Genitalverstümmelung ist Körperverletzung - Landgericht Köln verbietet religiöse Beschneidungen

  • Zitat

    Original von beisswenger
    ... ich habe keine Probleme mit meinem Zipfelchen ...


    Das freut uns ungemein, ist aber für die Diskussion um die juristische Bewertung von rituellen (religiös motivierten) Verstümmelungen Wehrloser, um die es bei diesem Urteil ging, nur wenig hilfreich, fürchte ich.

  • Alles hat mehrere Seiten, werter Kollege, selbst die Wurstpelle hat zwei. Könntest du Geschriebenes besser interpretieren, dann wüsstest du, dass ich auf Lesebienes Frage geantwortet habe: im Gegensatz zur brutalen Beschneidung der Frau, die das sexuelle Empfinden quasi mitabschneidet, ist die Beschneidung des Mannes iaR tatsächlich nur ein Kindergeburtstag.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    ... Alles hat mehrere Seiten, werter Kollege, selbst die Wurstpelle hat zwei. ...


    In der Tat hat sie die. Aber hier ging es nicht um Wursthaut, auch nicht um gewisse individuelle Befindlichkeiten mit dem gekürzem Ende derselben, sondern um die Bewertung eines archaischen Kultes durch die unabhängige Jurisdiktion der aufgeklärten Zivilisation im Jahre 2012.

  • aufgeklärte Zivilisation?????


    Die würde ich gerne kennenlernen. Eine Zivilisation, die sich selbst zugrunderichtet, kann einer entfernten Zivilisation wohl kaum als "aufgeklärt" erscheinen.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    aufgeklärte Zivilisation?????
    Die würde ich gerne kennenlernen. Eine Zivilisation, die sich selbst zugrunderichtet, kann einer entfernten Zivilisation wohl kaum als "aufgeklärt" erscheinen.


    An dieser Bewertung ist sicher etwas dran, allerdings fehlen mir Erfahrungen aus der Sicht "einer entfernten Zivilisation".

  • Zitat

    An dieser Bewertung ist sicher etwas dran, allerdings fehlen mir Erfahrungen aus der Sicht "einer entfernten Zivilisation".


    Die Wahrscheinlichkeit, dass es entfernte Zivilisationen geben könnte, steigt proportional zur Unwahrscheinlichkeit eines möglichen "Kontaktes", da das Universum sich höchstwahrscheinlich ausdehnt. Aber das nur am Rande.


    Zum Thema zurück:
    1. Es ist hochkomplex und sehr schwierig (siehe Voltaires Zweifel)
    2. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ein Kompromiss gefunden wird


    Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft die religiöse Beschneidung des männlichen Kindes in Deutschland (mehr oder weniger) geduldet wird...

  • Zitat

    Original von beisswenger
    ... Zum Thema zurück:
    1. Es ist hochkomplex und sehr schwierig (siehe Voltaires Zweifel)
    2. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ein Kompromiss gefunden wird
    Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft die religiöse Beschneidung des männlichen Kindes in Deutschland (mehr oder weniger) geduldet wird...


