Gespenster - Henrik Ibsen

  • Inhalt:


    „Gespenster“ ist als Familiendrama in drei Akten unterschrieben. An einem großen Fjord in Norwegen kommen zur Einweihung eines Kinderheimes und eines Denkmals für den vor zehn Jahren verstorbenen Kammerherr Alving, welches von seiner Witwe gestiftet wurde, Menschen mit einer gemeinsamen Vergangenheit zusammen, die jeweils ein Geheimnis mit sich tragen.


    Da ist die Witwe Alving, die mit dem Bau des Heimes einen besonderen ideellen Zweck verfolgt. Da ist der Pastor Manders, der das Heim einweihen soll und der in der Vergangenheit des Ehepaars eine entscheidende Rolle spielte, die er anders bewertet als die Betroffene. Da ist der heimgekehrte Sohn Osvald, sowie der Tischler Engstrand und seine Tochter Regine.


    Und da sind immer durchschimmernd die Gespenster der Vergangenheit, die das Handeln und Denken unserer Figuren bestimmen.


    Kurzbeschreibung:


    verratet von den Themen bereits sehr viel, wodurch es beim Lesen noch vorhersehbarer würde:


    Helene Alving will zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes ein Kinderheim eröffnen, das seinen Namen tragen soll. So ehrenhaft dieses Ansinnen ist, stellt sich doch heraus, dass ihr Mann so ehrenhaft nicht war. Er führte ein ausschweifendes Leben, was nicht ohne Folgen blieb. Helene selbst versagte sich eigene Bedürfnisse und "Pflicht", "Ideale" und "Rücksichten" wurden zum Inhalt ihres Lebens. Sie nimmt Regine, die Frucht einer außerehelichen Liebschaft ihres Mannes, in ihrem Haus auf. Gleichzeitig gab sie ihren Sohn Osvald außer Haus, damit er nichts von den "Gewohnheiten" seines Vaters mitbekommen sollte. Helenes Lebenslüge bekommt Risse, als Oswald Regine heiraten will. Die "Gespenster" sind Ibsens Abrechnung mit verlogenen Konventionen, doppelgründiger Moral und Heuchelei, die er mit diesem Drama um Inzest und Folgen von Geschlechtskrankheiten aufzeigt.



    Henrik Ibsen:


    Henrik Ibsen, geboren 1828 in Skien [Norwegen], ist wohl der wichtigste und berühmteste skandinavische Dramatiker. Nach einer Apothekerlehre und Dramaturgentätigkeit verschrieb er sich ab 1854 ganz dem Theater. Er starb 1906 in Oslo. (s. amazon zur Reclamausgabe)


    Wikipediaartikel zu Henrik Ibsen



    Meinung:


    Durch Zufall hatte ich vor Jahren dieses Drama gekauft und konnte mit dem Namen Ibsen kaum etwas anfangen. Daher wusste ich nicht recht, was mich erwartet, der Titel Gespenster hat mich aber neugierig gemacht. Gefunden habe ich ein sehr modern wirkendes Stück. Auch wenn die Sprache manchmal etwas holprig rüberkommt, sich doch sehr gut lesen lässt.


    Mit einer Spur Witz, führt Ibsen durch eine Geschichte, die für die Zeit der Schaffung (1881) vermutlich auch inhaltlich einiges an Sprengstoff in sich geborgen hatte. Er zeigt Menschen, die eine neue Einstellung zur Welt haben und überkommene Moralvorstellungen ablehnen, während mit dem Pastor Manders dazu ein Gegenpart gestellt wird, der vielfach mit Schallkappen durchs Leben zu gehen scheint.


    Es hat Spaß gemacht das Drama zu lesen. Etwas unbefriedigt lässt mich allerdings der Schluß zurück, wo plötzlich noch ein neues Problemfeld aufgemacht wird. Insgesamt hat es mich aber durch seine klare Sprache und die thematischen Fragen angesprochen und wird sicher nicht das letzte Werk aus der Feder Ibsens bleiben, welches ich las.


    Anm.: Ich habe die Ausgabe der Hamburger Lesehefte gelesen (ISBN 3872912097, € 1,30)

  • Ach, schön, daß hier Ibsen entdeckt wird.
    Danke, taciturus


    milla


    das Problem mit den Reclam-Bändchen habe ich auch. Sind halt praktisch fürs Einlesen.
    Die untenstehende Ausgabe ist schöner und recht preiswert. Sie enthält überdies Peer Gynt, Nora und Hedda Gabler.
    Die Übersetzung von Morgenstern macht sie zum Klassiker.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ibsen? Super!


    Für meine Zivildienstzeit habe ich mir in einer anliegenden Buchhandlung ab und an Reclam-Heftchen besorgt um Wartezeiten zu überbrücken. Eine der besten Neuentdeckungen war Hendrik Ibsen mit "Peer Gynt" (die musikalische Umsetzung von Grieg gehört übrigens mit zu dem Besten, was die klassische Musik meiner Meinung nach zu bieten hat).
    "Gespenster" habe ich direkt im Anschluss gelesen und kann Dir eigentlich nur zustimmen Taciturus, nur hat es mich nicht gestört, dass gegen Ende hin das von Dir wohl angesprochene neue Themenfeld Sterbehilfe eingeführt wird. Es passt ja sehr gut in den Kontext der Handlung, warum also nicht?

    Man muß noch Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können.


    - Nietzsche -

  • Ja, das meinte ich. Es war weniger das Thema an sich, sondern mehr, dass ich das Thema zu kurz und mit der Verquickung rund um den Weggang von Regine zu kurz behandelt empfinde. Es kam mir wie ein kleiner Anhang vor und nicht wirklich zur Geschichte gehörend, so als würde Ibsen das Thema mit Gewalt noch reinpressen.

  • Meine Meinung:


    Das Theaterstück "Gespenster" von Henrik Ibsen ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Ibsen entwirft in diesem "Familiendrama" (so der Untertitel) in drei Akten einen Mikrokosmos, in dem jede Menge gesellschaftlicher und persönlicher Sprengstoff steckt. Für die Erschaffung der bedrückend freudlosen Atmosphäre kommt Ibsen mit nur 5 Personen aus, die in einem einzigen Zimmer auftreten. Dort wird die Fassade der vermeintlich anständigen Familie sukzessive eingerissen - nicht durch aktuelle Geschehnisse, sondern vielmehr in erster Linie durch die jetzt offenbarten vergangenen Ereignisse, eben jene Gespenster der Vergangenheit, die jetzt in die Gegenwart drängen. Ibsens Sprache ist leicht verständlich und die Dialoge trotz ihrer vermeintlichen Einfachheit messerscharf, so dass das Stück auch 130 Jahre nach seinem Erscheinen eindrucksvoll und gut lesbar ist.


    Von mir 8 Punkte.