'Werte' - Glaube und Vernunft

  • Der Beginn dieses Kapitels unterscheidet sich vom vorigen "Natur und Kultur" dadurch, daß hier wieder eine persönliche Note miteinfließt.
    Mir ist aufgefallen, daß Augustinus wiederholt zitiert wird - jetzt werde ich doch früher zurückblättern, als ich vorhatte :grin.
    Aber das macht den Reiz eines Lesebuches aus.


    Außerdem habe ich meine Lesestrategie abgeändert, ich werde ab sofort nicht mehr mit der Einleitung beginnen, sondern mit den ausgewählten Texten. Da bin ich dann mitten im Thema und gönne mir quasi als Abrundung die Einführung, die mir dann noch mal als roter Faden und Gesamtzusammenfassung dient.

  • Zitat

    Original von Eli
    Der Beginn dieses Kapitels unterscheidet sich vom vorigen "Natur und Kultur" dadurch, daß hier wieder eine persönliche Note miteinfließt.


    Wie schon bei der Einleitung zu Leben und Sinn kann ich auch Peter Pranges eigene Beziehung zu Glaube und Vernunft sehr teilen. Das Bedürfnis nach Glauben ohne glauben zu können, kann sehr schmerzhaft sein.


    Ich bin sehr froh, dass aus Dantes Göttlicher Komödie etwas aus Paradies ausgewählt wird. Ich bin nämlich nie über Inferno hinausgekommen. Ein Schicksal, das ich vielleicht mit Vielen teile?


    Und für mich voraussichtlich das Highlight: Anna Karenina von Tolstoi. :-]
    Aber Anna tritt in diesem Abschnitt nicht auf, sonder nur Lewin, Tolstois Alter Ego der die Glaubens- und Identitäswandel seines Autoren widergibt.
    Ich habe Tolstoi lange nicht lesen können. Mit Anfang bis Mitte 20 konnte ich mehr mit Dostojewskis Weltschmerz in "Beleidigte und Erniedrigte", "Arme Leute", "Aufzeichnungen aus einem Kellerloch" etc anfangen. Erst in den letzten Jahren fande ich Zugang zu Tolstoi. Umso mehr freu ich mich, ihn hier wiederzutreffen.


    Mit Don Juan gibt es einen (fast 300 Jahren älteren) Bruder im Geiste von Homo Faber,
    dieser Ausschnitt hat Witz. :lache


    Kant: Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen … gerne zeitlebens unmündig bleiben.
    Es ist so bequem, unmündig zu sein.
    …unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen


    Quälende Selbsterkenntnis beim Lesen. Ist Kant immer so schmerzhaft?



    Noch habe ich einiges in diesem Kapitel vor mir!

  • Glaube und Vernunft - puh, bestimmt ein explosives Kapitel und für mich persönlich absolut kein Widerspruch!


    "Doch gleichgültig, wie die Frage sich mir stellt, die Antwort bleibt am Ende stets meine Entscheidung - ich und niemand sonst kann sie für mich treffen." :anbet
    Vielleicht sollte man sich dies in jeder Diskussion über Glaubensthemen vor Augen halten ;-)


    Aristoteles
    Die reine Vernunft ist unempfänglich für äußere Eindrücke, weil gottgegeben. Hm, das wäre schade, dann wäre weder Lernen möglich noch in Handlung umzusetzen.


    Pascal
    Des Menschen Pflicht, ist richtig zu denken. Ein hehrer Anspruch, doch wer beurteilt, was richtig und was falsch ist? Und reicht richtiges Denken aus oder zeichnet sich der Mensch nicht gerade durch durchdachte Handlungen aus?


    Molière
    Köstlich!!! Vor allem der Schluss des ausgewählten Abschnitts: "Mir genügt es, dass Sie verdammt sind" :lache :anbet


    Kant
    Wohl die berühmteste Definition der Aufklärung und wie Herr Palomar schon sagte, schmerzhaft die Bemerkung über die Bequemlichkeit des Unmündigseins :write


    Nietzsche
    Wie begründet er eigentlich die Annahme, Gott sei tot? Weil er ihn sucht und nicht findet? Bitte um Hilfe! :help


    Unamuno
    Habe ich leider nicht verstanden :-(


    Einstein
    MEIN Highlight in diesem Kapitel! :anbet Zunächst sehr interessant seine verschiedenen Religionsbegriffe: Furcht-Religion, soziale/moralische Religion und kosmische Religion. Die Entwicklung der ersten beiden Religionsarten nennt er Fortschritt, ist es nicht auch Teil der Kultur?
    Die Verbindung von Gott - Kunst - Wissenschaft, die Einstein hier vorlegt, ist einfach phänomenal: Gott als Ursprung der Naturgesetze, Religiosität als Bewunderung und Versuch des Begreifens :anbet


