kurzgeschichte

  • Abendbrot


    Er starrt auf das Brot. Es ist groß, grob und unbezwingbar. Die Hoffnung weicht der Angst.
    In seinem Magen herrscht Krieg und der Feind ist am gewinnen, aber den finalen Stoß kann er noch hinauszögern. Der Rest der Familie tut so als würden sie nichts bemerken, einfach nur am Tisch sitzen und essen, doch er weiß das sie es merken... das sie jeden Millimeter seiner Mimik studieren, und nur darauf warten das er aus der Rolle fällt.


    Träge und widerspenstig drückt seine Hand das Brot zwischen seine Zähne.
    Er beisst ab und es kostet ihn unendliche Überwindung zu schlucken, nach etwas zu trinken zu fragen traut er sich nicht. Ihre Gedanken, oh ja, er weiß genau was sie jetzt denken “warum hat sie gerade IHN ausgewählt, warum nicht den netten Bankkaufmann aus der Sparkasse? Was haben wir nur falsch gemacht... und warum guckt der Bengel so verkrampft? Meine Güte...” noch niemals in seinem Leben hatte er sich so unwillkommen gefühlt
    “noch etwas Brot?” Zerschneidet es ihm den Gedankenstrang auf Nimmerwiedersehen. “nein” *räusper* “ Nein, danke, ich bin wirklich satt” “Aber du hast doch kaum was gegessen, Junge”
    Sie starrte ihn eindringlich an. Es musste was passieren, wie gern wäre er einfach nur aufgestanden und rausgerannt, irgendwohin, wo niemand ist und frische Luft den Kopf klar pustet. Verlegen schüttelt er den Kopf, “ich bin wirklich satt, danke.”
    “Wollen wir hochgehen?” - für diese Worte aus dem Mund seiner Freundin hätte er alles gegeben... eine simple Alltagsfloskel hätte ihm so unendlich viel bedeutet, doch sie schwieg und griff nach dem Käseteller...


    unbarmherzig und nicht gewillt das Mahl zu unterbrechen. Warum sollte sie auch? Man erkundigt sich ja nicht permanent nach dem Wohl ALLER. Wie er es hasste wenn beim Essen keine Musik läuft. Man hört ALLES, kratzkratz, Margarine auf das Toast, schmatzknirschkau... Um den verratenden Geräuschpegel auszutricksen kaute er vorhin kaum. Der Erfolg war nicht erwähnenswert. Bitte, keine Fragen, bei Gott, keine Fragen, wann gehen wir endlich hoch ? Verdammt. Er hat nie wirklich an Telepathie geglaubt, aber nun setzt er alles daran Signale auszusenden. Was zum Teufel macht sie JETZT ? Nein ! Lass mich nicht alleine mit diesen Leuten NEIN! “ich geh mal kurz für kleine Mädchen” sagte sie einfach so, als wäre das vorhersehbar gewesen. Jetzt bin ich gefangen... In seinem Magen war der Krieg vorbei und seine Seite hat ziemlich miserable Aussichten. Nur Verluste... Er hasste seine Körperfunktionen und Geräusche. Komm schon wieder, die Situation wird eskalieren! Warum haben wir kein Geheimzeichen abgemacht oder so was? Der viel zu große Vater in dem viel zu kleinen Küchenstuhl dreht sich verdächtig zielgenau in seine Richtung.


    “Und” begann das was manche als Stimme definieren würden zu reden “ was macht ihr beiden Heute noch ?” Abgemacht war die Party heute Abend bei Mulle... Aber das kann ich nicht sagen... Mulle... da denkt doch jeder an .. was weiß ich... verfickt noch mal, wenn ich nicht in den nächsten Sekunden antworte denkt er ich hätte was zu verbergen... los, denk nach...
    “Hallo, junger Mann” sagte die Masse auf dem Holzgestell und wollte wohl aufmunternd wirken, doch das Fiasko nahm seinen Lauf. Der junge Mann erschrak und unter seiner ganzen Haut kribbelte es, ihm wurde so unendlich warm, daß er dachte verbrennen zu müssen, sein Magen merkte jetzt das der Krieg ein Atomarer gewesen sein muss und beförderte das leisegekaute Brot in Richtung Speiseröhre. Schnell sprang er auf, die Hand vor dem Mund und sprintete zum Bad, drückte die Klinke nach unten. BESETZT ! Scheiße! Sie war ja im Bad, doch er konnte es nicht mehr unterdrücken und fügte sich dem Schicksal, das ihm in der Rolle des für immer blamierten jungen Mannes sah, der am ersten Abend bei den Eltern der neuen Freundin den gesamten Flur voll kotzte... Die Hand vorm Mund, den Stolz im Müll und zwischenmenschliche Beziehungen stark gefährdet. Die Badezimmertür öffnete sich. “was ist denn hier... oh mein Gott ...”