    Deiner Annahme stimme ich zu, lieber beisswenger. Wir befinden uns erst am Anfang einer noch lang anhaltenden und vor allem von den Vertretern der betroffenen Religionsgemeinschaften sicherlich mit großer Verbissenheit geführten Auseinandersetzung. Gestern gab es eine Diskussion in der Phoenix-Runde zu diesem Thema. Ein einziger Jurist, der die Frage der Legitimation dieses Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit von Menschen ohne deren rechtsverbindliches Einverständnis aufwarf, sah sich knallharten muslimischen und jüdischen Funktionären gegenüber. Diese - gestützt von einem Chirurgen, der offenkundig nicht verstanden hatte, um welche juristischen und ethischen Probleme es eigentlich ging - bezeichneten das Urteil des Gerichts als "lächerliche Provinzposse", mit der versucht werde, jahrtausendealte religiöse Traditionen "zu verdammen". Da sieht man schon sehr genau, was uns in dieser Auseinandersetzung an radikalfundamentalistischem Geschwätz noch alles erwartet.
    Und man braucht nur den Beitrag zu lesen, zu dem Voltaire den Link eingestellt hat, um zu wissen, dass sich in absehbarer Zeit nicht allzu viele Gläubige gegen die Macht ihrer jeweiligen Religionsfürsten aktiv auflehnen werden.
    Auch wenn ich seinen Abschluss nicht mehr erleben werde, so bin ich dennoch zuversichtlich, dass der Prozess der Abschaffung archaischer, rechtswidriger Körperverletzungen aller Art durch Schriftgläubige im Namen ihres Gottes nicht mehr aufzuhalten ist. Er ist schließlich nichts anderes als die konsequente Fortschreibung der Aufklärung. Doch dieser Prozess geht eben einher mit der Demontage überaus mächtiger Männer. Deshalb kann daraus im schlimmsten Falle sogar ein erbitterter Kampf - hoffentlich kein Krieg - werden.
    So ganz friedlich und auf dem Rechtsweg werden sich diese Leute nicht geschlagen geben, fürchte ich.


    edit: Korrektur Schreibfehler

  • Lieber Kollege Neumann,


    take it easy: das Thema hat eine untergeordnete Priorität, wenn man es mit Problemen vergleicht, die dem Einfluss der "Kreationisten" auf die öffentliche Meinung in den USA unterliegen. Dort gibt es Schulen, die noch nicht einmal die Evolutionstheorie lehren dürfen. Und Obamas Vorgänger hat wohl auch eher auf den Rat seines (eingebildeten) Gottes gehört, als auf seinen Verstand (soweit vorhanden).


    Deine aufgeklärte Zivilisation, die m.E. höchstens in den Köpfen der Glaubensmenschen existiert, schafft es einfach nicht, den primitiven Glauben zu überwinden und endlich mit dem Meinen zu beginnen - vom Wissen rede ich hier noch nicht, das wird eher eine Eigenschaft zukünftiger Generationen sein, falls es diese dann noch geben wird.


    Insofern kann ich deine Emotionalität nicht nachvollziehen, die bei genauer Betrachtung auch ein wenig wie ein Glauben anmutet. Aber jeder hat sein eigenes (Glaubens)Päckchen zu tragen,


    schönen Tag und Carpe diem!

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Es mutet schon ein wenig merkwürdig an wie dieses Urteil des LG Köln zum Anlass genommen wird, zu einem Rundumschlag gegen die Religionen auszuholen. Rechtlich waren die Beschneidungen bisher immer umstritten. Sie jetzt aber quasi als "Grundformel" für die jüdische oder moslemische Religion aufzuwerten ist zutiefst lächerlich. Bei den Beschneidungen handelt es sich ohne Frage um eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne. Und ich gehe davon aus, dass auch der BGH und der EuGH zu keinem anderen Ergebnis kommen werden. Dieses Urteil aber mal wieder zum Anlass zu nehmen, hier eine religiöse Grundsatzdiskussionen führen zu wollen - ist schon ein stückweit erbärmlich.


    Was ist denn eigentlich passiert?


    Das Landgericht Köln hat einen Straftatbestand rechtlich gewürdigt. Nicht mehr und nicht weniger. Es hat sich nicht über Sinn und Unsinn von Religionen ausgelassen. Aber dafür haben wir in diesem Land ja andere Kräfte.... :grin


    Die Religionsgemeinschaften selbst haben das Urteil zu einem großen Thema gemacht - die evangelische Kirche vorneweg, kulminierend in der verstiegenen Aussage Herrn Graumanns, daß hierdurch jüdisches Leben in Deutschland unmöglich gemacht werde.
    Die Religionen wandeln hierbei in der Außendarstellung auf dem schmalen Grat zwischen "abstoßend" und "lächerlich" und erwecken selbst bei wohlmeinenden Betrachtern den Eindruck, daß bei den abrahamitischen Religionen den Geschlechtsteilen kleiner Jungs vielleicht zuviel Aufmerksamkeit gewidmet wird.
    Da heute viele Mitzwa keine Anwendung mehr finden, ist schwer nachzuvollziehen, warum jüdische Identität sich nun ausgerechnet über die Vorhaut definieren soll.


