Genitalverstümmelung ist Körperverletzung - Landgericht Köln verbietet religiöse Beschneidungen

  • http://www.spiegel.de/panorama…dungsurteil-a-841234.html


    Ja, ja, das wird "seit Jahrhunderten" so gemacht (was für ein geiles Argument!), und außerdem sei es hygienisch, gar infektionenvermeidend. Da fragt sich der atheistische Laie, warum Gott überhaupt eine Vorhaut erfunden hat. Und übrigens: Beschnittene Männer empfinden u.U. deutlich weniger:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Z…s_auf_die_Sexualit.C3.A4t


    Aber, hey, Gott will ja auch eigentlich überhaupt keinen Sex bei seinen Schöpfungen, außer zum Kinderkriegen. Teuflisch aber auch, dieser Gott. :grin


    Was ich aber eigentlich sagen wollte: Großartiges Urteil! :-)

  • Ein wichtiges und deutliches Urteil, das ein Zeichen setzt, aber wohl solange keine Ruhe in diese Problematik bringen wird, bis Bundesverfassungsgericht und Europäischer Menschengerichtshof diese Auffassung bestätigt haben.


    Und Tom im Ergebnis stimme ich Dir zu, dass die Beschneidung menschenunwürdig ist.
    Dennoch möchte ich die Mitlesenden bitten, einmal in Ruhe die Pressemitteilung des LG Köln zu lesen, denn die Kammer hat den erstinstanzlichen Freispruch für den angeklagten Arzt bestätigt: LG Köln

  • Bevor man etwas dazu sagen kann, wäre es sinnvoll erst einmal das gesamte Urteil zu lesen. Leider ist es bei JURIS noch nicht reingestellt. Eine rechtliche Entscheidung nur aufgrund einer Pressemitteilung zu beurteilen halte ich immer für mehr als gewagt.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich hab grade gelesen, der [irgendwas]Rat der Muslime hat sich über das Urteil beschwert, weil es der Integration von Muslimen entgegenwirken würde...

  • Was mich bei der angeblichen "Religionsfreiheit" stört ist, dass Kinder offenbar Vogelfrei sein sollen. Wenn man das Urteil umdrehen würde, was würde Eltern daran hindern wegen Ausübung des Glaubens XYZ das Kind zu tätowieren, piercen, brandmarken, ... opfern? So etwas ist in vielen Kulturen auf der Welt üblich.
    Ab wann gilt das verstümmeln eines Kindes ohne dessen Einwilligung nicht mehr als Religionsfreiheit? Solange die Zeichen eine Religion nicht öffentlich sichtbar sind? Was ist mit der Religionsfreiheit des Kindes, wenn es selbst einen Glauben wählen will? Ist es für das Kind gegenüber fair, wenn es sein Leben lang mit den Zeichen leben muss, um tagtäglich an die Geifer der Eltern-Religion erinnert zu werden, welche einen niemals loslassen werden?

  • Es passt zwar nicht zum Thema, aber ich betrachte es auch als Kindesmisshandlung, einem Kleinkind die Ohren durchstechen zu lassen. So gesehen bei einer Kollegin und ihrem Baby (!). Jeder Eingriff, der nicht medizinisch notwendig ist. Wobei ich sogar bei der Diskussion, noch ohne jeden Funken von Religion am Horizont, offenbar in ein Wespennest gestochen habe.


    Tom : Vielleicht möchtest Du noch den Buchstabendreher im Betreff ausbessern?

  • Zitat

    Original von Grisel


    Tom : Vielleicht möchtest Du noch den Buchstabendreher im Betreff ausbessern?


    Habe das für Tom übernommen. Übrigens sollte mein Beitrag keine Zustimmung zur Äußerung der dbk ausdrücken. Ich halte das Urteil (soweit es durch die Pressemitteilung bekannt ist) für stimmig ...

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Was wäre die katholische Kirche ohne die Reliquie der Vorhaut Christi? Da dieser ja bekanntlich intakt zum Himmel aufgefahren ist ist als Reliquie seines Körpers allein die heilige Vorhaut vorhanden- und da die Reliquienverehrung ja bekanntlich Wunder erzielt gibt es davon mindestens drei.