    ende


    die story is schon ein paar monate alt, aber dennocih lesenswert
    kritk und lob und dank (ich LIEBE es "lob und dank" zu schreiben)
    wären Balsam.
    danke

    equal me to whatever you want
    i don't care
    as long as i know
    this could mean we're free


    farewell, goodbye
    your
    mr_slowly_downwards

  • Sehr anschaulich geschrieben. Man bekommt ein beklemmendes Gefühl beim Lesen und leichte Schluckbeschwerden. Ich hoffe, ich interpretiere das richtig als eine Geschichte über Eßstörung und nicht nur ein komisches Gefühl beim ersten date mit den Eltern der Freundin, oder?


    Idgie - mal vorsichtig fragend


    Ansonsten mach mal weiter so und auf das Alter einer Geschichte kommts eh nicht so an. :-)

  • Also ich hätte jetzt auch mal auf Ess-Störung getippt. Kann aber natürlich auch sein, dass er einfach total aufgeregt ist unter fremden Menschen und deswegen so durchdreht. Er ist ja anscheinend noch recht jung und unsicher.


    Schade, dass es so abrupt endet. Irgendwie hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass sowohl ein Anfang, als auch ein Ende fehlen. Könnte also auch gut von Lansky sein, bzw. in Tradition von Lansky stehen. :-) (siehe Schreibwettbewerb Juni)



    Gruss,


    Doc

  • Eine Eßstörung ist mir eigentlich nicht in den Sinne gekommen, ich würde eher auf eine soziale Phobie tippen. Aber Mr. Slowly wird uns darüber hoffentlich noch aufklären.


    Lieber Mr. Slowly,
    ich mag deine Story. Zugegeben auch ich finde den Schluß etwas schwach, aber ansonsten, mach weiter so! :-)
    Dein Stil gefällt, vor allem wie du Gefühle so wunderschön plastisch und hautnah beschreiben kannst. Man wird richtig gezwungen, an der beklemmenden Situation teilzunehmen.


    Und im Gegensatz zum Onkel Doc finde ich den Anfang gerade sehr treffend: das Stück Brot, an dem unser "Held" im Rest der Geschichte kauen muß, wird auf diese Weise überlebensgroß und unübersehbar ins Bild gerückt und bewirkt somit, dass wir gleich zu Beginn mit diesem Problem konfrontiert werden und froh sind, es am Ende der Geschichte zusammen mit dem Erzähler auskotzen zu dürfen.

  • Zitat

    Original von Wilma Wattwurm
    ...ich würde eher auf eine soziale Phobie tippen.


    Der Gedanke ist auch nicht schlecht. :-)


    Zitat


    Und im Gegensatz zum Onkel Doc finde ich den Anfang gerade sehr treffend: das Stück Brot, an dem unser "Held" im Rest der Geschichte kauen muß...


    Naja, mir kommt da im Moment eben immer "Bernd, das Brot" in den Sinn. Und die Vorstellung auf einem sprechenden Kastenbrot rumzukauen entbehrt dabei nicht einer gewissen Komik. Sorry. :-) Aber wer's ernst und seriös mag, kann dem Beginn der Story sicherlich auch mit Deiner Deutung folgen. :-)


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    ....Naja, mir kommt da im Moment eben immer "Bernd, das Brot" in den Sinn.


    Aua!!! Wie kommst du bloß zu dieser Assoziation? *breitgrins*
    Ich kenne zwar die Sendung nicht, aber die Bernd-Figur und hatte bei der Schaumstoffpuppe nie das Bedürfnis reinzubeißen.


