Ein Winter mit Baudelaire - Harold Colbert

  • Kurzbeschreibung:
    Als glücklichen Menschen kann man Philippe nun wahrlich nicht bezeichnen. Von der Frau verlassen, Job gekündigt, keine Wohnung in Aussicht und das Geld geht zur Neige. Es ist ein perfektes Szenario um den Zusammenbruch eines Menschen Stück für Stück mit zu verfolgen. Das Konto eingefroren, die Freunde wenden sich von ihm ab und nach all dem Übel das Philippe wiederfahren ist, kommt noch schlicht und ergreifend Pech hinzu. Der daraus resultierende Bruch in und das abrutschen in die Obdachlosigkeit ist weder verwunderlich noch überraschend. Erst die Begegnung mit dem Hund Baudelaire und der daraus resultierende Kontakt zu seinen neuen Freunden, geben Philippe den Halt um sein Leben von neuem zu Beginnen und den Kampf um seine Zukunft und vor allem seine Tochter anzugehen.


    Eigene Meinung:
    Wer in diesem Buch eine klassische Tier-hilft-Mensch- Geschichte erwartet wird enttäuscht sein. Der Hund Baudelaire ist weniger der Rettungsanker den Philippe gebraucht hat, es ist viel mehr die Freundschaft und Loyalität die der Hund dem gebrochenen Mann entgegen bringt und ihm somit die Richtung zeigt um sich aus seinem Elend zu befreien. Und eigentlich geht es nicht so sehr um den Hund, als um das aufzeigen der Gefahr in die Obdachlosigkeit abzurutschen. Eine Gefahr die sowohl Philippe überraschend getroffen hat und auch viele andere Charaktere des Buches, die unvorbereitet in diese Situation gekommen sind.


    Harold Colbert hat sich sehr genau mit der Lage der Obdachlosen in Paris befasst. Man spürt sein Wissen und seine eigenen Erlebnisse in jeder Seite und in den Gefühlen die der Leser durch Philippe erfährt. Am schockierendsten war jedoch zu Verfolgen, wie genau Harold Colbert den charakterlichen Zerfall von Philippe darstellt. Waren zu Begin seiner Obdachlosigkeit „Würde bewahren“ und „sich erleichtern“ die Credos seiner Existenz, so wurden es zum Ende „nicht abkratzen“ und „kacken“. Diese Entwicklung des Protagonisten weckt mehrere und zumeist nicht positive Gefühle im Leser. „Ein Winter mit Baudelaire“ ist kein angenehmes Buch. Es ist kein Buch, das man im Restaurant oder am Strand lesen kann. Harold Colbert zwingt den Leser zum mitfühlen des Leidens und erwartet, dass man sich diesem Gefühl hingibt.


    Ich musste sehr lange darüber nachdenken um ein persönliches Fazit zu diesem Buch zu ziehen. Zweifellos ist dieses Buch bewegend, es verdeutlicht die Leiden der obdachlosen Menschen, es zeigt die Gefahren des Lebens auf der Strasse und schildert eindrucksvoll die Abwärtsspirale in der man sich als Obdachloser wiederfindet. Die deutliche und deftige, aber stellenweise unglaublich schöne Sprache der sich Colbert bedient (hier ein Dank an die Übersetzung) passt sich perfekt der Situation an in der sich Philippe befindet. Der einzige Punkt der mich beim Lesen stets gestört hat ist, dass ich nicht das Gefühl hatte, das Philippe alles getan hat um sich aus dieser Situation zu befreien und das er nicht wirklich unverschuldet in diese Situation gekommen ist. Bei einem Roman in dem man zwangsweise mit dem Hauptprotagonisten mitleiden soll, ist das natürlich ein großes Manko.


    Nichtsdestotrotz war „Ein Winter mit Baudelaire“ ein Buch das ich bedingungslos weiterempfehlen kann. Nach dem Lesen geht man mit einem anderen Blick für die Problematik der Obdachlosigkeit durch die Straßen. Von mir gibt es deswegen 4 von 5 Punkten.


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    Da das meine erste Buchvorstellung ist, bitte ich um etwas Nachsicht ;) und den Hinweis falls mir Fehler unterlaufen sind.


