'Die Glocken von Vineta' - Seiten 417 - 554


  • Das hab ich ihm Nachhinein alles so empfunden (auch wenn ichs nie so in Worte hätte fassen können). Für mich war es stimmig, wenn auch auf eine ziemlich heftige Weise.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Sorgen sollten sie haben vor der Reaktion der Öffentlichkeit- auch als es noch keine Medienhypes gab ist Massenhysterie nichts liebenswürdiges gewesen.


    Okay, Beo, mein Fehler. Da ich das Buch schon vor einiger Zeit gelesen habe und somit die Rolle der Öffentlichkeit zum Thema kenne, schweige ich jetzt dazu.


    Viele Grüße
    Kalypso


  • Ich sehe es wie Kalypso. Der Gedanke an Blutschande ist mir hier fremd.
    Ich war auch sauer, dass die beiden Warti hintergehen. Das hat er nicht verdient.


    Natalia hat schon geliebt, aber eben nicht auf allen Ebenen. Eine Liebe, die sich im Kopf abspielt, zum Teil auch im Herzen, aber nicht im Leib ankommt.


    Starkes Stück fand ich aber, dass sie sich von Warti hat trösten lassen, als Anton davongesegelt ist. Für Bole sah es so aus, als stände dort ein echtes Liebespaar.

  • Ja, das stimmt.
    Die Szene ist ziemlich haesslich.
    Aber Natalia hat Warti lieb, das ist nicht gelogen. Es reicht nur nicht ganz.
    Nicht ganz. Du hast es schoen beschrieben.


    Alles Liebe von Charlie

  • Das tue ich keinesfalls.
    Es ist meine persoenliche Variante des so genannten "Happy ends".

  • Zitat

    Original von Charlie
    Das tue ich keinesfalls.
    Es ist meine persoenliche Variante des so genannten "Happy ends".


    Hm, ich würde das so deuten: Die Liebe zu Anton mag größer gewesen sein, aber zu Warti gehörte sie, und das hat sie zum Schluss auch begriffen. Das Ende empfand ich übrigens durchaus als ein Happy End, ganz ohne Anführungszeichen.


    (Jaaaa, falscher Thread, ich weiß.)

  • Um die Blutschande geht es mir eigentlich gar nicht, sondern darum, daß sich eine erwachsene Frau auf ein Verhältnis mit einem Jungen einläßt, der an Sohnes statt in ihrem Haus lebt. Warti sieht ihn ja eindeutig als seinen Sohn und Erben.
    Das finde ich schamlos und unverzeihlich Warti gegenüber.

  • Ich finde es auch schlimm. Natalia findet es auch schlimm.
    Es ist schlimm.


    Unverzeihlich finde ich es nicht, weil ich grundsaetzlich davon ausgehe, dass auch sehr netten Leuten sehr schlimme Dinge geschehen koennen, keine harmlosen, erklaerlichen oder wieder zu bereinigenden Dinge. Sondern solche, die andere schwer schaedigen.


    Bitte nicht falsch verstehen. Ich heisse nicht gut. (Und du hast natuerlich voellig recht, JaneDoe - es hat mir auch wehgetan, sie das einander antun zu lassen. Ich kam mir dabei ein bisschen wie ein Unmensch vor. Ich hab diese Szene ueberhaupt nicht gern geschrieben, vor allem habe ich Kasi nicht gern hineingesetzt, und dabei fragt man sich ja auch: Was stimmt eingentlich nicht mit Dir, dass Du sowas schreibst?)
    Ich gehoere nur zu denen, die sich eher gluecklich als gut schaetzen, wenn sie bisher nichts allzu auffaellig Schlechtes getan haben.


    Liebe Sabine, ich denke eigentlich gar nicht darueber nach, ob eine Liebe groesser ist als die andere, sondern halte es durchaus fuer moeglich (und nicht fuer selten), nach unterschiedlichen Menschen aufgrund unterschiedlicher Beduerfnisse und auf unterschiedliche Weise zu verlangen. Die beiden hatten (ja genau, das, was Herr Palomar beschreibt, meine ich) etwas, das sehr wertvoll war und das gewachsen ist, es hat auch eine Art von Wahnsinn ueberlebt und am Ende ist noch etwas davon da und hilft beim Hinuebergehen.



