Das bist Du - Joseph Campbell

  • Die spirituelle Bedeutung biblischer Geschichten, Wunder und Gleichnisse
    Originaltitel: "Thou Art That - Transforming Religious Metaphor“
    Herausgegeben von Eugene Kennedy
    Übersetzung: Jochen Eggert
    208 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag



    Zum Inhalt / Klappentext
    „Mythen und Symbole gehören zum essentiellen Grundbestand aller Religionen. Sie sind die ganz eigene Sprache der religiösen Erfahrung.“ (S. 168). Eine Sprache, die viele Menschen heute nicht (mehr) verstehen.
    Die Wunder und Gleichnisse des Alten Testamentes sowie den Lebens- und Leidensweg Jesu psychologisch zu deuten, ist nicht unbedingt eine Hauptbeschäftigung der Theologen. Es ist aber überaus interessant für Menschen, die ihren Glauben als lebendige persönliche Erfahrung entfalten wollen.
    Joseph Campbell vertrat die Auffassung, dass die tief wurzelnde Gegensätzlichkeit zwischen Religion und rationaler Wissenschaft einer der tragischen Irrtümer abendländischer Geistesgeschichte ist. Die Theologie macht sich unglaubwürdig, wenn sie die mythischen Erzählungen der Bibel zum Dogma erhebt. Die Wissenschaft wird der Religion nicht gerecht, indem sie die Bibel als literarisches Museum ansieht, das die kindliche Intellektualität eines vorwissenschaftlichen Zeitalters ausstellt.
    Das Buch wurde aus dem Nachlaß Campbells zusammengestellt, vor allem aus bisher unveröffentlichten Manuskripten sowie Vorträgen und Diskussionen.



    Über den Autor
    Joseph Campbell wurde am 26. März 1904 in New York geboren. Im Alter von etwa fünf Jahren sieht er Buffalo Bills Wild-West-Show, was für ihn zu einem prägenden Erlebnis wird. Er beginnt sich für Geschichte und Mythologie der Indianer zu interessieren, was ihn für sein weiteres Leben prägen wird. Er studierte (u. a. Biologie und Mathematik) an der Columbia-University sowie an den Universitäten von München und Paris.
    1934 übernimmt er eine Lehrstelle am New Yorker „Sarah Lawrence College“, die er 38 Jahre lang innehaben wird. 1938 heiratet er Jean Erdman (Tänzerin und Choreographin), eine seiner Schülerinnen.
    1949 erscheint das Werk, das heute als sein Hauptwerk gilt: „Hero with a thousand Faces“ , deutsch: „Der Heros in tausend Gestalten“. 1943 - 1955 gibt er die Werke Heinrich Zimmers in den USA heraus.
    Einem weltweiten Publikum wurde er erst nach seinem Tode bekannt, als die auf der Skywalker-Ranch aufgezeichneten TV-Sendungen mit Bill Moyers „The Power of Myth“ (deutsch „Die Kraft der Mythen“), ausgestrahlt wurden. Übrigens hat Campbell die ursprüngliche Star-Wars-Trilogie mit beeinflußt; er war mit George Lucas befreundet.
    Er gab in den USA u. a. auch die Werke des deutschen Indologen Heinrich Zimmer heraus, desgleichen die "Grimmschen Märchen"
    Joseph Campbell starb am 30. Oktober 1987 auf Hawaii.


    Sein Werk wird heute betreut von der Joseph Campbell Foundation, Hier klicken führt zu deren Homepage (in englischer Sprache), wo man weitere Informationen über Leben und Werk finden kann.
    Eine deutsche Homepage zu Leben und Werk Campbells ist sukhavati.de. Hier klicken führt direkt dorthin.
    Und klickst Du hier schließlich noch der Link zum Wikipedia-Artikel.