    Grüße, Jascha

  • Kurzbeschreibung
    Es wird Herbst in Paris, als Philippe den Boden unter den Füßen verliert. Nach der Trennung von seiner Frau zwingt sie ihn, die gemeinsame Wohnung zu verlassen, und verwehrt ihm den Kontakt zu seiner Tochter. Als wenig später sein Arbeitsvertrag nicht verlängert wird, ist das der letzte Schritt, der ihn in den Abgrund stürzen lässt. Das Leben auf der Straße droht ihm den Rest seiner Würde zu nehmen. Doch dann begegnet er Baudelaire, der ihn mit beständigem Optimismus und treuem Hundeblick auf vier Pfoten zurück ins Leben führt. Dank ihm und mithilfe des einfallsreichen Kebab-Verkäufers Bébère und der weisen Toilettenfrau Sarah findet Philippe den Mut für einen Neuanfang. Und auf einmal scheint der Tag, an dem er seine Tochter wieder in die Arme schließen kann, gar nicht mehr so fern.


    Meine Meinung:


    Harold Colbert hat ein wirklich einfühlsames Händchen bewiesen.
    Dieses Buch nahm ich jetzt zu den verregneten Tagen in die Hand. Der Klappentext war für mich zu unangenehm um es an einem heißen Sommertag im Garten zu lesen! Und es war passend! Die Stimmung des ungemütlichen Herbst und Winters in Frankreich; die emotionale Talfahrt des Hauptakteurs, die Umschreibungen der Straßen, Plätzen und Gerüche...
    Harold Colbert hat eine sehr auffallende, poetische Ausdrucksweise, welche die Umstände auf SEINE Art umschreiben! Mir hat es sehr gut gefallen! Im Laufe der Geschichte verändere sich diese Ausdrucksweise und anhand der Ausdrücke und Wortwahl empfand man immer stärker die Lebensumstände und Widrigkeiten welche Phillipe umgaben.

  • Ich geselle mich auch mal dazu, ich habe das Buch heute auch fertiggelesen.


    Meine Meinung:
    Das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen. Der Schreibstil ist etwas ungewöhnlich, aber angenehm. Es ist nicht der typische "Erzählromanstil", bei dem viel erzählt und berichtet wird. Es sind eher Momentaufnahmen, kleine Episoden aus Philippes Leben, die dem Leser die Atmosphäre, die Verhältnisse und vor allem das Elend, in dem Philippe sich befindet, nahebringen. Man fühlt, bangt und leidet mit dem Protagonisten.
    Ob die Verhältnisse realistisch geschildert sind, weiß ich nicht, denn ich kenne mich mit der Situation der Obdachlosen in Paris nicht aus, aber es erscheint zumindest authentisch.


    Ein wirklich bewegendes Buch, aus dem man viel lernt und viel mitnimmt. Absolut empfehlenswert!

  • Ich hatte das Glück, den neuen Roman von Harold Cobert vorab zu lesen. Er hat mich nachhaltig beeindruckt.


    Meine Meinung:
    Das Buch ist ein kurzweiliges Lesevergnügen vom Feinsten.
    In kurzen Kapiteln mit aussagekräftigen Titeln schildert Harold Cobert ausdrucksstark und bildhaft den Abstieg eines Mannes ins Abseits der Gesellschaft. Der Leser begleitet Philippe auf seinem Weg nach unten, durchlebt mit ihm einsame, kalte und unwürdige Situationen im Dasein eines Heimatlosen und steht ihm wie Baudelaire bei, als er sich aus seiner Notlage zu befreien versucht. Der Text lässt sich flüssig lesen. Durch den zum Teil sehr prägnanten Sprachstil, befindet man sich inmitten des Geschehens und spürt hautnah sowohl die positive, als auch negative Atmosphäre. Die Handlung gleicht einem modernen, poetisch angehauchten Märchen mit vorhersehbarem Ende, dennoch ist sie authentisch. Sehr eindrucksvoll und treffend beschreibt der Autor die Lage der Obdachlosen: Hinter jedem steckt eine eigene Biographie, untereinander herrscht Konkurrenz und das nackte Überleben bestimmt den Tagesablauf. Zitat: Gestern ist so wie heute und morgen ist so wie gestern. Von der Umwelt werden sie zwar angeblickt, jedoch nicht gesehen.
    Die Erzählung ist keine klassische Mensch-Tier-Geschichte. Cobert geht es in seinem Roman vielmehr darum, den Leser auf das Obdachlosen-Milieu aufmerksam zu machen und Verständnis für diese Randgruppe zu wecken. Dafür hat er laut eigenen Aussagen wochenlang recherchiert und sich unter die Clochards begeben. Er unterstützt ein neues bisher einzigartiges Pariser Projekt, das sich nicht nur um die Verwahrung gestrandeter Menschen kümmert, sondern auch effektive Hilfe anbietet.


