TotenEngel - Claus Cornelius Fischer

  • Kurzbeschreibung
    Bei einem nächtlichen Kontrollgang durch das Rotlichtviertel von Amsterdam entdeckt Commissaris Bruno van Leeuwen die Leiche eines jungen Mannes. Obwohl nichts auf einen gewaltsamen Tod hindeutet, ordnet der Commissaris eine Autopsie an. Die Obduktion bestätigt seinen Verdacht: Der Tote wurde ermordet, erstickt mit einer Plastiktüte. Eine Woche später wird in Haarlem eine Frau leblos aufgefunden. Auch in diesem Fall ergibt die Autopsie Tod durch Ersticken. Die Ermittlungen führen Van Leeuwen zu einer ganzen Serie von unentdeckten Todesfällen, die vor einem halben Jahrhundert begann, als in einem kleinen Dorf im Norden Hollands ein grauenhaftes Verbrechen verübt wurde. Doch in der Sterbeklinik des zwielichtigen Arztes Klaas van der Meer nimmt die Untersuchung eine überraschende Wendung ...


    Über den Autor
    Claus Cornelius Fischer wurde 1951 in Berlin geboren und lebt heute in München. Er schrieb unter anderem für "Die Welt" und "Die Zeit" und ist seit 1976 freier Schriftsteller, Übersetzer und Drehbuchautor. Seit 1989 hat er zahlreiche Romane und Drehbücher für Film ("Blueprint" mit Franka Potente) und TV ("Tatort") geschrieben.


    Meine Meinung
    Sechs Wochen ist es her, dass Comissaris van Leeuwen einen persönlichen Schicksalsschlag erlitten hat, der ihn an die Grenzen seiner selbst führt. Er hadert mit sich und seinem Leben, hat Schwierigkeiten, sich in der Gesellschaft weiterhin zurecht zu finden, übertritt gelegentlich die Grenzen seines Berufsstandes. In dieser für ihn so mutlosen Situation stolpert er buchstäblich über einen Toten, bei dem es auf den ersten Blick aussieht, als wäre er eines natürlichen Todes gestorben. Nur dem guten Gespür van Leeuwens ist es zu verdanken, dass eine Mordermittlung eingeleitet wird, in deren Verlauf sich zeigt, dass es nicht der einzige Mord nach diesem Muster war.
    Noch während der Ermittlungen wird er zu einem weiteren Mord gerufen, der zwar ähnlich ausgeführt wurde, aber nichts mit dem ersten Mordfall zu tun hat, dessen Motiv aber parallelen zu van Leeuwens eigener Vergangenheit hat und damit eine Art zweiten Handlungsstrang in diesem Buch bildet, der für van Leeuwen ein Schlüssel zur Aufarbeitungen seines eigenen Verlustes wird.


    Auch in Claus Cornelius Fischers dritten Roman um den Commissaris sind die Morde nicht spektakulär oder effekthascherisch sondern die Geschichte entwickelt sich langsam und erst zum Ende wird dem Leser das ganze Ausmaß des Falles klar. Die persönlichen Probleme des Ermittlers nehmen in diesem Buch einen noch größeren Raum ein als in den beiden ersten Büchern und auf den ersten 50 Seiten war mir das teilweise schon zu viel. Die beiden Morde sind zu Beginn fast schon Nebensache, sie rücken erst im Lauf der Geschichte in den Mittelpunkt, als van Leeuwen seine Probleme langsam zu verarbeiten beginnt. Zu diesem Zeitpunkt ahnt zwar der Leser, wer der Täter sein könnte, wird aber mit der endgültigen Auflösung dann doch noch wirklich überrascht. Hier zeigt sich schon wie in den ersten beiden Büchern: Nichts ist, wie es scheint und das Grauen lauert oft "nebenan".
    Als Grundlage für die Handlungsweise des Mörders hat sich Claus Cornelius Fischer eines realen Falles bedient, der vor einigen Jahren durch die Presse ging und für großes Aufsehen gesorgt hat. Diesen als Basis für einen Roman zu nehmen, die Fakten etwas zu verändern und damit eine andere Wendung der Geschichte zu zeigen fand ich sehr interessant und die Umsetzung ist ihm hervorragend gelungen.