    Lieben Gruß Idgie - schon gespannt auf die Auflösung der Geschichte wartend

  • Also zu erst hab ich auch an eine Esstörung gedacht- dann allerdings hab ich mir überlegt, wie man sich so fühlt, wenn man das erste Mal bei einer anderen Familie am Tisch sitzt:
    "Hoffentlich schmier ich mir nicht den Mund voll oder es hängt was zwischen meinen Zähnen." - "Wenn jetzt mein Magen knurrt, wäre das peinlich." - "Hoffentlich geht XYZ nicht raus, dann sitze ich hier alleine und muss versuchen, mich zu unterhalten." - "Ich höre mich so laut kauen und schlucken, hören die anderen das etwa auch?" - und und und


    Da gibts ja einiges, was man versucht zu umgehen oder was man hofft, was nicht passiert. Und wenn man sich nur vorbeugt und Butter nehmen will: Schneiden die hier Stücke ab? Schaben sie an der Butter?
    Wenn man da nicht genau beobachtet hat, kann man ganz schön ins Schwitzen kommen :grin



    Naja lieber Mr Slow, vielleicht unterpretiere ich deine Geschichte damit aber auch...

  • Ich fand die Story auch interessant und habe gegrübelt, ob der"Held" nun extrem schüchtern ist oder an Eßstörungen leidet. Bitte an Mr Slow um Aufklärung!


    Was mir nicht so gefallen hat, hat eigentlich nichts mit der Geschichte zu tun... hm... *nach diplomatischen Worten kram*.


    Nennt mich zickig, aber folgender Satz hat mich gestört: "die story is schon ein paar monate alt, aber dennocih lesenswert"


    Es spricht für Mr Slow, daß er von seiner eigenen Geschichte so überzeugt ist. Aber eigentlich entscheide ich lieber für mich selbst, ob sie lesenswert ist oder nicht (@ Mr Slow: sie war! *zwinker*).


    Naja... und daß Du gefragt hast, wo Du am besten für Deine Geschichten Werbung machen kannst. Aber das "sehe ich Dir nach", weil Du noch ganz frisch hier bist. Wie schon im anderen Thread erwähnt: Einfach reinstellen. Wir finden (und kommentieren) alles!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hi Batty.


    Da Mr Slow grad nicht da ist, übernehm ich mal ganz kurz das Wort zu deinem POsting.


    Ich glaub er meint das nicht so, wie es da steht.
    Ich hab ihm gestern noch einiges erlärt über das Forum und er muss sich erst noch einfuchsen- vieles weiß er noch nicht und so wie ich ihn kenne, ist er kein Dagmar- Typ sondern eher das totale Gegenteil.


    Naja alles in allem soll sich Mr Slow natürlich selbst dazu äußern, ich wollt das nur kurz loswerden :-)

  • Zitat

    Original von Sterntaler
    Also zu erst hab ich auch an eine Esstörung gedacht- dann allerdings hab ich mir überlegt, wie man sich so fühlt, wenn man das erste Mal bei einer anderen Familie am Tisch sitzt....


    Also hörmal Sterntaler, auch wenn das etwas belastend ist, kotzt man doch nicht gleich den ganzen Flur voll. Nee, da muss schon noch mehr kommen, als beobachtende Blicke.

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Vielleicht waren es ja auch lüsterne beobachtende Blicke und der Vater hat sich schon überlegt, wie er das Jungchen am Besten verführen kann??


    ok, überzeugt. In dieser Konstellation reicht es als Legitimation für den Würfelhusten. :wow



    Idgie - trotzdem auf einer Erklärung beharrend schon aus Tradition und Andenken an pp :grin

  • Zitat

    Original von Idgie
    (...)


    Also hörmal Sterntaler, auch wenn das etwas belastend ist, kotzt man doch nicht gleich den ganzen Flur voll. Nee, da muss schon noch mehr kommen, als beobachtende Blicke.



    Schon mal was von empfindlichem Magen gehört... *maul*


  • Zitat

    Original von Idgie
    Idgie - trotzdem auf einer Erklärung beharrend schon aus Tradition und Andenken an pp :grin


    Ich schmeiss mich weg!!!


    Aber Idgie, ich tue doch nun wirklich mein Bestes hier Erklärungen zu finden. :-)


    Gruss,


    Doc, die Wahrheit liegt irgendwo da draussen - nur wo?

  • hummm, ich finde eine story muß nicht unbedingt eine "lösung" haben, es ist interessant wenn sich das jeder auf seine Art und Weise auslegt.


    Aber ich kann ja sagen was ich mir bei der Geschichte gedacht hab.
    (was nicht heisst das alles andere richtig oder falsch ist)
    ich dachte da allgemein an Ängste, Ekel, Kontrollverlust, Spekulation,
    Kopfkino der beängstigenden Art.


    schwammig, schwammig :o)

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    your
    mr_slowly_downwards