'Mein Leben mit Mitsu' - Seiten 001 - 067

  • Zunächst erst mal Antwort auf die Frage von Ines, betr. der Lokalität: Mein Magis steht in meinem Bücherregal unter den fiktionalen Büchern, und zwar alphabetisch zwischen "Dark as the grave wherin my friend is laid" von Malcolm Lowry und den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" von Thomas Mann. Und da wird es auch sicher bleiben.
    Ich bin nämlich (typisch holländisch) sehr klein behaust und muß meine Bücherregale regelmäßig ausdünnen. So ein Kleinod wie "Mitsu" bleibt, keine Frage! :-]


    Und nun zum Inhalt des Buches: eigentlich habe ich in der von Waldfee erstellten Rezi bereits alles gesagt und da ich befürchte, daß man dieses Buch schnell zerreden könnte, je mehr man darüber sagt, halte ich in diesem Thread weiterhin meinen Mund und melde mich, wenn ich den Schafe-Text ausgedruckt und gelesen habe in Teil 3 der Leserunde wieder.

  • Der erste Abschnitt ist nun also gelesen. Bisher kannte ich von Marcel nur einen Beitrag zum Lesewettbewerb, ging also ohne zu wissen was mich erwartet auf dieses Buch zu. Ich mag vor allem die erste Seite, die Beschreibung des Vogels und wie seine Schreie eine Spur in die Geräusche der Nacht schlagen. Das finde ich sehr atmosphärisch und kann die Szene wunderbar in meinem Kopf entstehen und dort ruhen lassen. Auch das Hochhaus, das, wenn es dunkel wird, aussieht wie ein Schiff, das in die Nacht fährt, gehört zu meinen Lieblingssätzen. Es scheint fast, als wäre das ein Gedanke, der schon länger in einem selbst schlummerte, ohne dass man sich dessen überhaupt bewusst war.


    Die gesamte Stimmung in diesem Teil lullt einen richtig ein. Am Anfang ist es ein wenig traurig und einsam, dann kommt Mitsu dazu und jede kleine Alltagsszene wird plötzlich zu etwas ganz besonderem, Dinge wie Zahnfleisch verdienen auf einmal Bewunderung. Eine wundervolle Liebeserklärung. Dann verschwindet Mitsu plötzlich wieder und das Gefühl von Einsamkeit bleibt zurück.


    Ich hab weiß Gott nicht jeden Satz verstanden, bei einigen Abschnitten saß ich einfach nur da und grübelte nach, was damit jetzt wohl gemeint sein könnte. Aber ich glaube es ist einfach das Gesamtbild in das sich alle Sätze zusammenfügen, das zählt. Und da ist es mit Sicherheit nicht so wichtig, jedes Detail zu kennen. Obwohl es auch Spaß macht die Gedanken schweifen zu lassen und nach Assoziationen zu suchen. Das Gespräch mit der nackten Wand war übrigens ganz große Klasse. Ich fand es einfach nur herrlich.


    Ach ja, kleiner Kritikpunkt am Rande (geht aber nicht an Marcel): Mir gefallen die Zeichnungen nicht sonderlich. Über Geschmack kann man natürlich nicht streiten, aber dieser Stil liegt mir so gar nicht.


    Soviel mal von mir, dann les ich gleich mal weiter. ;-)

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

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  • Zitat

    Original von Paradise Lost
    Ich mag vor allem die erste Seite, die Beschreibung des Vogels und wie seine Schreie eine Spur in die Geräusche der Nacht schlagen.


