Empörung – Philip Roth

  • "Die Prager Orgie" sollte man erst lesen, wenn man die anderen Zuckerman-Vorgänger ("Der Ghostwriter", "Zuckermans Befreiung", "Die Anatomiestunde") durch hat. Ein guter Einstieg ist auch Roth' damals sehr umstrittener Erstling "Portnoys Beschwerden". Letztlich könnte man dieses Buch als Fundament der Popliteratur bezeichnen, obwohl Roth das vermutlich nicht so gerne hören würde. :grin

  • Zitat

    Original von Tom
    Seerose : War es nötig, das Ende in der Rezension zu verraten?


    Daß der Protagonist zum Zeitpunkt des Erzählens tot ist, wird doch im Roman selbst schon sehr früh verraten. Wichtiger ist meiner Meinung nach, wie es dazu gekommen ist.
    Tut mir leid, wenn ich dir dadurch die Spannung genommen habe. Aber für mich war eben die spannende Frage, die erst zum Schluß beantwortet wird: "Was hat er getan, daß es so geendet hat?"

  • Gefährlicher Nonkonformismus


    Marcus Messner ist neunzehn, Jude aus Newark (wie fast alle Protagonisten Roth') und Sohn eines Metzgers. Wir schreiben das Jahr 1951, der Koreakrieg tobt, und wer in Messners Alter ist und nicht gerade das Glück hat, ein College zu besuchen, muss täglich damit rechnen, eingezogen und auf den asiatischen Schlachtfeldern gemetzelt zu werden.


    Doch der Vater, mit dem Marcus ansonsten ein gutes Verhältnis pflegt, macht dem Filius das Leben schwer: Durch seine im Alter stetig wachsende Ängstlichkeit drängt er den Sohn unfreiwillig dazu, das eigentlich bevorzugte örtliche College zu verlassen und der überzogenen väterlichen Fürsorge ins Hinterland nach Winesburg zu entfliehen, an eine dieser nur scheinbar liberalen Schulen, zwischen Traditionalismus und dem Reformdrang der Nachweltkriegszeit pendelnd. In Winesburg ist es obligat, die wöchentlichen Gottesdienste aufzusuchen, ansonsten wird man nicht zur Prüfung zugelassen. Messner ist Atheist, in der Hauptsache aber ist er daran interessiert, sein Studium schnellst- und bestmöglich hinter sich zu bringen, weshalb er das Ungemach der gemeinsamen Beterei zunächst hinnimmt. Das Unverständnis der Kommilitonen für seine hohe Disziplin beschert ihm drei Zimmerwechsel innerhalb kürzester Zeit, was den Dekan der Universität auf den Plan ruft. Rasch gilt der exzellente, eigenbrötlerische Schüler als aufmüpfig, wenigstens unangepasst, und als ein Mädchen, mit dem Marcus einige Male ausgegangen ist, einen Selbstmordversuch verübt, spitzen sich die Ereignisse zu.


    Der Konflikt des intelligenten, etwas - aber nicht über die Maßen - selbstgerechten Messner besteht darin, einfach nicht in Ruhe gelassen zu werden, aber auch keine faulen Kompromisse eingehen zu wollen. Seine Position ist nachvollziehbar, die Anschuldigungen sind haltlos, aber der junge Student sieht sich wachsendem Druck ausgesetzt - wie zu Hause. Als er sich schließlich, von falschen Freunden beraten, dazu durchringt, wie alle anderen ein wenig zu mogeln - vor allem, um nicht mehr angefeindet zu werden -,hat das fatale Folgen.


    Diese vergleichsweise kurze Erzählung des Altmeisters bezieht ihre Spannung aus der ruhigen, fast ausgeglichenen Erzählweise, deren Kraft sich erst nach und nach entfaltet. Das Buch wirkt manchmal ein wenig glatt, verfügt aber über eine hohe Dichte und fraglos auch Brillanz, wenn die altklugen Diskussionen zwischen Messner und seinem Dekan auch etwas aufgesetzt und akademisch daherkommen, vor allem, wenn der junge Student absätzelang aus dem Gedächtnis Russell zitiert. Ungeachtet dessen begegnet man in "Empörung" einem Philip Roth aus der Zeit irgendwo zwischen "Portnoys Beschwerden" und "Anatomiestunde", voller Energie, Witz, Frische und literarischer Wut. Seine Anklage der nivellierenden Gottgefälligkeit und Konformität amerikanischer Institutionen ist dabei zeitlos geraten.

