Das Vermächtnis der Amazonen - Birgit Fiolka

  • Kurzbeschreibung
    Ägypten im 13. Jh. v. Chr: Kamara, Tochter des Ägypters Pairy und der Amazone Selina, wird Zeugin eines Diebstahls. Sie wird entdeckt, gefangen genommen und kurzerhand von den Dieben als Sklavin nach Mykene verkauft. Dort erkennt Kamara, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss. Sie flieht, und es beginnt eine abenteuerliche Reise, die sie und ihre Gefährten nach Themiskyra führt, in die verloren geglaubte Heimat ihrer Mutter. Doch die sie verschleppt haben, wollen ihre Rückkehr nach Ägypten um jeden Preis verhindern. Kamara bleibt nur ein Ausweg - sie muss das zersprengte Volk der Amazonen noch einmal in den Kampf führen.

    Über die Autorin:

    Birgit Fiolka, geb. 1974 in Duisburg, absolvierte eine Ausbildung zur Justizangestellten, und arbeitete einige Jahre in diesem Beruf, bevor sie sich entschloss, eine Künstlerlaufbahn einzuschlagen. Sie hat bereits mehrere historische Romane publiziert und ist Mitbegründerin der Künstlergruppe „Art of KaRa“, welche sich der szenischen Darstellung des Alten Ägyptens widmet. Weiterhin arbeitet sie als Make-Up-Artist und Hairstylist für Film, TV und Fotoproduktionen und fotografiert in ihrer Freizeit auch selber. Birgit Fiolka lebt in Duisburg.


    Meine Meinung:
    15 Jahre sind vergangen, seit Selina, eine der letzten des Volkes der Amazonen, ihren Lebensmittelpunkt in Ägypten gefunden hat. Im Herzen nie wirklich heimisch, hat sie ihre Tochter Kamara ganz im Sinne der großen Mutter erzogen und so schlagen im Körper der jungen Frau zwei Herzen - eines für Ägypten, das andere für ein Land, das sie nur aus Erzählungen kennt. Als Kamara am Abend ihrer Verlobung mit dem Ägypter Hori Dinge sieht, die sie nicht hätte sehen sollen, wird sie entführt und nach Mykene verschleppt. Für Kamara beginnt ein langer, beschwerlicher und Jahre andauernder Weg in die Freiheit an dessen Ende sie sich entscheiden muss, welches Volk ihrem Herzen näher ist.


    Birgit Fiolka nimmt dem Leser im zweiten Band um das Volk der Amazonen mit auf eine abenteuerliche und gefährliche Verfolgungsjagd von Ägypten über Mykene und Athen, die schließlich in Themiskyra endet. Die Flucht vor den Verfolgern wird nicht nur ein Kampf ums Überleben sondern für Kamara auch ein langer Weg zum Erwachsenwerden und zur Selbstfindung. Sensibel und glaubhaft schildert Birgit Fiolka die innere Zerrissenheit Kamaras, die seit ihrer Kinderheit eine Wanderin zwischen zwei Welten ist und zu keiner richtig dazuzugehören scheint, ihre Ängste, sich für eine dieser Welten entscheiden zu müssen und dabei möglicherweise die falsche Entscheidung zu treffen, die Angst davor, über ihren eigenen Schatten zu springen und anzuerkennen, dass sie in sich das Erbe ihrer Mutter trägt, ihren unstillbaren Freiheitsdrang und die Sehnsucht nach dem Land ihrer Mutter.


    Auch die anderen Protagonisten kommen nicht zu kurz - so treffen wir neben Ramses, Pairy und Selina, die hier ebenfalls wieder eine Schlüsselrolle spielt, auch neue Protagonisten, wie Hori, Kamaras Freund aus Kindertagen und Verlobten, sowie zwei unfreiwillige Gefährten, die Kamara auf ihrem langen Weg begleiten. Auch sie haben eine Stimme und eine Seele, auch mit ihnen leidet und fühlt man mit wie mit Kamara. Wie schon in der Amazonentochter gibt es keinen Protagonisten, der nicht liebevoll ausgestaltet ist. Es ist schwer, sich den einzelnen Schicksalen zu entziehen. Je weiter man in diesem Buch liest, desto mehr wird man Teil dieser Gruppe, liebt, leidet, hofft, hasst und trauert mit. Birgit Fiolka versteht es meisterhaft, den Leser an die Geschichte zu fesseln. Bilder, Landschaften und Situationen entstehen vor dem inneren Auge und lassen einen nicht mehr los, auch nicht dann, wenn man die letzte Seite umgeblättert hat.


