'Cécile' - Kapitel 01 - 08

  • Mein erster Eindruck ist wieder sehr positiv. Ich habe das Buch vor vielen Jahren gelesen und erinnere mich nicht mehr an Details, die Atmosphäre habe ich aber gleich wieder erkannt.

    Gleich das erste Kapitel zeigt deutlich durch den Blick aus dem Zugfenster, wie gut und ungewöhnlich Fontane erzählen kann. Sein Blick, den er dem Leser gut vermittelt, ist detailliert und genau. So sieht man vieles, dass ich als einfacher Reisender nicht beachtet hätte: der Fluss im dünnen Morgennebel, die offen stehenden Schlafstubenfenster, die Sommergärten und Lokale, Kugelakazien, ein Handwagen mit eingeschirrtem Hund und vieles anderes.
    Der Oberst erwähnt die Elefantenhäuser des Berliner zoologischen Gartens auf der Karte, aber Cécile ist nicht interessiert, sie demonstriert das deutlich und das angespannte Verhältnis des Paares wird auch durch ihre Dialoge (Du sprichst nicht, Cécile) deutlich.
    Pierre bemüht sich, es Cécile bequem zu machen, aber sie bleibt kühl.
    Pierre zeigt neben Freundlichkeit auch einen „Zug von Herbheit, Trotz und Eigenwillen“. Das macht ihn aus meiner Sicht zu einen interessanteren Charakter, während Cécile bisher einen schlappen, schläfrigen Eindruck macht.
    Ein allwissender Erzähler schaltet sich ein, der das Paar betrachtet und kommentiert. Ironie, dass dieser allwissende Erzähler mit „Täuschte nicht alles, …“ beginnt.
    So schreibt heutzutage kaum noch jemand, bei Fontane ist es ein Vergnügen.
    Das Paar kommt in Thale im Harz an und macht sich auf den Weg zum Hotel Zehnpfund.


    Im zweiten Kapitel wird Herr von Gordon eingeführt. Er macht auf mich sofort den Eindruck eines möglichen Konkurrenten von Pierre in Bezug auf Cécile, obwohl er sich zunächst mehr für Pierres ehemalige militärische Karriere zu interessieren scheint.



    Kapitel 3: Über das skurrile Berliner-Paar und ihren Sprüchen könnte ich mich ausschütten vor Lachen.


    Die kurzen Kapitel ermöglichen ein komfortables Lesen! Gefällt mir gut!

  • Mir gefällt das Buch bisher auch richtig gut.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Kapitel 3: Über das skurrile Berliner-Paar und ihren Sprüchen könnte ich mich ausschütten vor Lachen.


    Ja, z.B.: Wo das blüht, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keinen Flieder.


    Har, har. :lache
    Im realen Leben würden mir solche Leue allerdings zeimlich auf die Nerven fallen.


    Gewundert habe ich mich über den Ausdruck "hyper-solides Schuhzeug". Ich wusste nicht, dass man das Ende des 19. Jahrhunderts schon so gesagt hat.


    In Kapitel 4 sind die beiden Berliner "Komiker" wieder unterwegs: "bei welcher These der, der sie aufstellte, mit seinem Zeigefinger rasch und geschickt unter den Mundwinkel und mit solcher Energie wieder herausfuhr, daß es einen lauten Puff gab."
    Das klingt ganz nach dem "Plopp" von "1, 2 oder 3". Und ich dachte, dass Michael Schanze den erfunden hätte. :wow

  • Zitat

    Original von taki32
    Im realen Leben würden mir solche Leue allerdings zeimlich auf die Nerven fallen.


    Stimmt, diese Typen sind oft nur in Büchern witzig, da sie mit ihrer Art schnell so penetrant werden können.


