Nicht alle waren Mörder - Michael Degen

  • Covertext:


    Elf Jahre war Michael Degen alt, als seine Mutter und er beobachteten, wie ihre jüdischen Nachbarn abtransportiert wurden. Seine Mutter handelte schnell, nahm nur das Nötigste mit, und dann ging sie, mit dem Jungen an der Hand, an den Uniformierten vorbei. Es folgte ein Leben im Untergrund mit der ständigen Angst, entdeckt und deportiert zu werden. Aber in dieser Welt, die aus den Angeln gehoben war, gab es Menschen, die sie versteckten, bis der Krieg vorbei war. Freunde und Fremde, menschen, die nicht fragten, sondern wortlos halfen.


    Über den Autor:


    Der Wikipedia- Link.


    Meine Meinung:


    Man sollte es nicht für möglich halten, aber dieses Buch wurde hier noch nicht vorgestellt- nur über die Verfilmung wurde schon diskutiert.


    Michael Degen beschreibt sein Leben in einem Abschnitt seiner Kindheit und Jugend zwischen 1939 und 1950, vorallem aber das Leben auf der Flucht und im Untergrund der Stadt Berlin in den Jahren 1943 bis Kriegsende. Flüssig im Stil und flott- fast zu flott, fast geht der Schmerz, das Elend und die Brutalität der Situation in dieser flotten Schreibe unter. Das Kind das Elend seiner Situation verdrängt schildert als Erwachsener die Dinge immer noch mit einer Selbstschutzdistanz wie sie aus einem Satz wie diesem ersichtlich wird, beschreiben als der Krieg vorbei ist und die Mutter voller Erleichterung davon spricht, dass man nun endlich "wie normale Menschen leben" könne: Was war normal? Ein Leben ohne Dauerflucht konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Für mich war das die Normalität.- Und als solche Normalität beschreibt Michael Degen das Unnormale, das Überleben als Jude in der Reichshauptstatt Berlin unter nazionalsozialistischen Fantikern, Kommunisten, Proletarien und Akademikern - ganz normalen Menschen eben. In aller Angst finden Michael Degen und seine Mutter Anna immer wieder Menschen, die bereit sind zu helfen und alle Augen zuzudrücken gegenüber den Juden, den Untermenschen.


    Zwei Jahre, keine lange Zeit- aber wie Michael Degen schreibt lang, was ist lang. Die Regierungszeit von Helmut Kohl dauerte sechzehn Jahre, die von Adolf Hitler zwölf Jahre. Zwei Jahr jede Minute Angst, jede Sekunde Disziplin und mit der Lüge leben- niemand der dies nicht erlebt hat kann das nachvollziehen und die Situation lässt sich auch nur schwer vermitteln. Nur in wenigen beschriebenen Momenten kommt der Leser so in die Situation hinein, dass er das Grauen miterleben kann.


    Dennoch ein beeindruckendes Buch, sicherlich kein Buch, das man alleine über diese Zeit lesen sollte, da das was Michael Degen nicht erlebt hat eben auch nicht in der Biographie vorkommt. Die Sammelaktionen der GeStaPo werden nur am Rande erwähnt, das Schicksal von Helfern, die ins KZ kommen bleibt seltsam unberührt. Dennoch eine wertvolle Ergänzung über das Schicksal - das Leben und das Überleben, derer die es eben auch gab und zu denen neben Michael Degen noch ein weiterer Prominenter gehört- Hans Rosenthal überlebte den Krieg ebenfalls in einer Berliner Laube.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Dieses Buch steht schon auf meiner Wunschliste. Nachdem ich Deine Rezi gelesen habe, werde ich es mir diese Woche kaufen.
    :write


    Edit: Hast Du auch sein Buch "Mein heiliges Land" gelesen? Interessiert mich auch. :wave

  • Vor einigen Jahren hat Michael Degen einmal im TV über sein Buch erzählt...
    ....ich setze es vorerst einmal auf meine Wunschliste, in der Hoffnung, dass endlich mal der ersehnte Lottogewinn eintrifft....so viel muss es ja garnicht sein...nur soviel, dass ich meine Wunschliste abbauen kann ;-)

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Zitat

    Original von Joan
    Vor einigen Jahren hat Michael Degen einmal im TV über sein Buch erzählt...
    ....ich setze es vorerst einmal auf meine Wunschliste, in der Hoffnung, dass endlich mal der ersehnte Lottogewinn eintrifft....so viel muss es ja garnicht sein...nur soviel, dass ich meine Wunschliste abbauen kann ;-)


    Liebe Joan, falls ich gewinnen sollte ( :-]), schicke ich Dir diese Bücher sofort (Du hast ja nur 9 auf Deiner Wunschliste) oder hast Du noch eine andere ?

  • Zitat

    Original von BronteSisters


    Liebe Joan, falls ich gewinnen sollte ( :-]), schicke ich Dir diese Bücher sofort (Du hast ja nur 9 auf Deiner Wunschliste) oder hast Du noch eine andere ?


    BronteSisters


    das ist aber lieb von Dir....dann warte ich jetzt zusammen mit Dir auf Deinen Lottogewinn.....der aber dann doch etwas "saftiger" ausfallen sollte....da Du ja sicher schon eine viel längere Wunschliste hast.... :lache

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Danke für die Rezension. Das Buch war mir früher schon aufgefallen, habe es aber noch nicht. Ich war damals sehr überrascht, von Michael Degens Vergangenheit zu hören, das war mir überhaupt nicht bewußt. Wie schon anderweitig erwähnt, mache ich um diese Zeit eher einen Bogen, aber ich sollte diesem Buch wohl doch mal näher treten, zumal ich den Schauspieler Michael Degen recht gerne sehe.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • degen fiel mir erstmals in seiner rolle bei den "drombuschs" auf. dann sah ich ihn bei einem tv-interview, in dem er auch seine kindheit erwähnte. deshalb war ich sehr gespannt auf sein buch, welches meine erwartungen übertroffen hat (nicht jeder schauspieler kann schreiben) und dessen verfilmung mir ebenfalls zusagte.
    inzwischen freue ich mich immer, wenn er als aufgeblasener chef von commissario brunetti zu sehen ist.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Inhalt lt.Amazon:
    Als 1942 die ersten Bomben auf Berlin fielen, war Michael Degen zehn Jahre alt. Ein Jahr später mussten er und seine Mutter in den Untergrund. Zwei Jahre lang, immer auf der Flucht vor Verrat, Entdeckung und dem sicheren Tod verbrachte Michael Degen seine Kindheit.Einfühlsam, ohne jede Sentimentalität und aus der Sicht des Jungen erzählt der bekannte Schauspieler seine Erlebnisse und erinnert sich liebevoll an die Menschen, denen er eigentlich sein Leben verdankt.


    Meine Meinung:
    Durch Zufall hatte ich dieses Buch in meiner Ortsbücherei entdeckt und da ich den Schauspieler Michael Degen gerne sehe einfach mal ausgeliehen.Ich war zum einen erstaunt das er Jude ist und zum anderen hat mich seine Biografie so ergriffen das ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.Sie gehört sicher zu den Biografien die absolut lesenswert sind. Was er und seine Mutter in der Kriegszeit für Ängste ausstehen mussten, unfassbar.Ich kann dieses Buch nur empfehlen, wenn man sich nicht scheut über Kriegserlebnisse zu lesen.


    Und kann dann auch weiter empfehlen das Buch:
    Mein heiliges Land: Auf der Suche nach meinem verlorenen Bruder

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."