    Die Fortsetzung eines Buches ist immer eine schwierige Sache, weil der Leser mit einer gewissen Erwartungshaltung an das Buch geht: lässt sich das erste Buch toppen? Wiederholen sich Dinge in der Fortsetzung? Gelingt dem Autor eine mindestens ebenso spannende Geschichte wie im ersten Buch?
    Nun, diese Punkte lassen sich sehr einfach beantworten: Das Vermächtnis der Amazonen steht der Amazonentochter in absolut nichts nach. Müsste ich mich festlegen, welches mir besser gefallen hat, ich könnte es nicht. Birgit Fiolka ist hier eine Fortsetzung gelungen, die zwar auf der Amazonentochter aufbaut, aber doch einen ganz anderen Charakter hat. Kamaras Geschichte gleicht der von Selinas in keiner Weise. Ihr Leben, ihre Entwicklung und die Entscheidung, die sie am Ende des Buches trifft, hat mit der von Selina nichts gemein. Zwei Frauen, zwei Wege, ein Erbe. Ich bin jedenfalls restlos begeistert und kann jedem, der die Amazonentochter liebt, die Fortsetzung nur Wärmstens ans Herz legen.


    Ich bin traurig, die Amazonen nun endgültig verlassen zu müssen. Ein Teil von mir bleibt in Gedanken in der Graslandschaft am Thermodon zurück, derweil ich eine schwermütige Stimme zu vernehmen meine, die leise singt:


    Flieg, kleine Schwester, flieg
    Auf dem Rücken deines Pferdes
    Durch die grünen Auen des Thermodon
    Das Gras wogt sanft an Deinen Hüften
    Der Wind spielt wild mit Deinem Haar
    ...

  • Mein Kommentar zu diesem schönen Buch:


    Wie schon im ersten der beiden Bücher um die Amazonen vom Thermodon wird der Leser von der ersten Seite an gefesselt und in die Geschichte hineingesogen.


    Wir erleben, wie sich Selinas Tochter Kamara von einem verwöhnten und leicht arroganten "Teenager" zu einer verantwortungsvollen jungen Frau entwickelt. Ihr abenteuerlicher Weg führt sie und ihre Gefährten durch das Mittelmeer nach Mykene, über den Isthmus von Korinth nach Athen, über Ephesos nach Zalpa und Themiskyra ans Schwarze Meer, wo er in einer entscheidenden kriegerischen Auseinandersetzung sein vorläufiges Ende findet. Die historischen Fakten und Informationen sind geschickt in die Geschichte eingewoben, niemals aufgesetzt, belehrend oder überfrachtet, aber durchaus vorhanden :-)!


    Trotz ihrer Dominanz und starken Persönlichkeit war Kamara für mich eigentlich nicht die wichtigste Figur in der Geschichte. Die Entwicklung und Reifung der weiteren Protagonisten fand ich persönlich noch interessanter. Sicherheitshalber setze ich die Erläuterung dazu mal in einen Spooiler:

    .


    Gut gefallen hat mir auch die Gegenüberstellung der beiden Hochkulturen Mykene und Ägypten, deren Verschiedenartigkeit dem Leser in den Personen Eneas und Hori bzw. ihren patzigen Dialogen manchmal sehr drastisch (aber auch humorvoll) aufgezeigt wird.


    Der lockerleichte, manchmal auch humorvolle Schreibstil rundete diese spannende Geschichte an den interessanten Schauplätzen der Antike ganz wunderbar ab. Die eine oder andere Vorhersehbarkeit und ein kleines bisschen Pathos am Ende ;-) haben mein Lesevergnügen nicht getrübt. Von mir erhält das Buch 10 Punkte!

  • Nun ist dieses schöne Buch auch ausgelesen *tiefer seufzer* Dieser Roman hat mir ebenso gut gefallen wie der Vorgänger "Amazonentochter" auf dem diese Geschichte aufbaut. Die Handlung ist zwar eigenständig und beginnt 15 Jahre nach dem Ende des ersten Buches aber um die Feinheiten und Anspielungen die die Autorin Birgit Fiolka eingestreut hat, sowie das Handeln der Personen besser zu verstehen empfehle ich jedem Leser der sich für dieses Buch interessiert zuerst die "Amazonentochter" zu lesen.


    Inhaltlich hat Bouquineur in ihrer tadellosen und vorbildlichen Rezension alles Wichtige und Relevante mit ihren Worten schon zusammengefasst. Ich verweise deshalb gerne auf ihren Beitrag zu diesem Buch.


    Dieser Roman hat nun weniger von der eher sachlichen und fast epischen Erzählweise und Struktur des ersten Buches. Er ist von Anfang an auf mehr Tempo und Handlung ausgelegt. Auf den etwas mehr als 500 Seiten gibt es keine nennenswerten Längen sondern das Geschehen wird kontinuirlich vorwärts getrieben. Die altersmässig noch sehr jungen und anfangs noch unerfahrenen Hauptpersonen werden durch die widrigen Umstände die ihnen widerfahren schnell erwachsen und machen im Verlauf der Geschichte einen Reifeprozess durch.


