'Brautflug' - Seiten 406 - Ende

  • buchwürmchen
    Vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme. Verstehen kann ich schon, was du damit meinst. Du setzt aber auch voraus, dass alle vier ihr persönliches Glück in der Gründung einer Familie finden wollten. Bei Esther bin ich mir ziemlich sicher, dass sie eigentlich mit einer festen Bindung gar nichts anfangen konnte. Selbst das eigene Kind hat sie weggeben, obwohl man während der Schwangerschaft normalerweise schon eine Bindung knüpft.


    Frank hat sich eben mit dem Zweitbesten zufrieden gegeben. Als er Ada nicht bekommen konnte, hat er sich überhaupt keiner Frau so zugewandt. Das ist m. E. sehr konsequent. Ob es nun das Glück ist, sei dahingestellt.


    Die Angst, Bobby zu verlieren war Marjories Antrieb, nach Holland zurückzukehren. Obwohl sie Hans liebte, war eine kinderlose Ehe für sie wohl sinnlos.


    Ada blieb aus Pflichtgefühl bei Derk. Das sagt viel über ihre Charakterstärke aus. Die Woche bei Frank hat ihr ja gezeigt, wie es eigentlich hätte sein können. Da hält dir jemand nicht nur ein Stück Sahnetorte hin, sondern bietet dir den ganzen Kuchen und trotzdem ziehst du deine Kinder vor, was gleichzeit trocken Brot statt Kuchen bedeutet.


    Ein Happy-End hätte mich bei diesem Buch auch erstaunt. Die Beschreibung der Lebenswege hat mich viel mehr beeindruckt. Im echten Leben weiß man doch auch erst hinterher, ob eine Entscheidung richtig war oder eben nicht.

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    Bingo 2017

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  • Zitat

    Original von buchwürmchen



    Es steht für mich auch außer Frage, das Ada bei ihren Eltern kein gutes Leben gehabt hätte. Die Auswanderung an sich finde ich ja nicht schlecht. Doch die Lebenswege haben sich bei allen gegabelt, jeder handelte natürlich wie er es für richtig erachtete. Doch war es wirklich immer der richtige Weg?


    So ist das Leben. Wäre schön, wenn wir immer wüßten, welches der richtige Weg ist.
    Davon ab bin ich der Meinung, daß es bei Lebenswegen keine Kriterien von "richtig" oder "falsch" geben kann.
    Es gibt immer auch positive Effekte bei negativen Entscheidungen oder Schicksalsschlägen.


    Das "Was-wäre-wenn"-Spiel ist doch nur Theorie, denn niemand weiß, was im Leben passieren wird.


    Was wäre, wenn Ada und Frank zusammengekommen wären?
    Vielleicht hätte sich Frank mit Frau und Kind(ern) sehr eingeengt gefühlt und wäre früher oder später fremd gegangen. Hätte sich vielleicht auch niemals seinen Traum von einem Weingut erfüllen können.
    Ada hätte vielleicht an Lebensqualität gewonnen, aber auch nur mit dem fahlen Beigeschmack eine Familie auseinandergerießen zu haben.

  • Wenn Ada und Frank zusammen gekommen wären, dann ohne die Kinder. Das Scheidungsrecht in den 50ern und 60ern hätte ihr m. W. nach die alleinige Schuld für das Scheitern der Ehe gegeben und die Kinder wären dem Vater zugesprochen worden. Sie hätte ihre Kinder also definitiv bei Derk zurücklassen müssen. Ich glaube nicht, dass die Beziehung von Frank und Ada unter diesen Voraussetzungen glücklich geworden wäre.

  • Bin letzte Nacht auch fertig geworden und noch irgendwie auf dem Weingut in Neuseeland. Sicher ist es kein rosarotes Happy-End. Ist nach Franks Tod auch kaum noch möglich, finde ich. Aber alle drei haben gelernt, über ihren Schatten zu springen. Ada zieht in wärmere Gefilde, tut endlich - mit langfristiger Perspektive - das, was sie möchte. Marjorie setzt Vertrauen in Esther und bittet sie, ein Auge auf ihre Enkelin zu haben und Esther willigt ein. So wurde aus einer Zufallsbekanntschaft mit einem Zufallskind eine Verbundenheit über Generationen.


