C. J. Cherryh - Brüder der Erde

  • Meines Erachtens handelt sich eher um einen Fantasyroman als um einen SF-Roman. Da aber Heyne ihn in der SF-Reihe herausgebracht hat, stelle ich die Rezi hier ein.



    Autorin:
    Siehe hier!


    Handlung (Klappentext):
    Kurt Morgan, einziger Überlebender eines Raumgefechts, gelingt es mit seiner Rettungskapsel einen erdähnlichen Planteten zu erreichen und zu landen. Er wird von Eingeborenen gefangen genommen und in Ketten gelegt, von ihnen wie ein Tier behandelt. Doch allmählich weiß er sich die Achtung und schließlich sogar die Freundschaft dieser stolzen und zugleich empfindsamen Geschöpfe zu erringen.


    Warum er von ihnen für eine reißende Bestie gehalten wurde, wird ihm klar, als er zum ersten Mal den Nachfahren von Menschen begegnet, die vor tausend Jahren diese Welt zu unterwerfen und zu besiedeln versuchten und deren Schicksal über dem Krieg in Vergessenheit geriet.



    Meine Meinung:
    Der bereits 1976 erschiene Roman „Brothers of the Earth“ war mein dritter Roman von C.J. Cherryh und ich bin mittlerweile wirklich ein Fan dieser Ausnahmeautorin.


    Das ganze Buch ist so authentisch geschrieben, die handelnden Personen, obwohl zum großen Teil nichtmenschlich, sind jederzeit greifbar. Besonders gelungen ist die Begegnung des Menschen Kurt mit der Rasse und Kultur der sensiblen Nemet. Der Prozess seiner Akkulturation hat mich enorm gefesselt.


    Cherryh behandelt in dem Buch wichtige Themen wie Kolonialismus und Xenophobie. Und dies ohne den erhobenen, moralinschwangeren Zeigefinger, der einem häufig bei diesen Themen begegnet. Cherryh ergreift keine Partei, sie versucht die verschiedenen Motivationen sichtbar zu machen. Ihr großer Verdienst ist es nebenbei einen spannenden, lebendigen und intelligenten Roman geliefert zu haben.


    Es ist eine Schande, dass momentan kein einziges Buch der Autorin auf dem deutschen Markt greifbar ist und dies sich wohl in absehbarer Zeit auch nicht ändern wird. Angesichts der zahlreichen geistlosen Neuerscheinungen, gerade im Genre Fantasy/Science Fiction eine alamierende Tatsache. Gibt es für Qualität keinen Markt?

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Oh schön, daß Du der lieben Cherryh zu mehr Bekanntschaft verhilfst. Freut mich, wenn sie Dich nun endgültig überzeugt hat.


    Ich habe "Brothers of earth" im Doppelpack mit "Hunter of worlds" in u.a. Ausgabe gelesen. Leider beide viel zu schnell, weshalb mir die Handlung nur mehr ganz vage vertraut ist. Aber ich fand sie beide großartig, in der Leseliste mit einem "X" markiert, da ich normalerweise keine Noten vergebe und nur die ganz besonderen Bücher markiere. Das waren welche, wie viele Cherryhs.


    Gerade hier ist nun ihr Steckenpferd, der Mensch unter Aliens, wodurch er das Alien wird. Ihre Stärke zeigt sich für mich auch in den nicht so dicken Büchern. Nichts gegen ihre langen Serien oder Wälzer, aber es gehört schon viel dazu, Welten und Wesen auf relativ wenigen Seiten so dicht zu gestalten.
    .

  • Ich hab das Buch vor knapp 30 Jahren als Jugendlicher gelesen. In Erinnerung ist mir nur noch der spannende und sprachlich flüssige Stil, also als Jugendbuch auf jeden Fall machbar.
    Was Science Fiction angeht, da hat sich der Markt einfach gedreht. Es ist schon erstaunlich, welche wirklich interessanten Autoren (z.B. Ballard oder Delany), die in den 70er und 80er Jahren viel übersetzt und verlegt wurden, heute nur noch antiquarisch - und meist recht günstig, was die geringe Nachfrage bestätigt - zu erhalten sind.
    Egal. Wer nur die Neuerscheinungen lesen will, solls eben tun. Ein bisschen Recherche im Netz und man findet die ganzen antiquen Schätze.

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von aadam ()

  • Zitat

    Original von Siorac
    Es ist eine Schande, dass momentan kein einziges Buch der Autorin auf dem deutschen Markt greifbar ist und dies sich wohl in absehbarer Zeit auch nicht ändern wird. Angesichts der zahlreichen geistlosen Neuerscheinungen, gerade im Genre Fantasy/Science Fiction eine alamierende Tatsache. Gibt es für Qualität keinen Markt?


    Es gibt wirklich ganz wenige Autoren wie z.B. Philip K. Dick, deren Bücher neu aufgelegt werden. Ansonsten teilt C.J. Cherryh ihr Schicksal mit endlos vielen Autoren wie Robert Sheckley, John Brunner, der erwähnte Samuel R. Delany usw. usw. Eine Art "Meisterwerke der Science Fiction" Reihe wäre schon wünschenswert, aber wie es aadam schon sagt, der Bedarf scheint nicht wirklich da zu sein und der Interessierte kann fast alles bei Ebay etc. finden.

  • Nun, dass mag für die alten Bücher von ihr ja noch verständlich sein, aber Frau Cherryh schreibt noch fleißig und veröffentlicht in den USA immer wieder NEUE Werke, die nur nicht übersetzt werden.