    Fazit:
    Bei „Ein Winter mit Baudelaire“ handelt es sich um einen einfühlsamen, melancholischen Roman, der zum einen nachdenklich stimmt, denn keiner ist vor einem Schicksal wie dem des Protagonisten gefeit, der zum anderen aber auch ermutigt, sich aus einem schier ausweglosen Zustand herauszukämpfen.
    Das Buch richtet zudem einen eindeutigen Appell an seine Leserschaft: „Schaut hin und nicht weg!“

  • Harold Cobert schildert in seinem Buch „Ein Winter mit Baudelaire“ die Geschichte von Philippe auf sehr emotionale Weise.
    Philippe lebt auf der Straße, muss jeden Tag seinen persönlichen Kampf durchleben und kämpft auch darum seine Tochter wiederzusehen, die nach der Scheidung bei ihrer Mutter lebt.
    Dieses Buch war für mich ein wahrer Genuss und ich habe es sehr gerne gelesen nicht nur wegen dem französischen Flair und der unglaublich dichten Atmosphäre.
    Trotz einiger Längen war das Buch abwechslungsreich und durch die teils sehr poetische und schnörkelige Sprache ein tolles Erlebnis.
    Sehr zu empfehlen!


    4 von 5 Sternen!

  • Meine Meinung:
    In sehr poetischer Sprache erzählt Harold Cobert eine zu Herzen rührende Geschichte.
    Wenn das erste Kapitel mit „Es war einmal“ überschrieben ist, denkt man natürlich gleich an ein Märchen. Und genau das ist dieser Roman auch: ein modernes Märchen.
    Philippe der Träumer wird unsanft mit der Wirklichkeit konfrontiert. Sehr ausführlich und romantisch verklärt schildert der Autor Philippes nicht einfache, aber doch von Lichtblicken durchzogene Zeit als Obdachloser in Paris und wie er mit Hilfe neuer Freunde wieder Fuß im Leben fasst.
    Ein Großstadtmärchen, rührend und warmherzig erzählt, das Spiel mit den großen Gefühlen geht auf.


    Baudelaire heißt der Hund, der eine wichtige Rolle in Philippes Leben übernimmt.
    Die Namensverbindung ist nicht zufällig. Auch der französische Lyriker Charles Baudelaire hat in seinen „Fleurs du Mal“ das Leben der Großstadt thematisiert.


    Ich habe es als ein leicht zu lesendes Buch begriffen, bin dann auf den Flyer gestoßen, der dem Buch beiliegt und an die Buchhändler gerichtet ist. Erst da ist mir aufgegangen, dass der Autor selbst das Buch weniger als ein Märchen denn als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Problematik von Randexistenzen der Gesellschaft versteht.

  • Meine Rezension
    Phillipe, ca. Ende Zwanzig, verliert nach der Trennung von seiner Frau den Boden unter den Füßen: nicht nur, dass sie ihn zwingt, möglichst schnell die gemeinsame Wohnung zu verlassen, auch sein Arbeitsvertrag wird nicht verlängert und seine Frau bemüht sich nach Kräften, den Kontakt zu seiner Tochter zu unterbinden. Er stürzt in einen tiefen Abgrund...



    … der ihn peu à peu einem Leben auf der Straße immer näher bringt. So wird er seine Tochter nie mehr wieder sehen - bemüht seine hasserfüllte Ex sich doch jetzt schon, jeden Kontakt zu verhindern. Stück für Stück sackt Philippe immer weiter ab: erst wird sein Konto gesperrt, dann sein Handy, seinen Führerschein verliert er ebenfalls. Und je schlimmer es Philippe ergeht, desto direkter und brutaler ist auch die verwendete Sprache im Buch. Doch dann findet er so etwas wie Freunde, die ihm beistehen und ganz langsam geht es auch für Philippe wieder aufwärts…


    Dieses Buch hätte aufgrund des über große Strecken des Buches passiven Protagonisten anstrengend für mich werden können, aber die anrührende Geschichte lässt das nicht zu.