    ----------------------
    Dieses Kapitel hat mich inspiriert zu:
    - Moliére
    - im Anschluss an dieses Buch, die Einstein-Biographie aus dem SUB zu ziehen :-]
    -----------------------


    Von hier werde ich als nächstes zu dem Kapitel "Fortschritt und Skepsis" springen, das bietet sich so schön an :-) :wave

  • Zitat

    Original von milla
    Dieses Kapitel hat mich inspiriert zu:
    - Moliére
    - im Anschluss an dieses Buch, die Einstein-Biographie aus dem SUB zu ziehen :-]


    Und mich zu Moliere und Kant!
    Wie soll das mit diesem Buch eigentlich noch enden? :lache
    Am Schluß hat man 50 und mehr zusätzliche Büche rzu lesen :wow

  • Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, sagt Kant.
    Sapere aude!, zu wissen wage!, sagt Horaz!


    Ich mußte bei diesem Text über die Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? an Maria Montessori und ihre Montessori Pädagogik denken.


    "Montessori-Pädagogik bedeutet, Kinder in ihrer Persönlichkeit zu respektieren, ihnen achtsam zu begegnen und sie auf ihrem Entwicklungsweg liebevoll und hilfsbereit zu begleiten. Unter diesen Gesichtspunkten ist es möglich, Kindern eine "Vorbereitete Umgebung" zu schaffen, in der sie nach ihren ganz persönlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen tätig werden können, eine Tätigkeit, die Voraussetzung ist für Entwicklung und Lernen. "


    Schön, daß viele Kindergärten und mittlerweile auch Schulen diesen Ansatz versuchen umzusetzen und ihn gemeinsam mit unseren Kindern leben!
    Diese Kinder werden Mut genug haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen!

  • Mein Favorit ist auch Einstein ;) - hab von diesem Kapitel aber auch noch gar nicht mehr als den Einleitungsteil gelesen.
    Aber schon der hat viele Fragen in mir hervorgerufen... wie das eben immer so ist.
    Traurig nur der Gedanke nicht beten zu können, wenn man sich danach sehnt. Stelle ich persönlich mir unerträglich vor.
    Aber es ist schon faszinierend, immer wieder davon zu hören, dass auch eigentlich vollkommen ungläubige Personen, die den Glauben an eine höhere Macht "kindisch" und albern finden, in bestimmten Lebenssituationen das Bedürfnis verspüren mit Gott zu reden. Also muss ja ein gewisser Grundglaube ganz tief in jedem irgendwo verankert sein.


    Naja wie auch immer - ich habe gerade nicht mehr Zeit - jedenfalls wünsche ich niemandem in einer schrecklichen Situation die Sehnsucht nach einem Gespräch mit Gott nicht erfüllen zu können.
    Oft ist es schon das alltägliche Glockenläuten der Kirche, das einen innerlich beruhigt.


    Gespannt auf den Rest des Kapitels, werde ich mich bestimmt irgendwann wieder äußern.
    Liebe Grüße,
    anna

    "Wer Angst vor Büchern hat, hat in Wirklichkeit Angst vor dem Leben."
    - Peter Prange in "Die Philosophin"

  • @ eli
    Inwiesofern?


    ....."ist mir nicht ganz verständlich" ist mir nicht ganz verständlich. Bitte um Erläuterung.



    @ milla


    Ich meine Nitsche setzt sich mit der Tatsache auseinander. das wir uns zu Gott gemacht haben und Gott damit getötet haben wir suchen ihn nicht mehr, glauben ihn als altes Ammenmärchen überwunden zu haben und stehen gleichzeitig vor einer Realität mit der wir nicht zurande kommen..

  • Glauben und Vernunft, ein schwieriges Begriffspaar. Schließen sie einander wirklich aus?


    Ich denke gerade im Molieretext kann man sehen, wie sie miteinander funktionieren können. Trotz all unserer Wissenschaft gibt es eben immer noch Bereiche - und dabei u.a. die Elementarsten - die wir uns mit unserer Vernunft, sprich mit gesichertem positiven Wissen, nicht erklären können und gerade in diesem Bereich hat Glaube noch sehr viel Platz.


