'Die göttliche Komödie' - Hölle - 20. - 34. Gesang

  • Ich emfand die Bestrafungen auch als ziemlich grausam. Sie spiegeln ganz gut die Foltermethoden des Mittelalters wieder.


    Aber jetzt weiß ich langsam, wo die ganzen Klischeedarstellungen der Hölle herkommen. Es kommt beispielsweise eine Stelle vor, wo die Sünder von kleinen, roten Teufeln mit Spießen in die Lava gedrückt werden.

  • Zitat

    Original von made
    Ich habe schon etwas schlucken müssen, als Vergil Dante wegen seines Mitleid mit dem Sünder tadelt.


    Ja, und nicht nur einmal. Das ist eine für mich vollkommen fremde Vorstellung von Gerechtigkeit, bei der so streng nach Formalitäten geurteilt wird (z.B. die Szene, wenn der Teufel wegen der im voraus erteilten Absolution Einspruch erhebt und sich quasi jurisisch das Anrecht auf diese Seele erstreitet).
    Jede unbereute Sünde muß offenbar mitleidlos geahndet werden, oder die Welt fliegt auseinander. Ein "Schwamm drüber, vergessen wir's" ist gar nicht möglich.


    Es wäre interessant, der Sündenliste Dantes mal eine aus heutiger Sicht entgegenzustellen. Was würde man heutzutage als schlimmste Untat ansehen? Wahrscheinlich wären Kindesmißbrauch und Vergewaltigung ziemlich weit oben.


    Zum Teil habe ich auch das Gefühl, das Werk erzählt mir mehr über Politik und Gesellschaft als über religiöse Vorstellungen.


    Faszinierend finde ich auch die völlig unkritische und streckenweise auch noch lückenhafte Übernahme antiker Vorstellungen. Homer gilt für Dante zwar als der größte Dichter, aber er kennt die Odyssee offenbar nicht.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Im 33. Gesang führt Dante den Sünder bewußt in die Irre, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Ist das keine Sünde? Aber mit den Bewohnern der Hölle darf man das wohl tun. Das Mitleid mit den Gequälten, das Dante anfangs noch hatte, ist verschwunden.
    Das ist wohl derselbe Effekt, der sich später bei den Hexenverbrennungen zeigte, wo es jede Menge Zuschauer gegeben hat, die wohl kaum Mitleid hatten, sonst hätten sie sicher nicht zu geschaut.

  • Nebenbei bemerkt: Eis hätte ich in der Hölle nicht erwartet.


    Doch zur Sache: Ich bin schon enttäuscht, wen wir da am tiefsten in der Hölle finden. Judas ist ja aus Sicht der christlichen Kirche noch irgendwie verständlich, auch wenn nicht er es war, der Jesus tötete. Doch warum jetzt ausgerechnet Brutus und Cassius, die Caesar auf dem Gewissen haben, die schlimmsten Sünder sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen, dann doch wenigstens Nero.


    Aber jetzt bin ich tatsächlich neugierig geworden, wen Dante in den Himmel lässt.

  • Zitat

    Original von made
    Doch warum jetzt ausgerechnet Brutus und Cassius, die Caesar auf dem Gewissen haben, die schlimmsten Sünder sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen


    Das war der Punkt, an dem ich endgültig gedacht habe: das Buch hat mit Religion nichts zu tun. - Der Grund, warum Brutus und Cassius gemeinsam mit Judas die schlimmsten aller Sünder sind, laut Kommentar: sie haben den Gründer des Römischen Reiches ermordet, als dessen legitime Nachfolger sich die "Lateiner" sehen. Und das steht offenbar auf derselben Stufe wie der Verrat an Jesus Christus.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Ich vermute, dass damals keine Trennung zwischen Kirche und Politik oder gar Glaube und Kirche stattfand. Jeder und alles, was zur Gründung oder Machterhalt der Kirche betrug, war in den Augen der breiten Masse gottgefällig.


    Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich weiter lesen oder das Buch für einige Zeit beiseite legen soll.

  • Wahrscheinlich hast du recht, was die damalige Haltung zu Glauben und Macht angeht. Aber mir fällt's ungeheuer schwer, mich da hinein zu denken. Dieses Inferno kommt mir vor wie ein kunterbunter Eintopf aus antiken Sagen, christlich-religiösen Vorstellungen, oberitalienischer und altrömischer Geschichte, gewürzt mit einer Menge Lokalpatriotismus.


    Mir macht das Lesen inzwischen allerdings richtig Spaß, ich werde also sicher dabei bleiben. Obwohl diese Leserunde sich bisher enttäuschend anläßt. Es waren doch gar nicht so wenig Leute, die mitmachen wollten?

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Zitat

    Original von Josefa
    Aber mir fällt's ungeheuer schwer, mich da hinein zu denken.


    Solche Bücher erinnern mich immer wieder daran, wie schwer es generell ist, sich in andere Zeiten und Menschen hineinzuversetzen. Also Vorsicht mit vorschnellen Aussagen wie: Ich würde oder täte....

  • Irgendwie hatte ich wohl erwartet, dass ich in diesem Werk jede Menge Bekannte treffen werde, und bin jetzt ein bisschen enttäuscht. Doch eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass Dante für seine Zeitgenossen geschrieben hat. Mein Fehler!


    (Das sollte eigentlich ein Beitrag für das Fegefeuer bis 11. Gesang sein.)