'Da gehen doch nur Bekloppte hin' - Seiten 054 – 088

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    Original von beowulf
    Bei Scheidungen führt der Weg nicht selten direkt abwärts und mit Johnny W. im Arm direkt in die Suchtklinik.


    Da musste ich spontan an den Slogan eines Rechtsanwalts denken, den ich erst kürzlich im Vorbeifahren gelesen habe: "Wir machen Ihre Scheidung schöner als die Hochzeit". :wow
    Würden Therapeuten ähnlich plakativ werben, würde ich vermutlich an deren Seriosität zweifeln...

  • Ich bezweifele die Unseriösität dieser Werbung des Kollegen nicht im Gericngsten. Schade, das so etwas nict mehr verboten ist- es ist meiner Ansicht nach einfach geschmacklos. Bei einer Scheidung leiden in der Regel die Beteiligten schwer, da sind viele Verletzungen vorangegangen, die Kinder leiden und müssen ebenfalls therapiert werden und dann das mit einer Feier zu vergleichen, dazu fällt mir nur ein: Max Liebermann 30.01.1939.

  • Zitat

    Original von LeseBär
    Da musste ich spontan an den Slogan eines Rechtsanwalts denken, den ich erst kürzlich im Vorbeifahren gelesen habe: "Wir machen Ihre Scheidung schöner als die Hochzeit". :wow


    :rotekarte


    Zitat

    Original von beowulf
    Schade, das so etwas nict mehr verboten ist- es ist meiner Ansicht nach einfach geschmacklos. Bei einer Scheidung leiden in der Regel die Beteiligten schwer, da sind viele Verletzungen vorangegangen, die Kinder leiden und müssen ebenfalls therapiert werden und dann das mit einer Feier zu vergleichen, dazu fällt mir nur ein: Max Liebermann 30.01.1939.


    :write

  • Hallo,


    so, jetzt bin ich auch durch Teil zwei - na ja, eigentlich schon viel weiter. Das Buch liest sich flott, es ist unterhaltsam geschrieben. Diese Erklärung der verschiedenen Arten von Therapie und der Ausbildung von Therapeuten fand ich sehr gut, denn da kannte ich mich nicht so genau aus.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Gibt es eigentlich eine Theorie, warum Scheidungen für Menschen so schlimm sind? Immer wieder lese ich davon, dass das Menschen extrem depressiv macht. Und zwar explizit Scheidung. - Was ist mit denjenigen, die sich nach langer Zeit trennen, aber nie verheiratet werden? Sind die damit auch gemeint, oder ist es wirklich der Scheidungsvorgang statt der Trennung, die so schmerzhaft ist?


    Ich finde die Idee, Glück im Unterricht zu behandeln, toll, frage mich allerdings, ob das nicht in den Ethikunterricht einfließen kann? Oder gibt es den gar nicht überall? Mich würde sehr interessieren, welche Glücks-Theorien dann auf den Tisch kommen. Ich habe einen Artikel gelesen, in dem es darum ging, dass Aktivitäten auf Dauer glücksteigernd wirken – wenn man bestimmte Dinge dabei einhält. Ist extrem interessant. Und das Buch von Hirschhausen zum Thema ist auch sehr gut.


    Katerina, hättest du gerne die Möglichkeit gehabt, auch Medikamente zu verschreiben, oder war es eher ein gutes Gefühl, Patienten sagen zu können, dass man das nicht könne? Ich könnte mir vorstellen, dass sonst vermehrt Patienten lieber Medikamente wollen, als an sich zu arbeiten. – Oder ist das eine falsche Vorstellung?


    Zum Thema schlimme Dinge berichten: Ich habe eine Patientin erlebt, die erzählt hat, dass sie es total furchtbar fand, dass ihr erster Therapeut (Psychoanalyse) meinte, es müsse erst wehtun etc. Jede Stunde kam sie heulend heraus, weil er wollte, dass sie immer wieder über die schlimmsten Dinge spricht – obwohl sie das gar nicht wollte. Sie hat für sich dann eine andere Therapieform entschieden.
    Katerina, wie ist das so, reden die Menschen eher über ihre Vergangenheit oder eher über die Geschehnisse der letzten Woche?