  • Das Hantieren mit dem Begriff "Religionsfreiheit", auch übrigens in der Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz, empfinde ich als, vorsichtig ausgedrückt, befremdlich. "Religionsfreiheit" besagt zunächst nur, dass jeder Bürger die Freiheit hat, sein persönliches Bekenntnis frei zu wählen und die Religion frei und ungestört (vor allem auch: ohne Verfolgung) auszuüben, so lange dadurch nicht essentielle(re) Rechte anderer missachtet werden. Sie impliziert mitnichten, dass im Rahmen dieser "Religionsfreiheit" jedes auch noch so absurde Ritual (wie hier die "Reste" von Opferritualen, nichts anderes nämlich ist Beschneidung) durchgeführt werden darf, etwa die Schächtung von lebenden Tieren (glücklicherweise inzwischen auch verboten), aber auch die - in vielen "heiligen Schriften" geforderte - aktive Verfolgung und Tötung von Ungläubigen. Das wäre ja noch schöner. Ich erfinde einfach eine Religion - und das geht verblüffend schnell -, zu deren Dogmen es gehört, dass Ungläubige ausgeraubt und vergewaltigt werden müssen, und poltere dann gegen meine Bestrafung, weil bitteschön meine Religionsfreiheit doch über allem anderen stehen müsste. Das sehen zwar einige Vertreter der verschiedenen Glaubensrichtungen so, aber wahr wird es dadurch noch lange nicht. "Religionsfreiheit" negiert nicht andere Bürgerrechte. Genau dieser Wahrnehmungsfehler aber ist es, der die Bischöfe, Imame und Rabbis jetzt rotieren lässt.


    Die Beschneidung ist ja nur die physische Spitze des Eisbergs. Kinder werden ab dem Säuglingsalter indoktriniert und mit göttlichen Drohungen verängstigt, was ihnen - meiner Meinung nach zweifelsfrei - die Möglichkeit nimmt, sich gegen die elterliche Religion oder Religionen grundsätzlich zu wenden. Auch das halte ich für Misshandlung und Körperverletzung, denn die Psyche gehört zum Körper (obwohl manch eine Religion auch das anders sieht). Nicht zuletzt deshalb begrüße ich dieses Urteil sehr und hoffe, dass der Schutz unschuldiger Kinderseelen vor religiösen Absurditäten demnächst noch verstärkt wird. Wer volljährig ist, hat das Recht und die Freiheit, sich für oder gegen irgendeinen Glauben zu entscheiden. Diese Entscheidung sollten auch Eltern nicht vorwegnehmen dürfen.


    Edit: Den wiederholten Verweis auf die möglichen medizinischen Vorteile einer Beschneidung, denen übrigens nachgewiesene Nachteile gegenüberstehen, empfinde ich als besonders peinlich. Wenn ein Arzt aus medizinischen Gründen rät, einen Jungen zu beschneiden, wie das übrigens - kein Scherz - bei mir geschehen ist, dann sollte das auch so geschehen. Im Zusammenhang mit dieser Diskussion aber ist das ein vorgeschobenes und haltloses Argument. Es hat auch gewisse Vorteile, keine Haare zu haben, weil man dann beispielsweise kaum noch Kopfläuse bekommen kann, aber ein Argument für eine religiöse Zwangsglatze ist das mitnichten.

  • Ich finde das Urteil gut und richtig.
    Egal ob bei Männer, Frauen, Mädchen, Jungen, keine Religion der Welt rechtfertigt irgendeine Verstümmelung.
    Für mich gibt es nur einen medizinischen Aspekt, wenn er der Gesundheit dient, Leben rettet und ich kann auch nicht die Anschauung verstehen, das man bei den Zeugen Jehovas kein Blutaustausch vornehmen darf, weil das gegen den Glauben spricht!???? Die Fälle werden sich wohl häufen, das der Eingriff in Zukunft aus gesundheitlichen Gründen vorgenommen wird, um ihn zu legalisieren, einer Strafe zu entgehen.
    Auch wie sich die katholische Kirche dazu äußert, kann ich nicht verstehen, wir leben tatsächlich in manchen Dingen noch wie in der Steinzeit.

  • Nicht nur Muslime fühlen sich angegriffen. Soeben lese ich in der Tageszeitung, ein "hochrangiger Rabbiner" habe erklärt, dieses Urteil stelle "einen Angriff auf die Identität" der Juden dar.
    Geht´s noch schlimmer? Was sind das für verquaste Vorstellungen, sich und seine Religion über abgeschnittene Vorhäute definieren?
    Die aufschlussreichen Reaktionen auf dieses Urteil zeigen einmal mehr den Irrwitz des religiösen Traditionalismus - und zwar aller Couleur. Und dass auch die katholischen Würdenträger sofort eine unheilige Allianz mit diesen Leuten bilden, denen religiöse Vorschriften über Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit gehen, kann nicht wirklich verwundern. Wie sagt es Tom so treffend:
    Die Beschneidung ist ja nur die physische Spitze des Eisbergs. Kinder werden ab dem Säuglingsalter indoktriniert und mit göttlichen Drohungen verängstigt, was ihnen ... die Möglichkeit nimmt, sich gegen die elterliche Religion oder Religionen grundsätzlich zu wenden. Auch das halte ich für Misshandlung und Körperverletzung, denn die Psyche gehört zum Körper (obwohl manch eine Religion auch das anders sieht).
    So ist es - auf den Punkt gebracht!