    Obwohl die Form eines Hotelromans das auch vereinfacht, bin ich beeindruckt wie geschickt Fontane weitere Nebenfiguren in die Handlung einbringt.
    Neben den benannten Berlinerpaar auch die Malerin, die mir ganz gut gefällt, weil sie so stolz auf ihren Spitznamen Rosa Malheur ist.
    Ihr sind das Berlinerpaar auch nicht ganz geheuer, weil sie so sonderbar sind.

  • Ich hätte nicht gedacht, dass die St. Arnauds so ein aufsehenerregendes Paar sind. Ich dachte, dass zu dieser Zeit ein Altersunterschied von zwanzig Jahren nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Und eine "leidende" Frau, war das nicht damals auch weit verbreitet?


    Cécile ist schon sehr rätselhaft.


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    während Cécile bisher einen schlappen, schläfrigen Eindruck macht.


    Interessant finde ich die Stellen, wenn sie "wach" wird:
    In Kapitel 1 richtet se sich auf und lächelt, als ihr Mann ihr schmeichelt: "Ein Teppich legt sich dir zu Füßen, und der Harz empfängt dich à la Princesse".
    In Kapitel 4 beleben sich ihre Züge, als die Berliner Scherzkekse einen Knall simulieren. In Kapitel 6 ist sie entzückt, als sie die Mappe von Rosa durchsieht. In Kapitel 7 beleben sich ihre Züge, als ihr Mann ihr bestätigt, dass Gordon Interesse an ihr hat.


    Überhaupt scheint sie das Gegenteil von Rosa zu sein, nicht nur äußerlich, sondern auch hinsichtlich des Temperaments sowie der Bildung. Letztere scheint erstaunlich gering im Vergleich zu dem, was "Damen der Gesellschaft" sonst zu wissen pflegten.

  • Nun versuche ich also mal den Sprung ins kalte Wasser. Aus dem England des Jahres 1583 ins Deutschland des 19. Jahrhunderts, wenn ich das recht gesehen habe. Und zu meinem ersten Buch, das ich von Fontane lese.


    Und gleich auf der ersten Seite stolpere ich über eine altertümliche Formulierung, nämlich "... die Billets zu kupieren." Es ist mir zwar klar, was das bedeutet, doch gleichzeitig bringt es mir zu Bewußtsein, wie lange es her ist, daß ich einen Text, der im 19. Jahrhundert entstanden ist, gelesen habe. Höchste Zeit also, dies wieder mal zu tun; hoffentlich kann ich in dieser erlauchten Runde bestehen. ;-)


    Im übrigen ist es ein etwas seltsames Gefühl, nach langer Zeit wieder mal einen Roman zu beginnen, ohne zu wissen, worum es geht. Da in meinem Buch mehrere Werke Fontanes versammelt sind, gibt es keinen Klappentext, und ich habe mich - um mich mal überraschen zu lassen - auch nicht vorher informiert, wenngleich es einen (für meine Begriffe) recht ansehnlichen Anhang gibt, aus dem ich mir die ungefähre Zeit der Handlung herausgesucht habe. Das erste Kapitel habe ich beendet - nun denn, so will ichs denn angehen.


    Was ich von den beiden im Zug halten, wie ich sie einschätzen, wie meine Sympathien oder Antipathien verteilen soll, weiß ich noch nicht so recht. Ist aber auch noch etwas früh. Die Beschreibung der Bahnfahrt fiel mir nicht so besonders auf. Modellbahnerei ist seit Jahrzehnten mein Hobby. Und was Fontane beschreibt, gehört ganz klassischerweise neben die Bahnschienen; das habe ich so oft in entsprechenden Fachzeitschriften gelesen, daß es mir nicht mehr auffällt. Ich erwarte so was förmlich, vor allem in der früheren Zeit.


