Fragen an Peter Prange

  • Hallo Peter,
    werde hier mal den Auftakt machen, weil mir nach dem ersten Kapitel Leben und Sinn die Frage nach deiner Auswahl der Texte unter den Nägeln brennt. Wie bist du vorgegangen, hast du dich chronologisch vorgearbeitet und dann entsprechende Textstellen dazu gesucht oder umgekehrt, zuerst der Text, dann die zeitliche Komponente?
    Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet, welchen Anteil haben Frank Baasner und Johannes Thiele daran und wie lange hat die Konzeptionsphase gedauert? Ich nehe an, so ein Projekt muß ja reifen wie ein guter Käse! :lache

  • Hallo Eli, du scheinst ja keine Scheu vor grundsätzlichen Fragen zu haben… Der Reihe nach: So ein Buch entsteht nicht von heute auf morgen, sondern braucht ein ganzes Leben. Ohne Quatsch: einer der größten Anreize für mich selbst war bei diesem Projekt, dass es mir so eine Art (Zwischen-)Summe in allen großen Fragen des Lebens abverlangte. Manchmal komme ich hier auf Fragen zurück, die mich schon als Schüler beschäftigten.
    Darum, und das klingt nur scheinbar paradox, haben wir das Buch auch sehr schnell geschrieben. Nachdem wir uns über die Grundstruktur (Gegensatzpaare) und die Gliederung (20 Kapitel) geeinigt hatten, konnten wir das Buch in einem halben Jahr fertig stellen.
    Dabei habe ich immer als erstes die Einleitung zu den einzelnen Kapiteln geschrieben, als eine erste Horizonterkundung. Diese stand immer unter einer bestimmten Ursprungsidee – wie ich glaube, dass die Dinge sich im Laufe der Jahrhunderte und quer durch die Genres (Philosophie, Literatur, Theologie, Pop usw.) entwickelt haben. Wären wir umgekehrt verfahren, sprich: von den Texten statt von einer hypothetischen Ordnungsidee ausgegangen, hätten wir uns hoffnungslos verheddert.
    Was dann die Arbeitsaufteilung zwischen Prof. Baasner, Johannes Thiele und mir angeht, s. meine Antwort zu dem Einleitungskapitel.

  • Hallo Peter,
    sehr schön, ein Lebensprojekt!


    Laß uns noch ein bißchen tiefer eintauchen: innerhalb der ersten beiden Kapitel lesen wir wiederholt von Goethe. Haben die Texte besonders gut zum Thema gepaßt, hast du bewußt darauf verzichtet, jemand anderen "zu Worte" kommen zu lassen?
    Wenn ja, warum wolltest du nicht noch mehr differenzieren?
    Umgekehrt sind in den Einführungen teilweise Namen erwähnt, von denen dann im jeweiligen Kapitel nicht mehr zu lesen war, wie z.B. Oskar Kokoschka in Natur und Kultur.

  • das Problem bei diesem Projekt ist die Überfülle an möglichen und sinnvollen Texten. Darum werden manchmal in der Einleitung Texte genannt, die in der Anthologie nicht auftauchen, und umgekehrt. So können wir ein Maximum an Stimmen in möglichst konzentrierter Weise zu Wort kommen lassen. - Zu Goethe: Wenn manche Autoren öfter zitiert werden, hat das einfach mit ihrer Bedeutung und Qualität zu tun. Wir wollen zwar ein wirklich europäisches Spektrum aus allen Nationen, Epochen und Genres abdecken, doch durfte dies nicht in ein Sammelsurium ausarten. Darüber lieber ein paar mal Goethe oder Augustinuns, weil sie einfach epochale Gedanken zu den Themen formuliert haben, die auf uns alle bis heute weiter wirken. Auch und gerade wenn wir das manchmal gar nicht mehr so sehr im Bewusstsein haben.

  • Hallo Peter, :wave
    mich würde interessieren, ob du bei der endgültigen Auswahl der Texte mehr Wert auf allgemeingültige Wirkung der Texte oder auch auf persönliche Bedeutung gelegt hast.
    Gibt es im Extremfall eventuell sogar Texte, die du reingenommen hast (vielleicht auch im Konsens mit den Co-Autoren), aber eigentlich gar nicht so sehr magst?


    Außerdem würde ich noch gerne wissen, von wann das dem Vorwort vorangestellte Zitat von Paul Valery stammt.

