Gute Schriftsteller vs. "böse" Schriftsteller?

  • Zitat

    Original von Babyjane
    Wieso wird um die Vergangenheit EINES einzelnen alten Mannes ein solcher Wirbel veranstaltet? Versteh ich nicht und erachte ich als Wichtigtuerei.



    Diese Vermutung kann durchaus richtig sein. Grass ist halt auch jemand, an dem sich die Geister scheiden, ein Mensch der unheimlich polarisiert. Ich finde seine Bücher phantastisch, habe sie alle mit Begeisterung gelesen, der Mensch Grass aber, ich muss zugeben, ich kenne ihn lediglich aus dem Fernsehen, ist mir zutiefst unsympathisch. Er macht auf mich den Eindruck, das ist natürlich jetzt ganz subjektiv, als sei er im Besitz der absoluten Wahrheit.


    Und wer austeilt, der muss auch einstecken können - Grass kann offenbar nicht so gut einstecken.

  • Meiner Meinung nach sagt die öffentliche 'Diskussion' weniger über Grass als über ein eigentümliches Verhältnis zwischen der Presse, ihren Lesern und Schriftstellern hierzulande aus.
    Und über unser immer noch schräges Verhältnis zur NS-Vergangenheit.


    Ein Autor als moralische Instanz, na, okay. Manche Leute wollen sowas sein, aber es muß auch welche geben, die ihnen dabei helfen, daß sie das werden.
    Wieso haben wir eigentlich stets diesen Hang, an den Lippen irgendeines zu hängen, der was sagt?


    Brauche ich Grass, um Bitburg zu kritisieren?
    Brauche ich einen 'Großen' vor meiner Nase?
    Und wieso macht ihn das zu einem bessern Menschen als Otto N. von nebenan, der das gleiche vertritt, weil er von selber drauf gekommen ist, es aber nicht in den großen Presseorganen verkündet, sondern an der Theke der Stammkneipe?
    Oder all die, die damals demonstriert haben?



    Dann:
    Grass war doch nie eine 'übergeordnete' Instanz, sondern immer ganz klar einer der bürgerlichen Parteien zuzuordnen. Schon da habe ich große Probleme mit der 'kritischen', 'unabhängigen' Meinung. Manchmal hatte er sie, bei manchen Fehltritten seiner Partei nicht.


    Es ist 'seine' Meinung, aber sie ist auch nicht wichtiger als die von anderen.
    Sie wird bloß wichtiger gemacht, weil einem eingeredet wird, daß wir Idole brauchen, Vorbilder oder weiß der Geier was.
    Bräuchten wir die, wären wir nicht jede und jeder mit einem eigenen Kopf ausgestattet worden, sondern hätten Modell A (weiblich) oder B (männlich) aufgeschraubt.


    Schließlich wundere ich mich grad über die bürgerliche Presse, die dabei ist, mit Grass eben das zu machen, was sie seit Gründung der BRD (fälschlicherweise) der Linken vorwirft:
    nämlich zu verlangen, daß jede und jeder unter den Nazis Held gewesen sein soll.
    Von der Art, wie eben diese Zeitungen mitverhindert haben, daß hier die berüchtigte Vergangenheit aufgearbeitet wird, gar nicht zu reden.


    Dazu addiere ich noch einen Gutteil Sensationsgier, Öffentlichkeitswahn, Wichtigtuerei und Altmännergeschwätz.


    All das ändert nichts an Grass' Büchern und ihrer Güte (ich persönlich kann nichts damit anfangen weder sprachlich-stilistisch noch inhaltlich).


    Es ändert auch nichts daran, daß ich mir, wann immer ich sehr alten Menschen begegne, die Frage stelle, was sie eigentlich zwischen 1933 und '45 gemacht haben.
    Oder nach '49. Und die etwas jüngeren '68 oder '71 oder 1977. Oder...


    Wer unter euch ohne Schuld ist...


    Ansonsten: irgendwie noch Sommerloch, oder?



