Middlemarch -- George Eliot

  • Das Buch:
    Worum geht es? Gesellschaftliche und soziale Veränderungen, England in den 1830er Jahren, die Reform Bill, Einführung der Eisenbahn, exemplarisch dargestellt an den Menschen in einer aufstrebenden Provinzstadt, z.B.:


    Dorothea Brooke: sie ist noch sehr jung, tief religiös und hat große Ideale; sie beschließt, ihr Leben damit zu verbringen, Gutes zu tun. Sie lernt den ältlichen Mr. Casaubon kennen und ist von ihm, besonders aber von seiner Gelehrsamkeit sehr fasziniert. Sie glaubt, in ihm eine Möglichkeit zur Verwirklichung ihres Wunsches zu finden, indem sie ihn dabei unterstützt, sein großes Werk "Schlüssel zur Mythologie" zu vollenden. Kurz vor der Hochzeit lernt sie Mr. Casaubons jungen Cousin Will Ladislaw kennen. Schon auf der Hochzeitsreise entdeckt Dorothea, dass sie in dieser Ehe offensichtlich nicht findet was sie sucht. In Rom begegnet sie auch Will wieder, der sie mit einer ihr bis dahin völlig unbekannten Welt in Berührung bringt, und ihr begreiflich zu machen versucht, dass sie ihr Leben nicht nur für andere aufopfern darf, dass es ein Akt der Nächstenliebe sein kann, selber Freude zu empfinden, und der ihre bis dahin feststehende Meinung über viele Dinge ins Wanken bringt ...

    Tertius Lydgate: Ein junger Arzt mit dem ehrgeizigen Ziel, in seinem Beruf ganz Großes zu leisten, z.B. ein Mittel gegen Scharlach zu finden, oder die Natur des "Urgewebes" zu entdecken. Er ist verwaist, kommt aus guter, aber nicht reicher Familie und es heißt, dass er mit einem Baron verwandt sei. Er hat in Paris Medizin studiert, begegnet den überkommenen Methoden seiner Kollegen in Middlemarch mit Verachtung und macht daraus auch keinen Hehl, was ihm nicht unbedingt deren Sympathien einbringt. Mit seinem bescheidenen Erbe erwirbt Dr. Lydgate eine Arztpraxis. Er kann sich außerdem eine Position als Berater und Arzt in dem Krankenhaus sichern, das der sehr fromme, aber unbeliebte Mr. Bulstrode, ein Bankier und Spekulant, in Middlemarch bauen läßt. Der Haken: es handelt sich um eine unbesoldete Stelle, die nichtsdestoweniger sehr viel Einsatz verlangt. Davon läßt sich Mr. Lydgate aber nicht abschrecken, denn ihm geht es nicht um Profit, sondern um die Möglichkeit, seinen beruflichen Traum zu verwirklichen. Unterdessen lernt er Rosamond Vincy kennen, sie ist die Tochter des Bürgermeisters und Nichte von Mr. Bulstrode; sehr schön, sehr charmant, aber auch sehr anspruchsvoll und hat sich ganz fest vorgenommen, gesellschaftlich voranzukommen. Rosamond Vincy ist stolz darauf, niemals etwas aufzugeben, was sie sich vorgenommen hat ...

    Fred Vincy: Nach dem Willen seines Vaters soll er Geistlicher werden. Das entsprechende Studium hat er absolviert, das Examen jedoch nicht bestanden, weshalb sein Vater nicht mehr bereit ist, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, und Fred hat viele Wünsche: Glücksspiel, schnelle Pferde, die Jagd ... nach dem Wegfall des väterlichen Schecks muss sich Fred nach einer anderen Geldquelle umsehen und findet sie in Mr. Bambridge, dem Pferdehändler, der Fred Geld leiht. Freds Onkel Featherstone, der sehr reich, sehr geizig aber auch sehr krank ist, ist Besitzer eines stattlichen Landgutes, von dem sich Fred die Lösung für all seine Probleme verspricht. Doch der boshafte Peter Featherstone wird die Hoffnungen all seiner Verwandten enttäuschen, und einen völlig unbekannten illegitimen Sohn als alleinigen Erben einsetzen, was Fred in eine sehr prekäre Lage bringt ...

    Ich kenne nur wenige Romane, die es an Komplexität mit "Middlemarch" aufnehmen können, vielleicht "Krieg und Frieden", "die Elenden" und die "Danziger Trilogie". Was die Schilderung der Charaktere und deren Interaktion anbelangt, kenne ich nichts vergleichbares ...

    Die Autorin:
    George Eliot, * 22. November 1819 in Nuneaton, Grafschaft Warwickshire; † 22. Dezember 1880 in London -- Pseudonym der englischen Schriftstellerin Mary Ann Evans.


    Meine Meinung:
    Für Liebhaber klassischer Literatur ist dieses Buch ein absolutes Muss. Eliot verleiht ihren Charakteren, auch den Nebenfiguren, so viel Leben und Präsenz, dass man sie alle persönlich zu kennen glaubt. Der Leser wird in eine Zeit gesellschaftlicher Reformen und Umbrüche zurückversetzt, was sehr anschaulich beschrieben wird.

    Fazit:
    Wenn man sich auf das langsamere Erzähltempo der Zeit einlassen kann, darauf, dass manchmal über Seiten hinweg nur Eindrücke geschildert werden und nichts passiert, wird man mit einem Einblick in das gesellschaftliche Leben im England der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts belohnt, der seinesgleichen sucht.

  • Lu Lim, vielen Dank für die schöne Rezi, der ich gar nicht viel hinzufügen kann.
    Ich habe das Buch gerade ausgelesen. Es ist wirklich keine schnelle Zwischendurch-Lektüre. Ich habe fast einen Monat gebraucht und das will was heißen. Aber es lohnt sich unbedingt. Selten habe ich in einem Roman so ausgefeilte Charaktere, bis in die Nebenfiguren hinein, erlebt. Eine unglaublich subtile und genau beobachtete Gesellschaftsstudie!

