I hate myself and want to die
Die 52 deprimierendsten Songs aller Zeiten
Tom Reynolds
ISBN:9783896026934
Schwarkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin
272 Seiten - 14,90 Euro
Der Autor: Tom Reynolds ist Schriftsteller und Fernsehproduzent. Er hat den Dokumentarfilm „The Wild Ride of Outlaw Bikers“ produziert und schrieb das Begleitbuch zum Film. Er produzierte etliche TV-Shows und war technischer Leiter des berühmten „Groundlings Comedy Theater“. Reynolds ist Musiker und hat in mehreren Jazz-, Blues- und Rockbands gespielt. Er lebt in Los Angeles.
Buchrückentext: Gerade war die Welt noch in Ordnung, dann läuft ein Song im Radio und schwupp, ist die gute Stimmung dahin, und man versinkt in tief-trüben Gedanken. Diesem Phänomen ist Autor Tom Reynolds nachgegangen. Auf der Suche nach den allerdeprimierendsten Songs der letzten Jahrzehnte wühlte er sich ein Jahr lang durch Plattenarchive. Die 52 Songs in diesem Buch sind in zehn repräsentative Kategorien geordnet, die dann so erbauliche Überschriften tragen wie „Ich starb als Teenie bei einem Autounfall“, „Sie hasst mich, ich hasse sie“ oder „Ich blase Trübsal, daher bin ich“.
Die Liste der prominenten Stimmungsmiesmacher ist lang. Darunter finden sich Dramaqueens wie Mariah Carey, Whitney Houston und Celine Dion, aber auch Bands wie Kiss und Metallica, von denen man eher härtere Gangarten gewöhnt ist. Aber anders, als der Buchtitel vielleicht vermuten lässt, gehört der Autor keinem abstrusen Selbstmörderclub an. Vielmehr nimmt er die deprimierenden Köstlichkeiten derart urkomisch aufs Korn, dass auch die allerschwärzeste Seele wieder von einem Sonnenstrahl erhellt wird.
Meine Rezension: Ich gebe zu, der Titel klingt irgendwie merkwürdig und vielleicht deshalb hat es dieses Buch nie auf die Bestsellerliste geschafft – Es ist ein Titel, den man durch Flüsterpropaganda weiter sagt. Und das auch nur an Leute, von denen man weiß, sie haben einen Hang zu schwarzem Humor, lieben Ironie und haben ein wenig Ahnung von Musik, denn was würden die Beschreibungen der Songs bringen, wenn man sie noch nie gehört hat? Es ist schon 2 Jahre her, da bekam ich das Buch von einem Freund empfohlen und ich erinnere mich noch heute, wie ich beim Lesen einzelner Kapitel Lachtränen vergoss, was mir bis dahin fast noch nie passiert war. Dazu muss man natürlich den Humor des Autors mögen, darf auch nicht gekränkt sein, wenn vielleicht sogar das eigene „Lieblingslied“ oder ein Interpret beschrieben ist, den man so richtig gut findet – Alles wird gut! Allein schon die Bezeichnung der Kapitel klingt so anders, als man es gewohnt ist: z.B.: „Wenn ich über Drogen singe, wird man mich ernst nehmen“ und dann werden „Captain Jack“, „Let her cry“ und „Sam Stone“ aufgeführt, oder „Grauenhafte Remakes von bereits deprimierenden Songs“. Das sind für Tom Reynolds dann „All by myself“von Celine Dion, „I will always love you“, oder “Send in the Clowns”.
Zu jedem Lied schreibt er etwas über den Song, d.h. über den Interpreten, seine Entstehung (die des Liedes natürlich), und immer eine gute Begründung, warum der Song (ihn) so deprimiert. Und so verdanken wir ihm am Ende 52 richtig böse kleine Essays, bei denen klar wird, dass er sie aus Freude am Verriss geschrieben haben wird, denn das Vergnügen ist zu deutlich spürbar. Dass der Autor gute Kenntnisse der Musikszene und hat und Fachwissen aufweist, erkennt man schnell und so kann man das Ganze auch als eine ganz andere Art der Musik-Kritik sehen. Es ist kein billiger Humor, kein Slapstick, sondern manchmal hintergründig, oft aber rabenschwarz und sicher nicht jedermanns Sache. Aus diesem Grund stelle ich eine kleine Leseprobe ein, damit die Entscheidung, ob man den Stil des Buches mag, leichter fällt.
„All by myself“- Interpretin Celine Dion – (…) HTW ist die Abkürzung für Hirnerschütternder Tonartwechsel. Der HTW war ein Standard-Element in den meisten groß aufgemotzten Liebesballaden der 90er Jahre, aber niemand wechselt mit einer solchen Tsunami-Wucht die Tonart wie Celine Dion. Celines HTW rufen beim Zuhörer ein Schleudertrauma hervor, während sie zugleich der Künstlerin Gelegenheit verschaffen zu demonstrieren, dass sie gepanzerte Fahrzeuge aus fünf Kilometern Abstand in Stücke zerschellen lassen kann. Wie die alten Goten macht auch Celine keine Gefangenen, sondern übertrifft mit ihrer Vokaltheatralik sogar die bluttriefende Psycho-Furie, die am Ende des Stephen King Films „Carrie“ die Besucher des Abschlussballs niedermetzelt. „Don`t wanna live all by myself, by myself, anymooooorrrrrrrre!!!!“ ertönt ihr Sirenengeheul, das allerorten die Erde erbeben lässt. Als der Song endlich zu Ende geht, wird das apokalyptische Ausmaß der blutigen Zerstörung, die sie angerichtet hat, sichtbar: Die Mauern sind zusammengefallen, Fundamente zerbröckelt, Heuschreckenschwärme am Himmel aufgetaucht, Welten sind zusammengebrochen, Universen implodiert. Und der Stromstecker ist raus gezogen. Warum der Song so deprimiert: (…) Die Version von Frau Dion erinnert an tektonische Verschiebungen unter einer dicht bevölkerten Erdoberfläche. Sie geht mit einem wagnerianischen Organ auf „All by myself“ los, als wolle man mit einem Kampfhubschrauber auf Fuchsjagd gehen. Es ist jenseits aller angemessenen Proportionen, geradezu kriminell….
Soweit die Leseprobe. Ich hoffe, sie hat einen kleinen Einblick geben können und würde mir wünschen, dass dieses Buch noch mehr Leser findet, denn das hätte es verdient.
Edit: Tippselfehler
Noch mehr Edit -Die Nacht war lang...