    @BJ


    nimm den Kopf aus der Sonne.
    Wie um alles in der Welt kommst Du bei Grass auf Schmuddel???
    Du hast Ideen!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ Ikarus
    Von Grass selbst oder warum kommt er jetzt damit um die Ecke?? Genau jetzt, als es um Mr. Nobelpreisträger ruhig zu werden schien?


    @ Magali
    Sorry, aber kleine Jungs die unter den Röcken ihrer Großmütter hocken und sich über deren "Pflaume" auslassen und andere Absonderlichkeiten aus der Blechtrommel, so wie die auf einem Schiff onanierenden Kinder die ihre Samen dann mit Dreck vermischen und einer Ahnungslosen zu essen geben, findest du nicht schmuddelig? (Katz und Maus) Sorry, trifft weder meinen Geschmack noch finde ich es niveauvoll. Sowas muß ich nicht lesen, das stößt mich ab. Wenn ich sowas lesen will, dann kauf ich mir ein Pornoheftchen und kein Buch eines Nobelpreisträgers.
    Wie gesagt, ich verstehe den Rummel um Grass nicht, aber das liegt daran, daß ich weder ihn noch seine Bücher mag und der Meinung bin, daß ein einzelner Mensch niemals so wichtig sein kann, wie er sich nimmt. :-]

  • Zitat

    Original von Babyjane
    so wie die auf einem Schiff onanierenden Kinder die ihre Samen dann mit Dreck vermischen und einer Ahnungslosen zu essen geben, findest du nicht schmuddelig?


    Jane, du bist sicher ohne Brüder und deren Spielkameraden aufgewachsen. :grin

  • @BJ


    Du kannst doch die beiden Bücher nicht auf solche Szenen reduzieren.
    Abgesehen davonm, daß sie abstoßend sein sollen.
    Sowohl die Geschichte, die Pilenz von Mahlke erzählt wie auch Oskar Mazeraths Geschichte spielen in schrecklichen widerwärtigen Zeiten.
    Die Darstellung ist also auch ein Mittel. Gehört auch zum Bereich Handwerk.


    Natürlich muß man das nicht lesen, mein Autor ist das auch nicht.


    Auf die Fragen, was denn Niveau ist oder was das mit dem Nobelpreis zu tun hat oder ob der überhaupt irgendeinen Sinn hat, gehe ich gar nicht erst ein ;-)


    Ob Grass' Geständnis nur damit zu tun hat, wie wichtig er sich nimmt?
    Zum Teil.
    Es zegt aber auch, daß für endgültige Geständnisse irgendwie nie der richtige Zeitpunkt ist.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Es zegt aber auch, daß für endgültige Geständnisse irgendwie nie der richtige Zeitpunkt ist.


    wieso? kurz vor herausgabe seiner - vielleicht sonst nicht so sehr von der öffentlichkeit beachteten - biographie? gibt es einen besseren zeitpunkt?


    bo

  • Grass hat seine eigene Vita beschönigt, jetzt hat er diesen Schönheitsfehler rückgängig zu machen versucht. Der Hintergrund und m.E. die Absicht dahinter ist, die im September erscheinende Biographie "Beim Häuten der Zwiebel" zu verkaufen. Das gelingt auch; der Titel steht weit oben in den Vorbestellungs-Bestsellerlisten. Unsere alten Herren zetteln Skandale an, um ihre Alterswerke zu verscherbeln, das hat Walser mit "Tod eines Kritikers" gut vorgemacht. Ich empfinde es persönlich als verachtenswert, jahrzehntelang mit erhobenem Zeigefinger durch die Republik zu geistern (und ich rede hier nicht von vermeintlichen Denunziationen, die m.E. auch nie stattgefunden haben), sich aber bei der eigenen Vita schönzufärben. Und Herr Grass war freiwillig bei der Waffen-SS.

  • Zitat

    Original von Tom
    Und Herr Grass war freiwillig bei der Waffen-SS.


    Tom, das stimmt nicht, was Du da schreibst.