    Meine Meinung
    Als ich das Buch vor einigen Jahren das erste Mal gelesen habe, empfand ich durchaus einige „Schockmomente“, wenn Campbell Begriffe wie Mythos, Mythologie, Metapher erklärt - und dann auf „meine“ Religion, das Christentum, anwendet. Ich habe es jetzt zum dritten Mal gelesen, diesmal ohne „Schock“, aber mit wachsendem Verständnis und Zustimmung. Ein System mythologischer Symbole ist nur sinnhaltig für eine Gemeinschaft von Menschen, die ein gemeinsames Weltbild haben und die Welt folglich ähnlich erleben“, steht auf Seite 35. Das ist das Grundproblem: unser Weltbild unterscheidet sich sehr wesentlich von dem der Menschen vor zweitausend und mehr Jahren. Religiöse Texte sind in der Regel in Metaphern-Sprache erzählt. Wenn man zu diesen Metaphern keinen Zugang (mehr) hat, wird es schwierig. Und ganz schwierig (bzw. problematisch) wird es, wenn man metaphorische Berichte als historische Berichte liest.


    Es ist diese Unterscheidung, auf die Campbell immer wieder hinweist, und die ich aus diesem Buch gelernt habe. Wenn wir über Mathematik reden, müssen wir die Sprache der Mathematik lernen. Das gleiche gilt für die Musik, nur daß wir dann auch gleich noch eine ganz eigene Schrift (Noten) lernen müssen. Wollen wir über Mythologie (als Überbegriff zur Religion verstanden) reden, müssen wir deren Sprache lernen. Und das ist es, was Campbell mit diesem Buch will: uns diese Sprache erklären und näher bringen. Dabei erstaunt es mich immer wieder zu erfahren, daß die gleichen Motive und Bilder überall auf der Welt in vielen Kulturen, jeweils in den eigenen Kontext eingebettet, vorkommen. Vieles, was ich für einzigartig hielt, ist es gar nicht, habe ich gelernt.


    Heinrich Zimmer sagte einmal: „Die besten Dinge lassen sich nicht sagen. Die zweitbesten werden mißverstanden.“ (S. 90). Damit ich nicht mißverstanden werden kann, höre ich jetzt auf. Wen das Thema interessiert, wer bereit ist, sich auf eine weite Reise durch die Mythen und Mythologien der Erde zu begeben und sich von einem der besten Mythologen des 20. Jahrhunderts leiten zu lassen, um Gemeinsamkeiten und Trennendes zwischen diesen Mythen und dem „biblischen Mythos“ zu entdecken, ist mit diesem Buch sicher gut beraten.



    Edit. Erlediger Termin herausgenommen, Biographie ergänzt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Das liest sich alles recht interessant. Was mich noch etwas irritiert ist der Titel.
    Ich verstehe noch nicht ganz, wie man von einer Sprachschule der Mythologie bzw. einer Deutehilfe für das Verstehen der biblischen Texte auf einen solchen Titel kommt. Vielleicht kannst Du dazu noch etwas schreiben?

  • @ Licht


    Danke. Das Buch ist interessant, obwohl ich nicht weiß, wie das Geistliche (bzw. Angestellte) der beiden Kirchen beurteilen. Mir hat es jedenfalls sehr weitergeholfen.


    Der Titel kommt aus dem Sanskrit (was Campbell beherrschte) und lautet: "Tat tvam asi". Das heißt übersetzt eben „Das bist Du“ (muß ich so glauben, da ich nicht Sanskrit kann). Der Titel wurde vom Herausgeber lt. Vorwort deshalb gewählt, weil Campbell diese Worte häufiger in seinem Werk verwendet hat. Auch taucht dieser Ausdruck später im Buch (beim Thema Gottesbilder) auf.


