Wolfgang Jaedtke - Tochter der Steppe

  • Kurzbeschreibung laut Amazon
    Die junge Manja lebt mit ihrer Mutter in einem Bauerndorf und träumt davon, einmal den Nachbarsjungen Vilufar zu heiraten. Doch das Dorf wird von skythischen Reiterkriegern überfallen: Vilufar gerät in die Gewalt der Skythen, Manja gelingt die Flucht. Es verschlägt sie zum Volk der Sarmaten, bei dem die Frauen das Kriegshandwerk erlernen und die Geschicke des Stammes lenken. Manja, die man für eine Enkelin des Königshauses hält, wird dort zur Kriegerin ausgebildet. Als die junge Frau in die Auseinandersetzungen zwischen Sarmaten und Skythen verwickelt wird und in skythische Gefangenschaft gerät, fragt sie sich in banger Hoffnung, ob sie hier Vilufar finden wird ... Ein dramatischer und bewegender Roman aus der Welt der Skythen um 700 vor Christus in der russischen Steppe.


    Über den Autor
    Wolfgang Jaedtke, geboren 1967 in Lüneburg, ist promovierter Musikwissenschaftler und freier Autor und lebt im niedersächsischen Stelle. Sein besonderes Interesse gilt der Vor- und Frühgeschichte. Er veröffentlichte die Skythen-Romane »Steppenkind« und »Tochter der Steppe«



    Meine Meinung
    Auf dieses Buch bin ich aufmerksam geworden durch Birgit Fiolkas „Amazonentochter“: Jenes Buch ist so fesselnd geschrieben, dass es mich dadurch auch neugierig gemacht hat auf das legendäre Volk der Amazonen, von denen wir im Grunde immer noch viel zu wenig wissen und die in diesem Buch eine wesentliche Rolle spielen.


    Das Buch besteht aus vier Teilen, die jeweils in Unterkapiteln eingeteilt sind, einem lesenswerten und sehr informativen Nachwort (das ich meinem üblichen Leseverhalten entsprechend wirklich zuerst hätte lesen sollen) mit weiterführenden Literaturhinweisen und einer schönen und deutlichen Karte.


    „Tochter der Steppe“ ist die Geschichte Manjas, die durch einen puren Zufall den Überfall eines skythischen Stammes auf ihr Dorf überlebt. Sie wird von den Sarmaten aufgenommen und wächst dort vom jungen Mädchen zur jungen Frau, zur Kriegerin heran. Sie lernt die Liebe kennen - eine Liebe, die nicht sein darf -, aber auch die Bosheit, sie muss lernen zu reiten, zu kämpfen, zu töten. Sie zieht mit den Sarmaten in eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Skythen, in deren Verlauf sie in Gefangenschaft gerät, sie findet ihre Jugendliebe wieder und ...
    Und? Soll ich hier wirklich alles erzählen? Nein, ich denke nicht, dass das klug wäre, schließlich sollen die potentiellen Interessenten nicht schon vorher alles verraten bekommen.


    „Tochter der Steppe“ ist ein sehr schönes Buch, bei dem der Autor sehr geschickt die eigentliche Romanhandlung mit Erklärungen zu Art und Weise des täglichen Lebens, den Sitten und Gebräuchen, den gesellschaftlichen Strukturen der Sarmaten und der Skythen und ihrer Glaubens- und Götterwelt verwoben hat. Und eben auch die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Steppenvölkern werden anhand des Erzählten deutlich, sei es zum Beispiel an der Stellung der Frau, sei es an der Behandlung der Diener resp. Sklaven.


    Ein historischer Roman ist es ohne jeden Zweifel, flüssig zu lesen, spannend dazu. Aber es scheint mir noch etwas anders zu sein, nämlich eine Art Entwicklungsroman: Die Heldin Manja muss mit allerlei fertig werden, unter anderem auch mit dem Geständnis ihrer Mutter ihren Vater betreffend. Die Gedankengänge, die emotionale Verwirrung des jungen Mädchens fand ich wunderbar beschrieben. In ihrer kleinen Welt, die von der großen „da draußen“ nur Gerüchte gehört hat, ist sie zufrieden und hat ihre Träume, ihre Zukunftspläne. Würde sie in dieser kleinen Welt bleiben, nichts anderes kennenlernen, würde sie – so stelle ich es mir vor - sicherlich eine Familie gründen, Kinder in unbestimmter Anzahl bekommen, ein Feld bebauen, ihre Tiere versorgen, sich glücklich wähnen – und hätte doch immer das leise Sehnen im Herzen, das sie sich nicht erklären kann. Doch das Schicksal (oder die Götter?) hat anderes mit ihr vor, und in meinen Augen beginnt Manja mit der Aufnahme bei den Sarmaten ein anderer Mensch zu werden. Es ist viel mehr als die Entwicklung von der Jugendlichen zur Frau, es ist die Entwicklung von dem Bauernmädchen in einem sozialen Umfeld, in dem die weiblichen Mitglieder der Gemeinschaft nicht viel zu vermelden haben, zum geachteten Mitglied einer Gesellschaft, in der die Frauen keineswegs nur mehr oder weniger stumme Anhängsel der Männer sind, sondern sie bestimmen die Geschicke ihres Volkes. Das Blickfeld erweitert sich für Manja, innerlich wie äußerlich. Sie lernt – auch weil sie lernen will und kann – eine andere Sprache, eine anderes Miteinanderumgehen, sie begreift aber auch, dass ihr Tun, ihr Handeln und ihr Schweigen Auswirkungen hat, nicht nur für sie selber, sondern auch für die, die jetzt ihre Familie sind. Manja wird ein anderer Mensch, sagte ich weiter oben, das bekommt sie zu spüren gegen Ende des Buches: Sie muss erfahren, dass ein Zurück zu dem, was sie einmal war, nämlich zu dem „unwissenden“ Bauernmädchen, zu den dörflichen Gegebenheiten für sie im Grunde nicht möglich ist, es sei denn, sie verleugnet das, was aus ihr geworden ist, verleugnet ihre Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse. Und in ihrem Verstehen, was und wo für sie Leben und Glück möglich ist, liegt für mich das wahre Happy End dieses Buches, auch wenn das geschriebene Ende des Buches mich zutiefst befriedigt zurückgelassen hat.