    Es ist natürlich spektakulär, welche Koalitionen sich hier plötzlich bilden. Nachdem Herr Westerwelle als verheirateter Schwuler schon seine Unterstützung für jüdisch/islamische Traditionen und Gebote erklärte, findet sich in Frau Künast plötzlich eine weitere Kämpferin wider die Vorhaut:
    http://www.spiegel.de/politik/…ftat-werten-a-843294.html


    Nachdem Frau Künast bereits eine Wahl in Berlin als Kandidatin spektakulär verpfuscht hat, will sie sich für einen möglichen zweiten Anlauf wohl schon einmal bei den türkischstämmigen und jüdischen Wählern anbiedern. Da wüsste ich gerne, was sich noch für Elternrechte aus islamischen Traditionen plötzlich herleiten lassen. Kopftuchzwang, Verweigerung des Sportunterrichts für Mädchen, Zwangsheirat? Oder liegt es da anders, weil dies ja "Frauenrechte" sind, während man sich um die Rechte kleiner Jungs nicht scheren muß?

  • Sag mal Genosse Oblomov - was machst du eigentlich in einem Bücherforum? Zum Thema "Bücher" sagst du kaum etwas. Von dir liest man leider nur irgendwelche Rundumschläge....... :rofl

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Welch brilliante Antwort, werter Voltaire. Nur leider kein Beitrag zur Sache. Nun ist dies leider das Subforum "Diskussionen - Weltgeschehen". Wenn Dir dies thematisch nicht zusagt, stehen Dir viele andere Subforen offen, wo deine Beiträge sicher gerne willkommen sind.

  • Zitat

    Original von Oblomov
    Welch brilliante Antwort, werter Voltaire. Nur leider kein Beitrag zur Sache. Nun ist dies leider das Subforum "Diskussionen - Weltgeschehen". Wenn Dir dies thematisch nicht zusagt, stehen Dir viele andere Subforen offen, wo deine Beiträge sicher gerne willkommen sind.


    Von dir hätte ich jetzt auch keine andere Antwort erwartet, werter Genosse Oblomov. :rofl

