River - Donna Milner

  • Donna Milner arbeitete als Immobilienmaklerin, bis ihr Mann sie ermutigte, das Makeln aufzugeben und sich nur dem Schreiben zu widmen. Sie lebt mit ihrem Mann in British Columbia in Kanada. River ist ihr erster Roman.


    1966 in British Columbia, Kanada, kurz hinter der US-amerikanischen Grenze… Natalie Ward, 15, und ihre Familie – Vater Gus, Mutter Nettie und die drei älteren Brüder Boyer, Morgan und Carl – bewirtschaften hier eine Milchfarm und heuern den Kriegsdienstverweigerer River als Hilfe an.


    Bis zu diesem Zeitpunkt war das Leben von Natalie geprägt von "heiler Welt"; mit der Ankunft von River ändert sich alles.


    2003 erhält Natalie, mittlerweile fast 50 und zum dritten Mal verheiratet, einen nächtlichen Anruf, dass die ihr mittlerweile entfremdete Mutter im Sterben liegt. Hin und her schwankend zwischen der Liebe zu ihrer Mutter und der lähmenden Erinnerung an die Vergangenheit kehrt Natalie zurück in die Stadt, in der sie aufgewachsen ist und die sie ihr ganzes erwachsenes Leben vermieden hat.


    Der Leser bekommt nun in verschiedenen Rückblenden die Kindheit von Natalie erzählt sowie das Familienleben der Wards bis zu dem Zeitpunkt, als River in ihr Leben tritt. Aber der Leser begleitet auch Natalie auf ihre Reise zurück an den Ort ihrer Kindheit und "arbeitet" sich so vor ins Heute und zu den Geheimnissen von Natalie und ihrer Familie.


    Über viele Kapitel lässt Milner den Leser nur ahnen, dass und was passiert ist. Aber dies wird nie zuviel, es ist immer so dass man weiter lesen will und man währenddessen mit der Geschichte der Familie "gefüttert" wird während der Leser sozusagen gelockt wird mit einem für die Familie alles verändernden Ereignis.


    Was da passiert ist, will ich nicht spoilern. Das sollte jeder für sich selber lesen. Aber diese ganzen Rückblenden sind so schön geschrieben, sowohl die scheinbar heile Welt der Familie mit ihren liebenswerten Geschichten, die sich durch den ganzen Roman ziehen als auch die Doppelmoral und Intoleranz einer Kleinstadt. Man könnte meinen, dass die Beschreibung des täglichen Lebens auf einer Milchfarm schrecklich langweilig ist, aber auch dies gelingt Milner interessant zu beschreiben.


    Der Monat August ist zwar noch nicht zu Ende, aber dieses Buch ist jetzt schon mein Monatshighlight. Dieses Buch ist voller liebenswerter Figuren, es ist wunderbar geschrieben, hat - für mich - eine Reihe von unerwarteten Wendungen in einer originellen Geschichte.


    10 von 10 Punkten.


    Edits: Zig Tippfehler verschwinden lassen.

  • :wave In der aktuellen "BÜCHER"-Zeitschrift ist auch eine kleine Leseprobe beigelegt, diese hat sich schon sehr spannend gelesen, so dass ich mir das Buch auf jeden Fall kaufen werde. Danke für deine Rezi, die mich nur noch bestärkt.

  • Zitat

    Original von Pelican
    @ Uert


    danke für die schöne Rezi. Irgendwo habe ich eine Werbung gesehen, wo das Buch als Frauenbuch beworben wird, Deine Rezi klingt aber gar nicht so.


    Ja, über die Kategorie "Frauenroman" bin ich auch irgendwo gestolpert... ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.


    Wiki sagt, das ist Literatur, "die - im weitesten Sinne des Begriffs - als 'Literatur von Frauen und /oder über Frauen und/oder für Frauen' beschrieben werden kann."