    Die Bahnfahrt ging anscheinend recht flott vonstatten, was mich ein bißchen verwundert hat. Denn die richtig schnellen Züge kamen erst später. Aber vielleicht schien mir das auch nur so; und im übrigen wird Fontane als Zeitgenosse wohl wissen, wie schnell man zu seiner Zeit reisen konnte. ;-)


    Und jetzt lese ich erst mal ein Stückchen weiter.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Kap. 8: Die Touristengruppe ist in Quedlinburg angekommen und sieht sich dort u.a. das Klopstock-Haus an.
    Klopstockhaus von außen:
    http://www.anhaltweb.de/sectio…7x0x0x2x326x327x311x.html
    Klpstockhaus von innen:
    http://www.quedlinburg.de/index.php?cid=118057000119&id=118057000072
    Cécile ist das Haus allerdings zu grün. Sie hat wohl eine sehr empfindliche Wahrnehmung für Farben.


    Cécile betrachtet die Blumenbeete und ist beeindruckt von den Blumenbeeten, besonders das rote, dass Brennende Liebe heißt.


    Muss man die Farben grün und rot irgendwie deuten?


    Fontane schafft es die Stadt gut zu portraitieren. Sozusagen ein Bonus zum eigentlichen Thema.

  • Im 2. Kapitel: “Bis Berlin? Aber nein, darin irr’ ich, das ist nicht möglich. Berlin muß weiter sein; fünfzehn Meilen oder noch mehr.“
    Soll ich daraus schließen, daß Cécile ein sehr bescheidenes geographisches Wissen bzw. Vorstellung hat, ganz zu schweigen von einer möglicherweise nicht gerade guten Allgemeinbildung? Denn Harz - Berlin ist auf jeden Fall mehr als 15 Meilen, egal welche.


    Im sechsten Kapitel dann: Cécile war entzückt, verklagte sich ihrer argen Talentlosigkeit halber, unter der sie zeitlebens gelitten, und tat freundliche, wohlgemeinte Fragen, die reizend gewesen wären, wenn sich nicht, bei mancher überraschenden Kenntnis im einzelnen, im ganzen genommen eine noch verwunderlichere Summe von Nichtwissen darin ausgesprochen hätte.
    Daraus schließe ich, daß ich wohl mit meiner Vermutung nicht so ganz falsch gelegen habe.


    Ich habe mir übrigens mal die Website von Thale diagonal angesehen. Liest sich ganz interessant. Hier klicken für den Link dorthin.


    Später im zweiten Kapitel der Ausspruch: “Der Herr Verfasser weiß da so gut Bescheid wie ich auf dem Mond.“
    Klasse - den Satz nehme ich in mein Repertoire auf!


    Zum Ende des dieses Kapitels ist mir der Herr von Gordon reichlich mysteriös. Was geht den das eigentlich alles an, und wieso hat Cécile so auf die „Begegnung“ mit ihm reagiert?


    Dann der Ausflug mit von Gordon in den Harz, wo man die Malerin Rosa trifft. Spätestens hier war ich über die vielen Anmerkungen meiner Ausgabe dankbar, in denen das im Text erwähnte Wortspiel (für Kunstbanausen wie mich ;-) ) erklärt wurde.


    Zum Ende des achten Kapitels, ich gebe es offen zu, bin ich nicht viel schlauer als zu Beginn des ersten. Man kommt überein, den von Rosa geplanten Ausflug nach Quedlinburg zu Viert zu unternehmen, und Rosa geht (so scheint es mir) bereitwillig auf die Planungen der anderen ein, unter Hintanstellung ihrer eigenen Interessen. Das paßt für mich irgendwie nicht zusammen. Einerseits will sie ihr Reiseprogramm nicht ändern, andererseits paßt sie sich den anderen (scheinbar bedingungslos) an.


    Und auch die Personen selbst sind mir noch rätselhaft und verschlossen. Ob Rosa im weiteren noch eine Rolle spielen wird, weiß ich nicht. Gordon kümmert sich viel, aber seine Absichten sind mir nicht ganz nachvollziehbar. Cécile und ihr Gemahl schließlich rätselhaft und mysteriös, vom Verhältnis zueinander bis hin zur Krankheit der Frau.