    Die Gefühlswelt Manjas ist – wie schon angedeutet – sehr einfühlsam beschrieben. Ihre „Herzensangelegenheiten“ werden mit einer wunderbar zurückhaltenden Deutlichkeit und ohne den geringsten Hauch von Kitsch von mir ausgebreitet. Aber auch, was das Kämpfen, das Töten in dieser für uns Heutige so fremden Welt bedeutet, was es ausmacht, wird nicht verheimlicht; es wird beschrieben in einer für mich erschreckend genauen, aber wohl auch notwendigen Detailliertheit, wie diese Kämpfe, wie dieses Sterben ausgesehen hat. Diese „Actionszenen“, die mir nicht so sehr behagen, werden für Geneigtere wie mich fesselnd zu lesen sein: wie sich die Kämpfe entwickeln, warum sie stattfinden, wie geschossen, gehauen, geschlagen, gestochen und demgemäß auch geschrieen, geweint, gestorben wird.


    Acht Punkte werde ich diesem Buch geben; dass es zur vollen Punktzahl nicht gereicht hat, liegt an mir und meiner Abneigung gegen die im vorigen Absatz beschriebenen Darstellungen kriegerischer Art. Die Erzählstränge, die sich mit Manjas Entwicklung, mit ihrem Eingliedern in die für sie anfangs so fremden Welt, ihrem Erwachsenwerden beschäftigen, haben mir ausnehmend gut gefallen, für mich hätten sie sogar noch etwas ausführlicher sein dürfen, hätte der Roman etliche Seiten mehr haben dürfen.


    „Tochter der Steppe“ ist der zweite Roman um die Skythen/Sarmater; ob es ein Nachteil war, dieses Buch zuerst gelesen zu haben, wird sich herausstellen, wenn „Steppenkind“ meine Aufmerksamkeit beanspruchen wird.

  • Lipperin : Ich kenne beide Teile "Steppenkind" und "Tochter der Steppe".
    Ich fand beide Teile sehr gut, der erste hat mir noch besser gefallen, weil es psychologisch sehr ausgefeilt im Bezug auf den Hauptcharakter war. Allerdings fand ich den ersten Teil auch um einiges härter von der Darstellung der Kriege und der Grausamkeiten. Also darauf muss man sich bei Teil 1 auf jeden Fall gefasst machen!!! Trotzdem - beide Teile finde ich sehr lesenswert, spannend und interessant!

    Meine neuen Histo-Romane Der Gesang des Satyrn sowie Hatschepsut. Die schwarze Löwin gibt es bei Amazon oder Beam-Ebooks - außerdem meinen Mystery Thriller Fonthill Abbey

  • Zitat

    Original von BirgitF
    Ich fand beide Teile sehr gut, der erste hat mir noch besser gefallen, weil es psychologisch sehr ausgefeilt im Bezug auf den Hauptcharakter war. Allerdings fand ich den ersten Teil auch um einiges härter von der Darstellung der Kriege und der Grausamkeiten. Also darauf muss man sich bei Teil 1 auf jeden Fall gefasst machen!!! Trotzdem - beide Teile finde ich sehr lesenswert, spannend und interessant!


    Dank Birgit bin ich auch auf diesen Autor aufmerksam geworden.
    Heute habe ich nun den 2. Teil beendet und kann mich Birgits Meinung nur anschließend.
    Mir hat der 2. Teil fast besser gefallen, einfach weil er nicht so grausam die Gräueltaten der Skythen beschreibt.
    Als ich die letzten Zeilen des Buches gelesen hatte, war es für mich sehr schwer daraus wieder aufzutauchen. Gerne würde ich wissen, wie es mit Manja und Sajan weiter geht.


    Hier vergebe ich gerne die volle Punktzahl.
    Ich kann die beiden Romane von Wolfgang Jaedtke allen Eulen uneingeschränkt empfehlen,
    die auch die Bücher von Birgit Fiolka sehr gerne gelesen haben.


    Das Cover von "Tochter der Steppe" ist übrigens sehr gelungen, eine kleine Augenweide :fingerhoch

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
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    :kuh:lesend