    Dann ja. Denn die Tochter Natalie steht im Mittelpunkt, ihre Kindheit, ihr Erwachsenwerden, ihr Erwachsensein. Wobei es schon um die ganze Familie geht, eben auch um den Vater und die Brüder und natürlich River.


    Für mich hat "Frauenroman" so einen leicht negativen Beigeschmack ("chick lit"), aber diesen Stempel möchte ich dem Buch ungern aufdrücken, den hätte es nicht verdient.

  • Zitat

    Original von uert
    Für mich hat "Frauenroman" so einen leicht negativen Beigeschmack ("chick lit"), aber diesen Stempel möchte ich dem Buch ungern aufdrücken, den hätte es nicht verdient.


    Genau das war meine Befürchtung, umso angenehmer bin ich von Deiner Rezi angetan. Ich war schon neugierig, als ich den Thread unter "Zeitgenössisches" entdeckt habe.

  • Zitat

    Original von Pelican
    Ich war schon neugierig, als ich den Thread unter "Zeitgenössisches" entdeckt habe.


    Wobei ich mir da gar nicht mehr so sicher bin. Als ich meine Rezi posten wollte, hab ich erst überlegt, wohin damit. Dann dachte ich mir, dass Belletristik eher die seichte Ecke ist, also nö, dahin nicht. Bleibt Zeitgenössisches.


    Erst als ich dann in meinem zweiten Eintrag den Link zur Leseprobe gepostet habe, habe ich gesehen, dass auch der Piper-Verlag das Buch als Belletristik bewertet und dann habe ich heute gesehen, dass auch Ian McEwans "Abbitte" dort steht... also, da weiß ich echt nicht, ob meine Zuordnung richtig ist. :gruebel

  • River – Donna Milner
    978-3-492-05162-0
    Verlag: Piper, gebundene Ausgabe, 2008, 416 Seiten


    Originaltitel: After River
    Übersetzt von Sylvia Höfer


    Kurzbeschreibung:


    River mit der sanften Stimme und den aquamarinblauen Augen war ein guter Mann. Doch mit ihm endete das Glück einer großartigen Familie. Donna Milner, die spannendste Newcomerin dieses Bücherherbsts, legt einen berührenden und lebensklugen Frauenroman vor, der von Liebe und Tod, Vergebung und Aufrichtigkeit erzählt.


    Wie eine Fata Morgana erschien er in der flirrenden Hitze der Straße, die hinab zu unserer Farm führte. Er kam zu Fuß, und ich beobachtete ihn aus dem Schatten unserer Veranda, seine Augen waren tief wie ein blaugrüner Ozean. Dad und meine Brüder waren nicht da, aber Mom hängte im gleißend hellen Sonnenlicht gerade unsere Betttücher auf. Irgendetwas war anders an ihr an diesem Julinachmittag. Ihr Haar war hochgesteckt, und ich glaube, sie hatte sogar einen Hauch Rouge aufgelegt. Sie erwartete ihn. Doch was sie nicht erwartet hatte, war all das Leid, das wie ein kalter Wind folgen sollte. In Natalie Wards Erinnerung ist dies der letzte Tag, an dem ihre Familie noch heil und glücklich war. Als sie 34 Jahre später einen Anruf ihres Bruders erhält, muss sie sich entscheiden, ob sie nach Hause zurückkehrt und sich den Erlebnissen dieser Zeit noch einmal stellt.


    Zur Autorin:
    Donna Milner lebt mit ihrem Mann im kanadischen Bundesstaat British Columbia. Sie hängte ihre Karriere an den Nagel, um sich ganz dem Schreiben zu widmen, nachdem »River« ein überwältigendes internationales Echo gefunden hatte. In England und den USA gilt sie als vielversprechendste Newcomerin 2008.
    www.donnamilner.com


    Rezension:
    River ist eine geradlinige Familiengeschichte in British Columbia, Kanada in den Jahren 1966 bis 2003, erzählt von Natalie Ward, der zu Romanbeginn 15jährigen Tochter eines Farmehepaars. Sie wächst mit ihren 3 Brüdern in einem einfachen Leben als Milchbauern auf der Farm auf. Es wird auch ein liebevolles Eltern-Portait gezeigt. Dieses ereignislose, aber schöne und erfüllte Leben nahe der Grenze zur USA ändert sich als der charismatische River Jordan auftaucht, ein Hippie, der die USA verlassen hatte, um seiner Einberufung nach Vietnam zu entgehen.