    Zu dem bereits in den ersten Büchern eingeführten Mitarbeiterkreis von Commissaris van Leeuwen gesellt sich hier noch die Psychologin Feline Mendardi, von der sich sicher bin, dass sie in möglichen folgenden Büchern noch eine tragende Rolle spielen wird. Die Figur der Julika kam mir in diesem Buch hingegen ein wenig zu kurz. Ich hätte mir hier eine andere "Richtung" gewünscht.

  • Vielen Dank für die schöne Rezension, der Punkt den Du hier erwähnst, das die persönlichen Belange des Ermittlers sehr im Vordergrund stehen, hält mich immer noch davon ab überhaupt den ersten Teil der Reihe zu lesen, den es schon als TB gibt :gruebel


    Ich glaube noch so einen leidgebeutelten Ermittler kann ich nicht ertragen.



    vorsichtige Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Juhuu, der neue Fischer! Ein Must-Have für mich, ich mochte schon die ersten beiden Teile sehr! :-] Danke für die Rezi!


    @ Elbereth
    Das kann ich nachvollziehen, auch wenn van Leeuwen und insbesondere der Stil von CCFischer mit keinen anderen leidgebeutelten Ermittlern (oder Autoren *g*) vergleichbar ist. Aber du hast insofern recht, als dass zumindest die ersten beiden Bände aufgrund der persönlichen Situation eher "schwere" Kost im übertragenen Sinne waren.

  • Ein neuer Kandidat für meine WL, aber kommt man auch in die Geschichte der Ermittler hinein, ohne die Vorgänger gelesen zu haben, oder sollte ich die lieber gleich mit auf die WL setzten?

  • Ich würde sie mit auf die Wunschliste setzen und die ersten beiden Teile auch zuerst lesen. Es sind zwar unabhängige Kriminalfälle, die persönliche Geschichte von Commissaris van Leeuwen steht aber mindestens genauso im Mittelpunkt und zieht sich eigentlich vom ersten bis in diesen dritten Teil.

  • Zitat

    Original von Bouquineur
    Ich würde sie mit auf die Wunschliste setzen und die ersten beiden Teile auch zuerst lesen. Es sind zwar unabhängige Kriminalfälle, die persönliche Geschichte von Commissaris van Leeuwen steht aber mindestens genauso im Mittelpunkt und zieht sich eigentlich vom ersten bis in diesen dritten Teil.


    :cry Meine WL wird länger und länger.
    Aber Danke, zwei Bücher mehr fallen wohl auch nicht mehr auf.

  • Zitat

    Ein neuer Kandidat für meine WL, aber kommt man auch in die Geschichte der Ermittler hinein, ohne die Vorgänger gelesen zu haben, oder sollte ich die lieber gleich mit auf die WL setzten?


    Gestern war ich auf einer Lesung des Autors in München. Seine Antwort auf diese Frage war ungefähr so: Mit einer Frau schlafen ist sehr gut, aber mit Liebe ist es noch besser.
    :knuddel


    Auf der Lesung entpuppte sich Herr Fischer für mich als sehr sympathischer und kluger Zeitgenosse, der mit angenehmer Stimme über eine Stunde aus seinem dritten Krimi mit van Leeuwen las und danach noch sehr charmant auf die zahlreichen Fragen der Zuhörer antwortete.


    Habe vorgestern den ersten Teil dieser Krimiserie beendet und kann sagen, es handelt sich um sprachlich hochwertige Kost, die zwar ein bisschen Konzentration verlangt - nicht so zum in der U-Bahn wegschlingen - aber der Schauplatz Amsterdam ist klug gewählt und sehr farbig geschildert. Die Personen werden differenziert und interessant beschrieben und wie ich gestern wieder in der Lesung von Teil 3 festgestellt habe, sind vor allem die Gespräche in seinen Romanen einfach toll - voller Tiefgang und Witz.