    Doch ist das Kernthema das Buches eigentlich kein leichtes, sondern ein ernstes: es zeigt auf, wie schnell man auf der Lebensspirale abwärts rauschen kann und wie es passieren kann, dass ein Mensch auf der Straße landet und abseits der Gesellschaft zusehen muß, wie er irgendwie über die Runden kommt.


    Dieses Anliegen scheint dem Autor wirklich wichtig zu sein, da ein Teil der Einnahmen des Buches dem Projekt Le Fleuron, von dem im Buch die Rede ist, zukommt. Außerdem sind am Ende des Buches zahlreiche Anlaufstellen für Obdachlose genannt. Ein ehrenvolles Engagement.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Jeder, der schon mal in Berlin oder einer anderen Großstadt mit der Bahn gefahren ist, hat sie bestimmt gesehen: die Obdachlosen, die mit monotoner Stimme um ein bisschen Kleingeld oder etwas zu essen bitten. Wie reagiert ihr da? An gutgelaunten Tagen gebe ich ihnen schon mal einen Euro, doch oftmals vergrabe ich mich einfach hinter meinem Buch und beachte sie nicht weiter. Die meisten Menschen blenden sie einfach aus, sehen sie nicht. Vielleicht weil sie unangenehm riechen, selbst schuld sind an ihrer Situation oder einfach, weil wir ihr Leid nicht sehen wollen.


    Eben dies thematisiert der französische Autor Harold Cobert in seinem Roman „Ein Winter mit Baudelaire“. Inspiriert durch eine Fernseh-Reportage, hat er sich genauer mit dem Leben der Obdachlosen auf der Straße auseinandergesetzt und ein wunderschön poetisches, eindringliches Buch geschrieben. Dieses möchte ich euch heute vorstellen.


    Philippe verliert kurz hintereinander seine Frau, seine Wohnung und seinen Job. Anfangs lebt er noch vom Geld auf seinem Konto, doch das geht schnell zur Neige. Arbeitslosengeld steht ihm nicht zu, eine neue Wohnung bekommt er nur mit einem festen Gehalt. Immer drängender wird für ihn die Frage, wo er die nächste Nacht verbringen soll. Aus Scham gesteht er weder seinen Eltern noch seinen Freunden seine Situation, und ohne unterstützende Hilfe rutscht er immer tiefer in die Ausweglosigkeit. Mit jeder Job-Absage, jedem Misserfolg schwindet sein Elan und Tatendrang ein Stückchen mehr, bis er schließlich nicht mehr weiter weiß und erschöpft auf einer Parkbank zusammenbricht und seine erste Nacht im Freien verbringt. Er ist zum Obdachlosen geworden…


    Dieses Buch fährt einem wirklich unter die Haut! Cobert zeigt den aussichtslosen Versuch eines Mannes, seine Würde zu bewahren und als Mensch und nicht als Schandfleck der Gesellschaft gesehen zu werden. Anfangs noch ein gebildeter Mann, versinkt Philippe nach und nach in seinem eigenen Dreck und in der Gossensprache. Dann droht ihn auch noch der Alkohol zu zerstören. In dieser Situation trifft er auf den Streuner Baudelaire, der ihm mit seiner bedingungslosen Liebe wieder etwas Hoffnung gibt.


    Mit Philippes Abstieg sinkt auch das sprachliche Niveau. Anfangs dominieren wundervoll poetische Satzkonstruktionen, die jedoch immer roher werden, je mehr Philippe verkommt. Erst mit Baudelaire ändert sich seine Situation nach und nach. So hat der Autor ein berührendes mitreißendes Buch geschaffen, realistisch und unkitschig, das ich vorbehaltlos weiterempfehle. Zwar wird dieses Buch an der Situation der Obdachlosen nichts ändern können, doch mag sich durch die Lektüre wenigstens unser Blick auf sie verändern. Und genau das will Cobert wohl auch bezwecken, widmet er das Buch doch den Obdachlosen, "damit man sie nicht mehr ansieht, ohne sie zu sehen".


