Schreiben als Hauptberuf

  • Nachdem ich gelesen habe, dass viele Autoren nur im Zweit- oder Nebenberuf schreiben bzw. das Schreiben auf den Abend und das Wochenende legen, weil sie zu anderen Zeiten beruflich voll eingebunden sind, frage ich mich, ab wann man das Schreiben zu seinem Hauptberuf machen kann.


    Um es präziser zu formulieren:


    Wieviele Werke müssen ungefähr veröffentlich sein - einen durchschnittlichen Verkaufserfolg vorausgesetzt (also keine Ladenhüter oder Bestseller)- um vom Schreiben leben zu können und auf andere Einnahmequellen oder Unterstützung von Partner, Eltern, Kindern, Staat etc. verzichten zu können?


    Sicher eine schwierige Frage, auf die es keine pauschale oder statistisch erwiesene Antwort gibt, aber vielleicht gibt es die einen oder anderen Erfahrungswerte.


    Ich bin gespannt.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Ganz einfach. Wenn Du ein Buch 1 Million mal verkaufst, kannst Du gut davon leben. Bei tausend verkauften Exemplaren je Roman musst Du erheblich mehr veröffentlichen.
    In dem Zusammenhang möchte ich auf die Homepage von Andreas Eschbach verweisen, der dazu einige ernüchternde Dinge geschrieben hat.
    http://www.andreaseschbach.de/schreiben/schreiben.html


    Dean

  • @ dean


    Aber das Buch verkauft sich ja nicht immer eine Millionen Mal auf einen Schlag. Das ist eher seltener der Fall, möchte ich meinen.
    Oder fehlen mir da einfach nur die Bezüge? (Doppelsinn unbeabsichtigt!)


    Ich meinte eher, was erforderlich ist, damit ein monatliches Einkommen erzielt wird, das den Mindestbedarf deckt und zugleich von Kontinuität geprägt ist.
    Von den Zinsen des Autorenhonorars für ein Buch können wahrscheinlich auch die Wenigsten ihren Unterhalt bestreiten.

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  • Alice : Autoren bekommen Tantiemen, die zwischen fünf und fünfzehn Prozent vom Nettoladenpreis der Bücher liegen. Bei Debütanten dürfte es bei um die sieben Prozent liegen, der Anteil steigt mit der verkauften Auflage. Wenn man zehn Prozent - was recht hoch ist - annimmt und einen Verkaufspreis von neun Euro für ein Taschenbuch ansetzt, ergibt sich je Buch ein Nettopreis von knapp 8,40, wovon zehn Prozent 84 Cent sind. Bei tausend verkauften Büchern verdient der Autor ganze 840 Euro. Bei zehntausend sind es 8.400. Das ist schon viel bei einem Debüt, das nicht durch die Presse gereicht wurde. Ab ungefähr 40.000 Exemplaren (= 33.600 Euro) spricht man von einem Bestseller. Von 33.600 Euro VOR STEUERN kann man - je nach Standard - vielleicht zwei Jahre leben. Wie gesagt, da ist man schon im Bestsellerbereich. Wenn sich das Buch danach nur noch schleppend verkauft, hat man den Kopf voll. Man muss also Titel nachlegen, die sich ähnlich gut verkaufen. Dazu kommen dann natürlich auch noch Einnahmen aus Verwertungsrechten (Film, Hörbuch, Übersetzungen), wenn man Glück hat. Einige Autoren "leben" davon, so gut wie andauernd auf Lesereise zu sein. Man sagt, dass es ungefähr zehn Jahre dauert, bis man ausschließlich vom Schriftstellersein leben kann, vorausgesetzt, man publiziert alle anderthalb Jahre einen neuen Roman, der sich redlich verkauft. Das täglich Brot verdient man dann irgendwann mit den Backlist-Titeln.


    Aber das gelingt nur wenigen Autoren. Die meisten - auch bekannten - Autoren schaffen es nie mit Einzeltiteln über 10.000 verkaufte Exemplare.

  • @ Tom


    Vielen Dank für die ausführliche Antwort und die Rechenbeispiele. Das ist ja doch ein ganz schön hartes Brot. Selbst eine PKH-Scheidung bringt meist mehr als 1000 verkaufte Bücher - und macht weniger Aufwand.