    (Jetzt muss ich schnell Teil 2 lesen, damit ich weiß, ob der "mordende" Chinese Zeng Wu im Teil 3 öfters vorkommt.) :chen

    Hollundergrüße :wave



    :lesend



    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Meine Rezension


    In diesem 3. Teil der Reihe muss sich Commissaris Bruno van Leeuwen im Privaten wie im Beruflichen noch intensiver mit dem Tod auseinandersetzen als je zuvor: Seine geliebte Frau Simone ist vor wenigen Wochen gestorben und dann ermittelt er noch in zwei Fällen, die dem schmerzerfüllten und trauernden van Leeuwen einiges abverlangen. In beiden Fällen geht es um die Frage nach dem Lebenswillen und dem Schmerz, den es auszuhalten gilt oder aber vor dem man kapitulieren kann. In seiner aktuellen Verfassung haben die Fälle für van Leeuwen eine ganz besondere Bedeutung. Ob sie ihm helfen, seinen persönlichen Verlust zu verarbeiten, soll hier nicht verraten werden. Auf jeden Fall zieht sich auch hier die düstere Grundstimmung als typisches Merkmal der van Leeuwen-Krimis durch den gesamten Roman, auch wenn eine neue Figur eingeführt wird, die der ganzen Truppe um van Leeuwen mehr Farbe verleiht.


    Zwei Fälle, die nichts miteinander zu tun haben, in einem Krimi zu bearbeiten, ist ungewöhnlich und hat mich zunächst irritiert. Doch Claus Cornelius Fischer gelingt es erneut, damit nicht nur die Authentizität der Arbeit eines Polizisten zu erhöhen, sondern auch das Grundthema des Romans sehr gut darzustellen. Liebe, Leben und Tod hängen eng zusammen und manchmal sind sie genau das Gerüst, das Menschen dazu bringt, andere Menschen zu töten. Wer die beiden Vorgängerbände mochte, wird auch diesen Krimi mögen, Neueinsteiger sollten sich von der depressiv erscheinenden Grundstimmung nicht abschrecken lassen und auch nichts gegen tiefsinnige und fast schon philosophische Szenen in einem Krimi haben.


    8 Punkte von mir! :wave

  • 397 Seiten



    3.Fall Bruno van Leeuwen



    Meine Meinung:
    Commissaris Bruno van Leeuwen stolpert im Amsterdamer Rotlichtviertel sozusagen über die Leiche eines jungen Mannes. Bei der Autopsie bestätigt sich sein Verdacht, dass es sich um Mord handelt, erstickt mit einer Plastiktüte. Eine Woche später wird in Haarlem eine Frau gefunden, ebenfalls erstickt.


    Van Leeuwen stößt auf weitere unentdeckte Todesfälle, die aber schon vor über 40 Jahren begannen. In einem kleinen Dorf im Norden Hollands geschah ein ganz furchtbares Verbrechen und in der Sterbeklinik von Klaas van der Meer kommt es zu einer überraschende Wendung.


    Die Ermittlungen sind sehr langwierig und vielseitig, wobei noch ein weiterer Fall um einen Chinesen eingeflochten wird, der eigentlich nicht notwendig wäre, da die Todesfälle schon sehr extrem sind. Anfangs geht es noch sehr langsam voran, aber ab Mitte des Buches nimmt die Spannung dann enorm zu. Und was man da dann alles in Erfahrung bringt, lässt einem den Atem stocken.


    Es ist bereits der dritte Fall und ich muss ehrlich sagen, mir sind hier die Depressionen des Commissaris aufgrund seines Schicksalsschlags definitiv zu viel, obwohl ich ihn sonst sehr sympathisch finde. Mir war das schon in den beiden ersten Büchern etwas zu viel, aber hier steigert sich das nochmals.


    Es handelt sich um eine ganz hervorragende Geschichte, die der Autor hier zu Papier gebracht hat und es ist schade, dass sie so von diesen Depressionen überdeckt wird und sich dadurch auch nicht so flüssig lesen lässt. Die Personen sind wie immer gut dargestellt und mir teilweise bereits vertraut. Das Cover gefällt mir sehr gut und im Buchdeckel gibt es einen Plan von Amsterdam.


    7 Punkte