    Fontane versteht es jedenfalls, genügend Fragen aufzuwerfen, deren Beantwortung man harrt. Aber nicht mehr heute Abend. Jetzt harrt das Bett meiner.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Dann der Ausflug mit von Gordon in den Harz, wo man die Malerin Rosa trifft. Spätestens hier war ich über die vielen Anmerkungen meiner Ausgabe dankbar, in denen das im Text erwähnte Wortspiel (für Kunstbanausen wie mich ;-) ) erklärt wurde.


    Ausgaben mit Anmerkungen finde ich auch prima. Leider hat meine nur ein Nachwort. Jetzt bin ich aber neugierig geworden: Was für ein Wortspiel meinst du denn?

  • @ Taki32


    Seitenzahlen kann ich keine angeben, da wir ja vermutlich alle verschiedene Ausgaben benutzen (ich habe eine vom Bertelsmann Club, die der Ausgabe der 1962ff im Carl Hanser Verlag erschienenen folgt). Die Stelle ist im sechsten Kapitel, als die Gesellschaft sich zu der Malerin Rosa an den Tisch gesetzt hatte. Ich zitiere mal:
    “ ... Glauben Sie mir, Tiere malen aus Beruf oder Neigung ist ein Schicksal. Und wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen. Denn zum Überfluß heiße ich auch noch Rosa, was in meinem speziellen Falle nicht mehr und nicht weniger als eine Kalamität ist.“
    „Und warum das?“ fragte Cécile.
    „Weil mich, auf diesen Namen hin, die Neidteufelei der Kollegen in Gegensatz bringt zu meiner berühmten Namensschwester. Und so nennen sie mich denn Rosa Malheur.“ ...


    Hier die Erklärung aus meinem Buch:


    ZITAT
    Rosa Malheur: parodistisch nach Rosa Bonheur (1822 - 1899), der damals bekannten Malerin naturalistischer Tierbilder (malheur = Unglück; bonheur = Glück) ZITATENDE



    Wo Eyre ist, habe ich mich auch schon gefragt, zumal ich diese Leserunde kurz entschlossen noch in meinen ohnehin vollen Leserundenplan eingeschoben habe.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Zum Ende des dieses Kapitels ist mir der Herr von Gordon reichlich mysteriös. Was geht den das eigentlich alles an, und wieso hat Cécile so auf die „Begegnung“ mit ihm reagiert?


    Zum Ende des achten Kapitels, ich gebe es offen zu, bin ich nicht viel schlauer als zu Beginn des ersten.


    Fontanes Absicht ist es vermutlich, den Leser über Céciles Vergangenheit vorerst im unklaren zu lassen. Das macht für mich auch einen Teil des Reizes des Romans aus. Deshalb verstehe ich Gordon und seine Schnüffeleien auch irgendwie Er hat ungefähr den selben Wissenstand des Lesers, in Ceciles Vergangenheit war irgendwas, nur was? Er ist von Cecile angezogen, die ja ständig als so schöne Frau von Fontane betitelt wird, und möchte mehr über sie wissen.


    Bis jetzt mag ich Cecile als Romanfigur, richtig sympathisch ist sie mir aber nicht.

  • Zitat

    Herr Palomar
    Bis jetzt mag ich Cecile als Romanfigur, richtig sympathisch ist sie mir aber nicht.


    Das ist eine gute Beschreibung dessen, wie es mir auch ergeht. Bisher ist mir niemand so richtig sympathisch, oder daß ich mich mit einer der Figuren identifizieren könnte.


    Trotzdem kann ich sagen, daß mich bisher die Sprache Fontanes anspricht. Ohne die neueren Bücher abwerten zu wollen (seit ich bei den Eulen bin, ist mein persönlicher Leseplan doch sehr von den Leserunden und der sich daraus ergebenden "Folgeliteratur" geprägt), ist es doch eine Wohltat, mal wieder was so richtig schön altertümliches (auch wenn das nicht ganz das treffende Wort ist), also in einer etwas veralteten Ausdrucksweise geschriebenes, aus der der Geist einer verschwundenen Zeit herüberweht, zu lesen. Zum Glück habe ich in der Richtung Unmengen von Büchern, und brauche keine "Kauforgie" zu starten. :-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Vielen Dank, SiCollier, für die Erläuterungen zu Rosa Malheur/Rosa Bonheur!