    So ein Vogel hat mich mal 2 Jahre jede Nacht genervt. Daher kann ich dieser Beschreibung keine Poesie abgewinnen. :grin

  • Herr Palomar, dieser Vogel, der gleich auf der ersten Seite des Büchleins schreit IST Poesie.
    Eben durch diesen poetischen Schrei, der die Welt um wenige Millimeter verschiebt, wird man gleich zu Anfang der Erzählung in eine wundersame Stimmung verstetzt, die einem auf den weiteren Seiten nicht mehr losläßt.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    So ein Vogel hat mich mal 2 Jahre jede Nacht genervt. Daher kann ich dieser Beschreibung keine Poesie abgewinnen. :grin


    Da empfehle ich Schallschutzfenster. ;-) :lache Wenn bei uns im Sommer morgens die Elstern ihr "liebliches Lied" zum Besten gebe, find ich das auch nicht sehr poetisch.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Eigentlich wollte ich hier gar nichts zerreden (und werde das hoffentlich auch nicht...), aber ich bin auch beim zweiten Lesen so hingerissen von diesem Buch, dass ich nun doch etwas schreiben muss.


    Es gibt etliche Sätze und Bilder, in die ich mich bestimmt schon beim ersten Lesen verliebt habe, aber heute kann ich sie nicht zitieren, weil ich das Büchlein nicht bei mir habe. Einige davon wurden hier allerdings schon genannt. :-)


    Sehr schön finde ich ja Marcels Humor. Da werden zwei, drei Sätze aneinandergereiht und mit dem vierten wird plötzlich ein Witz daraus. Einfach herrlich! Auch die Dialoge sind perfekt. Und natürlich, wie mit sehr sparsamen Sätzen sehr viel erzählt wird. Wunderbar.


    :anbet

  • Zitat

    Original von Waldfee
    Sehr schön finde ich ja Marcels Humor.


    Geht mir genauso. :-]
    Manchmal überwiegt aber auch Melancholie. Zitat: Wenn Liebe Traurigkeit und Glück ist, und nur die Traurigkeit bleibt übrig, ist es dann noch Liebe?


    Was mir besonders gefällt:
    Es gibt so viele besondere Merkmale, die den Erzähler als ungewöhnlich kennzeichnen:
    z.B. er trägt ein Buch von Banana Yoshimoto mit sich rum, bis es Abgetragen aussieht, :wow
    er isst er einen Tag nur Sachen, die mit M (wie Mitsu) anfangen,
    oder das penible Aufzählen der Dinge in Mitsus Tasche,
    seine Unterhaltungen mit einer Wand,
    oder das Ritual des Sex nach dem gemeinsamen Nudelsuppenessen


    Bin gespannt, was da noch alles in der Art kommt! Diese Marotten könnte der Anfang einer Zwangsneurose sein! :lache


    Es gibt auch Rückblicke in die Kindheit des Erzählers: die Aquarium- und die Spiegel-Szene.
    Es hätten für meinen Geschmack gerne ein paar mehr sein dürfen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Es gibt auch Rückblicke in die Kindheit des Erzählers: die Aquarium- und die Spiegel-Szene.
    Es hätten für meinen Geschmack gerne ein paar mehr sein dürfen.


    @ Herr Palomar


    Das geht mir nicht so. Der Erzähler ist ein Sonderling, wie du sehr schön dokumentiert hast, aber keiner, bei dem ich das Gefühl habe, ich müsste in der Kindheit nach Ursachen für sein Verhalten oder seine skurrilen Gedankengänge forschen. Er ist eben ein bisschen anders als andere. Möglich, dass er liebende Eltern und eine glücklich verträumte Kindheit hatte. Genauso gut möglich, dass er einsam und ungeliebt aufgewachsen ist.

  • Zitat

    Original von Waldfee
    [Das geht mir nicht so. Der Erzähler ist ein Sonderling, wie du sehr schön dokumentiert hast, aber keiner, bei dem ich das Gefühl habe, ich müsste in der Kindheit nach Ursachen für sein Verhalten oder seine skurrilen Gedankengänge forschen. Er ist eben ein bisschen anders als andere.

    Waldfee, da hast du vielleicht sogar recht! :-)

  • Ganz herrliche Streiflichter sind für mich auch: Der Brief an die Bahn. Der Inhalt von Mitsus Tasche. Manchmal bin ich auch versucht, eine Aufstellung meiner Tascheninhalte zu machen. Aber ich lasse es lieber bleiben. :grin Diese skurrile kleine Aufzählung hat mir aber sehr gefallen.


