Natürliche Mängel - Thomas Pynchon

  • # Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
    # Verlag: Rowohlt (17. September 2010)
    # Sprache: Deutsch


    Kurzbeschreibung
    Ein Hippie-Detektiv in der Surfer-, Drogen- und Gangsterwelt Kaliforniens: Pynchons entspanntester Roman – ein psychedelischer Krimi. «California Dreaming!» The Guardian «Der Shakespeare der Popkultur.» Die Welt


    Über den Autor
    Thomas Pynchon wurde 1937 in Long Island geboren. Sein einziger öffentlicher Auftritt fand 1953 an der Oyster Bay High School in Long Island statt. Er studierte Physik und Englisch an der Cornell University, später schrieb er für Boeing technische Handbücher und verschwand. Seither sind seine Bücher (u.a. „Die Enden der Parabel“; „V“; „Gegen den Tag“) die einzigen öffentlichen Spuren seiner Existenz. Pynchon gilt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Schriftsteller der Gegenwart. Er lebt in New York.


    Meine Meinung
    "Natürliche Mängel" ist mein zweiter Pynchon und - genauso wie bei "Gegen den Tag" - habe ich mich erneut gut unterhalten gefühlt. In "Natürliche Mängel" erzählt Pynchon von dem wichtigsten Fall des Privatdetektivs Larry - genannt "Doc" - Sportello.


    "Doc hatte auf dem Pasadena Freeway frisierte Rolls-Royce' voll aufgebrachter Heroindealer abgehängt, einzig darauf bedacht, mit über hundertsechzig im Nebel unbeschadet durch all die simpel konstruierten Kurven zu kommen, er war östlich des L.A. River mit nichts als einem geliehenen Afrokamm als Waffe in der Tasche in irgendwelche finsteren Gassen hineinspaziert, er war bei Gericht ein und aus gegangen, während er ein kleines Vermögen in Form von vienamesischem Gras besessen hatte, und er war mittlerweile eigentlich überzeugt, dass die ganze Ära des Leichtsinns hinter ihm lag, doch nun wurde er wieder schwer nervös."


    Doc macht sich auf die Suche nach dem verschwundenen Liebhaber seiner Ex-Freundin Shasta und gerät dabei in einen Strudel aus Korruption, Polizeispitzeln, Prostitution und Gewalt. Nebenbei wird viel Musik gehört und eine Menge Drogen genommen. All das erzählt Pynchon flüssig, flott und vor allem auch leicht lesbar.


    Im Vergleich zu "Gegen den Tag" ist "Natürliche Mängel" ein leichter, unterhaltsamer und auch zum Teil witziger Pynchon - der auch für unerfahrene Pynchon-Leser leicht zugänglich ist.


    Das einzige was mir an dem Buch nicht gefallen hat, war - vor allem auch im Vergleich zu der amerikanischen Ausgabe - die Covergestaltung, die lieblos und vor allem auch einfallslos.


    9 Punkte.

  • Vollkommen bescheuert


    Larry "Doc" Sportello betreibt in Gordita Beach, einem Vorort von L.A., ein Detektivbüro, praktisch direkt am Strand. Doc ist kleinwüchsig, langhaarig, ständig von einer Mariuhanawolke umgeben und etwas ambulantem Sex nie abgeneigt. Seine seit einem Jahr nicht mehr gesehene Ex Shasta taucht plötzlich auf und bittet ihn um Hilfe. Letztlich geht es um das Verschwinden ihres Geliebten Michael Wolfmann, einem Immobilienbaron, aber schon der erste Ortstermin verwickelt den Kifferinvestigator in einen Mordfall. Schließlich wacht er, schwer halluzinierend, neben der Leiche eines Wolfmann-Bodyguards auf, und blickt in das reale Gesicht von "Bigfoot" Bjornsen, einem LAPD-Detective. Wir schreiben die frühen Siebziger. Die meisten Leute kiffen, kauen auf getränkten Löschblättern herum, hören Surfermusik und tragen schreiendbunte Klamotten, nicht selten paisleygemustert.