    Die Figuren erfüllen alle Erwartungen und nehmen ihre Rollen ein, doch sie sind nicht nur Typen, das zwar auch, aber dadurch dass sie alle liebevoll entworfen werden und wie sie zueinander gehören, macht sie zu etwas besonderen.


    Es ist letztlich auch die Erzählperspektive, die die Menschen in diesem Roman so sehr idealisiert. Natalie verehrt ihre Brüder, besonders den Ältesten der sehr begabt, beherrscht und beeindruckend ist. Die jüngeren sind wilder, freier und hängen immer zusammen.
    Die Mutter und der Vater sind die Vorbilder, die auch Schwächen enthüllen, die Natalie staunen lässt, aber die Bewunderung überwiegt.


    Die zentrale Figur River Jordan ist trotz der ihm zugesprochenen Bedeutung im Roman für mich zunächst nicht gleichwertig interessant gegenüber den Familienmitglieder. Aber er wird einen Wechsel im Leben der Beteiligten bedeuten, wie die Erzählerin schon sehr früh anmerkt und somit ein Geheimnis bilden. Schade daher, dass der deutsche Verlag nicht den Originaltitel After River, also Die Zeit, nach dem River auftauchte, wählte, denn das wäre doch sehr treffend gewesen.


    Als zweiter Handlungsstrang, der 2003 handelt, reflektiert Natalie, die jetzt in der Stadt lebt, über die Zeit auf der Farm, ihre Familie und natürlich River. Anlass ist, dass ihre Mutter im sterben liegt. Die Handlung bleibt bis zuletzt, als die alten Familiengeheimnisse aufgelöst werden, berührend.


    Der Roman erinnert mich an Werke von Autoren wie Carol Shields, Elizabeth Hay oder Joan Barfoot,


    Donna Milner schreibt so stimmungsvoll, in einem angenehmen Stil, in dem alles fließt und der Leser sich gerne mittragen lässt. Die liebevolle Darstellung der Protagonisten bewirkt, dass man als Leser schnell eine positive Beziehung zu den Figuren gewinnt und sich für ihr Leben interessiert.

  • Eure Rezensionen erinnern mich stark an den Film: "Die Brücken am Fluss" :gruebel


    Ob ich das Buch doch lesen muß??
    Hier wurde über Frauenroman gesprochen, Herr Palomar, was würdest Du dazu sagen... ist es einer?



    unentschlossene Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Die zentrale Figur River Jordan ist trotz der ihm zugesprochenen Bedeutung im Roman für mich zunächst nicht gleichwertig interessant gegenüber den Familienmitglieder. Aber er wird einen Wechsel im Leben der Beteiligten bedeuten, wie die Erzählerin schon sehr früh anmerkt und somit ein Geheimnis bilden. Schade daher, dass der deutsche Verlag nicht den Originaltitel After River, also Die Zeit, nach dem River auftauchte, wählte, denn das wäre doch sehr treffend gewesen.


    Sehe ich auch so. Der Deutsche Titel ist da wirklich ein bisschen irreführend. River hat die Geschichte nicht so dominiert, wie man das dem Titel nach glauben könnte. Er ist ist eigentlich nur der Auslöser für etwas, was schon lange in der Familie geschwelt hat und der Einfluss, den er - unbewusst - auf die Familie nimmt, hat nichts "Heilsames", bringt aber den Familienmitgliedern so einiges an Erkenntnis.