    Nehmen und Lesen!

  • Harold Cobert schildert dem Leser in diesem Buch, wie schnell man aus einem scheinbar sicheren, geordneten Leben in den Abgrund rutschen kann. Philippe, sein Protagonist, und dessen Frau Sandrine lassen sich scheiden, sie wirft ihn aus der gemeinsamen Wohnung, er findet keine neue Bleibe, verliert kurz darauf noch seinen Job, darf keinen Umgang zu seiner geliebten Tochter mehr haben... und findet sich, nachdem das Geld zuende ist und er sich auch das billigste Hotelzimmer nicht mehr leisten kann, auf der Straße wieder.


    Erschütternd, wie realitätsnah der Autor den Umgang der Menschen mit Obdachlosen schildert - man erkennt sich erschreckend genau wieder in den Beschreibungen der vorbeieilenden Menschen, die beschämt den Blick abwenden und das Elend am liebsten gar nicht sehen wollen.


    Eine Zeitlang schlägt er sich so durch, aber irgendwann greift er zum Alkohol, obwohl klar ist, dass dies die Abwärtsspirale nur weiter beschleunigt.


    Und dann erscheint sein persönlicher Schutzengel in Form eines streunenden Hundes, namens Baudelaire! Wo die Passanten peinlich berührt weggeschaut haben, um den menschlichen Penner nicht anschauen zu müssen, öffnet der Blick auf den Hund mit seinen Charme einen Weg zu ihren Herzen (und ein bisschen auch zu ihren Geldbeuteln). Mithilfe von Baudelaire findet Philippe Zugang zu Menschen, die ihm helfen, wieder Fuß zu fassen im Leben und als ihm jemand den Tipp zu einer Obdachlosen-Unterkunft gibt, in die er seinen Hund mitbringen darf, erfährt sein Leben eine Wendung.


    Diese Organisation, die Obdachlosen und ihren Tieren eine Unterkunft auf einem Boot gewährt und Beratung durch Sozialarbeiter und Juristen bietet, gibt es tatsächlich in Paris. Harold Cobert schildert in einem dem Buch beiliegenden Faltblatt, dass er selbst einmal kurz davor stand, obdachlos zu werden und als er später einen Bericht über Le Fleuron sah, entstand in ihm die Idee zu diesem Buch.


    Ein sehr schön und eindringlich geschriebenes Buch über ein ernstes, aktuelles Thema in der heutigen Gesellschaft, vor dem viele nur zu gerne die Augen verschließen.

  • Dieses erst noch unscheinbare Buch hat sich soeben in ein neues Lieblingsbuch für mich verwandelt. Man begibt sich in die Welt eines Mannes, der durch verschiedenste Umstände wie Arbeitslosigkeit und Trennung in die Realität der Obdachlosigkeit gerät. Es zeigt eindrücklich, wie schnell man durch Arbeitslosigkeit ein Mensch wird, der sich in der Kälte der Straße oder würdelosen Obdachlosenunterkünften herumschlagen muss und ums Überleben kämpft. Der Protagonist wirkt als habe er keine Kraft, sich vor diesem Weg abseits zu schützen. Er lässt vieles über sich ergehen. Bei mir als Leser wirkt er mit all seiner Art absolut sympathisch und wie er den Kontakt zu seiner Tochter versucht zu halten überaus liebevoll. Mittellos aber trotz allem ein treuer Vater, der auch im Abgrund noch um seine Tochter kämpft.


    Die Geschichte wirkt authentisch, die vielen kleinen Begegnungen positiver und negativer Art erzeugen ein Kopfkino, lassen mich so manches Mal in meinen letzten Parisurlaub zurückversetzen und die Lage der Obdachlosen im anderen Licht sehen. Der Leser wird zum Nachdenken angeregt aber auch mit allen Gerüchen und Umständen konfrontiert, die das Leben auf der Straße mit sich bringt.


