Chinatown - Tereza Vanek

  • Zu Inhalt des Buches brauche ich nichts mehr zu schreiben. Obwohl die Geschichte in Hamburg spielt, erfährt der Leser viel über das Leben von Frauen in China zur damaligen Zeit. Der Roman ist also auch (und erinnert auch mich damit an „Das Jadepferd“) im besten Sinne lehrreich. Die Hauptperson lädt buchstäblich ab dem allerersten Wort zur Identifikation ein, ihre Entscheidungen und Handlungen sind stets nachvollziehbar, das Ende angemessen und glaubwürdig. Ein wunderbarer und spannender Roman, den ich sehr gern gelesen, weiterempfohlen und auch schon verschenkt habe.

  • Ich habe die Meinungen zum Buch gespannt verfolgt, mit mir gehadert, das Buch auf die Wunschliste gesetzt - und erst mal wieder vergessen. :-) Vor einigen Tagen hatte ich in der Bibliothek allerdings ein paar äußerst gute Funde gemacht, wollte gerade gehen, und was lacht mich im Vorbeigehen so charmant an? Richtig - Chinatown. Blackie jubelt also innerlich, schnappt das Buch und fängt zu Hause sofort an zu lesen. Ich habe es am selben Tag noch ausgelesen und es hat mir ausgesprochen gut gefallen. Auf die typische Mann-Frau-Paarung gebe ich nichts, mir fiel die Liebesgeschichte zwischen den beiden Frauen also nicht deutlich negativer oder postiver ins Auge. Hamburg in den 20er Jahren fand ich sehr schön dargestellt; die Vielschichtigkeit der Bevölkerung und auch die sich langsam ändernden Normen, was Frauen und ihr Leben angeht. Alexandra war mir schnell sympathisch, unruhig und naiv, wie sie anfangs ist. Mai Lings Geschichte fand ich natürlich sehr interessant und exotisch angehaucht. Dass die beiden sich finden und trotz aller Widerstände zusammenbleiben wollen, fand ich auch sehr rührend.


    Zum Ende hat sich dann ein richtiger Showdown entwickelt und ich habe buchstäblich gezittert, ob noch alles klappt. Die Lösung von Tereza Vanek hat mir gut gefallen, ich hätte nur zum Ende vielleicht einen kleinen Ausblick gehabt, wie es mit den beiden weitergegangen ist, im fernen Amerika. Und was aus Michelle und Heinrich geworden ist. Die mir zwar nicht sonderlich sympathisch waren, aber deren Entwicklung mich trotzdem sehr interessiert hat. Alles in allem muß ich sagen: eine sehr schöne Liebesgeschichte, die mir einen wunderbaren Lesetag beschert hat.

  • Zitat

    Original von Blackie
    Alles in allem muß ich sagen: eine sehr schöne Liebesgeschichte, die mir einen wunderbaren Lesetag beschert hat.


    Und mir hat deine Rezension, ebenso wie die Katerinas, einen wunderschönen Arbeitstag beschert. :-]


    Das Ende habe ich bewusst offen gelassen, nur angedeutet, was die Frauen für Pläne haben. In USA erwartete die beiden kein leichtes Leben, das wäre fast schon Stoff für ein weiteres Buch.


    Die einzige Person, für die die Dinge sich ja erst einmal günstig entwickeln dürften, ist wohl - leider - Heinrich.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Zitat

    Original von Tereza
    Die einzige Person, für die die Dinge sich ja erst einmal günstig entwickeln dürften, ist wohl - leider - Heinrich.