  • Ich habe mir die DVD (als UK Import) besorgt, aber leider noch nicht geguckt. Die kleine Amazon-Vorschau hat mich ziemlich neugierig gemacht.
    Jetzt muss ich mich nur noch aufraffen und mir den Film auch ansehen.

  • Ich kann mir das als Film gar nicht so gut vorstellen. Das Buch ist doch eher handlungsarm. Naja, man kann es wahrscheinlich zum Liebesdrama machen, wenn man unbedingt will.
    Deine Meinung dazu interessiert mich, Kamelin!


    Buzzaldrin, wie ich Deinen Lesegeschmack einschätze, könnte es Dir gefallen. Man sollte es nur auf keinen Fall lesen, wenn man den Kopf zu voll mit anderen Dingen hat. Ist eher Urlaubslektüre. Hast Du die Pinguin-Ausgabe? Die fand ich nämlich ganz grausam, Mini-Schrift, Mini-Rand, schlechtes, grobkörniges Papier. Da wird das Lesen zur Arbeit!

  • Zitat

    Original von Clio
    Buzzaldrin, wie ich Deinen Lesegeschmack einschätze, könnte es Dir gefallen. Man sollte es nur auf keinen Fall lesen, wenn man den Kopf zu voll mit anderen Dingen hat. Ist eher Urlaubslektüre. Hast Du die Pinguin-Ausgabe? Die fand ich nämlich ganz grausam, Mini-Schrift, Mini-Rand, schlechtes, grobkörniges Papier. Da wird das Lesen zur Arbeit!


    Dann warte ich meine Klausuren- und Hausarbeitenphase wohl lieber erstmal ab und fange danach mit dem Lesen an. :-)


    Ich habe die Ausgabe von Bantam Dell und nicht die Penguin-Ausgabe. Aber auch in meiner Ausgabe sind die Seiten sehr eng bedruckt und die Schrift relativ klein.

  • Naja, ist halt auch ein sehr dickes Buch. Selbst bei der kleinen Schrift hat meins über 800 Seiten, wäre es noch dicker, könnte man es wohl bald nicht mehr halten können.

  • Hi Clio, es freut mich ganz besonders, dass dir das Buch gefallen hat; ich habe übrigens auch eine Penguin-Ausgabe: Penguin Classics von 1994 (0-14-043388-0), 852 Seiten, aber da sind schon die Anmerkungen mit drin, der Text selbst geht bis S. 838. Ich finde die Qualität (Druck und Papier) besser als bei vielen anderen englischen Büchern. Diese Ausgabe ist vergriffen; ich habe sie vor 7 Jahren auf dem Bücherflohmarkt gefunden und einfach mitgenommen (natürlich auch bezahlt ;).


    Zur BBC-Verfilmung: Natürlich könnte man die Handlung des Buches auch auf weniger Buchseiten unterbringen, aber es passiert doch eine ganze Menge. Jedenfalls wurde in der sechsteiligen BBC-Verfilmung einiges ausgelassen, was ich ganz gerne gesehen hätte, z.B. was Will Ladislaw und Nicolas Bulstrode verbindet. Es wurde natürlich alles vereinfacht. Da aber dennoch die Gründzüge der Handlung klar werden und man erfährt, wie sich alles auflöst (z.B. Bulstrode / Raffles, oder auch Freds Dilemma mit dem Wechsel und der Familie Garth), würde ich es schade finden, wenn ich die Verfilmung vor dem Buch gekannt hätte. Ich würde die Verfilmung jedenfalls nicht empfehlen, wenn man das Buch auf jeden Fall lesen möchte.

  • Dass ein Klassiker in dem Umfang nicht gerade eine Lektüre für den kleinen Hunger zwischendurch ist, war mir natürlich klar. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit diesem Buch wirklich ein wenig kämpfen musste.


    Vielleicht lag es an einer der Hauptfiguren: Dorothea Brooke. Ich kam mit ihrem Weltbild und ihren Vorstellungen so gar nicht zurecht bzw. waren sie mir einfach so fremd, dass ich nicht mit ihr mithalten konnte. Das hat nach etlichen Seiten zu ein wenig Verdruss bei mir geführt. Durchhalten war angesagt und hat sich gelohnt. Denn die anderen zahlreichen Middlemarcher Charaktere, die wirklich sehr ausführlich (fast schon erschöpfend) dargestellt sind, lassen doch einen interessanten – teilweise auch sehr humorvollen – Blick auf die Gesellschaft und die Umstände im viktorianischen England.


    Es ist nun wirklich nicht der erste Klassiker dieser Art, aber irgendwie kam mir diesmal die Sprache noch sperriger und ungewohnter vor, als sonst. Ob das an der Übersetzung liegt, kann ich nicht beurteilen, denn ich kenne das Original ja nicht.


    Letztendlich waren die 1.200 Seiten in Middlemarch unterhaltsam, wenn auch anstrengend, aber unbedingt lesenswert.

    Viele Grüße
    Shirat


    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere. (Groucho Marx)

  • Habe dieses Buch vor Jahren gelesen ein wahrer Klassiker.Zeigt das viktorianische
    England.Der Roman war manchmal etwas schwer zu lesen trotzdem absolut
    lesenswert.Wer Jane Austen mag hat auch mit diesem Buch Freude.


    :lesend "Das Lavendelzimmer" /Nina George

    :lesend : Eleanor Brown "Die Shakespeare-Schwestern "


    :lichtBeim Lesen läßt sich vorzüglich denken L.Tolstoi