    Viel zum Charme das diese Bücher ausstrahlen trägt der besondere Sprach- und Erzählstil der Autorin bei. Es sind zum Beispiel diese Bezeichnung der Tageszeiten wie „als Re die Nachtbarke bestiegen hat“ oder „als Re von Nut verschlungen wurde“ die die Abenddämmerung bezeichnen oder „wie Re von Nut aus ihrem Schoss geboren wurde“ als Ausdruck für den Sonnenaufgang. Solche und viele ähnliche Umschreibungen, die am Anfang noch als speziell wahrgenommen werden, gehen dem Leser rasch in Fleisch und Blut über und werden mit der Zeit als völlig normal empfunden. Auch der Humor und Sprachwitz kommt in diesem Buch nicht zu kurz und heitert die ansonsten ernste Handlung immer wieder auf. Es ist sowieso diese spezielle Sprache die mich wirklich sehr beeindruckt hat. Viele ungewohnte Ausdrücke und fast dichterische Sätze die aber immer einfach zu lesen sind und nie von der Geschichte ablenken.


    Der Schluss ist mit pathetischen Worten und Handlungen angereichert und lässt wahrlich keinen Leser unberührt zurück. Die Geschichte und der Lebensweg der Amazone Selina die beim ersten Buch begonnen hat schliesst sich mit der Entscheidung ihrer Tochter Kamara am Ende dieses Buches wie ein Kreis. Ein Zyklus hat sein stimmiges Ende gefunden. :-]

  • Nun auch mein Kommentar. Das Wesentliche wurde schon von meinen Vorgängern gesagt.


    Der Folgeband ist kürzer gefasst und temporeicher als die "Amazonentochter". Es ist ein regelrechter Abenteuerroman über eine Verfolgungsjagd quer durch die antike Welt. Ägypten, Mykene und schließlich der Thermodon, wo der Rest des Amazonenvolkes lebt, sind die wesentlichen Schauplätze. Die unterschiedlichen Lebensformen und Mentalitäten sind sehr gut herausgearbeitet: das maßvoll patriarchale Ägypten, die radikale Männerherrschaft in Mykene und schließlich die kleine Gruppe von Frauen, die versucht, an alten, freien Lebensformen fest zu halten.


    Wir haben auch eine etwas andere Heldin. Kamara ist wesentlich kompromißloser und radikaler als ihre Mutter. Sie entwickelt sich vom überaus selbstbewußten, etwas großmäuligen Teenager zu einer reifen Frau, die ihren Platz im Leben findet. Das wurde sehr überzeugend geschildert. Auch die Nebenfiguren sind gelungen: Frauen fügen sich entweder resigniert der Männerherrschaft oder lernen schließlich doch, sich gegen sie aufzulehnen. Besonders interessant fand ich die Hetäre Jocasta in ihrem Bestreben, sich als geschickte Verführerin Macht und Freiraum zu verschaffen. Sie erkennt nicht, dass sie dabei eine Gefangene ihrer eigenen Illusionen bleibt.


    Die Charaktere der Männer waren ebenfalls differenziert angelegt. Hori entwickelt sich vom unreifen Jungen, der für Kamara schwärmt, zu einem ernst zu nehmenden Liebhaber. Eneas, ein junger Mykener, hingegen kann seine verbohrte Denkweise dagegen niemals ablegen und in Kamara einen freien Menschen sehen, obwohl er sie aufrichtig liebt.


    Schön war das Wiedersehen mit Selina und Pairy, die es trotz aller kulturellen Unterschiede geschafft haben, ein glückliches Paar zu werden.


    Das Ende ist nicht genre-typisch, doch es passt zur Geschichte und zur Hauptfigur. Mir hat es daher besonders gefallen.


    Eine unterhaltsame, spannende Lektüre, besonders reizvoll durch den Humor, der sich durch den ganzen Text zieht. Manche Szenen waren wirklich filmreif!

  • Im Grunde genommen ist alles bereits gesagt, so dass ich es mir einfach machen und mich auf meine Vorredner beziehen kann. Mit einer kleinen Einschränkung: Mir war das Tempo des Buches schlicht zu hoch, es gab für meinen Geschmack zu viel „Action“. Für mich hätte das Buch durchaus 150 bis 200 Seiten mehr haben dürfen, wenn dafür die Geschichte etwas ruhiger dahergekommen wäre. Als besonderen Pluspunkt habe ich nicht nur das Wiederlesen mit Selina, Kleite, Pairy und Ramses empfunden, sondern ganz besonders den für meine Begriffe sehr konsequenten Schluss. Das ist jenseits allen Herz-Schmerz-Klischees, dafür aber sehr stimmig zu der Entwicklung, die Kamara im Laufe des Buches durchläuft. Ein schönes Leseerlebnis war es allemal, so dass ich schon jetzt mit leiser Ungeduld auf ein neues Buch von Birgit Fiolka warte.

  • Hat mir etwas weniger gut gefallen als das erste Buch, woran das liegt, kann ich nicht genau sagen, auf jeden Fall sind sich die beiden Bücher halt schon sehr ähnlich vom Aufbau her und ein bisschen fehlte mir die Ruhe in diesem zweiten Teil. Aber trotzdem war das wieder ein schönes Lesevergnügen mit interessanten und ausgefeilten Charakteren. Ein grosses Lob für den Epilog, der ist sehr schön geschrieben.