    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie
    Liebe Sabine, ich denke eigentlich gar nicht darueber nach, ob eine Liebe groesser ist als die andere, sondern halte es durchaus fuer moeglich (und nicht fuer selten), nach unterschiedlichen Menschen aufgrund unterschiedlicher Beduerfnisse und auf unterschiedliche Weise zu verlangen. Die beiden hatten (ja genau, das, was Herr Palomar beschreibt, meine ich) etwas, das sehr wertvoll war und das gewachsen ist, es hat auch eine Art von Wahnsinn ueberlebt und am Ende ist noch etwas davon da und hilft beim Hinuebergehen.


    Du hast da allerdings ein überdeutliches Symbol eingearbeitet.


    [sp]Sie hat es nachgeholt, ihm die Lenden zu gürten. Das empfand ich als eine klare Entscheidung: DU bist der Richtige. Das war wesentlich mehr als nur, dass noch etwas da ist (vielleicht versteh ich jetzt auch bloß nicht so, was du meinst, und hab zu sehr die romantische Brille auf).[/sp]

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Um die Blutschande geht es mir eigentlich gar nicht, sondern darum, daß sich eine erwachsene Frau auf ein Verhältnis mit einem Jungen einläßt, der an Sohnes statt in ihrem Haus lebt. Warti sieht ihn ja eindeutig als seinen Sohn und Erben.
    Das finde ich schamlos und unverzeihlich Warti gegenüber.


    Natürlich ist es schlimm, aber ob es unverzeihlich ist, kann letztlich nur Warti entscheiden.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • "Noch etwas uebrig" sollte sich keinesfalls nach wenig anhoeren, das war wohl ein bisschen schlaff ausgedrueckt.
    Es ist eine klare Entscheidung. Fuer Vineta, fuer die Kultur, die untergeht, fuer den Mann, mit dem sie gelebt hat, und fuer das Leben, das sie gefuehrt hat.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Kalypso


    Dann verstehe ich zwar, warum Anton sich als Christ sieht (weil er m.E. darüber seine Leere füllen will und dort seine Identität glaubt),


    Es ist für ihn auch das Bindeglied zu seiner Herkunft, zu seinen Wurzeln.


    Zitat


    dass es etwas reißerisch wird


    Das sehe ich anders. Es ist vielleicht ein wenig - hm, mir fehlt das richtige Wort - theatralisch, überspitzt, aber die Grenze zum reißerischen wird m. E. nicht erreicht. (Kalypso, vielleicht erinnerst Du Dich an einen anderen historischen Roman aus diesem Jahr, wo diese Grenze für mich z. T. überschritten war). Charlie beschreibt Emotionen, die sehr tief in den Menschen verankert sind. Wer selbst Emotionen nicht in dieser Art auslebt, dem erscheint dies sicher da oder dort überzogen. Wie Du schon selbst sagtest, gibt es aber Menschen, die von ihren Emotionen in dieser Art und Weise beherrscht werden.

  • A

    Zitat

    Aber das hier kann ich jetzt nicht fuer mich behalten:
    Der Satz "Wir sind hier nicht in der griechischen Mythologie" laesst mich nicht mehr los.
    Richtig ist der natuerlich. (Wobei ja in zahlreichen Mythologien, nicht nur in der griechischen, interessanterweise Inzest thematisiert wird, aber das nur nebenbei.)
    Die Vineta-Sage ist eine Sage, kein Mythos, und meine Intention war die Thematisierung von Inzest nicht.
    Aber trotzdem ruehrt diese Kritik an etwas, das mir selbst im Kopf herumgeht (auch wenn's womoeglich nicht uebermaessig clever ist, so etwas zuzugeben)? Waehrend meine zwei folgenden Romane eindeutig historische Romane sind, habe ich diesen als solchen eigentlich in der Planungsphase gar nicht betrachtet. Sondern als meine interpretierende Version einer Sage. Vielleicht haette ich darin wesentlich konsequenter sein muessen? Die tragische Unausweichlichkeit, die ich vermitteln wollte, ist vielleicht viel zu sehr verwaessert?


    Charlie, ich habe Deinen Roman in erster Linie als Sage verstanden!
    Und als Blutschande habe ich es auch nicht gesehen, sie waren ja nicht miteinander verwandt.
    Ich war einfach nur geschockt, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Ich habe leider die Vorzeichen nicht erkannt. Für mich war Natalia eine Frau, die Berührungsängste hatte und zu keiner Liebe fähig war.
    Und da sie Anton sehr bemutterte, kam ich nicht darauf, dass sie Ihn lieben könnte.


    Die tragische Unausweichlichkeit ist für mich SEHR GUT rüber gekommen. Der Ausgang der Sage ist bestens bekannt ......