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Über die zentrale Bedeutung der Beschneidung im Judentum ist euch beiden nicht wirklich viel bekannt, oder? Ich kann hierzu diese Lektüre empfehlen, um einen kleinen Eindruck zu vermitteln. Oder auch den Kommentar zur Sidra Tasria.
    Ich bin mir durchaus bewusst, dass nicht-religiöse Menschen solche Vorstellungen bestenfalls nicht interessieren. Das unterscheidet euch von uns, die wir glauben, egal wie lächerlich ihr das findet.
    Es handelt sich beim Verbot der Beschneidung minderjähriger Jungen keineswegs um einen "Rundumschlag gegen die Religionen" (immerhin betrifft es nur zwei der "großen Drei"), sondern um einen massiven Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung von Juden und Muslimen in Deutschland. Die Beschneidung nimmt eine zentrale Stellung ein und ein Verbot derselben macht es religiösen Juden unmöglich, in Deutschland zu leben und Familien zu gründen (es könnte ja ein Junge geboren werden, der hier – legal – nicht gemäß unserer Religion am achten Tag beschnitten werden darf!). Da muss ich Herrn Graumann zustimmen, obwohl ich wirklich kein Fan von ihm bin.
    Über "Barbarische Rituale" habe ich an einer Stelle gelesen, und dass sich die Beschneidung "auf Psyche und Sexualität negativ auswirkt". Hm, mal ehrlich, Jungs… Glaubt ihr ernsthaft, wir würden die Beschneidung seit immerhin rund 4.000 Jahren praktizieren, wenn wir dadurch alle zu Psychokrüppeln mit Potenzstörungen würden? Lächerlich! Ich glaube, ihr habt völlig falsche Vorstellungen davon, was und wie viel von was überhaupt entfernt wird. Sonst käme auch niemand auf die Idee, männliche und weibliche Beschneidung auch nur in einem Satz zu erwähnen.
    Übrigens, die Beschneidung ist in Schweden nicht verboten! Darin ist Deutschland mal wieder einmalig! (Btw.: Selbst 1933 – 1945 war sie hier nicht verboten.)
    Das LG Köln hat sich mit dem Urteil sehr wohl über "Sinn und Unsinn von Religionen" ausgelassen. Schließlich ging es nur und ausschließlich um religiöse Beschneidung.
    Wenn nicht die (betroffenen) Religionsgemeinschaften, wer sonst sollte ein Thema daraus machen? Ihr, die ihr das Urteil so einhellig befürwortet, wohl kaum!
    Die Anmerkung zur Aufmerksamkeit, die die "abrahamitischen Religionen den Geschlechtsteilen kleiner Jungs" widmen, möchte ich mal lieber überhören. Immerhin waren es katholische, also christliche Priester, die durch ihre Zuwendung zu den Geschlechtsteilen kleiner Jungs in den letzten Jahren wiederholt auffällig geworden sind. Weder Imame noch Rabbiner… Die im Übrigen auch nicht beschneiden…
    Ach, und übrigens, Herr Oblomov: Der Plural von Mitzvah lautet Mitzvot.

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • Zitat

    Original von tonio_treschi
    ... Es handelt sich beim Verbot der Beschneidung minderjähriger Jungen keineswegs um einen "Rundumschlag gegen die Religionen ..., sondern um einen massiven Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung von Juden und Muslimen in Deutschland. Die Beschneidung nimmt eine zentrale Stellung ein und ein Verbot derselben macht es religiösen Juden unmöglich, in Deutschland zu leben und Familien zu gründen ...


    Mit diesem Beitrag sind wir nun also nach dem Austausch der unterschiedlichen Positionen wieder am Anfang angekommen.
    Soll´s jetzt etwa in eine neue Runde gehen?
    Ich rate davon ab. Mit Menschen, die Recht und Gesetz ihrem wie auch immer gearteten Glauben an irgendwelche höheren Mächte und Instanzen und ihren daraus abgeleiteten zum Teil archaischen Riten unterordnen, ist nun mal keine Einigung zu erzielen. Der simple Grund dafür ist, dass man gegen den vermeintlichen Willen der jeweils von ihnen angebeteten Götter, den zu interpretieren sie exklusiv für sich selbst in Anspruch nehmen, nicht argumentieren kann - weder mit Menschen- oder Naturgesetzen, noch mit Lebenserfahrung, und schon gar nicht mit Vernunft.
    Geschichte und Gegenwart legen ein beredtes Zeugnis über diesen traurigen Umstand ab.

  • Und? Ist die christliche Religion neuerdings keine abrahamitische Religion? Der Einwand geht daher ins Leere.
    Im übrigen ist mir durchaus bewusst, was eine Beschneidung umfasst. Während die Folgen nicht so gravierend wie bei der üblichen weiblichen Beschneidung sind, so sind sie auch nicht völlig trivial. Es sollte jedem frei stehen, die Beschneidung aus religiösen Gründen vornehmen zu lassen, wenn er selbst hinreichend einsichtsfähig ist. Bei Kindern sollte jedoch das Recht auf körperliche Unversehrtheit das Erziehungsrecht sowie das Recht auf freie Religionsausübung der Eltern (denn das Kind ist zu diesem Zeitpunkt ja überhaupt nicht entscheidungsfähig) überwiegen.