    Na ja, „Sprachschule der Mythologie“ bzw. „Deutehilfe für das Verstehen biblischer Texte“ ist meine ureigene Interpretation dieses Buches. Ich verstehe das Buch so bzw. bei mir hat es diesen Effekt gehabt. Das kann bei anderen ganz anders sein. Mich hat das ungeheure Wissen Campbells fasziniert (und tut es noch), der anscheinend alle wesentlichen Mythen und Religionen der Welt „intus“ hatte und darob vergleichen konnte und so meinen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus erweitert hat. Dinge, die ich in den 70er Jahren im Reliunterricht (von einem kath. Priester, der aber recht weltoffen, gar nicht „verbappt“ und bei den Schülern recht beliebt war!) als „einzigartig für das Christentum und nirgendwo sonst auf der Welt vorkommend“ gelernt habe, wurden plötzlich relativiert. (Ohne jetzt hier eine Diskussion lostreten zu wollen:) Beispiel „Jungfrauengeburt“: dieses Motiv ist durchaus nicht von christlichem Ursprung, sondern wesentlich älter - und taucht überall auf der Welt auf, auch in nichtchristlichen Religionen bzw. Mythologien (was für mich zugegebenermaßen neu war). Campbell erklärt in diesem Buch solche Bilder bzw. Metaphern jenseits der wortwörtlichen Bedeutung. Das habe ich mit „Deutehilfe“ gemeint, weil ich es so empfunden habe.


    Konnte ich mich etwas verständlich machen?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Wunderbare Rezi, ein Buch, das ich noch nicht habe... und schon wieder brauche :rolleyes


    :gruebel grübel... ich hab vor 17 jahren mal wegen der unterweisung Arjunas im Mahabharata sanskrit gelernt, das ich im originaltext lesen und verstehen wollte... aber nicht besonders lang und nicht besonders gut...
    heisst es jetzt 'tat tvam asi' oder 'tat tvam asti' ich hab letzteres im sinn, aber es ist vermutlich nur ein für mich typischer erinnerungsaussetzer...
    EDIT: es heisst asi... :rolleyes *MagMa geht löcher im hirnsieb stopfen*


    geht zitat suchen...


    hat mal wiki anzubieten


    hier ist die ganze betreffende Upanishad im englischen

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • Zitat

    Religiöse Texte sind in der Regel in Metaphern-Sprache erzählt. Wenn man zu diesen Metaphern keinen Zugang (mehr) hat, wird es schwierig. Und ganz schwierig (bzw. problematisch) wird es, wenn man metaphorische Berichte als historische Berichte liest.


    Das ist ja eine übliche Argumentationsweise, wenn "religiöse" Texte kritisch beleuchtet werden, auch als Antwort auf jene, die steif und fest behaupten, diese Texte wären historische Texte, also auf ihre Entstehungszeit gemünzt - und keineswegs für die Zukunft, gar für die Ewigkeit gemacht. Da frage ich mich natürlich zweierlei: 1.: Wussten das die Autoren auch (dass sie "metaphorisch" schreiben)? Und 2.: Warum enthalten z.B. die Gebote (jenseits der zehn, die jedermann kennt) so viele konkrete Anweisungen (wie beispielsweise ein umfassendes Regelwerk, das Bauern erklärt, wie sie bei der Landbestellung vorzugehen haben), die zweifelsohne jeder Metaphorik entbehren? Bibel und Koran enthalten massenweise solcher mittelbaren Hinweise und Regeln für die Lebensführung, die erkennbar regionale und zeitgeschichtliche Bezüge haben, also für die damalige Leserschaft gedacht waren. Und sind.


    Es mag durchaus so sein, dass einige Gleichnisse und Bilder auch schon zur Entstehungszeit der religiösen Standardwerke interpretierend gelesen werden mussten, um die Botschaften zu verstehen (wie bei Märchen, die ja einem ähnlichen Zweck dienen). Ich halte aber die Behauptung für zulässig, dass die Umkehrung dieses Ansatzes (die Texte sind so gut wie vollständig metaphorisch zu betrachten) lediglich eine Krücke darstellt, die den vermeintlichen Wert dieser Bücher in die Jetztzeit retten soll. Und ist dann tatsächlich alles metaphorisch? Jesu' Kreuzigung, Stammbäume noch und nöcher, Sintflut, Schlachten und Kriege, Schöpfung, Paradies, Brüdermord usw. usf. - nur Metaphorik? Warum dann so überaus konkrete "Metaphorik"?