    Interessant finde ich auch die angedeutete Möglichkeit, dass Hannah zwar nicht weiß, dass sie die Enkelin von Frank ist, aber sie vielleicht Wurzeln auf seinem Weingut schlagen würde - dank Kris. So schließt sich der Kreis dann doch. Ich wüsste allzu gern, ob Mozie die Ähnlichkeit von Robert und Hannah zu Frank bemerkt hat. Gleichzeitig schließt sich auch der Kreis zu Esthers Vorfahren. Esther wollte aus Furcht kein jüdisches Kind, scheint aber über die Entwicklung, jüdische Enkelinnen zu haben, ganz und gar nicht unglücklich zu sein. :-)


    Frank hat Ada ein Leben lang geliebt, sich ihr aber nicht aufgezwungen. Respekt, das könnte ich vermutlich nicht. Sie wussten aber vermutlich beide während ihrer einzigen gemeinsamen Woche, dass eine dauerhafte Trennung von den Kindern ihrer Beziehung zu Frank nicht gut tun würde. Die Ehe mit Derk wäre nach dem Schuldprinzip geschieden worden und sie hätte die Kinder definitiv nicht so schnell wiedergesehen.
    Schade, dass Frank nicht erfuhr, wie sehr er ihr Leben zum Vorteil verändert hat, wieviel Kraft und Mut für Veränderung sie aus der einen Woche mitnahm. Musik, Bücher, eine gute Freundin, kein Kirchenzwang mehr für die Kinder... Obwohl sie noch unter dem gleichen Dach wohnte wie vorher, zusammen mit Derk, schuf sie sich und ihren Kindern eine eigene Welt mit vielen Freiräumen.


    Ein positives Ende, denn statt in Grübeleien "was wäre gewesen, wenn" zu versinken, schauen alle drei nach vorne und versuchen das Beste aus dem Rest des Lebens zu machen.


    Habe gestern das Hörbuch entdeckt, da muss aber einiges fehlen. Es ist gekürzt auf 420 Minuten. Da lese ich lieber im Sommer nochmal das Buch. :grin

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

  • Appropo Happy End:


    Ich fands voll berührend wie Ada sich bei Frank entschuldigt hat. Nicht bei dem Frank, den sie mit sich rumgetragen hat, sondern bei dem "echten" :-]


    Und natürlich wie Marjorie auf Esther zugegangen ist und ihr "erlaubt" hat, sich um ihre Enkelin zu kümmern :-]


    Schön fand ich auch, wie Ada auf Franks Bild (natürlich mit Cowboyhut) trifft und das ihr hilft, ihren Weg zu gehen auch ohne Derk :-]


    Insgesamt hat mich in dem Abschnitt echt erschüttert, zu sehen, wie Esther leidet :yikes Wie sie diese Kartoffeldinger bäckt. Ich finde, dass die Raubtiere super beschrieben sind, ich konnte gar nicht anders, als mit Esther mitleiden. Aber viele Beschreibungen sind mir nahe gegangen, auch die wie Marjorie sich den Raumanzug anzieht und das Gas durch die Lücken strömt.

    Zitat

    Original von Klusi
    Ihr Interesse an Bobby, zumindest war das mein Eindruck, hatte auch stark mit Esthers kleinem Bruder zu tun, der nicht leben durfte. Ich denke, sie hat da große Ähnlichkeiten zwischen ihm und Bobby entdeckt und diese dann in ihren Skizzen fest gehalten.


    Danke Klusi für den Hinweis, dieses Puzzleteilchen hat mir irgendwie noch gefehlt. :wave


    Ich glaub ich muss auch erstmal verdauen, bis ich eine Rezi schreiben kann. Ich hab so dass Gefühl, dass ich noch gar nicht alles verstanden hab und nicht alle angedeuteten Sachen mitgekriegt hab.