    Heute esse ich nur Sachen, die mit M anfangen. ... Ich versuche herauszufinden, was davon wie Mitsu schmeckt. Was für eine herrlich schräge Idee, auf die man erst einmal kommen muß. Aber: wie wunderschön hier doch Gefühle, Verliebtheit eingefangen und dokumentiert wird.


    Wenn ein Stern sie in diesem Augenblick berührt hätte, er wäre sofort verglüht – was für eine hinreißende Beschreibung. In diesem Moment möchte wohl jeder der/die „vom Stern berührte“ sein.


    Auch auf Seite 29 wieder so eine Perle: der Leguan „mit etwas Glück wird er ja wirklich zwei Meter lang


    Doch langsam schleicht sich eine kleine Wendung ein. Erst kaum greifbar, doch dann kann man es immer mehr wahrnehmen. Sie sind nun 221 Tage zusammen, Mitsu und der Erzähler und es stimmt mich bedenklich, daß sie sich so durchsichtig fühlt.


    Auch mag man bei den Szenen mit den verschiedenen Ansichten zur Reinlichkeit und dem grünen Hemd "Stop" schreien. Die Beziehung hat einiges an Leichtigkeit verloren und man möchte ihr wieder aufhelfen zur Unbeschwertheit der ersten Zeit. Doch der Leser fühlt bereits jetzt, daß es kein Zurück gibt. Es gibt nur ein Vorwärts, doch dieses Vorwärts wird kein gemeinsames Vorwärts mehr sein.


    Über die Szene mit der Leberwurst, konnte ich mich kringeln. So jemand kenne ich auch. :lache


    Leise geht es weiter, die beiden sind nun über ein Jahr zusammen, essen aber nur noch selten gemeinsam Nudelsuppe. Wie metaphorisch. Man möchte ihnen ein Tellerchen davon zuschieben und noch eines und sie bitten, niemals mit dem Nudelsuppe essen aufzuhören. Es ist leise, poetisch und traurig zu lesen. Der Leser, aber wohl nur er, weiß, dass die Beziehung der beiden ihren Zenit schon überschritten hat.


    Ein paar Seiten weiter wird das nahende Ende der Beziehung immer offensichtlicher. Vielleicht ist ihr gemeinsamer Alltag nicht geschaffen für Leguane und Nudelsuppe... und so verläßt sie ihn schließlich.


    Warum? Keine Ahnung. Und doch fühlt man instinktiv, warum. Und man hofft, das Leben des Erzählers wird auch ohne Mitsu wieder so poetisch und schön, wie es am Anfang des Buches war. Oder sie finden dereinst doch wieder zusammen.


    Die Bilder
    Sie sind wirklich auch eine Extraerwähnung wert. Hinreissend schlicht gezeichnet, bestechen sie durch äußerst liebevolle Details, Man sollte sie wahrhaft nicht nur einmal ansehen und es lohnt sich auch, sie sich ganz genau zu betrachten. Puristisch und doch üppig schwelgerisch. Sie entsprechen gar nicht meinem Geschmack - eigentlich - und doch finde ich sie wunderschön und so wunderbar zum Buch passend.


    edit: 1000 peinliche Fehler entfernt ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Zitat

    Original von Batcat


    Auch mag man bei den Szenen mit den verschiedenen Ansichten zur Reinlichkeit und dem grünen Hemd "Stop" schreien. Die Beziehung hat einiges an Leichtigkeit verloren und man möchte ihr wieder aufhelfen zur Unbeschwertheit der ersten Zeit. Doch der Leser fühlt bereits jetzt, daß es kein Zurück gibt. Es gibt nur ein Vorwärts, doch dieses Vorwärts wird kein gemeinsames Vorwärts mehr sein.


    :write :write Genauso habe ich es auch empfunden............man spürt regelrecht, dass die Beziehung nicht mehr lange halten wird.

