Fremdling (Foreigner)/C.J. Cherryh

  • Foreigner-Serie:


    1. Fremdling/Foreigner (1994)
    2. Eroberer/Invader (1995)
    3. Erbe/Inheritor (1996)


    4. Precursor (1999)
    5. Defender (2001)
    6. Explorer (2002)


    7. Destroyer (2005)
    8. Pretender (2006)
    9. Deliverer (2007)


    10. Conspirator (2009)
    11. Deceiver (2010)
    12. Betrayer (2011)


    Die Struktur dieser nicht abgeschlossenen Serie ist eine Reihe von Subtrilogien, die jeweils eine durchgehende Geschichte erzählen, aber aufeinander aufbauen. Anders als in der richtigen Reihenfolge zu lesen ist nicht zu empfehlen.
    Wie man sieht wurde nur die erste Teiltrilogie übersetzt.


    Inhalt:
    Das Kolonistenschiff „Phoenix“ gerät vom Kurs ab und landet im Orbit eines Planeten, der von den außerirdischen Atevi bewohnt wird. Zunächst wird eine Raumstation gebaut, doch eines Tages wagen sich die Kolonisten, gegen den Widerstand der Schiffsbesatzung, auf den Planeten und treffen auf die Einheimischen. Missverständnisse und unterschiedliche Konzepte von Freundschaft – bzw. gar keine – und Treue führen zu einem Krieg zwischen Menschen und Atevi. Das ist die Vorgeschichte. (Man muss sich daher erstmal durch die ersten ca. 60 Seiten beißen, bis man Bren trifft.)


    Etwa 200 Jahre später leben die Menschen isoliert von den Atevi auf der Insel Mospheira und beliefern sie, getreu dem Friedensvertrag, mit ihrem technologischen Wissen. Bren Cameron, der „paidhi“, ist der einzige Mensch, der als eine Art Botschafter unter den Atevi lebt und, wie er denkt, der erste seines Amtes, der sie wirklich versteht. Er genießt eine wunderbare Freundschaft mit Tabini, dem Anführer der Western Association, mit der die Menschen ihr Bündnis haben. Und genau dieser Irrglaube ist seine Schwäche und sein Fehler, denn Atevi kennen Freundschaft nicht oder vergleichbare Konzepte, sie sind ihnen komplett fremd. Sie kennen nur „man'chi“, eine Art Loyalität zu ihrem erwählten Anführer. Als eines Tages ein Mordanschlag auf Bren verübt wird und Tabini ihn, vorgeblich zu seiner Sicherheit, aufs Land zu seiner Großmutter Ilisidi in der Festung Malguri schickt, wird Bren dies auf schmerzliche Weise erfahren.


    Meinung:
    Gerade die Inhaltsangabe hat mir eben wieder bewusst gemacht, was es ist, dass Cherryh für mich so besonders macht. Normalerweise hätten wir den Krieg als wichtigsten Inhalt, mit Bren als heroischem Menschen, der diese und die Atevi rettet. Doch nicht hier, hier findet der Krieg zwischen Vorgeschichte und eigentlicher Handlung statt und der Fokus liegt auf dem gesellschaftlichen Aspekt, wie ein Mensch unter Wesen lebt, zu denen er sich zwangsläufig hingezogen fühlt, die diese Gefühle aber einfach nicht nachvollziehen können. Bren ist somit ständig Enttäuschung und Kummer ausgesetzt und kann, weil er er ist, doch nicht anders, als sie nach wie vor zu mögen, speziell Tabini, der ihn ohne Rücksicht auf sein Wohl zur Schachfigur macht und seine Leibwache, Banichi und Jago, die er einfach nicht versteht, und vice versa.


    Wie immer für mich bei Cherryh sind die Charaktere, allen voran Bren und die oben genannten, sowie Ilsidi und ihr Leibwächter Cenedi die allergrösste Stärke dieses Buches. Die Highlights sind für mich daher stets die Gespräche, die Bren führt, vor allem jene mit Banichi über Nachtisch und man'chi. Wunderbar.
    Ich kann Bren so gut verstehen, ich bin der gleichen Verwirrtheit schuldig, denn auch ich mag die Atevi und ganz besonders Banichi und rede mir auch immer wieder ein, wie er, dass es doch nicht vollkommen stimmen kann, dass seine Atevi ihn ja trotzdem irgendwie mögen müssen. Richtig?
    Man wird gemeinsam mit Bren richtig paranoid, als er auf Malguri überhaupt nicht mehr weiß, wem er vertrauen kann und wer auf wessen Seite steht.


    Es ist im Verhältnis zu Banichi und Jago auch nicht hilfreich, dass Bren die beiden viel zu gern hat, um zu akzeptieren, dass er sich gefälligst beschützen lassen soll und keineswegs sie schützen. Und doch kann er nicht anders und muss hier einiges einstecken.


    Sehr schön ist hier auch der Cherryh-Effekt zu spüren, wenn es auf einmal kippt und die subtilere Spannung aus persönlichen Konfrontationen, Einladungen zum Tee und Brens Gedanken auf einmal kippt und die Action einsetzt und einen mitreisst.


    Wie bei allen Büchern und speziell Cherryh liest sich dieses Buch beim zweiten Mal gleich noch mal so faszinierend. Ich hatte komplett vergessen, dass Banichi und Jago zunächst eigentlich zu Tabini gehören und gar nicht zu Bren.


    Was ich auch immer wieder vergesse bei Cherryh ist der wunderbare subtile Humor, nicht zuletzt durch Brens Selbstbetrachtungen, aber auch durch den trockenen Humors Banichis. Auch wenn man es nicht sollte, ich schätze, man mag ihn spätestens, wenn er Bren rügt, zuviel fernzusehen, nachdem er den versuchten Attentäter anfangs mit seiner illegalen Waffe anschießt.


    Und mein Lieblingssatz ist der hier, als sich Bren vorstellt, welche Meldung man Tabini über den beginnenden Wahnsinn seines paidhis machen könnte:


    Zitat

    "He propositioned Jago, invited Djinana to the moon, and think's Banichi's a dessert." (p. 196)


    Ab diesem Buch ist es für Cherryh-Fans komplett normal, einander vor Teeeinladungen zu beruhigen und Salat oder Nachtisch als Äquivalent für Zuneigung zu betrachten. Man muss es nicht verstehen, aber man wird es, wenn man dieses Buch gelesen und idealerweise gemocht hat.


    Ich neige dazu, die Tatsache zu betrauern, dass Cherryh schon seit Jahren kaum etwas anderes schreibt als Bücher dieser Serie. Gerade „Regenesis“ hat mir wieder bewusst gemacht, wie sehr ich danach hungere, manche Geschichten fortgesetzt zu sehen. Nennt es Eifersucht. Von daher war es eine glänzende Idee, dem Impuls nachzugeben und den Cherryh-Reread-Rausch vom vorigen Jahr nun hier fortzusetzen. Denn jetzt weiß ich wieder, dass ich auch Bren und die seinen wahnsinnig gern habe und mich nur allzu begeistert in die Fallen von missverstandenen Gefühlen und Atevi-Intrigen stürze. Und dass die Menschen ihnen darin in nichts nachstehen, werden wir bald herausfinden.
    .

  • Da ich Englisch gelesen habe, kann ich zur Übersetzung nichts sagen.
    Hier haben wir wieder, wie immer bei Cherryh, den schönen Fall von wirklich passenden Covern, denn der eigenartig gekleidete Herr hier ist Bren, umschlossen von seinen Leibwächtern, links Banichi und rechts Jago. Ich habe keine Ahnung, ob ich ohne die Cover in der Lage gewesen wäre, mir die Atevi richtig vorzustellen. Sehr lobenswert.


    Da ich den Zeitpunkt für den Reread etwas unglücklich ausgewählt habe (allerdings hatte ich hier nicht viel Mitspracherecht, es hat mich einfach überkommen), muss ich leider vorerst pausieren. Aber, ich komme wieder.
    .

  • :gruebel Ich habe Deine Cherryh-Rezis verfolgt, hier beginnt eine neue Serie. In den Darkover-Leserunden waren wir (lesemäßig) ja lange gemeinsam unterwegs. Nachdem ich kürzlich mit einem Ausflug in die moderne Science Fiction Schiffbruch erlitten habe, bin ich etwas vorsichtig geworden ("Die Kinder des Saturn"). Jetzt frage ich mich, ob diese Serie hier etwas für mich sein könnte? Die Inhaltsangabe klingt interessant, daß es einen Großteil der Bücher nur in englischer Sprache gibt, stört mich nicht. Ich würde dann gleich auf Englisch anfangen zu lesen. Nur: soll ich?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Grisel
    ... aber ihre Art zu schreiben muß einem halt liegen. Kann man eigentlich nur ausprobieren und dann schauen, wie es einem ergeht.


    Kann ich so bestätigen.
    Ich lese viel und oft SF, aber die Schreibe von Frau Cherryh mag ich einfach nicht. Pells Stern habe ich abgebrochen, wollte ihr aber noch eine zweite Chance geben und habe dann mit dem KIF Zyklus angefangen. Aber auch hier habe ich nach rund 200 Seiten das Buch zur Seite gelegt. Ich werde mit der Schreibe einfach nicht warm.

  • Danke für eure Antworten. :wave


    Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es mal zu probieren, kann aber noch ein bißchen dauern.


    Edit meint, ich solle noch fragen, ob diese Reihe in sich abgeschlossen ist oder als Fortsetzung zu anderen Reihen der Autorin zu verstehen ist. Ich habe mal ein bißchen im Internet nach den Büchern der Autorin gesucht. Sie hat ja eine etwas, hm, seltsam anmutende Webseite. Und dieser Wikipedia Artikel hat mich im Hinblick darauf, ob die Serien zusammenhängen, auch nicht so ganz befriedigt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von SiCollier
    Sie hat ja eine etwas, hm, seltsam anmutende Webseite. Und dieser Wikipedia Artikel hat mich im Hinblick darauf, ob die Serien zusammenhängen, auch nicht so ganz befriedigt.


    Zur Beantwortung solcher Fragen gibt es ja Leute wie mich, die sowas leidenschaftlich gern tun. :-]


    Zunächst mal, die Foreigner- oder, wie sie manchmal auch genannt wird, Atevi-Reihe steht komplett für sich und hat (bisher?) keinerlei Überschneidungen zu ihren anderen Universen. Ich schätze, das bleibt auch so.


    So schlecht ist die Wiki-Seite gar nicht, weil man gleich im Inhaltsverzeichnis sieht, daß alles, was ein eigener Menüpunkt unter 2 ist im gleichen Universum spielt, aber das meist auch die einzige Gemeinsamkeit ist. Ausnahme sind nur die Company-Kriege und Cyteen, die kann man zwar auch getrost für sich lesen, aber da sind die Überschneidungen stärker.
    Chanur wiederum spielt zwar auch im gleichen Universum, steht aber komplett für sich und die einzige Verbindung ist die Bemerkung, daß die Menschen der Erde auf der anderen Seite des Universums erschreckende Aliens getroffen haben. Das ist es aber auch schon, ansonsten keine direkte Verbindung.
    2.1.4. bis 2.1.6. wiederum haben, wenn ich mich nicht sehr täusche, null Verbindung, es ist nur das gleiche Universum. Das ist dann eher für die Hardcorefans reizvoll, winzige Nebenbemerkungen zu deuten.


    Lange Rede, kurzer Sinn, Foreigner/Atevi steht für sich und man kann reinsten Gewissens - außer man mag ihre "Schreibe" und will mehr davon - alles andere ignorieren.


    Der Unterpunkt Universes auf Cherryhs tatsächlich etwas verwirrender Seite gibt eine Übersicht, ist allerdings nicht wirklich aktuell, ich vermisse die letzten paar Foreigner-Bücher.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Zur Beantwortung solcher Fragen gibt es ja Leute wie mich, die sowas leidenschaftlich gern tun.


    Gut zu wissen, vielleicht komme ich gelegentlich darauf zurück. :-) Und danke für die Mühe. :wave



    Zitat

    Original von Grisel
    Zunächst mal, die Foreigner- oder, wie sie manchmal auch genannt wird, Atevi-Reihe steht komplett für sich und hat (bisher?) keinerlei Überschneidungen zu ihren anderen Universen. Ich schätze, das bleibt auch so.


    Gut, dann ist das ja ein geeigneter Einstieg. :-) Ich habe mir übrigens inzwischen den zweiten Band der Reihe, der anscheinend vergriffen ist, bei einer Antiquarin, von der ich schon öfters Bücher bezogen habe, bestellt. Band 1 folgt bald. Lesemäßig muß ich mal sehen, wie ich zurecht komme, da ich mir für dieses Jahr u. a. den kompletten Dune-Zyklus (also Originale plus Pre- und Sequels) sowie einige englische Klassiker vorgenommen habe.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von SiCollier
    Gut zu wissen, vielleicht komme ich gelegentlich darauf zurück. :-) Und danke für die Mühe. :wave


    Keine Mühe, sondern ein Vergnügen. Mir rinnt das Wasser vor lauter Vorfreude im Mund zusammen, wenn jemand solche Fragen stellt.


    Zitat

    Gut, dann ist das ja ein geeigneter Einstieg. :-) Ich habe mir übrigens inzwischen den zweiten Band der Reihe, der anscheinend vergriffen ist, bei einer Antiquarin, von der ich schon öfters Bücher bezogen habe, bestellt.


    Tatsächlich, OOP. :wow
    Interessanterweise aber offenbar nur Nr. 2. Eigenartig. Na, wenigstens kriegt man es noch gebraucht. Ist aber gewagt, Nr. 2 zu kaufen, ehe Du weißt, ob Du mit der Serie überhaupt warm wirst.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Ist aber gewagt, Nr. 2 zu kaufen, ehe Du weißt, ob Du mit der Serie überhaupt warm wirst.


    Schon, aber das Exemplar war halt gerade verfügbar, zu akzeptablem Preis. Notfalls kann ich es wieder verkaufen. Allerdings vermute ich (auf Grund dessen, was ich im deutschen und englischen Wikipedia gelesen habe), daß mir der Stil zusagen dürfte. Nun, ich schätze, daß ich den ersten Band irgendwo zwischen einem Dune-Band und Lorna Doone werde einschieben können. (Um "Ermüdungserscheinungen" zu vermeiden, will ich keine Serien mehr hintereinander lesen.)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")