  • Nach den schönen Rezis hier, weiß ich gar nicht so recht, was ich eigentlich schreiben könnte.


    Bewundernswert finde ich, wie Roth es gelingt, in gerade mal 200 Seiten eine Geschichte zu erzählen, die sehr dicht und tiefgründig ist.


    Marcus ist ein Student, der letztlich an seinen Ansprüchen, sich selbst gegenüber und anderen gegenüber, scheitert.


    Ein wirklich beeindruckendes Buch.

    Liebe Grüße, Sigrid

    Keiner weiß wo und wo lang

    alles zurück - Anfang

    Wir sind es nur nicht mehr gewohnt

    Dass Zeit sich lohnt

  • Ich kann mich den Vorrezensionen nur anschließen.
    Tolles Buch :-)




    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich durfte das Buch als Wanderbuch lesen. Meine Meinung:


    "Empörung" war mein erstes Buch von Philip Roth und passt auch eigentlich kaum zu meinem Lesegeschmack.


    Aber mit der Anpassung ist es ja so eine Sache,das beweist auch dieses Buch,dessen Protagonist Marcus sich auch nicht anpassen will. Er ist der einzige Sohn einer jüdischen Metzgerfamilie,er ist selbstbewusst,zielstrebig,vielleicht auch ein wenig arrogant. Marcus fühlt sich von seinem von Angstzuständen geplagten Vater zusehends in die Enge gedrängt und übermäßig kontrolliert und entscheidet sich deshalb für ein Studium in Ohio am Winesburg College. Dort legt sich Marcus nicht nur mit seinen Zimmerkameraden, die er zweimal in zwei Monaten wechselt, sondern auch mit dem Dean an. Er widerspricht ihm fortwährend und weigert sich, sich ihm unterzuordnen. Stattdessen rebelliert er gegen alles zu jeden. Einzig Olivia, eine junge Mitstudentin, die bereits einen Entzug und einen Selbstmordversuch hinter sich hat scheint Marcus, neben seinem Studium,noch etwas zu bedeuten.


    Als ein eigentlich harmloser Studentenstreich außer Kontrolle gerät, erfährt auch das Buch seinen Höhepunkt,auf den der Ich-Erzähler von Anfang an hingearbeitet hat. Entscheidend ist hier aber nicht,dass Marcus stirbt,sondern die Verkettung von Umständen, die zu seinem Tode führen.


    Der Autor benutzt eine sehr geradlinige Sprache ohne Schnörkel oder Beschönigung und schafft es in wenigen Worten alles auszudrücken,was er beabsichtigt,dem Leser verdeutlichen zu wollen. Das Buch lebt von Vergleichen, Parallelen und Kontrasten zwischen Marcus' Kindheit, die er im elterlichen Metzgereibetrieb verbracht hat und seiner jetzigen Situation,was seine Tiefgründigkeit meiner Meinung nach gut unterstreicht. Das Ende empfand ich beinahe als Tragödie, jede Figur scheitert mit seinen Absichten auf die eine oder andere Weise.


    Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen und ich gebe ihm 8 von 10 Punkte.

  • Die Sprache gefiel mir sehr gut, aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen. Werde mir aber in der nächsten Zeit eines seiner älteren Bücher aus der Bücherei ausleihen, ein Versuch ist es wert.

  • Zitat

    Original von vorleser
    Die Sprache gefiel mir sehr gut, aber der Funke ist einfach nicht übergesprungen. Werde mir aber in der nächsten Zeit eines seiner älteren Bücher aus der Bücherei ausleihen, ein Versuch ist es wert.


    Schade, vorleser. :-(
    "Mein Leben als Mann" von den älteren Roth-Büchern hat mir sehr gut gefallen, das könnte ich dir auf jeden Fall empfehlen.