    Und noch mehr erstaunt mich, dass ab 40.000 verkauften Exemplaren schon ein Bestseller angenommen wird. Okay, 40.000 ist schon eine hohe Zahl, aber eigentlich gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass Deutschland 80 Mio. und eine kleine bis mittlere Stadt schon 40.000 Einwohner hat. Offensichtlich wird viel zu wenig gelesen...


    Mit Lesereisen sind wohl die öffentlichen Lesungen gemeint, oder?


    Noch eine dumme Frage: Was genau bedeutet denn "Backlist"? Die schon erschienenen Bücher, die immer noch im Verlagssortiment erhältlich sind?


    :wave

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  • Alice : Wir reden von 40.000 Exemplaren eines bestimmten Buches. Und es gibt mehrere Millionen Bücher zur Auswahl, jedes Jahr erscheinen Hunderttausende neue. Sich da 40.000 Mal zu verkaufen, das ist schon eine Leistung.


    Ja, Backlist-Titel sind ältere Romane, die noch erhältlich sind.

  • Ergänzung: "Feuchtgebiete" hat sich seit dem Erscheinen ca. 1,3 Millionen Mal verkauft, was Frau Roche tatsächlich Einkünfte mindestens in entsprechender Eurohöhe beschert haben dürfte. Selbst als der Titel "nur" bei 400.000 verkauften Exemplaren stand, sprach die gesamte Branche schon von einem unfassbaren und exorbitanten Erfolg. Den meisten Autoren - auch auf vorderen Plätzen der Bestsellerlisten - ist derlei nicht beschieden. Platz eins der Spiegelliste kann man auch mit weit weniger als einem Zehntel dieser Menge werden. Und für den Charteinstieg eines Musikstückes reichen übrigens schon ein-, zweitausend pro Woche verkaufte oder "gedownloadete" Singles. Manch ein Produzent nutzt das neuerdings für sich aus und kauft die eigenen Produktionen, um gelistet zu werden.

  • Hallo Alice Thierry,



    Zitat

    Und noch mehr erstaunt mich, dass ab 40.000 verkauften Exemplaren schon ein Bestseller angenommen wird. Okay, 40.000 ist schon eine hohe Zahl, aber eigentlich gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass Deutschland 80 Mio. und eine kleine bis mittlere Stadt schon 40.000 Einwohner hat. Offensichtlich wird viel zu wenig gelesen...



    Nun, vielleicht interessiert dich ja, was ich im Rahmen einer Studienarbeit mal aus persönlicher Neugier zusammengerechnet habe (Infodump ;-)): Aus einer anderen, angeblich repräsentativen Studie im Internet ging hervor, dass Deutsche (über 18 Jahre) 9,1 Bücher pro Jahr lesen. Dann hab ich mir mit Hilfe der Daten des Statistischen Bundesamtes ausgerechnet, dass es ca. 67,7 Millionen Deutsche über 18 Jahre gibt. Wenn jeder von ihnen 9,1 Bücher im Jahr liest, werden im Jahr 616.070.000 Bücher gelesen. Angenommen, diese Leser würden ausschließlich Neuerscheinungen lesen (davon soll es im deutschen Raum um die 100.000 im Jahr geben), dann könnte jeder Autor, wenn alles absolut gerecht verteilt wäre, 6161 Bücher im Jahr verkaufen (wenn er jedes Jahr ein neues Buch rausbringt). Das würde zwar nicht zum Leben reichen, es eine solche Verkaufszahl als Neuling (noch dazu bei keinem prominenten Verlag) wäre aber gar nicht soo wenig. Allerdings sieht es in der Realität dann anders aus: Leser leihen Bücher kostenlos aus, Leser kaufen bevorzugt „prominente“ Bücher, Leser kaufen „Ramsch“ bei ebay und auf dem Flohmarkt und schließlich kaufen Leser noch lange nicht nur Neuerscheinungen, sondern Bücher von 2005, von 2000 usw. verkaufen sich auch noch gut und dann kommen noch die „Uralt“-Klassiker aus solchen Jahren wie 1945 oder 1850 hinzu... und so sinkt das Gehalt vieler Autoren noch mehr...