    Mit Cécile geht es mir auch so, dass ich hin- und hergerissen bin. Einerseits mag ich sie, andererseits geht mir ihr ständiges "Oh, ich muss mich ausruhen" ein wenig auf die Nerven.


    Die Sprache von Fontane finde ich auch sehr schön. Besonders gefallen mir die Entlehnungen aus dem Französischen wie Perron, Compartiment, comme il faut, diffizil. Herrlich. Das erinnert mich an meine Oma, die beispielsweise davon sprach, dass sie malade sei.

  • @all


    Hallooooo Ihr Lieben,


    hier bin ich ... war am WE kurzfristig bei meinen Großeltern, deswegen heute nach der Arbeit das erste Mal da ... suppaaaaa ...


    also


    schon die Bahnfahrt zeigt einige bedeutende Szenen über die GEschichte Céciles, wenn es um den Militär am Potsdamer Bahnhof geht. Erst da drängt es St. Arnaud zum GEspräch mit Cécile und sie wehrt ab ...


    Gordon und St. Arnaud werden schon als Gegner ins Feld geführt. Gordon überlässt dem älteren Militär das Wort und St. Arnaud will Abwechslung und stellt den Kontakt zwischen Cécile und Gordon her ... der erste Ausflug unter seiner Führung ist ein Umweg: "der sich nicht bloß durch das, was er haben (darunter die schönsten Durchblicke), sondern viel, viel mehr noch durch das was er nicht habe, hörchst vorteilhaft auszeichne." Hier verweist Gordon schon auf seine Lebensstellung - ungebunden, frei, unabhängig ...


    die Szene mit der Villa und dem schreienden Pfaul zeigt auch, dass Gordon die Ehe der St. Arnauds für ein "Idyll ... eine bloße Kulisse" hält ... die Reaktionen der drei Personen sind charakteristisch: die kühle, unbeindruckte beherrschte Art des St. Arnaud, die verträumte, uninteressiete Cécile (wenn es nicht um sie geht) und der "Geschichten" liebende Gordon ...


    so ... jetzt lese ich noch mal eure Beiträge ... ich bin wirklich ganz aufgeregt ...


    das gribbelige eyre

  • Fällt Euch auf, wann Cécile nervös wird, "Schwächeanfälle" bekommt?


    Z. B. über die Rosstrappe und vor allem am Ende des achten Kapitels: "Denn Gräfinnen werden sie schließlich alle, wenn sie nicht vorziehen, heiliggesprochen zu werden."


    Gordon ist an der mysteriösen Schönheit Céciles interessiert und an der vermeintlichen GEschichte, die der Erzähler schon im ersten Kapitel angedeutet hat (Fontane erfasst meist im ersten Kapitel schon die Auswirkungen seiner novellenhaften Thematik) ...

  • Zitat

    Original von taki32
    Ich hätte nicht gedacht, dass die St. Arnauds so ein aufsehenerregendes Paar sind. Ich dachte, dass zu dieser Zeit ein Altersunterschied von zwanzig Jahren nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Und eine "leidende" Frau, war das nicht damals auch weit verbreitet?


    Ja - aber St. Arnaud a.D. (Männer definierten sich auch emotional zu Fontanes Zeiten über die Arbeit) und eine so junge, kranke, wie auch schöne Frau ... das erweckt auch heute Aufmerksamkeit ... Céciles Krankheit wird genau beschrieben und entspricht dem Neurasthenie- und Hysteriebild im 19. Jahrhundert. Auffällig immer dann, wenn Frauen nicht in der Lage sind, ihre Emotionen zu verbergen oder zu portionieren - sie neigen zu Schwächeanfällen, ungerichteten Gestiken und hektischen Mimiken, Übermüdung u.v.m.