    Wenn es hier nicht um Judentum oder den Islam ginge, sondern um eine andere Religion, dann gäbe es diese Diskussion gar nicht. In solchen Fällen würde ein derartiger körperlicher Eingriff auf jeden Fall als strafbare Körperverletzung betrachtet.

  • Hallo, tonio treschi.


    Zitat

    Über die zentrale Bedeutung der Beschneidung im Judentum ist euch beiden nicht wirklich viel bekannt, oder?


    Das ist, mit Verlaub, eine etwas seltsame, zuweilen irritierende Argumentationsweise: Wenn Du nicht wirklich alles über etwas weißt, das Du ablehnst, wird Dir das Recht auf Ablehnung abgesprochen. Damit könnten faktisch 99 Prozent der Leute, die Faschismus ablehnen, dies nicht mehr tun.


    Fraglos ist die Zirkumzision für Juden ein zentrales Ritual, obwohl man auch anzweifeln könnte, dass Abraham, immerhin bereits 99-jährig - also dicht am MHD -, richtig verstanden hat, was ihm Gott da so einflüsterte. ;-)


    Dass etwas tradiert ist und seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden praktiziert wird, macht es nicht automatisch gut und vor allem nicht unanfechtbar. Es gab sehr viele Traditionen, die entweder der Erkenntnis oder dem sozialen Fortschritt anheimfielen. So sind die meisten Monarchen nur noch (gut situierte) Grußkasper, die Kirchen bestimmen nicht mehr flächendeckend die gesamten Sozialstrukturen, Schwächere und Randgruppen sind mit Rechten ausgestattet, die sie noch vor wenigen Jahrzehnten nicht hatten. Fast alle Religionen haben sich im Kleinen wie im Großen angepasst, Claims aufgegeben und ihre Einflussmöglichkeiten adaptiert. Kirche, wie sie sich noch vor drei, vier, acht Jahrhunderten darstellte, ist heute zumindest in Westeuropa nicht mehr denkbar (obwohl sich das nicht wenige Kirchenleute zu wünschen scheinen).


    Es ist fraglos kein kleiner Konflikt, etwas möglicherweise nicht mehr tun zu dürfen, dass Gott befohlen hat, weil ein einzelnes Gericht die Rechte des Schutzbefohlenen über diesem Befehl ansiedelt. Zirkumzision ist ein medizinischer Eingriff, der fraglos Folgen hat und - wie jeder Eingriff - zu Komplikationen führen kann (es hat auch schon Todesopfer gegeben). Zudem schafft sie unumkehrbare Tatsachen; die Vorhaut kann man nicht zwanzig Jahre später wieder annähen. Dem steht nun die gottgegebene Pflicht gegenüber, genau diesen Eingriff vorzunehmen, ansonsten fehlt ein essentieller Schritt nicht nur für das Kind, sondern für die gesamte Gemeinschaft, in der es leben soll. Eine, sollte sich das tatsächlich irgendwie irgendwann durchsetzen, was vermutlich, wie man, die Realitäten anerkennend, zugestehen muss, eher nicht geschehen wird, äußerst schwierige Situation, denn Gottes Wort ist an dieser Stelle (ausnahmsweise) relativ zweifelsfrei und lässt kaum Interpretationsspielraum. Aus den für Juden vorgeschriebenen acht Tagen kann man nicht mal eben so achtzehn oder wenigstens vierzehn Jahre machen. Andererseits aber haben die Säuglinge bisher keine Lobby und nicht die allergeringste Möglichkeit, sich dem mitunter gefährlichen und zweifelsfrei folgenträchtigen Opferritual und den damit verbundenen, weltanschaulichen Implikationen zu verweigern. Die auch hier so oft geforderte (und missverständlich verwendete) "Relgionsfreiheit", damit also auch die Freiheit, sich gegen Religionen zu entscheiden, wird ihnen einfach nicht zuerkannt. Ritual und Gottes Wort stehen über den Kindesrechten - bislang. Die Situation ist paradox und bietet auf den ersten Blick keine Möglichkeiten für Kompromisse, aber das kann in meinen Augen nicht bedeuten, dass man sich auf Gedeih und Verderb der daherbehaupteten Abraham-Offenbarung beugt. Denn damit stünde das vermeintliche Recht der Glaubensgemeinschaften, ihre eigenen Gesetze zu formulieren, über allen zivilen Rechten, und das ist schlicht nicht mehr der Fall in Deutschland im Jahr 2012.