    Bei Kant war ich zuerst einmal überrascht einen sprachlich leicht verständlichen Text vorzufinden. Normalerweise treibt er es mit seinen Sätzen an die Grenzen der Verständlichkeit.
    Dieser Text ist mir wirklich erschreckend aktuell vorgekommen. Sapere Aude! wäre heute wieder sehr gefragt. Nun wo wir all die Freiheiten haben, um diesen Gedanken leben zu können, wird dieser immer öfter wieder geringergerschätzt. Man braucht sich ja nur anschauen, wie in ganz Europa die Wahlbeteiligungen stätig sinken, Bildung in der Gesellschaft immer einen geringeren Stellenwert erfährt.


    Über den Nietzschetext muss ich nocheinmal nachdenken. So ganz hat er sich mir noch nicht erschlossen.

  • an taciturnus: nein, Glaube und Vernunft schließen einander nicht aus. Zumindest nicht nach unserem Verständnis: In zweieinhalb jahrtausenden haben wir Europäer es geschafft, diesen (eigentlich logischen) Widerspruch für uns aufzulösen: Logos und Offenbarung durchdringen und bedingen einander - so unser Verständnis. Dies war übrigens auch die eigentliche Aussage der berühmt-berüchtigten Rede von Papst Benedikt in Regensburg, die so heftige Reaktionen hervor gerufen hat. Titel der Rede: "Glaube und Vernunft". Zufall?

  • <Iris schleicht sich lautlos zur Tür der Leserunde, bleibt stehen, schaut sich vorsichtig um, drückt lautlos die Klinke runter und späht hinein. Schlüpft hinein und setzt sich auf ein Stühlchen im Eck. Lauscht. Wartet.>


    <lange Pause>


    Eigentlich hatte ich mir ja geschworen, keine weltanschaulichen Themen mehr anzufassen ...


    Zitat

    Original von Peter Prange
    In zweieinhalb jahrtausenden haben wir Europäer es geschafft, diesen (eigentlich logischen) Widerspruch für uns aufzulösen: Logos und Offenbarung durchdringen und bedingen einander - so unser Verständnis.


    Grundsätzlich gibt es zwei Strömungen, diese -- und eine, die im Zuge des Rationalismus und Dt. Idealismus immer wirkmächtiger geworden ist und im modernen Positivismus fröhliche Urstände feiert. Eine, die schon in der Reformation versucht hat, die Theologie -- die zuerst genannte Denkschule -- zu "entgriechen".
    Die heute so verbreitete Sicht, daß Glaube und Religion irrational seien, ist auch dem Orient und dem Fernen Osten fremd.
    Die wechselseitige Durchdringung und Bedingung von Glaube und Vernunft ist ein unzeitgemäßes Verständnis. Es gilt als "un(natur)wissenschaftlich", "unempirisch", im besten Falle "akademisch".


    Meine Wenigkeit hat versucht, sich tief in diese erst genannte Denkart einzuarbeiten: Platon, Aristoteles, Plotin -- aber auch die Scholastik, Cusanus ... Dabei kommt man um die Schriften des Christentums nicht herum, und stellt (zumindest bei Kenntnis des Urtextes) fest, daß schon die frühesten christlichen Texte auf diese wechselseitige Durchdringung abzielen.
    Weil es für uns fehlbare, sterbliche Wesen unmöglich ist, die Welt vollständig und durchgängig zu verstehen -- schließlich sind wir ein Teil von ihr --, benötigen wir ein theoretisches Fundament, von dem ausgehend wir uns selbst und die Welt zu begreifen versuchen. und die letzten Fragen lassen sich nciht mehr empirisch "in vitro" überprüfen -- da sind wir darauf angewiesen zu vertrauen.


    Und nichts anderes bedeutet pístis -- Glaube, das ist vor allem: Vertrauen.

  • Mit dem Robbie Williams Text tue ich mir momentan auch ein bisschen schwer. Schon unzählige Male im Radio gehört, über den Sinn nie wirklich nachgedacht. Würde ich ihn nicht in diesem Kapitel vorfinden, wäre ich vermutlich auch nie auf die Idee gekommen, ihn in diese Richtung zu interpretieren.


    Für mich schlägt er in die ähnliche Kerbe wie der Nietzschetxt. Ein glauben verlernen bzw. nie Zugang finden dazu in der heutigen Welt, bei gleichzeitigen bestehenbleiben der Fragen, auf die nun eine Antwort fehlt.