    Was immer im weiteren Lauf durch die juristischen (und gesellschaftlichen) Instanzen mit diesem Urteil geschieht, es ist ein mutiges Zeichen gegen die Menschenverachtung, die, scheinbar im Dienste irgendeines Gottes, Schmerz, Krieg und Unfreiheit über die Welt bringt.

  • Es mutet schon ein wenig merkwürdig an wie dieses Urteil des LG Köln zum Anlass genommen wird, zu einem Rundumschlag gegen die Religionen auszuholen. Rechtlich waren die Beschneidungen bisher immer umstritten. Sie jetzt aber quasi als "Grundformel" für die jüdische oder moslemische Religion aufzuwerten ist zutiefst lächerlich. Bei den Beschneidungen handelt es sich ohne Frage um eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne. Und ich gehe davon aus, dass auch der BGH und der EuGH zu keinem anderen Ergebnis kommen werden. Dieses Urteil aber mal wieder zum Anlass zu nehmen, hier eine religiöse Grundsatzdiskussionen führen zu wollen - ist schon ein stückweit erbärmlich.


    Was ist denn eigentlich passiert?


    Das Landgericht Köln hat einen Straftatbestand rechtlich gewürdigt. Nicht mehr und nicht weniger. Es hat sich nicht über Sinn und Unsinn von Religionen ausgelassen. Aber dafür haben wir in diesem Land ja andere Kräfte.... :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Voltaire.


    Ich finde schon, dass dieses Urteil ein guter Anlass ist, um darüber nachzudenken, was sich die Religionsgemeinschaften so herausnehmen und ob das in einer weitgehend aufgeklärten, säkularen Gesellschaft so noch hingenommen werden sollte. Das Urteil ist insofern mutig, dass es ein klares Signal gegen die starke Kirchenlobby markiert; sogar mit dem Vorwurf des Antisemitsmus' wurden die Richter übrigens inzwischen konfrontiert, was zwar einerseits wenig verwundert (das ist ja quasi ein Automatismus), andererseits aber zeigt, welchen Umgang und, vor allem, welche Sonderstellung die Kirchen nach wie vor für sich beanspruchen. Es wurde zwar ein konkreter Straftatvorwurf verhandelt und nicht das konkrete "Recht" der Religionsgemeinschaften, ihre Rituale und Vorschriften über dem Grundgesetz anzusiedeln (was nicht wenige durchaus tun, doch das hat mit Religionsfreiheit eben nichts zu tun - sie endet an dieser Stelle), aber es ist auch ein äußerst brisantes und in meinen Augen fraglos politisches Urteil. Und eines, dass man eben durchaus nutzen kann, um darüber nachzudenken, ob alles in Ordnung ist, was die Religionsgemeinschaften ihren Mitgliedern und, vor allem, deren Kindern so aufzwingen. Oder was Eltern ihren Kindern aufzwingen, weil sie glauben, die Religion würde das verlangen. Religion ist möglicherweise für den Einzelnen eine feine Sache, aber die Misshandlung von Schutzbedürftigen darf sie niemals rechtfertigen - genau das sagt dieses Urteil in meiner Lesart. Und Misshandlungen von Schutzbedürftigen gibt es in diesem Zusammenhang eben noch weit mehr als "nur" die sehr plakative Vorhautentfernung bei minderjährigen Jungen.

  • Das Urteil des LG Köln ist ein Urteil in einem Strafverfahren. Es ist weder politisch noch setzt es sich mit Einfluss und Gebaren der Religionsgemeinschaften in diesem Lande auseinander. Es geht in diesem Verfahren ausschließlich um den Straftatbestand der Körperverletzung.


    Natürlich kann man dieses Urteil zum Anlass nehmen um über die Stellung der Religionsgemeinschaften in diesem Lande zu diskutieren. Nur sollte man dabei das Urteil als das sehen was es ist. Es ist das Urteil eines Gerichtes in einem Strafverfahren. Einen anderen Hintergrund sollte man nicht in dieses Urteil hineininterpretieren. Religionspolitische Fragen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.