  • Hallo Herr Palomar,


    die Textauswahl war natürlich ein Problem. Von folgenden Kriterien ließen wir uns leiten:
    - Qualität geht vor Proporz. Heißt: wir haben versucht, nur solche Texte aufzunehmen, in denen jeder Europäer, egal welcher Nation, sich wieder erkennen kann. Bsp.: Goethes Faust oder Shakespeares Hamlet sind Dramen, die auch jeder Spanier oder Finne als sein Kulturgut empfindet. Bei Mörike oder Uhland wäre ich mir nicht so sicher
    - Quer durch die Genres. Heißt: Bei dem Thema wäre es sehr leicht gewesen, sich auf philosophische Texte zu beschränken. Doch das wäre langweilig geworden. Wir wollten alle Genres dabei haben, bis zur Pop-Kultur. Um z.B. zu zeigen, bzw. fühlen zu lassen, dass in einem Robbie Williams noch ein Faust nachklingt.
    - Proporz wenn möglich. Heißt: Auch kleine Länder sollen, wenn sinnvoll, mit berücksichtigt werden. Bsp: ein Luxemburger Text für Heimatgefühle.
    Soweit die Oberikriterien. Trotzdem schlägt auch immer der persönliche Geschmack durch, Vorlieben und Abneigungen sind spürbar und dürfen es auch sein, zumal wir uns bei dem ganzen Konzept ja für einen sehr subjektiven Zugang entschieden haben. Motto: Subjektivität ja, aber keine Beliebigkeit. Darum sind auch keine Text dabei, die uns wirklich selber contr coeur gehen.
    Zu Valery: Der Text wird später noch in extenso zitiert, Kapitel "Nation und Union"

  • Meine Frage hat zwar nichts mit dem werte-Buch zu tun, ist mir aber trotzdem wichtig.


    Ich bin gerade in dem Forum zu "Miss Emily Paxton" darauf gestoßen, dass diese wundervolle (!) Geschichte im Januar als Taschenbuch erscheint. Allerdings - was ich nun wirklich schade finde - mit anderem Titel und anderem Cover.
    "Die Rebellin" - der Titel wird dem Roman doch überhaupt gar nicht gerecht! Vielleicht möchte der Verlag die Werke der Triologie durch ähnliche Titel näher miteinander verbinden - aber das finde ich wirklich ... wie soll ich sagen... einfach nicht gut.
    Selbst wenn man mal den wichtigen Aspekt, dass der Titel nicht zum Buch passt und der leser natürlich sofort merkt, dass zwanghaft nach einem weiteren "DIE..." Titel gesucht wurde, außer Acht lässt.
    Es ist doch auch nicht fair. Das verwirrt doch unnötig. Meine Meinung nach kann eine Triologie auch aus WErken mit grundsätzlich verschiedenen Titeln bestehen - es geht doch hier um den Inhalt, um die Intention des Autors.
    Es ist so schade.. die drei Romane sind alle absolut empfehlenswert!! ABer das entsetzt mich jetzt gerade wirklich.
    Wie gut, dass ich die gebundene Ausgabe in meinem Regal stehen habe.


    Können Sie irgendetwas sagen, damit ich es vielleicht ansatzweise verstehen kann? Dass es nicht an Ihnen, sondern wohl eher am Verlag liegt, kann ich mir denken. Es soll nun wirklich kein Vorwurf an Sie sein.




    Trotz der Enttäuschung liebe Grüße,
    Anna


    P.S.: Entschuldigt, dass ich hier was ins Forum schreibe, was eigentlich nicht direkt zu diesem Thema passt. Es lag mir einfach am Herzen.

    "Wer Angst vor Büchern hat, hat in Wirklichkeit Angst vor dem Leben."
    - Peter Prange in "Die Philosophin"

  • hallo Madita,


    danke für die Frage. Als erstes: gilt hier nicht die Regel, dass man sich duzt? So hat wolke es mir jedenfalls gesagt. Vielleicht auch mit Rücksicht auf mein Alter. Damit ich mich nicht so alt fühle, wie ich tatsächlich bin. Also bitte bei der Forum-Regel bleiben, wenn es Dir recht ist. Illusionen sind doch das Schönste, was das Leben zu bieten hat.


    Doch nun zu Deiner Frage: Ja, die Änderung von Titel und Cover war eine Idee des Verlags. Und zwar aus genau den Gründen, die Du selbst schon erahnt hast. Man baut auf den Wiedererkennungseffekt, damit jeder Leser gleich weiß, dass es sich hier um einen Teil der Trilogie handelt.