    Meinen Kommentar zum Moliéretext muss ich revidieren, da ich da eigentlich gerade erst einen Widerspruch hineingebracht habe, denn ich eigentlich rausbringen wollte. Da habe ich Vernunft mit Wissen definiert, was nicht das gleiche ist und somit einen Widerspruch zwischen Glauben und Vernunft geschaffen, denn ich selbst nicht sehe.
    Gemeint war, dass man durch das Nichtvorhandensein von exakt wissenschaftlichen Antworten auf elementare Fragen dem Glauben Raum gibt.


    Für das nächste Kapitel werde ich nun auch meine Vorgehensweise ändern. Ich werde jetzt auch zuerst die Texte lesen und dann erst den Text von Peter Prange, da mir aufgefallen ist, dass ich sonst die Texte zusehr im Lichte dieser Erläuterung lese.

  • danke, Iris, Deiner Anmerkung habe ich nichts hinzuzufügen - das Niveau würde nur sinken.


    Zu Robbie Williams: Warum wir ihn hier aufgenommen haben? Weil er die Dämonen kennt, den Geist des inneren Widerspruchs. Ein Typ, der nach den Sternen und den Göttern greift, und gleichzeitig vom Teufel besessen ist. - Kurz: eine moderne Inkarnation des guten alten europäischen Faust. Weshalb die Amis ja auch nichts von ihm wissen wollen.

  • Zitat

    Original von taciturus
    Für mich schlägt er in die ähnliche Kerbe wie der Nietzschetxt. Ein glauben verlernen bzw. nie Zugang finden dazu in der heutigen Welt, bei gleichzeitigen bestehenbleiben der Fragen, auf die nun eine Antwort fehlt.


    Aus dem Nietzschetext hätte ich jetzt "nur" die logischen Konsequenzen aus Kants Kritik der reinen Vernunft herausgelesen -- Erinnerst du dich an die Leserunde zu Wolfram Fleischhauers Das Buch, in dem die Welt verschwand? Genau das wird hier umschrieben!


    Zitat

    Gemeint war, dass man durch das Nichtvorhandensein von exakt wissenschaftlichen Antworten auf elementare Fragen dem Glauben Raum gibt.


    Sofern du damit nicht "Lückenbüßerei" meinst ... :grin


    Nachklapp: Ein bißchen hab ich ja so meine Probleme mit der Phrase namens "exakt wissenschaftliche Antworten" -- zumal gerade die Empirie und die experimentellen Wissenschaften auf Axiomen aufbauen, die per decretum maiorum nicht mehr hinterfragt werden dürfen, ohne daß man seine akademische Zukunft riskiert, und dann baut man sich eine Wissenschaftstheorie, wo das Ergebnis zum Fundament der Grundlagen wird ... aber das unheilvolle Thema hatten wir ja kürzlich erst ... :grin

  • Der Ausdruck "exakt wissenschaftliche Antworten" war bewusst gewählt und könnte man auch durch bewiesenes Wissen ersetzen. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen das Wort wissenschaftliche wegzulassen, da es das ganze wieder schwammig macht. Exakte, sprich abschließende, Antworten allein passt wirklich besser.
    Gerade die Tatsache, dass eben ein großer Teil von heute anerkanntem Wissen (oder besser von der herrschenden Lehre) auf Theorien gestützt ist und eben nicht bewiesen werden kann, war gemeint.


    Dabei spielt der Glaube nicht die Rolle des Lückenbüßers, sondern bietet einen Lösungsvorschlag an.


    Über Nietzsche Kant muss ich noch weiternachdenken, da bin ich noch zu keinem Ergebnis gelangt.

  • Zitat

    Original von taciturus
    Der Ausdruck "exakt wissenschaftliche Antworten" war bewusst gewählt und könnte man auch durch bewiesenes Wissen ersetzen.


    Gefundenes Fressen! :grin


    "Wissen" ist ein Begriff, der eigentlich per definitionem etwas betrifft, was nach wissenschaftlichen Kriterien eine unumstößliche Wahrheit ist.
    Wie paßt das auf Erkenntnisse, die man alle Naslang revidieren muß, weil ein anderer Forscher zu anderen Ergebnissen gekommen ist?


    Mit anderen Worten: Kann es überhaupt Wissen von veränderlichen Gegenständen mithin von der Welt, in der wir leben, geben? Oder machen wir uns da nicht etwas vor?




    Frage an Peter Prange: Welche Übersetzung liegt dem Aristoteles-Text zugrunde? Ich hab mir mehrfach auf die Zunge gebissen ... :grin