgemeinheit und auf das durch die Medien verbreitete Bild des Individualisten bzw. Selbstverwirklichers an sich bezogen.


    Die Juden sagen: Von der Mutter das Blut, vom Vater die Knochen, von Gott die Seele.
    Das heißt nichts anderes, als dass du deine Stärken, Begabungen von Gott erhalten hast und die Verpflichtung besteht, diese deine Gaben der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Nun kann man diesen Satz auch für sich verwenden, wenn man nicht an Gott glaubt.
    Selbstfindung also mit dem Endzweck, die Gemeinschaft zu bereichern.
    So ähnlich habe ich auch Siddhartha verstanden.


    Welchen Zweck also hat alle Suche, wenn sie sich nicht letzten Endes an die Gemeinschaft wendet?

  • Zitat

    meinst du wirklich, die Selbstverwirklichung ist der Sinn des Lebens?
    Und wenn ja, in welchem Sinne meinst du dies?
    Ich habe die Befürchtung, dass mit diesem Zwang nach Individualität und Selbstverwirklichung die Gesellschaft, das Gegenüber auf der Strecke bleiben.


    Jetz wirds schwierig, ich hoffe, ich kann das einigermaßen ausdrücken, wie ichs meine:


    Ich sehe das etwas anders, denn ich finde, das eine (Selbstverwirklichung) schließt das andere (Gemeinschaftsdenken) nicht aus.


    Allerdings sehe ich in dem Begriff Selbstverwirklichung auch einen durchweg positiven Begriff...ich weiß nicht, ob das bei Dir auch so ist?


    Ich finde, man kann sich selbst verwirklichen, ohne dass das Gegenüber auf der Strecke bleibt. Wenn man sich selbst gefunden hat und sich verwirklicht, entwickelt man sich denke ich zu einem sehr friedliebenden, entspannten Menschen ...man muss sich nicht mehr profilieren, oder andere schädigen (wie es jedoch häufig der Fall ist, wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist, bzw. Frust schiebt, weil man sich selbst nicht verwirklicht hat).


    Sozusagen profitiert die Gemeinschaft ja von dieser (Selbst-)Zufriedenheit/Ausgeglichenheit.

  • Mina,


    es ist gut möglich, dass wir dasselbe mit unterschiedlichen Worten gesagt haben. Mir kommt es so vor.


    Selbstverwirklichung also nicht nur um meiner Selbst Willen, um meines Ego Willen, um meine Einzigartigkeit herauszustreichen, sondern Selbstverwirklichung als Lebensziel. Praktisch Selbstverwirklichung auf der Metaebene. Entwicklung aller Möglichkeiten, die man in sich hat, um sich selbst - Achtung, jetzt kommt ein sehr sentimentaler Ausdruck - zu vollenden. So wie eine Blume, die man gießt und düngt und beschneidet, damit sie am Ende zu voller Blüte gelangt. (Huch, das ist jetzt ein bisschen kitschig geraten.)
    Ist es das, was du meinst?

  • huhu, Ines :wave,


    Zitat

    es ist gut möglich, dass wir dasselbe mit unterschiedlichen Worten gesagt haben. Mir kommt es so vor.


    Selbstverwirklichung also nicht nur um meiner Selbst Willen, um meines Ego Willen, um meine Einzigartigkeit herauszustreichen, sondern Selbstverwirklichung als Lebensziel. Praktisch Selbstverwirklichung auf der Metaebene. Entwicklung aller Möglichkeiten, die man in sich hat, um sich selbst - Achtung, jetzt kommt ein sehr sentimentaler Ausdruck - zu vollenden. So wie eine Blume, die man gießt und düngt und beschneidet, damit sie am Ende zu voller Blüte gelangt. (Huch, das ist jetzt ein bisschen kitschig geraten.)
    Ist es das, was du meinst?


    ja, so mein ich das :-) Hatte auch beim Schreiben so den Eindruck, dass wir eigentlich das gleiche meinen.


    Hab manchmal etwas Schwierigkeiten, meine konfusen Gedanken präzise aufs Papier zu bringen :grin

  • Zitat


    Ist man irgendwann zu alt für den Siddhartha?


    Siddharta begleitet einen bestimmten Entwicklungsschritt des Selbständigwerdens. Wann Du den machst, ist im Prinzip egal, aber man sollte ihn machen.


    Danach verliert der Roman eine gewisse Brisanz.


    Ist so ähnlich wie wenn Leute um die 40 sagen, der Kleine Prinz wäre ihr Lieblingsbuch.