    Politischen Charakter wird dieses Verfahren/Urteil erst dann erhalten - wenn überhaupt - wenn der BGH bzw. der EuGH entschieden hat. Und das wird wohl noch ein Weilchen dauern - denn Voraussetzung dafür ist, dass gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt wird.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Lieber Voltaire,


    noch eine Ergänzung: Der angeklagte Arzt wurde ja freigesprochen (!), das Urteil in der Strafsache selbst fiel also aus diesem Blickwinkel positiv aus. Das Landgericht hat darüber hinaus aber die Beschneidung aus religiösen Gründen für strafwürdig erklärt, begründet u.a. hierdurch: "Diese Veränderung (also die Beschneidung, Anm. Tom) läuft dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden, zuwider." Dieser Satz gehört sehr aufmerksam gelesen und interpretiert. Er ordnet das Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, über der Religions(ausübungs)freiheit der Eltern an. Hier zwar im Zusammenhang mit einer körperlichen Misshandlung, aber eigentlich öffnet dieses Urteil auch die Tür für die Verhinderung weiterer Formen religiöser Misshandlung durch Eltern an ihren eigenen Kindern. Die "Zeugen Jehovas" wurden hier ja schon genannt. ;-)

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Es mutet schon ein wenig merkwürdig an wie dieses Urteil des LG Köln zum Anlass genommen wird, zu einem Rundumschlag gegen die Religionen auszuholen. ...
    Was ist denn eigentlich passiert?
    Das Landgericht Köln hat einen Straftatbestand rechtlich gewürdigt. Nicht mehr und nicht weniger. Es hat sich nicht über Sinn und Unsinn von Religionen ausgelassen. Aber dafür haben wir in diesem Land ja andere Kräfte.... :grin


    Von einem "Rundumschlag gegen die Religionen" kann keine Rede sein, lieber Voltaire. Es geht, und das sieht man an allen bisherigen Beiträgen, um die Frage, ob bestimmte Praktiken der Religionsausübung auch massive Einriffe in die körperliche Unversehrtheit und Einschränkungen der Menschenwürde legitimieren.
    Und natürlich hat sich das Gericht nicht über "Sinn und Unsinn von Religionen ausgelassen". Das war ja gar nicht seine Aufgabe. Zu dieser Diskussion tragen nun die Herrschaften Würdenträger selbt bei. In frappierender Einigkeit selbst der verfeindetsten religiösen Gruppen begehren sie auf, weil sie ihre überkommenen Wertevorstellungen ebenso in Gefahr sehen wie ihre Macht über die Menschen.
    Gottesmänner und Heilsbringer aller Art, beschnittende und unbeschnittene, haben durch ihren wütenden Aufschrei selbst für diese Diskussion über "Sinn und Unsinn" gesorgt.
    Man braucht sich nur anzusehen, was sie sagen. Und seine Schlüsse daraus ziehen.

  • Zitat

    Original von Voltaire: Das Urteil des LG Köln ist ein Urteil in einem Strafverfahren. Es ist weder politisch noch setzt es sich mit Einfluss und Gebaren der Religionsgemeinschaften in diesem Lande auseinander. Es geht in diesem Verfahren ausschließlich um den Straftatbestand der Körperverletzung. Natürlich kann man dieses Urteil zum Anlass nehmen um über die Stellung der Religionsgemeinschaften in diesem Lande zu diskutieren. Nur sollte man dabei das Urteil als das sehen was es ist. Es ist das Urteil eines Gerichtes in einem Strafverfahren. Einen anderen Hintergrund sollte man nicht in dieses Urteil hineininterpretieren. Religionspolitische Fragen waren nicht Gegenstand des Verfahrens. Politischen Charakter wird dieses Verfahren/Urteil erst dann erhalten - wenn überhaupt - wenn der BGH bzw. der EuGH entschieden hat. Und das wird wohl noch ein Weilchen dauern - denn Voraussetzung dafür ist, dass gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt wird.


    Voltaire, Du hast meines Erachtens nur bedingt Recht, wenn Du der Auffassung bist, keinen politischen Charakter in dieses Urteil hineinzulesen. Gewiss war die Strafgerichtskammer nicht dafür zuständig, ein verfassungsrechtliches Grundsatzurteil zur Beschneidung von Jungen aus religiösen Motiven zu fällen; erspart geblieben ist ihr in Vorbereitung auf dieses Urteil jedoch die Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung zu den betroffenen Grundrechten mit Sicherheit nicht.


    Diesem Urteil die religiöse Komponente abzusprechen, halte ich ebenfalls nicht für richtig. Zum einen musste sich die Kammer damit auseinandersetzen, warum eine Beschneidung - und zwar nicht aus medizinischer Notwendigkeit, sondern mit einem religiösen Hintergrund - stattgefunden hat; zum anderen erhält dieses Urteil eine religionspolitische Dimension durch streitbare Äußerungen höchster Vertreter unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften.
    Sich mit den Einzelheiten des Urteils zu beschäftigen ist sicherlich erst nach dessen Veröffentlichung sinnvoll; ebenso die Beschäftigung mit den Presseerklärungen der Religionsvertreter, die im rechten Lichte betrachtet, das eine oder andere Argument pro Beschneidung nach intensiver Befassung zunichte machen.