Heinrich Steinfest - Cheng. Sein erster Fall

  • Kurzbeschreibung:


    Markus Cheng ist Privatdetektiv in Wien. Seine Geschäfte gehen schlecht, und zudem wird auch noch sein letzter Klient mit einem Loch im Kopf aufgefunden. In diesem Loch steckt ein Zettel mit einer rätselhaften Botschaft: »Forget St. Kilda«. Und ob Cheng nun will oder nicht - damit steckt er mitten im Schlamassel. Denn eine unbekannte Dame erweist sich als eine knallharte Mord-Maschine mit System...


    Meine Meinung:


    Dieses Buch ist der erste, wieder aufgelegte Teil der Serie um Privatdetektiv Cheng, die vor kurzem mit Band 4, „Batmans Schönheit“, ihren Abschluß fand.
    Ich kann mich nicht daran erinnern, je bei einem Buch, das gemeinhin als Kriminalroman bezeichnet wird (auch wenn es das nur im weitesten Sinne ist), soviel gelacht zu haben wie bei diesem hier. Reine Krimifans sollten die Finger davon lassen, spielt die eigentliche Handlung – wie so oft bei Steinfests Büchern – doch eine untergeordnete Rolle; im Vordergrund stehen der sarkastische Humor, die mitunter zynischen Betrachtungen der menschlichen Eigenheiten im Allgemeinen und die der österreichischen bzw. Wiener Bevölkerung im Speziellen sowie die Abschweifungen ins Philosophische, ins Absurde und ins Phantastische.


    Da die Handlung eben in den Hintergrund tritt, will ich gar nicht näher darauf eingehen, erwähnenswert bloß, dass Cheng einen Arm verliert und einiges einstecken muß, was wohl auch in den folgenden Teilen von Bedeutung sein wird.
    Steinfests Schreibstil ist schon einzigartig, die Mischung ist großartig, aber sicher auch weit ab vom gewöhnlichen Einerlei und somit gewiß nicht jedermanns Sache.


    Bis auf das letzte Kapitel fand ich das gesamte Buch großartig, dann allerdings wurde es mir beinahe zu abgehoben und surreal und ich frage mich ja ernsthaft, wie der Übergang in Teil 2 nach den letzten Zeilen dieses Eröffnungsbandes vonstatten gehen soll. Naja, ich werde es erleben bzw. lesen, bei der nächsten Bestellung ist auf jeden Fall der zweite Teil mit von der Partie.


    Trotz des etwas verstörenden, vielleicht auch symbolhaften Abschlusses eine sehr unterhaltsame, lohnenswerte Lektüre. Wer ein Faible hat für rabenschwarzen Humor, bitterböse Gesellschaftssatire und ungewöhnliche Erzählart, kann getrost zugreifen.

  • Gerne. Eines sollte man noch dazusagen: es ist schon ein drastisches Buch, es gibt keine Grauzonen, sondern nur entweder gut oder böse, anständig oder korrupt. Soll nach Aussage des Autors die Zustände in Wien in den 90er Jahren ein wenig überspitzt darstellen (steht so zumindest am Ende meiner Ausgabe in den Anmerkungen zur Neuauflage).

  • Cheng ist eine Figur, die in keine Schublade passt: ein Chinese, der kein chinesisch kann, ein Österreicher, dem das keiner abnimmt: ein klassischer Außenseiter, der durch diese Position eine ganz besonderen Blick auf die österreichische Gesellschaft hat.
    Das ist auch nötig, liegt hier doch einiges im Argen. Es herrscht ein Klüngel von wenigen Großkopferten aus Politik, Wissenschaft und Kultur, der gemeine Österreicher ist eigentlich nur dazu da, zu konsumieren und so deren Reichtum zu mehren. Umso beängstigender, dass offenbar eine geheimnisvollle Schönheit ausgerechnet in den exquisiten Club dieser Entscheidungsträger eine Schneise des Todes schlägt.
    Natürlich ist Cheng keiner, der auf der Gehaltsliste einer solch illustren Gesellschaft stehen würde, vielmehr kommt ihm einer seiner seltenen Klienten, ein eher unauffälliger Hochschulmitarbeiter, schon nach kurzer Zeit abhanden, eben von der Hand dieser Nemesis. Als weitere Tote folgen, ermittelt er einfach weiter.


    Mankell erwähnte es, die Handlung ist eher nebensächlich. Sie dient als Aufhänger für eine ziemlich ätzende Gesellschaftskritik, als Gerüst für ein echtes Feuerwerk an präziser Beobachtung, brillanten Formulierungen, beißendem Humor. Und einem ziemlich beeindruckenden Blick für die Dinge, die gerade so fürchterlich falsch laufen. Großartig.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)