    Es ist ein leises und schönes Buch, das Donna Milner geschrieben hat. Ich musste mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass es in Kanada spielt. Von der Mentalität und von der Lebensart her hätte es auch gut in die Südstaaten der USA gepasst. Größtenteils passiert nichts Spektakuläres, die Familie, das Farmleben und die kleine Stadt-Gemeinschaft stehen im Vordergrund. Als River als Hilfsarbeiter auf die Farm kommt, nehmen die Dinge eine andere Wendung. Vieles wird erst nur angedeutet und wenn es sich konkretisiert, leidet der Leser mit allen Protagonisten mit.


    Die verschiedenen Erzählperspektiven - 1966 bis 1969, 2003 und Natties Erinnerungen wechseln sich so gekonnt ab, dass der Leser nie in ein Loch stürzt. Es passt einfach, wenn der Schwenk in die Vergangenheit oder in die Gegenwart erfolgt. Wenn sich am Ende des Buches der Kreis des Lebens schließt und sich die einzelnen Perspektiven zu einem Ganzen zusammenfügen, bleibt der Leser traurig, berührt und zufrieden zurück.


    Ein wunderschönes Buch, in einer einfühlsamen und schönen Sprache geschrieben.
    Ich freue mich auf weitere Bücher von Donna Milner.

  • Über den Inhalt muß ich ja nicht mehr viel erzählen, das ist der Vorteil, wenn man der drölfte Rezensent ist…


    Zu Beginn des Buches passiert noch nichts außergewöhnliches, meint man: Eine Familie auf dem Land, die hart für ihr Leben arbeitet, ein Kriegsdienstverweigerer, der bei ihnen für Kost und Logis Unterschlupf sucht. Doch River verändert alle Mitglieder der Familie nachhaltig. Er ist der Zünder für Entwicklungen, die letztlich nicht mehr rückgängig gemacht werden können und das Schweigen der Protagonisten über die einzelnen Vorfälle trägt dazu bei, dass die Familie immer mehr auseinanderbricht.


    Spannend fand ich dabei die Vorgehensweise der Autorin: Man steuert lange auf einen Punkt zu, an dem die Familie definitiv zerfällt, doch warum ist das so? Es sind vorher bereits schlimme Dinge geschehen, was kann nur SO schlimm sein, dass alles auseinanderbricht?


    Eine sehr interessante Familiengeschichte gepaart mit der – wie bereits vorher genannten Doppelmoral und Intoleranz einer Kleinstadt.


    Als Frauenroman würde ich das Buch nicht einstufen, auch wenn natürlich Natalies Leben der rote Faden ist, der sich durch das ganze Buch zieht. Doch die anderen Protagonisten sind ebenfalls stark, ich hätte die Geschichte eher als Familienroman gesehen.


    Spannend fand ich die Erzählweise in Rückblicken und immer wieder die Einschübe mit Netties Gedanken, zwei Erzählstränge die unaufhaltsam aufeinander zu steuern, bis sie am Ende miteinander verknüpft werden.


    Ein sehr unterhaltsames Buch – hat mir wirklich gut gefallen!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Nun habe ich dieses wunderbare Buch auch beendet.
    Irgendwie ist es, als ob man liebgewonnene Freunde und Bekannte zurück lässt.
    So nahe kommt man den einzelnen Familienmitgliedern.
    Und "Familie" ist auch der zentrale Punkt um den sich die ganze Geschichte dreht. Was es ausmacht, eine Familie zu haben, Familienleben wirklich zu leben, trotz vieler ( auch jahrzehntelanger ) Phasen des Schweigens.


    Dies hat Donna Milner grandios umgesetzt. Ihr Roman fesselt und berührt, sie schafft es, den Leser durch ihre liebevolle Darstellung der Protagonisten und der Geschehnisse zu berühren und auch zum Nachdenken zu bringen.


    Für mich zum Jahresende hin noch ein echtes Lesehighligt. :anbet


    Und natürlich 10 von 10 Punkten.