  • Mich hat dieses Buch tief bewegt zurückgelassen. Die Lebensgeschichten der so verschiedenen Frauen, ihre so unterschiedlichen Schicksale, und doch sind sie eng verworben.


    Ada und Frank, deren Liebe keine Chance hatte. Und doch hatte die eine gemeinsame Woche mit Frank Adas Leben positiv beeinflusst, sie schafft es, sich gegen Derk durchzusetzen, sucht eine neue Wohnung, schafft es, sich ihrem Glauben nicht mehr so ehrfürchtig zu unterwerfen. Und sogar nach dem Tod beeinflusst Frank ihr Leben positiv: sie beschließt, nach Auckland zu ziehen, unabhängig davon, ob Derk sie begleitet oder nicht. Ich denke, dadurch bekommt sie eine Chance auf einen schönen Lebensabend.


    Wirklich berührt hat mich in diesem Abschnitt auch Esthers Schicksal. Ihre ganze Familie hat sie verloren und fühlt sich in gewisser Weise ausgeschlossen, weil sie nicht mit gestorben ist. Die Begegnung mit dem kleinen Bobby erweckt Erinnerungen an ihren kleinen Bruder. Und sie fängt an, sich ein Stück Vergangenheit zurückzuholen, indem sie die Lattkes ihrer Großmutter nachbackt. Doch wie alles aus der Vergangenheit scheinen auch diese verloren, denn das Rezept hat sie nicht mehr. Die Versuche, das Rezept nachzuahmen, fand ich sehr bedrückend, die Vorstellung, dass sämtliches aus der Vergangenheit für immer verloren sind, ist einfach zu schlimm. Ich habe mich so mit Esther gefreut, dass sie letzendlich doch ein für sie perfektes Ergebnis erreicht hat und so einen gewissen Teil ihrer Vergangenheit wiedergewinnen konnte.


    Marjorie schafft es erst ganz am Ende, ihre Angst, Esther könnte ihr Bobby wegnehmen, abzulegen.


    Zitat

    Original von keinkomma
    Allerdings war ich schwer angetan von Marjorie, die sie, vor der sie so Angst hatte, bittet, sich um die Enkelin zu kümmern, während diese in Neuseeland ist.


    Genauso ging es mir auch. Schön fand ich auch die darauffolgende Bemerkung, dass Marjorie es geschafft hat, über ihren Schatten zu springen, und wenn sie das kann, kann es eigentlich jeder.


    Nun muss ich dieses tolle Buch erstmal ein wenig sacken lassen, bevor ich mich an eine Rezi setze.

  • So zum Ende hin habe ich es auch nochmal geschafft ordendlich Gas zu geben. :lache


    Auch mich hinterlässt das Buch sehr bewegt. Ich finde, dass alle Charaktere in diesem Buch haben eine sehr starke Entwicklung durchgemacht haben.


    Auch mit dem Ende bin ich sehr zufrieden. Ich finde es gut, dass Adda jetzt endlich ihr Leben selber in die Hand nehmen will. Auch wenn es ja eigendlich schon fast zu spät ist. Aber besser spät als nie.


    Nicht so gut gefallen hat mir, dass Majorie und Esther Bob zum Ende nicht die Wahrheit gesagt haben. Ich finde, dass er ein Recht hat zu wissen, wer seine wirklichen Eltern sind. Und da er zu Majorie und Hans ein sehr gutes Verhältnis hatte und auch immer noch hat, denke ich, dass er sich deswegen nicht von Majorie abgewendet hätte.

  • So, jetzt bin ich Nachzügler auch mit dem Buch durch und finde endlich Zeit meinen Beitrag in diesem letzten Teil zu schreiben.


    Zitat

    Original von uert
    Zu Ada: Toll, wie sie angefangen hat zu lesen, Englisch zu lernen und ihren
    Kinder Musik näher zu bringen.