    Laut dem Original-Interview nach Iris K. Link weiter oben, hat er das nicht freiwillig getan.


    Zitat: "Als Fünfzehnjähriger hatte er sich noch als Hitlerjunge freiwillig zu den U-Booten gemeldet, mit siebzehn wurde Grass einberufen und kam vom Arbeitsdienst zur Division „Frundsberg“, die zur Waffen-SS gehörte."


    Und niemand hat hier m.W. behauptet, er habe andere denunziert...sondern - genau wie Du - behaupten mehrere (und auch ich), dass er mit zu sehr erhobenem Zeigefinger durch die Gegend gegeistert ist.


    Für eine voreilig hitzige falsche Ausdrucksweise habe ich mich schon entschuldigt.


    Wäre nur fair, wenn andere das auch ab und zu täten!

  • Zitat

    Original von Tom
    Der Hintergrund und m.E. die Absicht dahinter ist, die im September erscheinende Biographie "Beim Häuten der Zwiebel" zu verkaufen.


    Yo..seh ich genauso
    Und je mehr darüber "gebabbelt" wrd, desto mehr wird verkauft..uralter Trick

  • Zitat

    Original von bogart


    wieso? kurz vor herausgabe seiner - vielleicht sonst nicht so sehr von der öffentlichkeit beachteten - biographie? gibt es einen besseren zeitpunkt?


    bo


    Nicht, wenn Du ein Buch verkaufen willst.


    Aber das mit dem falschen Zeitpunkt trifft auch für 'echte' Geständnisse zu.
    Das ist der Unterschied zwischen Leben und Roman.
    Im einen läuft alles auf den eigentlichen Zeitpunkt hin, DAS Ereignis, im wahren Leben verwickelt es sich einfach in der Unzahl von Ereignissen selbst in einer Minute.


    Und erhobener Zeigefinger oder nicht, was geht der mich an?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Zitat

    Original von Wilma Wattwurm


    Jane, du bist sicher ohne Brüder und deren Spielkameraden aufgewachsen. :grin


    Ich habe zwei Brüder und ich habe immer mit Jugns gespielt, sorry, aber auf solche Ideen sind wir ganz bestimmt nie gekommen.
    *Fühlt mal kurz die Stirn der Wattwürmin, ob da auch alles schön kühl ist*


    @ Magali
    Und ob ich das kann... :grin

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Was macht eigentlich die Marquis de Sade Leserunde?


    Nudelsuppe ...


    Gestern kam übrigens ein kurzes Interview mit Grass in den Nachrichten, wo ihm die Frage gestellt wurde, warum er denn erst jetzt seine Mitgliedschaft in der SS zugäbe. Hat es jemand gesehen von Euch?


    Seine Antwort war, falls ich mich recht erinnere, vom Tenor in etwa so (ohne Gewähr auf originalgetreue Wiedergabe): "Steht im Buch. Ich habe 3 Jahre gebraucht, um es zu schreiben."


    ..................................................


    Nun denn...würde Wittgenstein (aus "Lycidas" - Buch von Christoph Marzi) sagen...


    Eben!

  • Zitat

    Original von inga
    zur waffen-ss konnte man nur freiwillig kommen, einberufen wurde man zur wehrmacht. das ist ein himmelweiter unterschied.


    lg inga


    Hallo, inga


    Was du schreibst, war zu Beginn ganz sicher so. Zum Kriegsende hin sah die Sache allerdings anders aus: Da wurde abwechselnd zur Wehrmacht oder zur Waffen-SS eingezogen, mal komplette Jahrgänge oder Schulklassen, mal auch nach dem Schema "Abzählen eins-zwei".


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag

  • Da muss ich Blaustrumpf zustimmen.
    Im letzten Kriegsjahr zog auch die SS wegen der hohen Verluste Wehrpflichtige ein. Oftmals wurden auch Wehrmachtsverbände nach einer Umgliederung der SS unterstellt.
    Ich glaube, der 17 jährige Grass wird es sich nicht ausgesucht haben dürfen in welcher Uniform er dienen will.