    Diese Deutungsart ist so willkürlich wie jede andere auch, zum Beispiel die wortwörtliche Auslegung durch Kreationisten (Bibel) oder Fundamentalisten (Koran). Wenn man dieserart an die "heiligen" Schriften geht, lässt sich damit alles und nichts rechtfertigen. Der Trick funktioniert, weil man die Verfasser nicht mehr fragen kann. Das aber müsste man tun können, um eine Deutung auch verifizieren zu können. Ohne diese Verifikation bleibt es ein Planspiel ohne Wahrheitsgehalt. Man könnte in tausend Jahren ein Telefonbuch von heute zur "heiligen Schrift" erklären und versuchen, hinter all den Namen und Nummern einen göttlichen Code zu suchen - den man sicher auch fände.

  • @ MagnaMater


    Gerade wollte ich Dir den Buchanfang zitieren, der da lautet:


    Tat tvam asi - diese Worte tauchen in den hier gesammelten spirituellen Gedanken Joseph Campbells häufiger auf. (Seite 9, Erster Satz im "Vorwort des Herausgebers", Kursivsetzung so, wie im Buch)


    Aber Dein Edit zeigt mir, ich brauchs ja nicht, oder habe ich jetzt doch? :grin

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Eines meiner Lieblingszitate Heinrich Zimmers lautet: „Die besten Dinge lassen sich nicht sagen. Die zweitbesten werden mißverstanden.“, heißt es im Buch auf Seite 90. Und weiter: Weshalb werden die zweitbesten missverstanden? Weil sie Metaphern sind, die, um es noch einmal zu wiederholen, auf ihre Denotation hin und nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer Konnotation gedeutet werden.


    Wir sind also bei den zweitbesten Dingen angelangt.


    In meinem von Tom zitierten Satz habe ich die Grundaussage des Buches, so wie ich sie verstanden habe, zusammengefaßt. Darin enthalten sind u. a. die drei Worte „in der Regel“, welche darauf hindeuten, daß es sowohl historische als auch metaphorische Elemente in einem solchen Text geben kann. Beispiel: Jesus wurde geboren, lebte und wurde hingerichtet (starb). Das ist historisch. Ob die Jungfrauengeburt denn auch unter den historischen Teil des Textes fällt, ist seit Jahrhunderten eine Streitfrage, die ich jetzt nicht diskutieren will. Es ist (im Sinne des Buches) ein mythologisches Motiv, das in vielen Kulturen in verschiedenen Teilen der Erde in verschiedenen Jahrhunderten vorkam. Gerade eben ist es mir in den Legenden der Cheyenne begegnet (wo sich übrigens ebenfalls das Motiv „Tod und Auferstehung“ findet).


    Warum das so ist (manche Motive also immer wieder auftauchen), ist eine interessante Frage, die ich jetzt in einem anderen Forum zur Diskussion gestellt habe.


    Wenn ich mir die verschiedenen Diskussionen in diversen Threads in Erinnerung rufe, schätze ich, daß für Dich, Tom, alles eine „Krücke“ ist, sobald es um Texte / Inhalte geht, die sich - vereinfacht gesagt - nicht durch Zählen, Messen oder Wiegen „beweisen“ lassen. Ich kenne diese Diskussionen zur Genüge - ich habe sie zeitlebens mit meinem Vater geführt, mit dem Du Dich in dieser Hinsicht vermutlich sehr gut verstanden hättest.


