Keine Zeit zum Abschiednehmen - Beatrix Gerstberger

  • Über das Buch:
    Als ihr Freund, der stern-Reporter Gabriel Grüner, erschossen wurde, war sie im sechsten Monat schwanger. Beatrix Gerstberger beschreibt, wie sie das Unfassbare überstand - wie es ihr gelang, die plötzliche Zerstörung ihrer Welt und ihrer Zukunftspläne zu bewältigen. Und sie erzählt von anderen jungen Frauen, die ein ähnliches Schicksal erleiden mussten.


    Über die Autorin
    Beatrix Gerstberger, geb. 1964 studierte Politologie, Publizistik und Nordistik in Münster, lebte als Journalistin ein Jahr in Detroit, USA, und besuchte anschließend die Henri-Nannen-Journalistenschule. Danach arbeitete sie im Ressort Modernes Leben des stern. Seit 1994 ist sie Redakteurin der Brigitte im Ressort Reportagen. Sie lebt mit ihrem Sohn in Hamburg.


    Meine Meinung:
    Das Buch erzählt die Geschichte von insgesamt 7 Frauen, die sehr plötzlich ihre Ehemänner/Freunde verloren haben. In allen Fällen trifft sie diese neue Lebenssituation völlig unvorbereitet. Es beginnt mit der Geschichte der Autorin, die zum Zeitpunkt des Todes ihres Lebensgefährten im 6. Monat schwanger war. Ihr Freund, der Journalist Gabriel Grüner wurde zusammen mit 2 Kollegen 1999 während eines Einsatzes im Kosovo erschossen. Beatrix Gerstberger beschreibt sehr eindringlich, wie sie mit diesem schmerzlichen Einschnitt in ihr Leben umgegangen ist und sich den Weg durch ihre Trauer erkämpft hat. Nachdem sie selbst in der Buchhandlung vergeblich nach Berichten von Leidensgenossen gesucht hat, beginnt sie, ihre Geschichte aufzuschreiben und Frauen in ähnlicher Situation zu interviewen.
    Herausgekommen ist eine Sammlung mit den Geschichten von 6 weiteren Frauen, die ihre Männer duch Unfälle, plötzlichen Herztod, das WTC-Attentat oder auch Selbstmord verloren haben. Alle Geschichten sind sehr anrührend und beschreiben die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien dieser Frauen. Und doch ähneln sich die Berichte in gewisser Weise. Manche finden Halt in ihren Familien, eine verliert auf einen Schlag beides: ihren Mann und direkt im Anschluss daran raubt ihr seine Familie auch fast alle Erinnerungsstücke an ihn. Eines ist allen gemeinsam: Ihr Leben ändert sich nachhaltig und trotz der Änderung ihrer Trauer und ihrer Empfindungen bleibt eine nicht mehr zu schließende Lücke, mit der sie von nun an leben müssen. Diese Lücke lässt sich auch nicht durch eine neue Beziehung schließen. Und es ändert ihre Einstellung zu vielen Dingen und Personen, manche wirken hart und abgeklärt, sind es aber in Wirklichkeit wohl nicht. Diese Frauen tragen ihre Vergangenheit in sich und das hat deutliche Einflüsse auf ihr gegenwärtiges und zukünftiges Leben.


    Das Buch umfasst "nur" 200 Seiten, aber es hallt lange nach.

  • Das hört sich sehr interessant an. Herzlichen Dank für diese Rezi. Bücher mit einem echten Nachhall findet mal leider viel zu selten. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hab mir das Büchlein gleich in der Bücherei ausgeliehen und am Freitagabend durchgelesen.
    Wie geht das Leben weiter, wenn der Partner plötzlich verstirbt und nichts mehr ist wie zuvor? Wie reagiert man? Sehr bewegende und traurige Geschichten, die aber dennoch immer Hoffnung auf Besserung geben.


    8 von 10 Punkten

    Who is Keyser Soze?


    (\__/)
    (o ,o)
    (>_<) <- This is Bunny.


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  • Als die Autorin ihren Freund verlor, verlor sie für lange Zeit auch sich selbst und suchte schließlich in der Literatur nach Hinweisen, daß es auch nach der Trauer weitergeht. Da sie kein solches spezielles Buch fand, schrieb sie es schließlich selbst. Vier Jahre nach dem Tod Gabriel Grüners erschien dieses Buch, in dem Beatrix Gerstberger von ihrer eigenen Trauer erzählt und auch mit anderen jungen Witwen sprach, unter anderem mit zwei Frauen, deren Ehemänner in den Twin Towers ums Leben kamen.
    Es ist ein berührendes Buch und jede der sieben Erzählungen ist zwar unterschiedlich gewichtet, zeigt jedoch den Hoffnungsschimmer auf, daß man auch mit und nach der Trauer weiterleben kann.
    Interessant fand ich den Ansatzpunkt der Autorin, daß sie nur Frauen interviewt hat, da Männer anders trauern würden; ihr ging es um den weiblichen Aspekt: wie verarbeitet eine Frau und Mutter den Tod des Partners, woher nimmt sie die Kraft, für ihre kleinen Kinder da zu sein?
    Alle diese Frauen haben aus dieser Erfahrung Stärke gezogen und geben offen zu, ungeduldiger gegenüber ihren Mitmenschen geworden zu sein, zu banal erscheinen ihnen viele Dinge, über die gejammert wird.
    "Keine Zeit zum Abschiednehmen" ist weder ein trockenes Sachbuch zur Trauerbewältigung noch Emanzipationsroman oder Biographie. Es soll in erster Linie eine Hilfe für Betroffene sein und einen Silberstreif am Horizont ahnen lassen.

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)