    Ich fand die Darstellung der verschiedenen Berufe auch sehr informativ. Jetzt kann ich das vielleicht auch mal jemandem vernünftig erklären. Dazu fällt mir ein: In einer Fernsehsendung ist letztens ein Psychologe in eine Wohnung gekommen und konnte anhand der Gegenstände dort ein 1A Bild des Täters liefern. Ich war schon verwirrt und habe mich gefragt, ob das möglich ist. Die Studien, die ich zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Wohnungseinrichtung kenne, finden keinen Zusammenhang. –Sprich: Die Menschen waren nicht in der Lage, aus der Einrichtung die Persönlichkeit übereinstimmen mit der dort wohnenden Person einzuschätzen.


    Johanna : Bitte ein Buch über VT schreiben! :) - Vertreten Tiefenpsychologie und VT so verschiedene Ansichten?


    Meint ihr mit Gesprächstherapie die „klientenorientierte Gesprächsführung“, das ist Rogers, oder? Ich finde den Ansatz richtig toll. Das reflektierende Team aus dem systemischen Ansatz auch. Ich war erstaunt, wie gut das funktioniert hat – Menschen mit Problemen helfen, ohne zu tief in die Vergangenheit zu gehen, sondern durch Konzentration auf die Gegenwart. ABER: Es gab folgende Situation. Ein Mädchen wollte wissen, ob sie ihren Bruder zu ihrer Hochzeit einladen soll. Ich war sehr stolz, dass sie am Ende der Stunde mit einem für sie befriedigenden Ergebnis ging. Später hat sie mir dann erzählt, dass die Hochzeit gar nicht stattfindet – sie hat sich von ihrem Verlobten getrennt. Dadurch frage ich mich schon, ob es ihr nicht von Anfang an mehr geholfen hätte, wenn man weiter vorgedrungen wäre. Vielleicht war der Bruder nur vorgeschoben.


    Katerina, du schreibst, es nütze nichts, wenn Menschen etwas Wissen, es ihnen noch einmal zu sagen. Das ist das Beispiel mit der Klientin, die nichts aus sich gemacht hat. Ich glaube aber, dass zwischen reinem Wissen, dass es etwas gibt und der Erkenntnis, dass man das auch für sich selbst nutzen könnte – oder dass es das eigene Problem ist, durchaus ein Unterschied besteht.

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von JASS ()

  • Zitat

    Original von JASS
    Gibt es eigentlich eine Theorie, warum Scheidungen für Menschen so schlimm sind? Immer wieder lese ich davon, dass das Menschen extrem depressiv macht. Und zwar explizit Scheidung. - Was ist mit denjenigen, die sich nach langer Zeit trennen, aber nie verheiratet werden? Sind die damit auch gemeint, oder ist es wirklich der Scheidungsvorgang statt der Trennung, die so schmerzhaft ist?


    Einige der spannendsten Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte im Bereich der Psychologie und Psychotherapie hat die Bindungsforschung geliefert (zumal sie ziemlich nahtlos mit der psychoanalytischen Theorie verbunden werden kann, was ich natürlich praktisch finde :-)).
    Die Bindungstheorien fußen darauf, dass Menschen keine Nestflüchter sind. Wir sind in unseren ersten Lebensjahren völlig hilflos und auf verlässliche Unterstützung angewiesen. Entfernt sich die Mutter, bedeutet das für kleine Kinder Stress, denn es ist prinzipiell lebensbedrohlich. Deshalb auch beispielsweise die Dramen beim Zubettbringen. "Mama legt mich irgendwo ab und verschwindet" konnte früher, als man noch durch die Savanne streifte, tatsächlich den Tod bedeuten, wie ja auch Tierkinder leichte Beute werden, wenn die Mutter weg ist, um was zum Fressen zu besorgen. Der Wunsch, uns zu binden, begleitet uns ein Leben lang, und alles, was damit zusammenhängt, ist aufgrund der Tatsache, dass Bindung für uns in den frühen Jahren lebenswichtig ist, enorm emotional aufgeladen. Frisch Verliebte wollen ständig Körperkontakt, kriegen Panik, wenn der andere sich nicht meldet, vielleicht reden sie manchmal sogar in Babysprache miteinander. :rolleyes Und ebenso, wie eine neue Bindung diese ganz frühen, elementaren Bedürfnisse aktiviert, rührt eine Trennung an diese ganz frühen, elementaren Ängste. Diese Emotionen sind älter als die Menschheit und deshalb rational auch schwer zu begreifen.