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
    _______________________________________________________
    :kuh:lesend

  • Zitat

    Original von Charlie
    Ich finde es auch schlimm. Natalia findet es auch schlimm.
    Es ist schlimm.


    Ich habe die Vorzeichen auch nicht erkannt. Vielleicht, weil ich Natalia für zu alt hielt und die Muttergefühle für echt (wieviel älter als Anton ist Natalia eigentlich? )
    Um mich auf dein obiges Zitat zu beziehen: Für mich kommen keine Schuldgefühle auf Seiten Natalias rüber. Das einzige Eingeständnis ist ihre Konsequens, Warti zu verlassen. Sie hätte ihm das Kind auch unterschieben können und ihr gewohntes Leben beibehalten können. Aber das tat sie nicht. Was ich als mutig und richtig empfinde.
    Aber ansonsten sehe ich ihre Schuldgefühle nicht. Sie ist traurig, das es so kam. Warti zeigt imho Größe bei ihrem Geständnis.


    Ich halte es allerdings grundsätzlich für möglich, das man eine andere Art von Liebe zu jemanden empfinden kann, als man vorher dachte (also hier Mutter-Sohn-Liebe). Das mag ja auch entstanden sein im Laufe der Jahre. Unausweichlich hat es auf mich nicht gewirkt. Auch nicht in der Situation, als sie begriffen, was los war. Natalia schien in dem Moment zwar endlich gewiss, was mit ihr war, aber bei Anton habe ich keine Vorzeichen erkannt.


    Natalia und Warti verbindet von Natalias Seite wohl mehr Freundschaft und Verbundenheit. Das sie nun Liebe oder zumindest sexuelles Begehren empfindet, ist neu für sie. Vielleicht dachte sie bei Warti, ja so muss es sein, das ist es. Erst als sie bei Anton war, erkannte sie vielleicht, das es da doch nochmal anders sein kann.


    Obwohl mir die ganze Geschichte für meinen Geschmack grundsätzlich etwas zu sehr Richtung "Familiengeschichte" und "griechisches Drama" abdriftet, finde ich die Wendung interessant und lese immer noch gerne. An Inzest habe ich auch nicht gedacht, denn es liegt keine Verwandschaft im biologischen Sinne vor. Rechtlich zu der Zeit könnte es anders sein. Allerdings wird es für Warti ein echter dramatischer Schock sein, wenn er es erfahren sollte. Für ihn ist Anton ein Sohn.


    Die Ähnlichkeit Stanis mit Warti lässt mich wieder an die von mir vermutete Vaterschaft Boles bei Anton denken. Gene gehen ja manchmal Umwege....
    Und Bole hats versaut! :cry. Ich gestehe, zu Anfang des Buches wären er und Natalia mein Wunschpaar gewesen.

  • Zitat

    Original von Darcy
    [Das sie nun Liebe oder zumindest sexuelles Begehren empfindet, ist neu für sie. Vielleicht dachte sie bei Warti, ja so muss es sein, das ist es. Erst als sie bei Anton war, erkannte sie vielleicht, das es da doch nochmal anders sein kann.


    Genau. Sie haette nichts Fehlendes benennen koennen.


    Zu Bole und Anton darf ich leider in diesem Ordner noch nichts sagen, aber ...


    Schoen, dass Du dem Buch erhalten bleibst, obwohl es Dir eigentlich nicht liegt. Fuer mich ist Deine Ansicht dazu umso interessanter.


    Froehlichen Start in die letzte Adventswoche wuenscht
    Charlie

  • Huhu Pelican :knuddel1


    Zitat

    Original von Pelican
    Es ist für ihn auch das Bindeglied zu seiner Herkunft, zu seinen Wurzeln.


    Er glaubt verzweifelt, dass es ein Bindeglied ist, ja. Das meinte ich weiter vorn damit, dass er genau wie Natalia ein Verlorener ist, eben ohne Wurzeln.



    Zitat

    Original von Pelican
    Das sehe ich anders. Es ist vielleicht ein wenig - hm, mir fehlt das richtige Wort - theatralisch, überspitzt, aber die Grenze zum reißerischen wird m. E. nicht erreicht. (Kalypso, vielleicht erinnerst Du Dich an einen anderen historischen Roman aus diesem Jahr, wo diese Grenze für mich z. T. überschritten war). Charlie beschreibt Emotionen, die sehr tief in den Menschen verankert sind. Wer selbst Emotionen nicht in dieser Art auslebt, dem erscheint dies sicher da oder dort überzogen. Wie Du schon selbst sagtest, gibt es aber Menschen, die von ihren Emotionen in dieser Art und Weise beherrscht werden.