    Zur Zeit Fontanes sollte eine Frau gleichmütig nach außen wirken, aber auch durch "nette" Emotionen nie langweilig wirken. DAbei galt es, die Langeweile und Frustration über die gesellschaftliche "Untätigkeit" nicht nach außen zu tragen. Viele Tagebuchaufzeichnungen von Frauen aus der Zeit zeigen, dass es schwer war, ein gleichmütiges Bild nach außen zu tragen. Frauen wurden generell ein Unbeherrschen der GEfühle zugesagt, so dass die Männer gerade deshalb zur Herrschaft über sie berechtigt sind.


    St. Arnaud herrscht über seine Frau, die kein emotionales Gleichgewicht zu haben scheint ... und Gordon?

  • Danke, eyre, für die Erklärungen. Ich habe die entsprechenden Stellen nochmals nachgelesen; das wäre mir vermutlich gar nicht aufgefallen (vor allem auch, weil das das erste Werk von Fontane ist, das ich lese, und ich darob gar nicht so recht weiß, worauf ich achten sollte).


    Zitat

    eyre
    Fällt Euch auf, wann Cécile nervös wird, "Schwächeanfälle" bekommt?


    Z. B. über die Rosstrappe und vor allem am Ende des achten Kapitels:


    Wenn ich das so recht bedenke, kommt mir ein Verdacht, wohin das ganze streben könnte. Mal sehen, ob ich ich die richtige Richtung denke.


    Tut mir leid, daß ich so langsam bin. Doch ich bin im Büro derzeit ziemlich gut beschäftigt und kann voraussichtlich erst heute Abend weiterlesen. Aber ich bin auf jeden Fall weiterhin dabei!

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Wenn ich das so recht bedenke, kommt mir ein Verdacht, wohin das ganze streben könnte. Mal sehen, ob ich ich die richtige Richtung denke.


    Tut mir leid, daß ich so langsam bin. Doch ich bin im Büro derzeit ziemlich gut beschäftigt und kann voraussichtlich erst heute Abend weiterlesen. Aber ich bin auf jeden Fall weiterhin dabei!


    Bitte schreib Deine Vermutung - als ich das Buch zum ersten Mal las, hielt ich es vor Spannung wegen der Vorgeschichte kaum aus, aber war doch perplex über die Handlung ...


    Mach Dir keine Sorgen - Liesbett hat auch später begonnen und zuckelt mit Dir nach ... mach Dir einen schönen Feierabend ... :wave

  • Zitat

    eyre
    Bitte schreib Deine Vermutung


    Die Vermutung hängt sich vor allem an der Bemerkung „Ende des achten Kapitels“ auf. In dem Zusammenhang würde ich vermuten, daß


    So spannend wie z. B. einen Thriller empfinde ich das Buch nicht, allerdings könnte ich es auch nicht ab- oder länger unterbrechen, weil ich denn doch wissen will, wie es weitergeht. Ich habe, wie gesagt, lange nichts mehr aus dem 19. Jahrhundert gelesen und empfinde die Sprache als wohltuend und beruhigend. Ich kann nur einen Vergleich, eine Analogie, gebrauchen: die für mich schönste Aufnahme der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven stammt m. W. aus dem Jahre 1943 mit dem Berliner Rundfunk Symphonie Orchester unter Rudolf Schulz-Dornburg. Nichts von Hektik, Hetze, Eile. Aus jenen längst entschwundenen Tagen klingt ein Lied herüber, und indem wir ihm lauschen, versinkt die Gegenwart und das Gewesene wird wieder lebendig und klar und gegenwärtig.


    Ich glaube, ich sollte besser aufhören; doch vielleicht konnte ich verständlich machen, was ich meine.


    Edit. Ergänzung

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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