    Zitat

    Ich finde die Idee, Glück im Unterricht zu behandeln, toll, frage mich allerdings, ob das nicht in den Ethikunterricht einfließen kann? Oder gibt es den gar nicht überall? Mich würde sehr interessieren, welche Glücks-Theorien dann auf den Tisch kommen. Ich habe einen Artikel gelesen, in dem es darum ging, dass Aktivitäten auf Dauer glücksteigernd wirken – wenn man bestimmte Dinge dabei einhält. Ist extrem interessant. Und das Buch von Hirschhausen zum Thema ist auch sehr gut.


    Egal in welchem Fach, ich würde mir natürlich generell wünschen, dass Menschen ein bisschen mehr darüber lernen, wie man sein Leben zufriedenstellend gestalten kann. Darauf, dass Menschen das von ihren Eltern lernen, kann man sich eben nicht immer verlassen ...


    Zitat

    Katerina, hättest du gerne die Möglichkeit gehabt, auch Medikamente zu verschreiben, oder war es eher ein gutes Gefühl, Patienten sagen zu können, dass man das nicht könne? Ich könnte mir vorstellen, dass sonst vermehrt Patienten lieber Medikamente wollen, als an sich zu arbeiten. – Oder ist das eine falsche Vorstellung?


    Ich persönlich finde es nicht so schlimm, dass ich das nicht darf, aber ich kann gut verstehen (und bin auch dafür), dass die Psychologischen Psychotherapeuten dieses Recht bekommen.
    Ja, das ist wirklich eine falsche Vorstellung. ;-) Ich kämpfe ständig mit dem gegenteiligen Problem. Man weiß mittlerweile, dass für viele Depressionen die absolut optimale Methode eine Mischung von Psychotherapie und Antidepressiva ist. Eins allein wirkt nicht so gut wie beides zusammen. Bei vielen Patienten brauche ich allerdings manchmal fast die halbe Therapie, bis ich sie dazu motiviert habe, sich ein Medikament verschreiben zu lassen. Die Argumente sind: Aber das ist doch was Künstliches, ich will keine Chemie in meinem Körper haben etc. Wenn ich sie dann davon überzeugt habe, habe ich nach einigen Wochen das Gefühl: Da sitzt jetzt endlich der Mensch vor mir, der im Vollbesitz seiner psychischen Kräfte ist. Jetzt können wir endlich anfangen, daran zu arbeiten, wie er sie auch behalten kann. Und dann passiert es ständig, dass jemand kommt, dem es aus mir unerfindlichen Gründen plötzlich wieder viel schlechter geht. Und der mir dann gesteht, heimlich die Tabletten wieder abgesetzt zu haben, bevor er ausreichend stabilisiert ist. Begründung: Aber mir geht es doch jetzt wieder gut. :bonk


    Zitat

    Zum Thema schlimme Dinge berichten: Ich habe eine Patientin erlebt, die erzählt hat, dass sie es total furchtbar fand, dass ihr erster Therapeut (Psychoanalyse) meinte, es müsse erst wehtun etc. Jede Stunde kam sie heulend heraus, weil er wollte, dass sie immer wieder über die schlimmsten Dinge spricht – obwohl sie das gar nicht wollte. Sie hat für sich dann eine andere Therapieform entschieden.


    Sowas nennt man Retraumatisierung. Hätte ich den Herrn in der Ausbildung gehabt, hätte ich ihm die Ohren auf Kaninchengröße langgezogen.


    Zitat

    Katerina, wie ist das so, reden die Menschen eher über ihre Vergangenheit oder eher über die Geschehnisse der letzten Woche?


    Wenn sie erst mal wissen, dass sie über alles reden dürfen, weil alles zielführend (da ein Teil von ihnen) ist, reden sie über alles, was das Unbewusste nach oben schickt. Das kann etwas von letzter Woche sein oder etwas, das sie gerade vor der Tür erlebt haben. Und dann frage ich halt immer auch mal, wie irgendetwas früher war.