    Ferner erinnert es mich sehr an das Eingangskapitel dieses Buches hier, das mit dem Bericht über ein Radiointerview mit Joseph Campbell beginnt. Der Journalist war, lt. eigener Aussage, „einer von der knallharten Sorte“. Sein Eröffnungssatz lautete demgemäß auch: “Das Wort ‘Mythos’ bedeutet ‘Lüge’. Mythen sind also Lügen.“ (Seite 25.) Im folgenden geht es darum, was ein Mythos ist, und daß Mythen in Metaphernsprache erzählt werden. Letztlich wurde deutlich, daß der Journalist nicht wußte, was eine Metapher ist, weshalb ein Gespräch nicht möglich war (da keine gemeinsame Begriffsgrundlage).


    Campbell kommt zu dem Schluß: Die Hälfte der Menschen in der Welt halten Metaphern, beispielsweise die Metaphern ihrer jeweiligen Religion, für Faktenaussagen: und die andere Hälfte ist der Meinung, Metaphern hätten überhaupt keinen faktischen Gehalt. Dadurch haben wir einerseits Menschen, die sich gläubig nennen, weil sie Metaphern als Faktenaussagen akzeptieren, und andererseits die, die sich als Atheisten einstufen, weil sie religiöse Metaphern nur als Unwahrheiten betrachten können. (Seite 26f.)


    Dieses Interview findet sich auch im hier mit verlinkten Buch „Joseph Campbell. The Hero’s Journey“ auf Seite 134/135, mit einer daran anschließenden (wie ich finde) sehr schönen und treffenden „Definition“ des Begriffes „Gott“: God is a metaphor for a mystery that absolutely transcends all human categories of thought. Even the categories of being and nonbeing. Those are categories of thought.“ * (Seite 135).


    Übrigens plädiert gerade Joseph Campbell sehr heftig dafür, daß wir in unserer Zeit neue Bilder und Metaphern brauchen, um die Menschen zu erreichen.


    Abschließend:


    Jemanden, der ohnehin alles nicht-materielle als nicht-vorhanden ablehnt, wird auch dieses Buch nicht überzeugen können.


    Wer jedoch akzeptiert, daß es eben auch nicht-materielle Dinge gibt, wer - sorry churchill und licht - teilweise losgelöst von den „offiziellen“ christlichen Konfessionen Erklärungshilfen, „Übersetzungen“ alter Bilder in die heutige Zeit sucht, der wird hier mit Sicherheit gute Vorschläge und Denkansätze finden.


    Inwieweit man diesen zustimmt, sie für sich annimmt oder nicht, sie als Grundlage weiterer eigener Studien und Überlegungen macht, steht auf einem ganz anderen Blatt.



    * * * * * * * * * * * * * *


    * sinngemäße Übersetzung: „Gott ist eine Metapher für ein Geheimnis, das alle menschlichen Kategorien des Denkens absolut transzendiert. Sogar die Kategorien von Sein und Nichtsein. Dieses sind Kategorien des Denkens.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hallo, SiCollier.


    Vereinfachend gesagt interpretieren wir heutzutage alles als "metaphorische Symbolik", was zwar damals für bare Münze genommen wurde, sich aber später als Unsinn oder unhaltbar herausgestellt hat. Der Rest - zum Beispiel die Bauernregeln - wird ausgeklammert oder als redaktionelles Beiwerk kategorisiert.


    Zitat

    Wenn ich mir die verschiedenen Diskussionen in diversen Threads in Erinnerung rufe, schätze ich, daß für Dich, Tom, alles eine „Krücke“ ist, sobald es um Texte / Inhalte geht, die sich - vereinfacht gesagt - nicht durch Zählen, Messen oder Wiegen „beweisen“ lassen.