    Übrigens hat hier niemand behauptet, die Zirkumzision würde aus allen Betroffenen frigide und teilnahmslose Schlappschwänze machen. Das ist Unsinn. Tatsächlich aber reduziert sich bei vielen Beschnittenen die Empfindlichkeit der Eichel, da diese nunmehr ungeschützt und ununterbrochen beispielsweise mit der Bekleidung in Kontakt ist, was das sexuelle Erleben tatsächlich negativ beeinflussen kann - schließlich ist die Glans penis eine der ausgeprägtesten erogenen Zonen des Mannes.

  • Es ist letztlich auch nicht erforderlich, über jeglichen religiösen Aspekt informiert zu sein. Die Frage ist, ob wir bereit sind, staatlichen Normen konsequent Geltung zu verschaffen, wenn religiöse Gebote mit diesen Normen im Konflikt stehen.
    Soweit keine schützenswerten Rechtsgüter Dritter betroffen sind, sollten staatliche Normen solche Konflikte idealerweise gar nicht entstehen lassen. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall, da durch das religiöse Gebot das Recht auf körperliche Unversehrtheit der selbst nicht entscheidungsfähigen Kinder nicht unerheblich beeinträchtigt wird.

  • Hallo, Oblomov.


    Eigentlich gibt es keinen Handlungsbedarf; eine entsprechende Normierung hat der Gesetzgeber längst vorgenommen, etwa in § 223 bis 231 StGB, nebst dazugehöriger Rechtsprechung in Präzendenzfällen. Bislang hat sich nur niemand getraut, diese Paragraphen auf solche Vorgänge anzuwenden, oder es gab schlicht keinen Kläger, obwohl gefährliche, vorsätzliche Körperverletzung ein Offizialdelikt ist.


    Diese neue Situation ist ziemlich originell, und ich bin sehr gespannt darauf, wie sie sich entwickelt.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Oblomov.


    Eigentlich gibt es keinen Handlungsbedarf; eine entsprechende Normierung hat der Gesetzgeber längst vorgenommen, etwa in § 223 bis 231 StGB, nebst dazugehöriger Rechtsprechung in Präzendenzfällen. Bislang hat sich nur niemand getraut, diese Paragraphen auf solche Vorgänge anzuwenden, oder es gab schlicht keinen Kläger, obwohl gefährliche, vorsätzliche Körperverletzung ein Offizialdelikt ist.


    Diese neue Situation ist ziemlich originell, und ich bin sehr gespannt darauf, wie sie sich entwickelt.


    Präzendenzfälle? Ein höchstrichterliche Entscheidung liegt bisher nicht vor - nicht einmal eine OLG-Entscheidung.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Voltaire.


    Ich weiß, dass das Kölner LG-Urteil keinen Präzedenzcharakter hat, aber ich meine einfach, dass ein solcher eigentlich auch nicht erforderlich ist: In meinen Augen ist die religiöse Zirkumzision zweifelsfrei Körperverletzung, auch ohne dieses Urteil. Ähnliches gilt auch, wenn Eltern ihre Kleinkinder piercen, branden, tätowieren oder ihnen auch nur Ohrlöcher stechen (lassen). Derlei bringt nur kaum jemand zur Anzeige; zuletzt die betroffenen Kinder.