  • Interessante Rechnung! Aber nicht sehr aufbauend. :gruebel


    Grüßle,
    Judith

    Toni und Schnuffel / Tricks von Tante Trix / Papino und der Taschendieb / Das Dreierpack und der böse Wolf
    Tanz mit Spannung / ... und jetzt sehen mich alle! / Voll drauf / Die Kellerschnüffler u.a.

  • Hallo, Anorra.


    Zitat

    Aus einer anderen, angeblich repräsentativen Studie im Internet ging hervor, dass Deutsche (über 18 Jahre) 9,1 Bücher pro Jahr lesen.


    Das wäre im Durchschnitt fast ein Buch pro Nase und Monat. Ich halte diese Zahl für dramatisch überhöht. Und alle Studien, die man z.B. bei der Stiftung Lesen vorfindet, sprechen eine andere Sprache. "Eurobarometer Kultur 2007" sagt, dass 81 Prozent der Deutschen überhaupt lesen - die anderen 19 Prozent sind Nichtleser, außerdem greifen 22 Prozent ein- bis zweimal pro Jahr zum Buch, und nur 45 Prozent mehr als fünfmal.


    Zitat

    Angenommen, diese Leser würden ausschließlich Neuerscheinungen lesen


    Und auch diese Annahme dürfte weit an der Realität vorbeigehen.

  • Na ja, der Buchmarkt hat laut neuesten Erhebungen ja wieder ganz ordentliche Zahlen vorgelegt.


    Außerdem - wenn man an die Massenleser, die sich gerade hier im Forum tummeln, denkt, dann lesen da manche schon für ein paar Dutzend andere mit.


    Übrigens wird vielleicht auch nicht alles gelesen, was gekauft wird.


    Die Zahlen von Annorra finde ich jedenfalls sehr interessant. Vielen Dank für den Beitrag.

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  • Nach meinen Informationen kauft der Deutsche im Jahr durchschnittlich 1 Buch - und das ist die Zahl, die wirklich relevant ist.
    Keinen wird im Zusammenhang mit "vom Schreiben leben können" interessieren, wieviel die Deutschen lesen, wenn sie 8 von 9 gelesenen Büchern nur ausleihen.

  • Ich glaube, was auch noch gar nicht erwähnt wurde, ist, dass Tantiemen meist erst ausgezahlt werden, wenn sich das sogenannte Garantiehonorar (eine Art Vorschuss) damit verrechnet hat. So gibt es viele Bücher, für die der Autor eigentlich nie Tantiemen bekommt, weil die Verkaufzahlen nie so hoch steigen, dass die Garantiesumme wieder eingespielt wird.
    Auch wenn Leser oft und manchmal zu Recht über die Publikums-Verlage fluchen - Büchermachen ist ein vergleichsweise teures Geschäft mit verhältnismäßig geringen Gewinnmargen. Gerade in Zeiten der großen Buchhandelsketten, die oft hohe Rabatte durchdrücken können, ist der Gewinn am Einzeltitel recht überschaubar. Deshalb helfen eben auch nur die großen Mengen. Und je größer ein Verlag, desto höher auch die allgemeinen Kosten, die jeder einzelne Titel mittragen muss. Die Putzfrau will auch bezahlt sein ;-).

  • Wichtig ist vor allem eine gute Verwertung der Nebenrechte. Viele Autoren stückeln sich Einnahmen über die Nebenrechte zusammen.
    Eine goldene Regel im Buchmarkt sagt ohnehin - das, womit der Autor rechnen darf ist sein Garantievorschuss.
    Wie Firesong schon sagt, kommen viele Titel gar nicht erst so weit, dass der Vorschuss abgetragen wird.

    Meine neuen Histo-Romane Der Gesang des Satyrn sowie Hatschepsut. Die schwarze Löwin gibt es bei Amazon oder Beam-Ebooks - außerdem meinen Mystery Thriller Fonthill Abbey

  • Es geht aber auch anders - Ich habe mla ein Interview mit Jason Dark gelesen, in dem er sagte, daß er für jeden John Sinclair Roman 2000,- DM bekomme (ist schon ne kleine Weile her)
    Hinzu kam, daß es zu dieser Zeit noch eine zweite, eine dritte und sogar eine vierte Auflage der Serie gab, er Taschenbücher schrieb, alte Hefte zu Büchern zusammengefasst wurden, Hörspiele und Computerspiele auf dem Markt waren, es eine Verfilmung gab und so weiter.


