Paula Spencer von Roddy Doyle

  • Paula Spencer von Roddy Doyle


    Kurzbeschreibung
    Eine Frau aus der irischen Unterschicht nimmt ihr Leben in die Hand. Paula Spencer ist 48 Jahre alt, Witwe und seit vier Monaten und fünf Tagen trocken. Außer dem soliden Job in einer Putzkolonne bringt ihr der Aufschwung in Irland nur wenig ein. Ihr größtes Problem - ihre Kinder: Jack wartet nur darauf, dass sie wieder zur Flasche greift. Die erfolgreiche Nicola ist irritierend selbstgerecht. Und Leanne ist selbst Alkoholikerin geworden. Allen Demütigungen zum Trotz kämpft Paula sich voran und wird endlich zur Protagonistin ihres eigenen Lebens. Roddy Doyle versteht es meisterhaft, Menschen eine Stimme zu verleihen, die im Leben zu kurz kommen.


    Über den Autor
    Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Für seinen Roman "Paddy Clarke Ha Ha Ha" erhielt er den renommierten Booker Prize. Sein belletristisches Werk, zu dem außerdem noch "Die Commitments", "The Snapper", "Fish & Chips", "Die Frau, die gegen Türen rannte" und zuletzt "Henry der Held" gehören, erscheint im Wolfgang Krüger Verlag. Roddy Doyle lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.


    Meine Meinung
    In diesem Buch passiert eigentlich nichts. In einer einfachen, aber überzeugenden Sprache erzählt Doyle, wie Paula das Trinken aufgibt, sich dadurch ihre Wahrnehmung verändert, und vor allem wie sie versucht, mit sich und ihren Kindern ins Reine zu kommen. Denen war sie nämlich keine gute Mutter, durch ihre Sauferei hat sie ihnen die Kindheit geraubt. „Das war alles ihre Schuld“ ist der Schlüsselsatz dieses Buch, an ihrer Schuld arbeitet sich Paula ab. Tragisch, dass sie selbst Opfer war, das ihres prügelnden Mannes und sie es als gerechte Strafe empfindet, dass die Misshandlungen, die sie damals davongetragen hat, ihr noch heute zu schaffen machen.
    Und doch kommt sie voran, erarbeitet sich einen bescheidenen Wohlstand, nähert sich ihren Kindern.
    Dennoch ist dieses Buch nicht das einer wundersamen Wandlung mit Happyend, sondern der genau beobachtete Ringen einer Frau mit ihrem Schicksal, der kleinen Schritte, die sie vorankommt, der Nackenschläge, die sie zurückwerfen. Nahezu emotionslos wird diese Entwicklung geschildert, akribisch, detailreich und manchmal auch humorvoll. Vielleicht wirkt deshalb dieses Buch so, ich mag das Wort nicht, authentisch.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich habe das Buch vor einem Jahr auf englisch gelesen und es hat mir sehr gut gefallen. Es stimmt tatsächlich, dass nicht wirklich viel passiert, aber das was passiert wird unheimlich eindrücklich geschildert. Mit hat das Buch damals jedenfalls sehr berührt und nachhaltig beeindruckt. Nachdem ich hier in der Büchereule letzte Woche erfahren habe, dass es auch noch einen 1. Teil gibt mit Paula, werde ich diesen bald mal lesen. :-)

  • DraperDoyle


    Bist Du schnell! :wow Bis jetzt habe ich zwar erst die Hälfte gelesen, kann Dir aber nur zustimmen. Es gefällt mir genauso gut, wie der 1. Teil, nur das in diesem Teil "einiges" passiert.


    buzzaldrin


    Hast Du Dir "Die Frau, die gegen Türen rannte" schon gekauft? Wenn nicht, kann ich es Dir leihen. :wave

  • Auch dieses Mal hat mich der Schreibstil von Roddy Doyle überzeugt. Der ganz "normale" Alltag einer Frau, die versucht ihr Leben in den Griff zu bekommen. Zum Schluss hätte ich gerne noch mehr über ihr weiteres Leben erfahren.

  • Also, mir hat der erste Teil (The woman who walked into doors) viel besser gefallen, wahrscheinlich weil da viel mehr passiert.
    Hat mich nur gewundert, dass die Leute in Irland auch Radio Luxemburg hören. :lache


    "Paula Spencer" (also Teil 2), da habe ich nicht mal die Hälfte gelesen. Ich fand die Fortsetzung einfach enttäuschend. :-(

    :lesend Carol Higgins-Clark: Decked


    "Moonlight is very romantic, but it's hell to read by."


    Amicalement vôtre :liegestuhl

  • "Paula Spencer" ist eine Collage aus Gesprächen, manchmal Gesprächsfetzen, kurzen Szenen, teilweise springt Doyle je nach Bedarf auch munter-lustig zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit hin und her. Gelegentlich muss man noch mal ein paar Sätze zurückgehen, um sich darüber im Klaren zu sein, wer denn nun was gesagt hat. Hier wird eine Technik verwendet, die mir wie ein leicht alkoholisiertes Grundrauschen vorkommt. Paula Spencer ist nüchtern, aber sie kann problemlos das Gefühl des Beduseltsein reproduzieren. Ich denke, es war die Absicht von Roddy Doyle, auf diese Art und Weise die ständig präsente Gefahr des wieder Abrutschens in den Alkoholismus literarisch zu manifestieren.


    Die Stärke dieses Buches ist die fast schon plastische Echtheit der Protagonistin. Man mag kaum glauben, dass es diese Figur nicht in Wirklichkeit gibt. Aber wahrscheinlich gibt es sie ohnehin. Sie heißt nur anders, wohnt in einer anderen Straße, in einer anderen Stadt...und hat tausende von Schwestern, die sie nicht kennt.


    "Die Frau, die gegen Türen rannte" habe ich übrigens nicht gelesen, von daher kann ich nicht bewerten, ob die Fortsetzung qualitativ besser oder schlechter ist.