Beate Teresa Hanika: Nirgendwo in Berlin [ab 12 Jahren]

  • Beate Teresa Hanika:
    Nirgendwo in Berlin
    Fischer 2011. 240 Seiten
    ISBN 978-3596854059. 13,95€
    empfohlen ab 12 Jahren


    Zum Inhalt:
    Berlin Prenzlauer Berg, Altbau, 4. Stock. Irgendwo hinter den Bahngleisen war früher eimal die Mauer. Greta hat noch Ferien und langweilt sich endlos, wenn sie sich nicht gerade um Boxer Buster kümmert. Moa, Gretas Mutter, ist völlig davon in Anspruch genommen, wieder im Beruf Fuß zu fassen. Als Gretas Eltern sich trennten, blieb der Fünfzehnjährigen nichts anderes übrig als mit ihrer Mutter nach Berlin zu ziehen. Wenn der Vater einen Streit um das Sorgerecht angezettelt hätte, wüsste Greta wenigstens, dass sie ihm nicht egal ist!


    In der Wohnung unter Greta und Moa wohnen Cindy und ihr allein erziehender Vater. Das magere Geschöpf ist jung genug, um für Greta eher eine Belästigung zu sein. Im Dachgeschoss haust Mikesch mit seinem gesetzlichen Betreuer Konrad. Von dem Geld, das das Jugendamt für die Betreuung von Konrad zahlt, leben beide Männer. Konrad soll vorher in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche gelebt haben. Dem punkig aussehenden Typen möchte man lieber nicht allein im Treppenhaus begegnen. Cindy verbringt die meiste Zeit in Chat-Foren, sie nennt sich dort "Püppchen". Gretas neue Bekanntschaft verkündet "Ich chatte, weil ich allen egal bin und ich mir im Chat jeden Tag neu aussuchen kann, wer ich sein will." Greta entdeckt, dass Püppchen als angeblich Fünfzehnjährige im Chat-Room über intime Dinge spricht, an die Greta noch nicht einmal denkt. Immer wieder versuchen männliche Chat-Teilnehmer, sich im realen Leben mit sehr jungen Mädchen aus dem Chat zu verabreden. Von einem der Typen weiß man, dass er über vierzig ist. Cindy gibt sich abgeklärt: dass man sich mit Chat-Partnern nicht trifft, ist doch wohl klar. "Pampolina" wird Gretas Vertraute im Chat. Als das Mädchen sich nach einer begeisterten Meldung über ihre neue Chat-Bekanntschaft nicht mehr meldet, wartet Greta besorgt auf ein Lebenszeichen von Pampolina.


    In Moas Redaktion geht die Meldung vom Verschwinden eines Mädchens ein; zum ersten Mal seit dem Umzug interessiert Moa sich mit schlechtem Gewissen dafür, was ihre Tochter tagsüber treibt. Greta teilt ihre Sorgen um Pampolina nur mit Cindy. Könnte die vermisste Paulina Gretas Chat-Partnerin sein? Ohne Wissen der Eltern ermitteln Cindy und Greta auf eigene Faust, welche Chat-Kontakte Pampolina hatte. Unheimlich findet besonders Cindy "Parzival", der verdächtig gut über die Lebensumstände der anderen im Chat informiert wirkt. Die Ereignisse überschlagen sich; der Moment, sich Erwachsenen anzuvertrauen, scheint für die Mädchen verpasst zu sein. Wie die ungleichen Freundinnen außerhalb der virtuellen Welt den Kampf gegen einen äußerst gefährlichen Gegner aufnehmen, liest sich spannend wie ein Krimi, der einem beim Lesen die Haare auf den Unterarmen senkrecht stehen lässt.


    Fazit:
    Für Greta ist das Thema Chatten neu, es hatte sie bisher nicht sonderlich interessiert. Erst Cindy bringt die Ältere auf die Idee, dass im Chat nicht alles Gold sein könnte, was glänzt. Die aus der Not entstandene Freundschaft zwischen Greta und Cindy hat mich mit ihren Höhen und Tiefen gefesselt und mit den Mädchen mitfiebern lassen. Glaubwürdig und äußerst sensibel beschreibt die Autorin die Entfremdung zwischen Greta und ihrer Mutter und auch der Anspruch Moas auf persönliches Glück wird verständlich. Verpackt in eine aufregende Handlung werden im Buch Strategien älterer Männer deutlich, die in Chat-Rooms mit aufgesetzem Verständnis Kontakte zu sehr jungen Mädchen knüpfen. Wie in Rotkäppchen muss weinen schafft Beate Teresa Hanika in ihrem dritten Jugendroman mit Greta und Cindy wieder sehr differenziert und behutsam gezeichnete Figuren, deren Erlebnisse die Leser des Buchs nicht so bald wieder loslassen werden. Ich hoffe, Sie werden Greta und Cindy ebenso gern mögen wie ich!


    9 von 10 Punkten


    [edit: Tippfehler]

  • KLAPPENTEXT:
    Berlin ist riesig, und Greta kennt hier niemanden. Es wird bestimmt gut, hat ihre Mutter ihr versprochen. Du wirst neue Freunde finden, und bis die Schule wieder anfängt, wirst du hier nicht mehr weg wollen. Aber die einzige Freundin, die Greta findet, trifft sie in einem Chat. Na super, dafür muss man ja wohl nicht nach Berlin ziehen, die kann ja sonst wo wohnen...Doch dann ist das Mädchen plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Und Greta hat das sichere Gefühl: Ihr ist etwas zugestoßen. Und zwar hier in der Nähe – irgendwo, nirgendwo in Berlin.


    ZUR AUTORIN:
    Beate Teresa Hanika ist eigentlich Fotografin, hat aber auch eine Zeitlang als Model gearbeitet und schreibt schon seit ihrem zehnten Lebensjahr Geschichten und Gedichte. Ihr Debütroman "Rotkäppchen muss weinen" ist unter anderem mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2007 und dem Bayerischen Kunstförderpreis 2009 ausgezeichnet. Außerdem war das Buch 2010 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
    Im Fischerverlag sind zwei weitere Bücher von ihr erschienen:
    „Rotkäppchen muss weinen“
    „Erzähl mir von der Liebe“


    EIGENE MEINUNG:
    „Nirgendwo in Berlin“ ist das dritte Buch der Autorin Beate Teresa Hanika, und somit auch das Dritte, das ich von ihr gelesen habe. Von den ersten beiden Büchern war ich sehr begeistert. Darin schreibt sie über brisante Themen, wie sexuellen Missbrauch oder aber die Identitätssuche und die Angst nicht geliebt zu werden. Ein weiteres Buch über Probleme, die Jugendliche während der Phase des erwachsen Werdens durchleben, habe ich eher skeptisch betrachtet. Wie soll es ihr nochmals gelingen, aus dem Stoff eine wunderbare Geschichte zu entwickeln? Aller Skepsis zum Trotz hat sie es mal wieder geschafft, mich sehr zu begeistern.
    Wie immer gelingt es der Autorin außerordentlich gut, die Gefühle der Charaktere darzustellen. Mit wenigen Worten schafft sie es dem Leser Wut, Angst und Hoffnung so zu vermitteln, dass man mitfühlt, mithofft, mitbangt.
    Greta zieht mit ihrer Mutter nach Berlin, wo sie nicht nur neu ist, sondern sich einer Welt gegenüber sieht, die ihr völlig fremd ist. Eine Welt, in der junge Mädchen allein zu Hause sitzen, ihre Freunde im Internet suchen, und Jungs cool finden, die nicht zur Schule gehen und tagsüber Alkohol trinkend in Parks rum lungern. Eine Welt, in der sie sich wohl nie zurecht finden wird. Doch dann entdeckt auch sie das Internet und wagt sich im Chat auf unbekannten Boden. Schnell bemerkt sie, dass die Anonymität des Internets nicht nur Vorteile hat, sondern auch gefährlich ist...
    In „Nirgendwo in Berlin“ gelingt es Beate Teresa Hanika ihre weiche sanfte Art schwierige Themen zu behandeln, mit einer spannenden und aufregenden Geschichte zu paaren, was ihr außerordentlich gut gelungen ist. Seite um Seite hat sie mich mitgerissen in das gefährliche Geheimnis, dass Gretas Leben durcheinander wirbelt. Es gelingt ihr die Spannung so aufzubauen, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und am Ende blieb mir sogar eine Gänsehaut.