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Zitat

    Original von Siorac
    Nun, dass mag für die alten Bücher von ihr ja noch verständlich sein, aber Frau Cherryh schreibt noch fleißig und veröffentlicht in den USA immer wieder NEUE Werke, die nur nicht übersetzt werden.


    Zufälligerweise sind zwei der drei Autoren auf meiner Liste schon tot, aber auch das mit den nicht übersetzten neuen Werken ist bei der geringen Anzahl der deutschen Neuerscheinungen wohl leider nicht ungewöhnlich. Nimm z.B. Ian McDonald, ein Autor, der in den 90ern bekannt geworden ist und sicher zu den beliebteren Autoren gehört. Auf Englisch sind von ihm zuletzt die beiden Romane RIVER OF GODS und BRASYL erschienen und den Preis-Nominierungen nach zu urteilen ist er erfolgreicher denn je. Beide sind meines Wissens nach nicht übersetzt und sind auch nicht in Planung, aber Heyne bringt im August mit NECROVILLE einen älteren, verhältnisweise unwichtigen, Roman von ihm raus.


    D.h. wir haben die geringe Anzahl und eine fragwürdige Auswahl. Ich muß allerdings auch leider zugeben, dass ich mich als Leiter einer entsprechenden Verlagsreihe auch nicht für eine Veröffentlichung weiterer Romane von C.J. Cherryh entscheiden würde.

  • Nachdem ich "The Cherryh Odyssey" gelesen hatte, mußte ich einfach noch eine alte Cherryh lesen. Und da ich in dem Buch erfahren habe, daß "Brothers of earth" einer ihrer ersten beiden veröffentlichten Romane war und ich mich daran kaum erinnern konnte, war die Entscheidung eigentlich nur logisch.


    Mit dem Wissen im Hinterkopf liest sich das Buch gleich noch mal so interessant, denn es ist alles hier, was Cherryhs Bücher ausmacht, aber noch ein klein wenig unausgegoren. Es ist die klassische "Mensch als Alien"-Geschichte, mit Kurt Morgan unter den Nemet, die zwar einerseits extrem humanoid sind, aber doch ihre ganz eigene Kultur haben.


    Seine persönliche Geschichte ist hineingewoben in eine größere, reichlich komplizierte. Indresul vs. Nephane und Nephane wiederum gespalten in die Indras, die sich von ihrem Ursprung Indresul abgespalten haben und die Sufaki, die einst von den Indras unterworfen wurden. Mitten drin eine menschliche Frau, die der politischen Gruppierung entsprungen ist, die Kurts Feinde waren und die nun über Nephane herrscht und am Rand das, was aus den Menschen geworden ist, die hier früher einst gestrandet sind.
    In all das wird Kurt geworfen, der eher durch Zufall Teil eines Nemethaushalts und Freund des Nemet Kta wird.


    Ich mußte mich wie üblich ziemlich konzentrieren, um all das zu jonglieren. Schön!
    Das sind die Cherryh-Zutaten, wie ich sie liebe, noch schön garniert mit einer Reihe hübscher Loyalitätskonflikte, einerseits von Kurt, der zwischen Djan, der einzigen Menschenfrau unter den Nemet und seiner Nemetfamilie steht und andererseits Kta, für den das alles im Lauf der Geschichte noch viel komplizierter wird. Vor allem das Verhältnis zwischen Kurt und Kta ist schön gelungen.


    Unausgegoren bzw. später besser hinbekommen hat sie vor allem das Frauenbild. Das ist hier noch ein wenig naja, da wir nur entweder die eiskalten Methi-Damen oder die allzu servilen, Tee kochenden Nemetfrauen haben. Aber das sollte sich ja im Lauf von Cherryhs Schreiben ändern. Ich ziehe zwar eine Jago ("Foreigner") jederzeit einer Mim vor, aber auch ihr Schicksal hier konnte bewegen.
    Die Geschichte selbst ist auch ein bißchen unrund. ZB hat sich mir nicht erschlossen, wozu der Ausflug zu den barbarischen Tamurlin nötig war. Oder daß Kurt sich allzu schnell daran gewöhnt, der letzte der seinen zu sein, gestrandet auf einer fremden Welt.
    Wobei ich hier aber weniger dafür plädiert hätte, es wegzulassen, sondern mehr bedauere, daß sie sich hier noch nicht mehr Zeit lassen konnte, eine längere Geschichte zu erzählen, gerne auch bis über das relativ offene Ende hinausgehend. Aber dies hier war eben der Auftakt ihrer Schreibkarriere. Anderes, wo sie sich mehr Zeit genommen hat, ähnliches zu erkunden, sollte folgen, "The faded suns" zB oder auch "Foreigner".


    Höchst interessant ist auch der politische Hintergrund Kurts, der zur Alliance gehört, während Djan Hanan ist. Alliance? "Unsere" Alliance, in "Downbelow Station" begründet? Wäre durchaus möglich, einige 100 Jahre danach. Und die Hanan erinnern an Union. Faszinierend!


    Viele Cherryhs später und vor allem mit einigen meiner später geschriebenen Lieblinge frisch im Gedächtnis ist dies nicht unbedingt eines ihrer allerbesten Bücher, aber für einen Erstling durchaus beachtlich und, wie gesagt, quasi die Keimzelle von allem wunderbaren bzw. noch wunderbarerem, was noch folgen sollte.


    :anbet