    Zitat

    Ich fand die Darstellung der verschiedenen Berufe auch sehr informativ. Jetzt kann ich das vielleicht auch mal jemandem vernünftig erklären. Dazu fällt mir ein: In einer Fernsehsendung ist letztens ein Psychologe in eine Wohnung gekommen und konnte anhand der Gegenstände dort ein 1A Bild des Täters liefern. Ich war schon verwirrt und habe mich gefragt, ob das möglich ist. Die Studien, die ich zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Wohnungseinrichtung kenne, finden keinen Zusammenhang. –Sprich: Die Menschen waren nicht in der Lage, aus der Einrichtung die Persönlichkeit übereinstimmen mit der dort wohnenden Person einzuschätzen.


    Johanna : Bitte ein Buch über VT schreiben! :) - Vertreten Tiefenpsychologie und VT so verschiedene Ansichten?


    Ich beantworte mal die beiden Fragen in einer :grin: Sowohl Verhaltenstherapeuten als auch Tiefenpsychologen haben mir bestätigt, dass die Praxen von Verhaltenstherapeuten und Tiefenpsychologen oft schon auf den ersten Blick zu unterscheiden sind.
    Als ich jetzt meinen halben (tiefenpsychologischen) Praxissitz an eine (verhaltenstherapeutische) Kollegin abgeben habe, hat die freundlich, aber bestimmt deutlich gemacht, dass sie in ihrem Bereich alle Möbel und den Fußbodenbelag rauswerfen will. Unsere Behandlungszimmer sind ja immer eine Mischung zwischen Praxis und Wohnzimmer, aber bei den Verhaltenstherapeuten sieht es meist mehr nach Praxis, bei uns mehr nach Wohnzimmer aus. Die Bilder an den Wänden der Tiefenpsychologen sind oft etwas geheimnisvoll, bei Verhaltenstherapeuten oft eher abstrakt. Bei Verhaltenstherapeuten sieht es meist aus wie geleckt, bei uns mitunter etwas verwohnt. :lache


    Zitat

    Meint ihr mit Gesprächstherapie die „klientenorientierte Gesprächsführung“, das ist Rogers, oder? Ich finde den Ansatz richtig toll. Das reflektierende Team aus dem systemischen Ansatz auch. Ich war erstaunt, wie gut das funktioniert hat – Menschen mit Problemen helfen, ohne zu tief in die Vergangenheit zu gehen, sondern durch Konzentration auf die Gegenwart. ABER: Es gab folgende Situation. Ein Mädchen wollte wissen, ob sie ihren Bruder zu ihrer Hochzeit einladen soll. Ich war sehr stolz, dass sie am Ende der Stunde mit einem für sie befriedigenden Ergebnis ging. Später hat sie mir dann erzählt, dass die Hochzeit gar nicht stattfindet – sie hat sich von ihrem Verlobten getrennt. Dadurch frage ich mich schon, ob es ihr nicht von Anfang an mehr geholfen hätte, wenn man weiter vorgedrungen wäre. Vielleicht war der Bruder nur vorgeschoben.


    Das ist nicht unbedingt sicher. Die Hauptsache ist, dass sie rechtzeitig gemerkt hat, dass sie dabei war, einen Fehler zu machen. Und wer weiß, ob das, was sie da in der Stunde gemerkt hat, nicht auch dazu beigestragen hat.


    Zitat

    Katerina, du schreibst, es nütze nichts, wenn Menschen etwas Wissen, es ihnen noch einmal zu sagen. Das ist das Beispiel mit der Klientin, die nichts aus sich gemacht hat. Ich glaube aber, dass zwischen reinem Wissen, dass es etwas gibt und der Erkenntnis, dass man das auch für sich selbst nutzen könnte – oder dass es das eigene Problem ist, durchaus ein Unterschied besteht.


    Aber in dem Fall hätte es ja nichts genützt, wenn sie alles für sich genutzt hätte, was Kosmetik- und Klamottenläden so hergeben. Da die Ursachen nicht bearbeitet waren, hätte es zu einer Symptomverschiebung kommen können. Vielleicht wäre sie dann hübscher gewesen, aber sie hätte vielleicht so böse geguckt, dass sie kein Mann zweimal angeschaut hätte.