    Der neueste Roman des mysteriösen Romanciers ("Die Enden der Parabel", "Vineland", "Mason & Dixon") liest sich tatsächlich vergleichsweise leicht, wenn man als Messlatte Pynchons sonstige Veröffentlichungen anlegt. Man versteht den Text, ohne ständig Literaturlisten wälzen oder Fremdwörterbücher zur Hand nehmen zu müssen, aber das bedeutet noch längst nicht, dass man auch dem Inhalt zu folgen in der Lage ist. Da gibt es eine Organisation subversiver Zahnärzte, eine faschistoide Truppe namens "Kalifornien Erwache!", ein seltsames Schmuggelschiff, das "Goldener Fang" getauft wurde, da wuseln drogensüchtige Drogenspitzel herum, von denen einer beispielsweise Bassist der Surfband "The Boards" war (oder immer noch ist), es tauchen sogar Zombies (metaphorische oder echte - wer weiß es?) auf, dann führt die Handlung plötzlich nach Vegas oder auf die Baustelle einer utopischen, kostenlos zu bewohnenden Siedlung, die Wolfmann gerade plante. Auf jeder Seite werden zwei, drei neue Figuren eher nachlässig eingeführt, zwischen obskuren Liedtexten und ziellosen Dialogen, von Charles Manson ist die Rede und von Richard Nixon, dessen Konterfei merkwürdigerweise auf gefälschten 20-Dollar-Noten zu finden ist, die irgendwie mit dem Schiff "Goldener Fang" zu tun haben. Die Schauplätze werden weggeraucht wie die Joints, die Doc Sportello ständig inhaliert, und so ab Seite 200 bestand mein einziges Interesse nur noch darin, diese total bescheuerte, absolut ungenießbare Schwarte möglichst schnell hinter mich zu bringen.


    Die Kritiker feiern dieses Buch. Was bleibt ihnen auch übrig? Sie unterstellen alles mögliche, ziehen Vergleiche, interpretieren, enträtseln Hinweise und entschlüsseln akribisch, aber ich habe keine einzige Rezension finden können, in der erklärt wurde, wovon zur Hölle dieser stinkend langweilige Blödsinn handelt (oder was das Ende zu bedeuten hat). Fraglos wird sprachlich und stilistisch einiges geboten, und möglicherweise gäbe es für alles, was in diesem durchgeknallten Traktat passiert, auch eine schlüssige und nachvollziehbare Erklärung, die sich im Kopf des mysteriösen Schriftstellers befindet, aber solange sie dort bleibt, kann sie mir bitteschön gestohlen bleiben. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach trägt der Kaiser keine Kleider, aber im Gegensatz zum Kaiser im Märchen weiß er es. Und er findet das lustig. Für das Mysterium Pynchon gibt es insofern (nach der Lektüre seines Gesamtwerks) eine simple Erklärung: Der Mann veralbert uns.

  • Ja, manche Zusammenhänge versteht man irgendwann dann doch nicht mehr so richtig, weil alles sehr abgefahren und schnell ist. Ganz so einfach zu lesen ist es dann eben doch nicht.


    Ich habe bei Seite 300 erstmal gestoppt und neu begonnen. Beim zweiten Durchgang wird dann doch einiges klarer, wobei ich noch nicht durch bin mit dem Buch.


    Also die Zombies waren meiner Ansicht nach einfach nur Halluzinationen aufgrund der Unmengen im Haus der Boards konsumierten Drogen aller Art und der dort generell herrschenden sehr paranoiden Stimmung.


    Der Zusammenhang zwischen den Nixon-Blüten und dem Schiff "Goldener Fang" ist zunächst mal der, dass diese Blüten von diesem Schiff ins Meer geworfen wurden, offenbar um sie später wieder zu bergen.


    Bisher unklar ist mir bisher nur eines, vielleicht kann mir da jemand helfen: Warum hat Farley eine offenbar selbst gedrehte 16-mm Filmaufnahme des Mords an Glen Charlock, die er Doc vorführt? Wieso war er überhaupt dort?

  • Zwei verschiedene Meinungen - ich bin gespannt, welcher ich mich anschließen werde. :gruebel
    Vorgestern habe ich mir das Buch ertauschen können - ich konnte nicht widerstehen...


    Liebe Grüße

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    Dann freue mich schon auf deine Einschätzung, Conor! :wave


    Conor, ich bin mal gespannt in welche Richtung zu tendierst :wave

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich habe es gestern abgebrochen, bei mir sprang einfach der Funke nicht über - und ich war wirklich guten Willens.
    Ständig sind meine Gedanken woanders hingewandert und ich musste die Passage nochmals lesen :rolleyes - und das passiert mir bei einem Buch, das mir gefällt, eben nicht.



    Liebe Grüße

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Conor
    Ich habe es gestern abgebrochen, bei mir sprang einfach der Funke nicht über - und ich war wirklich guten Willens.
    Ständig sind meine Gedanken woanders hingewandert und ich musste die Passage nochmals lesen :rolleyes - und das passiert mir bei einem Buch, das mir gefällt, eben nicht.


    Das tut mir leid, Conor :wave


    Mir hat es ja wie gesagt gefallen, aber ich wusste auch schon ungefähr worauf ich mich einlasse, da mir "Gegen den Tag" ja auch schon sehr gut gefallen hatte. Tut mir leid, dass bei dir der Funke nicht übergesprungen ist - ein bisschen verantwortlich fühle ich mich dafür schon, nachdem ich das Buch hier gelobt habe ... ich hoffe, du wirst es schnell wieder los. ;-)

  • @buzz:
    Das Buch hat schon einen anderen Besitzer gefunden.
    Und nicht immer kann der Lesegeschmack gleich sein :knuddel1



    Liebe Grüße

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf