Nokan - die Kunst des Ausklangs

  • Inhalt:
    Der Cellist Daigo verliert seinen Posten beim Tokioter Symphonie-Orchester, als der Sponsor aussteigt. Da er die Raten seines Instruments nun nicht mehr zahlen kann, gibt er es zurück und kehrt mit seiner Frau in seine Heimat im ländlichen Norden Japans zurück. Bei der Arbeitssuche stößt Daigo auf die Anzeige eines auf Reisen spezialisierten Unternehmens und wird zu guten Bedingungen eingestellt. Da erfährt er die wahre Natur des Geschäfts: Er soll die Leichen Verstorbener auf die letzte Reise, sprich, die Beerdigung vorbereiten.


    Der Film greift ein Tabuthema Japans auf: Den Tod und den Umgang mit Toten. Wahrscheinlich lässt sich das aber auch problemlos auf andere Länder übertragen, wer geht schon unbelastet mit dem Thema um, sind doch Tod und Sterben in einer hochtechnisierten Welt fast schon unanständig geworden.
    Der Film zeigt auf manchmal groteske und auch manchmal sehr komische Weise die Entwicklung des Hauptdarstellers Daigo. Der kommt fast wie die Jungfrau zum Kinde zu seinem neuen - etwas anrüchigen - Job als Aufbahrer nach dem alten Nokan-Ritual. Dabei muss er zuerst seinen eigenen Ekel gegenüber seiner neuen Tätigkeit überwinden. Kaum hat er das geschafft, wird er mit dem Abscheu seiner Frau und seines Freundes konfrontiert, als die herausfinden, womit er sein Geld verdient. Der Film enthält dabei manche schreiend komische Szenen, ist aber andererseits auch unglaublich sensibel und traurig. Auf jeden Fall vermittelt er einen sehr würde- und liebevollen Umgang mit den Verstorbenen, ohne kitschig zu werden.
    Spätestens die wunderschöne Cellomusik verzaubert und klingt noch sehr lange nach.


    Absolut sehenswert und den Oskar für den besten ausländischen Film hat dieser Film völlig zurecht 2009 erhalten.

  • Hallo Idgie,


    vielen Dank für diese Filmvorstellung!


    "Nokan" ist definitiv ein Film, der es wert ist, gesehen zu werden.
    Ich glaube, dass ich an anderer Stelle einmal erwähnt hatte, dass auch die Hintergründe zu dieser Thematik äußerst interessant sind.
    Der Beruf des Leichenbestatters ist ebenso wie der des Gerbers, des Schlachters u.a. keine besonders angesehene Tätigkeit in Japan. Die Japaner bezeichnen solche Menschen auch als Burakumin. Der Umgang mit ihnen wird gemieden. Ähnlich verhält es sich mit der koreanischen Minderheit in Japan.
    Vor einigen Jahren gab es eine Initiative, die Wohnviertel dieser "Aussetzigen" über ein Satellitenprogramm im Internet ausfindig machen zu können.
    Erstaunlicherweise schafften es Protestbewegungen, dass diese menschenverachtende Überwachung beendet wurde. Daran, dass Menschen mit entsprechenden Berufen geschnitten werden, hat sich jedoch nicht geändert und so verwundert es nicht, dass die Japaner über dieses cineastische Highlight ungern sprechen und der Film im eigenen Land kaum Erfolg hatte.


    Sieht man "Nokan" mit diesen Hintergrundinformationen, dann erscheint die Geschichte um den gescheiterten Cellisten und späteren Leichenaufbahrer um so tragischer.


    Wikipedia-Buraku

  • Oh, vielen Dank für diese Zusatzinformationen. Es kommt für Westeuropäer schon sehr krass rüber, wie sich die Ehefrau und der Freund abwenden, nachdem sie wissen, welche Tätigkeit Daigo ausübt. Allerdings ist zumindest im Film eine deutliche Wende erkennbar, als die Mutter des Freundes stirbt, und Daigo die Aufbahrung in Anwesenheit seiner Frau und der Familie vollzieht. Umso tragischer, allerdings auch verständlicher, wenn man die kulturellen Hintergründe kennt.
    Was mich auch verwundert hat, waren die teils doch sehr heftigen familiären Auseinandersetzungen während der Zeremonie. Solche Ausbrüche traut man Japanern eigentlich kaum zu - jedenfalls nicht außerhalb der eigenen Wände. Der Gegensatz zu dem im Vergleich dazu behutsamen und achtungsvollen Umgang des Aufbahrers mit den Toten wurde dadurch noch deutlicher.
    Vieles in dem Film wird nonverbal vermittelt, eine Darstellung, die mir sehr gut gefallen hat. Ich denke, ich werde mir den Film mit etwas Abstand noch mal anschauen. :wave