    FAZIT: Beate Teresa Hanika ist es mal wieder gelungen ein wunderbares Jugendbuch zu schreiben. Anders als gewohnt, aber genau so gut. Ich kann nicht so viel schreiben, ohne zu viel zu verraten, aber eins kann ich gewiss sagen: Macht euch auf jede Menge Nervenkitzel gefasst.

  • Inhalt:


    Als Gretas Eltern sich trennen, zieht sie mit ihrer Mutter nach Berlin. Dort kennt sie niemanden und die Sommerferien erscheinen endlos lang ohne ihre Freunde. Und auch Gretas Mutter hat kaum Zeit für sie.


    „Wie schrecklich deprimierend einem sechs Wochen freie Zeit vorkommen können. Sechs Wochen Sommerferien. Sechs Wochen alleine in einer fremden Stadt.“ (erster Satz)


    Insbesondere tagsüber langweilt sich Greta sehr, bis sie beschließt ihre Einsamkeit durch Chatten zu überwinden: Internet wird sie sofort auf ein Mädchen aufmerksam, dessen Eltern sich auch getrennt haben. Die beiden beginnen miteinander zu schreiben und finden schnell einen Draht zueinander. Doch dann ist die neue Freundin plötzlich weg, verschwunden….


    Greta befürchtet, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte und hat das dumpfe Gefühl, dass das genau hier passiert ist: nirgendwo in Berlin!


    Meine Meinung:


    Nachdem mich „Rotkäppchen muss weinen“ der gleichen Autorin sehr berührt hat, war ich sehr gespannt auf den neuen Roman von Beate Teresa Hanika.
    Genau wie der Debütroman der Autorin ist „Nirgendwo in Berlin“ voller Gefühle und treffender Momentaufnahmen aus dem Leben der fünfzehnjährigen Greta. Ich konnte mich sofort in die Gefühls- und Gedankenwelt der Jugendlichen hineinversetzen. Scheinbar von allen allein und im Stich gelassen sucht sie Kontakt in Chatrooms und findet ihn dort auch. Im Vergleich zu „Second Face“, das ich vor kurzem gelesen habe und das sich auch mit den Gefahren des Internets beschäftigt, zeigt Frau Hanika nicht mit erhobenem Zeigefinger auf das Internet und Social Communties, sondern lässt ihren Lesern selber die Möglichkeit, das Gelesene zu verarbeiten zu bewerten. Sehr gelungen, wie ich finde.


    Erzählt wird die Geschichte vor allem aus der Ich-Perspektive von Greta. Unterbrochen wird diese Erzählung durch sehr kurze Kapitel aus der Sicht eines gewissen Parzivals, der mir sehr unheimlich vorkommt und lange Zeit schwer einzuordnen ist. Diese Undurchschaubarkeit und die vermittelte Atmosphäre macht Parzival unheimlich und bedrohlich. Der Aufbau des Buches hat mich hierbei immer wieder an die Jette-Romane von Monika Feth erinnert.


    Und genau deswegen, weil ich einen Vergleich zu einem anderen Buch ziehen kann, bin ich leider auch ein wenig enttäuscht. „Rotkäppchen muss weinen“ war für mich wirklich einzigartig. Noch nie habe ich ein so bewegendes, atmosphärisch dichtes Buch gelesen. „Nirgendwo in Berlin“ kann auf eine vergleichbare Weise den Leser mitten ins Geschehen ziehen, trotzdem reiht sich das Buch meiner Meinung nach in einige andere – natürlich hochklassige – Jugendthriller ein.


    Doch trotzdem kann ich dieses Buch jedem empfehlen, der ein Buch voller Emotionen und Sehnsüchte lesen möchte. Ein Buch das meines Erachtens sehr dicht an der Lebenswelt Jugendlicher ist und geschickt eine wirklich spannende Handlung mit eben diesen alltäglichen Problemen verknüpft, ohne aufgesetzt zu wirken.
    Ich möchte „Nirgendwo in Berlin“ 4-5 von 5 Sternen geben.