  • An anderer Stelle hatte ich schon mal erwähnt, dass die Geschichte wie eine kleine Elfe für mich ist. Sie schwebt mit einer fantasievollen Leichtigkeit durchs Leben und tischtscht mit ihren Füsschen nur gelegentlich ins wirkliche Leben. :-)


    Aber mich hatte der Kerl irgendwie ganz kitrre gemacht, so verträumt, so dahinplätschernd, so nix richtig anpackend...... Geht es niemanden so? ;-)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

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  • Doch Heaven, das geht mir genauso.


    Aber ich glaube, das ist nicht anders möglich. Männer, die richtig anpackend sind, können solche Gedanken wohl nicht formulieren. Oder auch Männer, die morgens schon fröhlich aufstehen :grin Ach so, die Autobiographiediskussion läuft ja an anderer Stelle ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • :lache


    Heaven, es geht nicht nur dir so - eine (etwas ältere) Frau kam nach einer Lesung auf mich zu und gratulierte mir, wie ich diesen "Schlaffi" beschrieben habe, der nichts auf die Reihe bekommt.


    Menschen, die ganz früh morgens nach dem Eulentreffen noch vor dem ersten Kaffee gut gelaunt und hellwach sind - das ist ein Thema für sich, das noch auf eine adäquate literarische Bearbeitung wartet :-)

  • Na dann bin ich zufrieden. :grin Vermutete schon zu viel unromantische Seiten an mir zu haben. ;-)


    @Nudelsüppchen


    Oh ja bitte! Diese Bearbeitung könnte ganz sicher amüsant werden. :lache
    Bin da wohl das Mittelmaß von euch beiden. :knuddel1

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Zitat

    Original von Batcat
    Die Bilder
    Sie sind wirklich auch eine Extraerwähnung wert. Hinreissend schlicht gezeichnet, bestechen sie durch äußerst liebevolle Details, Man sollte sie wahrhaft nicht nur einmal ansehen und es lohnt sich auch, sie sich ganz genau zu betrachten. Puristisch und doch üppig schwelgerisch. Sie entsprechen gar nicht meinem Geschmack - eigentlich - und doch finde ich sie wunderschön und so wunderbar zum Buch passend.


    Ich bin normalerweise kein Fan von Illustrationen in Romanen, da sie das Bild, dass ich mir selbst von den Figuren und Inhalten gemacht habe, meist widersprachen oder zu aufdringlich sind.
    Aber Iris Luckhaus Illustrationen finde ich passend und originell. Batcat hat ja schon die Detailhaftigkeit genannt.
    Hinzu kommt, dass die Illustrationen sich auf den Mittelteil beschränken.


    Sowieso bin ich restlos begeistert von der gelungenen Arbeit des Brandneu-Verlages an diesem Buch. Das Buch ist nicht nur farblich und inhaltlich schön gestaltet sondern die Lesefreundlichkeit durch Format/Zeilenhöhe/-abstand sowie Seitenaufteilung ist ebenfalls besonders gelungen. Eine geschickte Absatzaufteilung und im zweiten Teil Kapiteleinteilung erhöhen das Lesevergnügen beträchtlich. :anbet

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ich bin normalerweise kein Fan von Illustrationen in Romanen, da sie das Bild, dass ich mir selbst von den Figuren und Inhalten gemacht habe, meist widersprachen oder zu aufdringlich sind.
    Aber Iris Luckhaus Illustrationen finde ich passend und originell. Batcat hat ja schon die Detailhaftigkeit genannt.


    Ach, schön :-) Ich habe Iris Luckhaus damals fast gleichzeitig mit dem Verleger entdeckt, und für mich war es sofort klar, dass sie und niemand anders Illustrationen für Mitsu machen soll/kann. Ansonsten hätte ich auch ganz auf Illustrationen verzichtet, aber für mich wurde die Geschichte damit erst zu einem Buch ...


    Iris Luckhaus Illustrationen haben eine leichte Manga-Anmutung, sind aber ganz und gar eigenständig. Und die Energie und Besessenheit, mit der sie an jedem Detail gearbeitet hat, hat mich beeindruckt. In den Bildern sind auch viele Anspielungen auf spätere Texte und Geschichten versteckt, die erst mit den nächsten Veröffentlichungen sichtbar werden.


    :wave
    Marcel