    Darum ging es mir bei meiner Anmerkung überhaupt nicht. Die "heiligen" religiösen Texte stellen (weitgehend - auch sie unterlagen ja Änderungen) Konstanten in einer sich ständig verändernden Geschichte dar, und zwei Aspekte dieser sich ändernden Geschichte sind die folgenden: Erstens wurde zum Mythos, was vorher keiner war, da eine glaubhaftere Erklärung für die Phänomene fehlte (Schöpfung). Und zweitens änderten sich die Rahmenbedingungen: Die Texte selbst wurden zur Geschichte. Um sie dennoch auf ihrem Status zu halten, wurden sie umgedeutet, immer wieder. Es geht mir nicht darum, ob der Mythos falsch ist, weil er sich heutzutage als solcher ausmachen lässt (aus faktischer Sicht) - sondern darum, dass diese Betrachtung keineswegs immer die "richtige" war. Der Aufwand, der nötig ist, um die Bibel immer noch glaubhaft als "Wort Gottes" erscheinen zu lassen, wächst mit jedem weiteren vergehenden Jahrzehnt. Darauf wollte ich hinaus.

  • Hallo Tom. :wave


    Zitat

    Tom
    Es geht mir nicht darum, ob der Mythos falsch ist, weil er sich heutzutage als solcher ausmachen lässt (aus faktischer Sicht) - sondern darum, dass diese Betrachtung keineswegs immer die "richtige" war.


    Mythos (im weitesten Sinne) als historisches oder wissenschaftliches Faktum verstanden, funktioniert auf Dauer nicht. Je mehr sich eine Religion darauf versteift, daß die Texte historisch zu verstehen sind, je mehr wird sie zurückrudern müssen, wenn „die Wissenschaft“ wieder mal etwas entdeckt oder ein bis dato unbekanntes Naturgesetz formulieren kann. Nicht der Mythos ist falsch, das Verständnis desselben ist es, was falsch ist. Das ist übrigens etwas, was ich von Campbell gelernt habe.



    Zitat

    Tom
    Der Aufwand, der nötig ist, um die Bibel immer noch glaubhaft als "Wort Gottes" erscheinen zu lassen, wächst mit jedem weiteren vergehenden Jahrzehnt. Darauf wollte ich hinaus.


    Wobei das mit Sicherheit nicht das Anliegen dieses Buches, und auch nicht das Campbells ist.



    Zitat

    Tom
    Vereinfachend gesagt interpretieren wir heutzutage alles als "metaphorische Symbolik", was zwar damals für bare Münze genommen wurde (...)


    Genau an diesem Punkt bin ich mir nicht so sicher. Wir glauben zu wissen, daß dieser Satz stimmt (für etliche christliche Jahrhunderte stimmt er auch mit Sicherheit). Ob das aber auch für die Zeit davor, für die Entstehungszeit und die Zeit der Niederschrift der Texte stimmt, weiß zumindest ich nicht. Weder gibt es Aufzeichnungen oder Protokolle, die unseren heutigen Ansprüchen genügen, noch wurden damals unsere heutigen Ansprüche an die Texte gestellt. Auch die Sprachen haben sich sehr verändert, und die Bedeutung von einzelnen Worten gleich gar. Von den Schwierigkeiten einer Übersetzung ganz zu schweigen.


    Die Frage, wie das „damals“ aufgefaßt wurde, ist eine höchst interessante, über die ich auch schon des öfteren nachgedacht habe, ohne bisher eine endgültige Antwort gefunden zu haben. Für mich ist diese Frage zwar interessant, allerdings nicht zentral. Viel interessanter (und zentraler) ist für mich, weshalb man überall auf der Welt (verschiedene Kulturen, verschiedene Zeiten, verschiedene Kontinente) die gleichen bzw. sehr ähnliche mythologische Motive vorfindet. Um mich diesem Thema zu nähern, muß ich diese Motive jedoch erst einmal kennen und eine Einführung in die Sprache, in der solche Motive „geschrieben“ sind, erhalten. Für einen Einstieg ins Erlernen dieser „Sprache“ ist dieses Buch gut geeignet, nicht zuletzt weil der Autor einen immensen Überblick über die Mythologien und Religionen der Welt hatte, und somit viele Vergleiche anstellen kann. Nicht mehr und nicht weniger sollen die hier gesammelten Aufsätze und Interviews leisten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Tom
    Vereinfachend gesagt interpretieren wir heutzutage alles als "metaphorische Symbolik", was zwar damals für bare Münze genommen wurde (...)