    ..aber keine tausend Jahre :grin

  • Alexandra, die unkonventionell in Hosen gekleidete Frau mit dem auffälligen roten Haarschopf war der Chinesin Mai Ling sofort aufgefallen. Mai Ling, die in Shanghai das sorgenfreie Leben der zweiten Ehefrau eines westlich orientierten chinesischen Geschäftsmannes geführt hatte, lebte nun, halb verhungert, ohne Papiere und abhängig von ihrem Zuhälter Liang, in Hamburgs Rotlichtviertel. Welche Ereignisse eine gebildete Frau wie Mai Ling in die Prostitution und in ein Leben als Illegale geführt haben, bewegte mich, Tereza Vaneks Roman zu Ende zu lesen, obwohl ich mich von Anfang an über die stilistischen Schwächen des Buchs geärgert habe. Alexandra, deren Vater einst aus Polen nach Hamburg kam, arbeitet in einer großen Rechtsanwaltskanzlei als persönliche Sekretärin Sarah Weinbergs. Sarah ist Jüdin, eine Frau, die wie ein Kerl aussieht und wie ein Kerl denkt. Greta, die mit dem Chinesen Wu Dehong verheiratet ist, bitte Alexandra, die von einem Freier schwer misshandelte Mai Ling zu verstecken und gesund zu pflegen. Diese zweite Begegnung ist der Beginn der Liebe zwischen den beiden ungewöhnlichen Frauen.


    Es fiel mir schwer, mich in Tereza Vaneks Roman in die Zeit der beginnenden Wirtschaftskrise der Zwanziger Jahre zu versetzen; denn Alexandra, die von einer Karriere als Jazz-Sängerin träumt, führt einen für ihre Zeit sehr ungewöhnlichen Lebenswandel. Sie lebt mit ihrer Freundin Michelle, einer Tochter aus wohlhabendem Haus, in einer gemeinsamen Wohnung und scheint ihre Tätigkeit als Sekretärin nicht so ganz Ernst zu nehmen. Alexandra fehlt häufig am Arbeitsplatz, ohne krankgeschrieben zu sein und ohne Angst vor Entlassung. Wenn sie arbeitet, kommt sie sehr pünktlich nach Hause, obwohl man damals in der beginnenden Wirtschaftskrise nur theoretisch den 8-Stunden-Tag oder die Vierzig-Stunden-Woche kannte. Wenn Arbeit da war, wurde gearbeitet; jeder konnte froh sein, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben. Wie Alexandra mit ihrem Gehalt als Sekretärin ihren bohèmehaften Lebensstil mit täglichem Take-Away-Essen aus dem Restaurant, Schnitzeln, beim Bäcker gekauften Torten, Zigaretten, Wein und Champagner finanzierte, ist mir ein Rätsel. Abgesehen von der Frage, ob es damals bereits Essen zum Mitnehmen oder Einkaufstüten gab, bringt Alexandra niemals die Töpfe oder Schüsseln zurück, in denen die Mahlzeiten transportiert worden sind.


    Die überzeugende Darstellung einer jungen Frau, die ihr ganzes Leben in Hamburg verbracht hat, und einer gebildeten Chinesin, die Deutsch und Englisch spricht, gelingt der Autorin nicht. Alexandra spricht mit deutlich süddeutschem Zungenschlag (sie geht in die Arbeit, kauft „einen“ Tee ein, ohne dass es für ihre in Hamburg auffallende Sprache einen plausiblen Grund gibt, wie z. B. eine Mutter aus verarmtem österreichischen Adel statt aus preußischem Adel). Dass Mai Ling diesen Zungenschlag in Hamburg oder von ihrer amerikanischen Lehrerin in China angenommen haben könnte, scheint wenig glaubhaft.


    Ärgerlich finde ich, wie unpräzise simple Abläufe wie die Arbeit einer Sekretärin oder das Nähen eines Kleides beschrieben werden. Ob Alexandra als Assistentin oder Sekretärin arbeitet, ist nicht beliebig. Ihre Chefin wird ihr kaum ein Diktat zureichen, da sich die diktierten Briefe in Alexandras Steno-Block befinden und Sarah Grünberg vermutlich nicht selbst stenografiert. Ähnlich beim Schneidern eines Kleides: der Stoff wird zugeschnitten, nicht zerschnitten. Ist er zerschnitten, reicht er möglicherweise nicht mehr für das Kleid. Diese Beliebigkeit im Ausdruck findet sich in zahlreichen Passagen des Buches und hat mich beim Lesen sehr gestört. Sie lässt zweifeln, ob die Autorin das meint, was ihre Ausdrücke sagen oder ob sie die beschriebenen Vorgänge selbst begriffen hat. Tereza Vanek interpretiert in Mai Ling typisch deutsche Gedanken hinein, als Mai Ling sich in einer Szene wünscht, „so verschlagen zu sein, wie es den Chinesen nachgesagt wird“. Mai Ling benutzt hier einen abwertenden Begriff, der aus Unkenntnis über chinesische Sitten und Werte resultiert und den es in ihrer Muttersprache nicht gibt. Warum sollte sie sich diese Zuschreibung Dritter wünschen?


    Eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen vor dem historischen Hintergrund der Zwanziger Jahre in Hamburg versprachen die sehr ausführliche Rezensionen des Buches. Chinatown empfand ich als zurückhaltend formulierte Darstellung einer Frauenbeziehung, deren historischer Hintergrund leider nur oberflächlich recherchiert wurde, die häufig unpräzise im Ausdruck ist und den Ton ihrer in Hamburg lebenden Hauptfiguren nicht überzeugend trifft.


    [edit:] doppelte ISBN entfernt

  • Hallo Buchdoktor,


    tut mit leid, dass dir das Buch nicht gefallen hat.


    Was den süddeutschen Einschlag betrifft, hast du mich tatsächlich erwischt, eben weil ich ihn selbst habe. Allerdings wurde der Text von mehreren Nicht-Süddeutschen Korrektur gelesen, denen das nicht auffiel.


    Ansonsten störst du dich an sehr vielen Details, die ich oft einfach deshalb nicht genauer beschrieben oder erklärt habe, da sie mir für die Geschichte selbst unwichtig schienen. Essen zum Mitnehmen gab es bereits im Mittelalter. Wen interessiert es, ob Alexandra irgendwann Töpfe zurück bringt? Ich selbst fände es als Leser jedenfalls völlig unwichtig.


    Es wird darauf hingewiesen, dass Alexandra in ihrem Beruf gut verdient und außerdem dank Michelle günstig wohnen kann. Um Überstunden zu machen, fehlt ihr die Motivation, obwohl durchaus erwähnt wird, dass sie Angst hat, den Job zu verlieren - eben weil sie eine so unmotivierte Arbeitskraft ist. Die große Depression war gerade losgegangen - früher oder später hätte eine Alexandra ihren Job wohl verloren, bei der mangelnden Arbeitsmoral, aber bisher hatte sie halt noch Glück.


    Ich will hier keine sinnlose Diskussion beginnen. Das Buch hat dir nicht gefallen, daran ist nichts zu ändern. Falls einige Details wirklich nicht stimmen, so entschuldige ich mich dafür und ich werde beim nächsten Roman darauf achten.


    Jedenfalls Danke für dein Interesse an dem Buch.


    Viele Grüße


    Tereza


  • Hallo,


    zu diesen Dingen möchte ich mich doch noch kurz äußern, obwohl ich weiß, dass es nicht viel Sinn macht, bei negativen Rezensionen herumzudiskutieren und jeder Leser natürlich das Recht hat, sich negativ zu äußern.


    Zum weiter gereichten Diktat: es gab damals bereits die ersten Diktiergeräte: http://de.wikipedia.org/wiki/Phonograph
    Der Text wurde auf einer Art Walze aufgenommen, die dann an einem anderen Ort wieder abgehört werden konnte. Das hätte ich vielleicht näher erklären sollen, nur fand ich dieses technische Detail nicht besonders spannend.


    Ich habe selbst schon Kleider genäht. Wenn ich eine Schere in die Hand nehme und mit ihr Stoff durchtrenne, dann betrachte ich diese Tätigkeit aber als Zerschneiden. Ihr Zweck besteht darin, den Stoff für das Kleid zuzuschneiden. Falls er dann zu klein ausfällt, habe ich ihn verschnitten.


    Ich hatte bisher nur drei Stunden Chinesischunterricht, aber wenn ich das Wort "hinterhältig" ins Online-Wörterbuch für Mandarin tippe, erhalte ich gleich mehrere Ergebnisse. Es existiert also durchaus in Mai Lings Muttersprache.


    Natürlich zeugt es von Unverständnis, Chinesen so zu bezeichnen. Ich glaube auch nicht, dass ich sie allesamt als hinterhältig beschrieben habe.
    Mai Ling wünscht sich in diesem Moment auch nicht eine solche Zuschreibung Dritter, sondern würde gern über die Fähigkeiten hinterhältiger Menschen verfügen, um geschickt manipulieren und so auch verführen zu können.


    So, und jetzt gebe ich Ruhe. :wave


    Viele Grüße


    Tereza