    Das sit nicht die Art Literatur, die ich mag, aber er konnte/kann sicher ganz gut davon leben.
    (Im Monat erscheinen zwei Romane der Serie)

  • Hallo


    Zitat

    Original von Dichterdämon
    Das sit nicht die Art Literatur, die ich mag, aber er konnte/kann sicher ganz gut davon leben.
    (Im Monat erscheinen zwei Romane der Serie)


    Jason Dark ist aber auch eine feste Bank.
    Sprich: Der Mann schreibt seit über 30 Jahren alle 2 Monate einen Roman für die Serie. Seine Hefte haben die Heftromankrise überlebt und haben für Heftchen sehr stabile Auflagen.
    Davon abgesehen, dass da sicher nicht so viel Zeit bleibt, noch was anderes nebenher zu schreiben und aus dem Thema auszubrechen.


    Ein Neuling kriegt für ein Romanheftchen vielleicht 500 Euronen. Und hat dabei oftmals das Problem, sich in schon exisitierende Serien/Reihen einzuarbeiten. Da können durchaus schon mal 1-2 Monate für einen Roman draufgehen. Davon kann man nicht wirklich leben.

  • @ Alice Thierry:
    Vielleicht sollten zur Veranschaulichung die Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zu den verbreitenden Betrieben herhalten.
    Link
    Stand 1.Mai 2007:4208 verbreitende Betriebe


    Nach der Umsatzsteuerstatistik waren es im Jahr 2005 ein wenig mehr Betriebe.
    Stand 2005:5123 verbreitende Betriebe


    Anhand dieser Zahlen stell Dir einfach vor, dass in jedem dieser Betriebe es Dein Buch ins Sortiment schafft und jede Kleinstbuchhandlung Dein Werk mindestens einmal verkauft. Nach Adam Riese wären das geschätzte 5000 Exemplare, die verkauft würden und von deren Absatz Du nicht leben könntest.
    An dieser Stelle sollen die tausenden Neuerscheinungen nicht vergessen werden, die auch verkauft werden wollen. Daneben gibt es in den Buchhandlungen ältere Literatur, die auch an den Mann oder die Frau gebracht werden soll.
    Bleibt dann auch noch die Frage, wie setzt Dein Verlag Werbung ein? Schaffen es die Verlagsvertreter, den Buchhändlern Dein Buch als "heiße Ware" anzupreisen? Wie wird Dein Buch bei den Onlinehändlern gelistet?


    Die aufgeworfenen Fragen sind die einer nichtschreibenden Leserin, die im Jahr 70-80 Bücher erwirbt und bei jedem Buchkauf eines unbekannten Autors eine Abwägung trifft, ob sie das Experiment wagen soll. Die Entscheidung fällt bei einem TB im übrigen leichter als bei einem HC.
    Das Unterfangen "Schreiben, um davon zu leben" halte ich daher für schwierig, aber nicht ausgeschlossen, jedoch insgesamt für schwer umsetzbar.

  • Wenn man vom Schreiben leben möchte ...


    Weshalb zählen dazu eigentlich nur Bücher? Ich habe recht früh angefangen, Bücher zu schreiben und mit 25 meinen ersten Roman veröffentlicht.


    Dazu habe ich aber auch eine journalistische Ausbildung und schreibe für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, ja, das ist auch Schreiben. Hinzu kommt meine Arbeit als Drehbuchautorin, die ich jetzt auch mal als Schreiben bezeichnen würde :grin


    Ergo: Wer vom Schreiben leben will - der muss halt in die Tasten hauen. Und wer gut darin ist, für den ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass er damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.


    Und, ja, ich kann davon leben. Mittlerweile vermutlich sogar ausschließlich von meinen Büchern. Aber das will ich gar nicht, ohne meine journalistische Arbeit und die damit verbundene Abwechslung würde mir was fehlen.