    hm... wir vereinfachen unsere vorfahren mit solchen sätzen. Sie waren nie einer meinung. So zu verallgemeinern ist glatt, als ob man sagen würde: 'vor der renaissance glaubten alle leute die welt wäre flach'.
    Das ist grobe polemik. Das haben vielleicht vereinzelte geglaubt, nicht 'die menschen' und nicht 'die kirche'. Im gegenteil die klöster haben schriften tradiert, und im 12. Jh sogar aus dem arabischen übersetzt, die lehrten dass himmelskörper - inclusive erde - rund sind.
    Das haben 'die menschen' natürlich nicht geglaubt; die meissten leute haben sich einfach keine gedanken darüber gemacht, weil es absolut uninteressant für ihren täglichen tagesablauf war.


    Genauso uninteressant für das tägliche leben ist das detail, dass halbgötter und sonstige heroen von jungfrauen mittels zeugung durch einen gott geboren werden...
    Ich finde es nur immer wieder überraschend, dass leute sich die schädel über die tiefere bedeutung von formulierungen wie: charismatisch, erleuchtet, göttlich einschlagen können, die eigentlich dasselbe bedeuten, und dann am abendlichen kaminfeuer zu teils pikanten geschichtchen ausgewälzt wurden. Sie waren nie etwas anderes als geschichtchen. Mich verblüfft nur immer, dass Leute diese rundherum erzählten geschichtchen ernster nehmen, als die von der betreffenden person überlieferte kernaussage...

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

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  • @ Tom und off topic:


    Die Texte der Bibel sind ein riesiges Konvolut verschiedenster Genre und Entstehungszeiten. Von daher greift jeder Ansatz, "die Texte" seien mythisch oder symbolisch oder wie auch immer zu deuten viel zu kurz. Es ist vielmehr für jeden Abschnitt neu zu klären, was denn nun im konkreten Einzelfall für ein Text vorliegt und welche Deutemöglichkeiten sich vom Text her ergeben. Das erfolgt nach wissenschaftlichen textkritischen Methoden anhand dessen, was uns als Überlieferungskonvolut der Urtexte vorliegt(und wie üblich auch mit dem immerwährenden Streit der Wissenschaftler). Es gibt zu jedem Buch der Bibel entsprechende wissenschaftliche Kommentare, die diese Arbeit leisten und die im besten Fall die Grundlage für die kirchliche Verkündigung darstellt.


    Damit ergibt sich jedenfalls für die biblischen Texte: eine platte Alternative zwischen symbolischer / mathaphorischer oder wörtlicher Auslegung wird der Vielfalt der Texte gar nicht gerecht. Wir finden z.B. im Alten Testament Mythen, Legenden, Ethymologien, königliche Hofberichterstattung, Rechtssammlungen verschiedener Epochen (zum Teil widersprechenden Inhalts), Märchen und Erzählkränze, die weitestgehend aus mündlicher Überlieferungen stammen dürften, sogenannte weisheitliche Dichtung, Lyrik (Gebete und Lieder). Dazu kommt obendrein, dass uns so gut wie kein Text in seiner ursprünglichen Form erhalten sein dürfte. Über die Jahrhunderte sind da Glossen reingekommen, haben Redaktoren geglättet verändert und angepasst.
    Im Neuen Testament ist es etwas übersichtlicher, aber nicht weniger kompliziert. Auch da muss genau hingeschaut und differenziert werden.