    Das fand ich auch klasse! Und das scheint ihr auch sehr geholfen zu haben.


    Zitat

    Original von Groupie
    Mich haben diese Rückblicke ein bisschen genervt, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, wovon jetzt wieder die Rede ist. Und dann noch die Geschichte von Esther, die ich erst gar nicht zuordnen konnte. Gab es eigentlich vorher schon mal Hinweise darauf, die ich verdrängt hatte?


    Ich fand die Rückblicke immer sehr spannend. Sie haben dem Buch doch deutlich mehr Stärke gegeben. So hat man etwas zum "beißen", etwas zum Nach- und Mitdenken. Leichter macht dieses Stilmittel das Lesen nicht, aber intensiver.
    Und zur Geschichte Esthers: Ich fand die Hinweise auf ihre Familie eigentlich von Anfang an eindeutig. Nur warum Esther überlebt hat musste noch erklärt werden, was dann auch eindringlich getan wurde...


    Zitat

    Original von Klusi
    Ihr Interesse an Bobby, zumindest war das mein Eindruck, hatte auch stark mit Esthers kleinem Bruder zu tun, der nicht leben durfte. Ich denke, sie hat da große Ähnlichkeiten zwischen ihm und Bobby entdeckt und diese dann in ihren Skizzen fest gehalten.


    Ah! Die Skizzen die etwas anders aussehen als Booby! Da hab ich gar nicht mehr daran gedacht, als sie davon erzählte, wie ähnlich Bobby ihrem Bruder ist!


    Zitat

    Original von Klusi
    Das offene Ende regt sehr dazu an, immer wieder über das Buch nachzugrübeln. Auf jeden Fall hat es mir sehr gefallen, und ich werde es nach einer gewissen Zeit sicher noch einmal lesen.


    Und genau wegen solcher Anspielungen und wegen der vielen Rückblicke etc. freue ich mich darauf das Buch irgendwann nochmal zu lesen und dann die Zusammenhänge gleich besser zu verstehen. Das wird nochmal ein ganz anderes Lesen...



    Zitat

    Original von Büchersally
    Ich kann nichtmal sagen, wer in diesem Roman meine persönliche Lieblingsfigur ist. Sowohl die drei Frauen als auch Frank haben viele interessante Facetten. Jeder hat sein Leben den Gegebenheiten angepasst.


    Stimmt! Ich habe immer wieder geschwankt - bei allen drei Frauen - ob ich sie nun mögen soll oder gar nicht oder ein bißchen etc. Das ist einer der ganz tollen Aspekte dieses Romans, dass die Frauen (ebenfalls wie Frank und Derk!) nicht schwarz-weiß sind! In dieser Form habe ich das leider schon lange nicht mehr erlebt. Sowas wird viel zu selten beschrieben.


    Dazu passt auch, dass es kein eindeutiges Happy End gab, worüber ich ebenfalls sehr froh bin!



    Zitat

    Original von Königstochter
    Ich fands voll berührend wie Ada sich bei Frank entschuldigt hat. Nicht bei dem Frank, den sie mit sich rumgetragen hat, sondern bei dem "echten" :-]


    Das fand ich auch bezeichnend! Hier wird der Unterschied deutlich zwischen einem Menschen, der noch viele Jahre gelebt und sich in welche Richtung auch immer vielleicht weiterentwickelt hat und dem Wunschbild, das jemand wie Ada aus dieser Woche mit Frank all die Jahre mit sich herumgetragen hat.


    Mein Fazit: Ein ganz wunderbares Buch! Gerade weil es diesen - ganz labidar gesagt - Irgendwas ist immer-Faktor hat. Jeder bekommt etwas, jeder vermisst etwas, jeder hat so sein Päckchen zu tragen, aber es ist bei weitem nicht alles furchtbar, sondern es gibt bei jedem der Protagonisten Dinge im Leben, die auch sehr positiv sind.