    Und ganz sicher war dem Autor auch wichtig, von einer anderen Art der Obdachlosenunterkunft zu berichten. Dort wird sich bemüht. Es ist kein reines Aufbewahren in katastrophalen Umständen, sondern man versucht mittels kompetenter Sozialarbeiter und Anwälten den Betroffenen zu helfen, als der Misere wieder herauszukommen.


    Eindrücklich fand ich auch immer wieder die Tatsache des Teufelskreises ,,ohne Arbeit keine Wohnung, ohne Wohnung keinen Job". Jene Menschen, die beim Anblick eines Obdachlosen Gedanken wie ,,selbst Schuld" im Kopf haben, sollten sich über diese Tatsache bewusst sein. Es geht wirklich manchmal schneller als man denkt und dieses Buch verdeutlich dies auf eine tolle Art und Weise ohne mit erhobenen Zeigefinger daherzukommen.


    Was das Buch noch zu einer wahren und rührenden Geschichte macht ist Baudelaire. Nehmt das Buch zur Hand und lernt diesen tollen Hund kennen. Er wird vom Autor einfach absolut liebevoll umschrieben, was eine Rezension kaum schaffen kann zu umschreiben. Diese Begegnungen muss man selbst lesen.


    Seid aber gewarnt, nehmt euch Taschentücher zur Hand während des Lesens. Es ist kurzweilig, es ist hart, es macht wütend, es macht traurig und es macht in manchen Situationen auch glücklich. Aber eigentlich ist es ein auf und ab von Gefühlen, was ein reines Lesevergnügen bereitet. Ihr merkt, dieses Buch hat mich hellauf begeistert und ich möchte es jedem ans Herz legen. Ich habe es heute an einem recht kalten Herbsttag gelesen und habe meine warme Decke und die Anwesenheit meines Hundes mehr geschätzt als zuvor. Das Buch lehrt Bescheidenheit. Es rüttelt manchmal auch auf, wenn man sich dabei ertappt, über banalste Dinge zu jammern, wenn es einem mal schlecht geht und man aber eigentlich das wichtigste im Leben hat.


    Ich vergebe 10 von 10 Punkten und suche mir direkt das nächste Buch von diesem Autor.

  • Tolle Rezi Lucy!


    Der Titel und auch der erste Blick auf das Cover lassen eine kitschige Winter-/Weihnachtsgeschichte vermuten. Doch in dieser Kategorie passt dieses Buch ganz und gar nicht.


    Denn es ist alles andere als ein gemütliches Wohlfühlbuch. Für mich ist es aber ein Buch, das zwar anstrengend zu lesen war, bei dem ich aber sehr froh bin, es gelesen zu haben. Ein wichtiges Buch, denn es hat mir einen Einblick in eine ganz andere Lebensform ermöglicht und dadurch meinen Blick auf die Welt erweitert. Wohnungslose werde ich in Zukunft mit anderen Augen sehen.


    Cobert erzählt vom erschreckend schnellen Fall Philippes in die Obdachlosigkeit von Paris, dem entwürdigenden Leben als Clochard und seinen Anstrengungen, dem Teufelskreis von Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit zu entfliehen. Der Autor schafft es mit meisterhaft wenigen Worten, sehr distanziert und ohne viele Erklärungen, ein Gefühl für Philippes Situation, stellvertretend für alle anderen Obdachlosen, zu entwickeln. Es sind sehr kurze Kapitel, die aber umso mehr den Leser auffordern, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Sprachlich wirklich ein Genuss.


    Dennoch oder vielleicht gerade deshalb musste ich mich durch das erste Drittel des Buches quälen, denn der stetige Abstieg Philippes ohne wirkliche Möglichkeit, dem gegensteuern zu können, hat mich zermürbt. Erst als er ganz „unten“ war, konnte ich mich richtig auf das Buch einlassen. Seine Freundschaft zu Baudelaire, dem liebenswürdigen Hund und die daraus entstehenden menschlichen Kontakte sind sehr anrührend, teilweise einen Tick zu märchenhaft. Für mich war die entscheidende Botschaft, dass jeder Mensch irgendwann Hilfe benötigt und diese auch annehmen kann/soll/muss. Eine sehr schöne, warmherzige Aussage – also doch das perfekte Weihnachtsbuch, allerdings in jeder Jahreszeit genießbar. :grin


    Fazit: Sollte jeder einmal lesen!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021