    Das kannst du natürlich sehen, wie immer du magst :-), mir war es "zu viel".
    Daher ist es mir relativ egal, ob es nun als reißerisch oder theatralisch überspitzt bezeichnet wird, überflüssig fand ich es dennoch, weil dieser Roman (oder diese Autorin) so etwas m.E. nicht gebraucht hätte. Und das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.


    Ich glaube zu wissen, welchen anderen Roman du meinst, aber der hatte ansonsten auch nicht die Tiefe, die »Vineta« hat und das genau ist der Punkt. Es kam mir teilweise so vor, als ob Charlie (bitte entschuldige, dass ich ständig so über dich hinweg rede) sich nicht entscheiden kann zwischen dem Anspruchsvollem und dem Reißerischen.


    Und wenn wir schon andere Romane anschneiden, erinnerst du dich sicher an eine ganz spezielle Sexszene, die bei einigen Lesern überhaupt nicht angekommen ist und die deshalb auf Biegen und Brechen in der Leserunde schön geredet werden sollte, was natürlich nicht funktioniert hat. Dies nur als Anmerkung dazu, dass spätere Diskussionen einen bereits entstandenen Eindruck nicht mehr ändern können :-).



    Viele Grüße
    Kalypso

  • Womoeglich nenne ich das, was ihr theatralisch und/oder reisserisch nennt, pathetisch?


    Und das ist kein von mir noch nie gehoertes Wort, kein Vorwurf, der mir zum ersten Mal gemacht wird und leider auch keiner, der mir zum letzten Mal gemacht werden wird.
    Dass ich zu ueberzogenem Pathos einen starken unglueckseligen Hang habe, ist mir bewusst (meine Testleser koennen bestaetigen, dass das jeweils meine lauteste Bitte ist: PATHOS ANSTREICHEN). Dabei bilde ich mir ein, es ueberhaupt nicht zu moegen. Aber man bildet sich ja so manches ein.


    Ich habe mich mit der (sehr sehr sehr netten) Kirsten Schuetzhofer die ja viele von euch auch kennen und/oder gelesen haben, mal darueber unterhalten. An Kirstens Roman gefaellt mir, dass er so leise ist, dass Kirsten sich so zuruecknimmt und ihr grosses Thema mit ganz behutsamen Fingern anfasst. Ihr Roman ist ein stilles, praezises, schoenes Understatement. Von solchem historischen Roman kann jemand mit meiner Neigung viel lernen.


    Ueber mich hinweg koennt Ihr sehr gern reden, erstens ist's interessant fuer mich und zweitens ist's euer gutes Recht, es war ja schliesslich nicht so gedacht (aehhh, auch von mir nicht ...), dass ich euch hier unentwegt reinsabbele. (Versprochen: Freitag duese ich ab, dann hab ich eine wacklige Verbindung und bin ausserdem von Verwandten umringt, bin also zumindest stundenweise zum Schweigen verdammt.)
    Nur bitte lassen wir "die Sexszene" aussen vor, darueber waere ich froh. Ich finde den Roman grossartig. Und die Szene auch. Mir tat's sehr leid, dass sie so ankam, ich hab sie schlicht voellig anders gelesen.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Kalypso


    Er glaubt verzweifelt, dass es ein Bindeglied ist, ja. Das meinte ich weiter vorn damit, dass er genau wie Natalia ein Verlorener ist, eben ohne Wurzeln.


    Ja und nein. Er glaub verzweifelt daran, daß es ein funktionierendes Bindeglied ist. Das ist es nicht. Aber in der Tat ist es die einzige wenn auch wenig greifbare Verbindung zu seinen Vorfahren.


    Zitat


    Das kannst du natürlich sehen, wie immer du magst :-), mir war es "zu viel". ...


    und eben weil wir meistens einer Meinung sind, finde ich es so spannend uns auszutauschen darüber, wie einzelne Szenen bei Dir und bei mir angekommen sind und freue mich, daß keine die Meinung der anderen umdrehen will :knuddel1 (und abgesehen davon, freue ich mich, daß ich mal wieder von Dir lese :knuddel)


    Zitat

    dass spätere Diskussionen einen bereits entstandenen Eindruck nicht mehr ändern können :-).


    :write so isses!