    Nun ja. Einerseits ist es schade um den ursprünglichen Titel. Der ganze Roman ist Emilys Geschichte, und darum sollte er auch so heißen. Außerdem verstehe ich gut, wenn manche Leser sich jetzt verwirrt fühlen. Andererseits - in jedem Autorenvertrag steht festgeschrieben, dass alle werblich relevanten Fragen, und dazu zählen auch Titel und Covergestaltung, letztlich der Verlag entscheiden kann. Was er hiermit getan hat.


    Jetzt hoffe ich natürlich, dass der Verlag mit dieser Neutaufe erreicht, was er anstrebt: Mehr Leserinnen und Leser anzusprechen. Wenn das gelingt, will ich mich gerne trösten. Schließlich ist das ja Sinn und Zweck einer jeden Geschichte: dass sie ihre Leser findet. Mal sehen, wer am Ende Recht.behält...

  • Natürlich wäre es schade um die Geschichte, wenn sie als Taschenbuch nicht die höchstmögliche Leserzahl erreicht. Das sehe ich absolut ein, da ich schließlich die letzte (oder eine der letzten) bin, die nicht möchte, dass Sophie Volland, Clarissa McKinney und Emily Paxton von den Lesern übersehen werden.


    Trotzdem - ich finde es schade. Ein Buch, eine Geschichte, zwei Titel. Das passt einfach nicht.
    Und dann nichtmal ein gleichwertiger oder besserer Titel. Ich fands ja schon bei der Philosophin schade, dass es nicht "Der Kuss des Philosophen" "getauft" wurde....


    Aber gut, mit dem Gedanken, dass ein Schriftsteller sich nicht die Titel seiner Geschichten aussuchen darf, muss ich wohl erst noch ein bisschen kämpfen. Ich finds einfach traurig. Aber das ist wohl die kindische Sicht einer 18-jährigen.


    Von dem Duzen wusste ich nichts, ist noch ungewohnt, aber natürlich vollkommen in Ordnung.


    Danke für die Antwort! Ich muss es ja sowieso akzeptieren..


    Liebe Grüße,
    Anna

    "Wer Angst vor Büchern hat, hat in Wirklichkeit Angst vor dem Leben."
    - Peter Prange in "Die Philosophin"

  • Zitat

    Original von madita23
    Aber gut, mit dem Gedanken, dass ein Schriftsteller sich nicht die Titel seiner Geschichten aussuchen darf, muss ich wohl erst noch ein bisschen kämpfen. Ich finds einfach traurig. Aber das ist wohl die kindische Sicht einer 18-jährigen.


    Liebe Anna, das Thema "Buchtitel" hat hier schon öfters Wogen geschlagen. :wave

  • Zitat

    Original von geli73
    @ Peter: Ist geplant, dass "Werte" auch in anderen Ländern als Übersetzung erscheint? Oder gibt es sie bereits?


    Wenn sich das so einfach planen ließe... Natürlich streben wir Übersetzungen an, aber das wird sicher schwierig. Die ganzen zitierten Quellentexte müssen ja in den jeweiligen Übersetzungen der anderen Sprachen aufgefunden werden. Aber wir tun unser Bestes, vor allem Frank Baasner. Als Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg und Ritter der französischen Ehrenlegion hat er sehr gute europäische Kontakte. Drück uns die Daumen!

  • AN ALLE


    Muss mich für zwei Tage ausklinken: Lesereise.


    Bin ab Freitag wieder dabei. Freue mich aber schon jetzt darauf, weiter Eure Kommentare zu lesen und mich gelegentlich auch zu Wort zu melden.


    Bin wirklich beeindruckt, was hier abgeht!!!

  • Keine Frage an Peter, aber eine wichtige Information für euch:


    Werte auf Arte! Zu sehen am 4. November um 00:15 Uhr und am 5. November um 18:05 Uhr im Arte-Kulturmagazin "Metropolis", hier gibt es mehr dazu nachzulesen, [URL=http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=578166,day=1,week=45,year=2006.html]klick[/URL]

  • Danke für den Hinweis - diese Uhrzeit! Da werde ich mal nach einer Cassette suchen!


    Ist zwar off-topic hier: Habe heute zufällig einen Bericht über Paul Auster auf Arte gesehen als ich den Kasten angemacht hatte. War sehr interessant, obwohl die Bücher nicht mein Ding sind. :lache

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein