"Der eingebildete Kranke" Moliére

  • Ich habe es mal zu den Klassikern verschoben und hier gleich


    Meine Meinung:


    Köstlich!!! :lache
    Wer ein relativ kurzes (rund 80 Seiten) Theaterstück lesen möchte, bei dem fast durchgehend geschmunzelt bis herzlich gelacht werden darf und wer gleichzeitig süffisante Ironie und beißenden Zynismus bei den Bemerkungen über Gesellschaft, Mensch und Medizin schätzt, dem sei "Der eingebildete Kranke" dringend ans Herz gelegt. Der ach so leidende Kranke will seine Tochter mit einem Arzt verheiraten, weil ein solcher Schwiegersohn ihm selbst am besten passt und meisten nützt – da bedarf es des ganzen Einfallreichtums der anderen Beteiligten, um diese unglückliche Verbindung zu verhindern. Und doch steckt noch viel mehr in den einzelnen Dialogen, die Molière scharfzüngig und spitz wie ein Seziermesser ansetzt, um die Einfältigkeit, Gutgläubigkeit und Unfähigkeit der vermeintlich Klugen zu entlarven. Dabei macht er auch vor sich selbst nicht halt, lässt er doch eine der Figuren eine andere zu einer Komödie von Molière einladen – diesem "unverschämten Burschen [...] der über Ordinationen und Rezepte Witze macht und die ganze Ärzteschaft beschimpft". Es ist wohl eine tragikomische Ironie, wie sie nur das Leben schreiben kann, dass Molière, der bei den Aufführungen seiner Stücke grundsätzlich und auch hier selbst die Hauptrolle übernahm, bei der vierten Vorstellung als eingebildet Kranker einen Blutsturz erlitt und wenige Stunden später starb.


    9 Punkte für diesen Spaß! :grin


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    P.S.: In meiner Diogenes-Ausgabe ist der letzte Teil (der Massen-Auftritt) auf Latein und ohne Übersetzung :-( Da meine Latein-Kenntnisse schon arg eingerostet sind, habe ich nur eine sehr diffuse Ahnung, was da gesprochen/gesungen wird. Kann mir jemand helfen? :help

  • Mir hat die Komödie von Moliére sehr gut gefallen,
    voller Ironie und Witz, ließt sich unglaublich leicht,
    und ist unterhaltsam.
    Ich musste daran denken, irgendwie hat das Buch immer noch seine Aktualität, obwohl es um die 1670 geschrieben wurde.
    Übrigens, interessant war, als die Komödie im Theater aufgeführt wurde, war der Moliér selbst krank und musste aber seine Rolle als
    "eingebildeter Kranker " spielen. Ironie des Schicksals. :-]

    Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen,

    der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig. :lesend
    Ernst R. Hauschka

    Liebe Grüße von Estha :blume

  • ich schließe mich gerne der Meinung an, dieses Stück auf jeden Fall zu lesen. Warum und wieso, hier meine Rezension:


    Kritik vom Feinsten
    In der Tragikomödie „Der eingebildete Kranke“ von Molière handelt es sich um einen Mann, der glaubt, dass er ziemlich krank ist und deshalb medizinischer Hilfe bedarf.


    Das Stück in drei Akten beginnt mit der Vorstellung der Hauptperson Argan, der sich in eine Art Zwiegespräch befindet. In diesem Selbstgespräch wird deutlich, dass er ziemlich viel Geld für Medizin ausgibt, die ihm sein Arzt verordnet hat. Außerdem wird deutlich, dass Argan tatsächlich glaubt, schwer krank zu sein und drangsaliert deshalb seine nähere Umgebung. Er ist so überzeugt von seiner schweren Erkrankung, dass er sogar bereit ist, seine Tochter dafür zu opfern, indem er sie gegen ihren Willen mit einem jungen Arzt verheiraten möchte. Seine Tochter Angelika ist über diese Heiratsvorstellung nicht im Bilde und liebt einen anderen, den sie heiraten möchte. Nur durch gutes Geschick der Angestellten Toinette wird die Heiratsvorstellung von Argan vereitelt, des Weiteren kann sie ihrem Vorgesetzten aufzeigen, dass er sich seine Krankheit von seinem Arzt einreden lässt und sie schafft es zu zeigen, dass die Frau von Argan eine Betrügerin ist.


    Die Tragikomödie bzw. Ballettkomödie wurde am 10. Februar 1673 unter dem Titel „Le Malade imagninaire“ uraufgeführt (vgl. S. 82).
    Die Hauptpersonen sind Argan und seine Tochter Angelika, sowie die Angestellte Toinette. In den Nebenrollen sind neun weitere Personen.
    Diese Tragikomödie ist in drei Akten aufgeteilt und jeder Akt besteht aus unterschiedlichen Szenen. Der erste und zweite Akt besteht aus jeweils acht Szenen, der letzte Akt aus vierzehn Szenen.
    Im ersten Akt spielen zwischen einer und vier Personen in einer jeweiligen Szene. In dem weiteren Akt sind es zwischen zwei und sieben Personen in den Szenen zu finden und im letzten Akt zwischen zwei und fünf Personen, wobei die Anzahl drei der spielenden Personen überwiegt.


    Der Protagonist Argan ist eine Person, der gerne sämtliche Fäden in seiner Hand hält. Zudem liebt er den Zustand der Machtausübung, wie schon in der ersten Szene des ersten Aktes deutlich wird, indem er ungehalten reagiert, als niemand auf sein läuten reagiert. Noch deutlicher wird es in der darauffolgenden Szene, denn er bezeichnet seine Angestellte Toinette mit entwürdigender Ausdrucksweise, nämlich mit „Luder“ und „Miststück“ (vgl. S. 11).
    Argan ist aber auch eine Person, der sich leicht manipulieren lässt. Dies wird unter anderem daran deutlich, dass er sich schnell für ein Testament erweichen lässt, dass Zugunsten seiner zweiten Frau ausfallen soll und zu ungunsten seiner beiden Töchter. Aus dem Text geht hervor, dass zu Lebzeiten von Moliere in Paris das Gewohnheitsrecht gilt. Im Klartext bedeutet dies, dass zum Zeitpunkt des Todes eines Mannes keine Kinder da sein dürfen, denn diese würden automatisch erben und eine Ehefrau würde leer ausgehen. Um dieses Problem zu umschiffen, schlägt der Notar von Argan vor, seiner Frau eine Schenkung zu übergeben, außerdem sollen Strohmänner „unanfechtbare Schuldverschreibungen“ ausgestellt bekommen (vgl. S. 26) und dieses Geld soll dann an seine Frau weitergereicht werden. In diesem Fall würden seine beiden Töchter leer ausgehen. Argan kommt gar nicht auf die Idee, dass seine Frau ihn hintergehen möchte, dass sie ihn ausnehmen möchte wie eine Weihnachtsgans.


    Die weitere Hauptperson in diesem Stück ist die ältere Tochter Angelika von Argan. Angelika ist verliebt und möchte diesen Mann gerne heiraten, sie ist also ziemlich mit sich selbst beschäftigt und von daher gegenüber ihrer Umwelt desinteressiert, wie sich beispielsweise daran zeigt, als Toinette sie darüber aufklärt, dass ihre Stiefmutter gerade dabei ist, das gesamte Vermögen von Argan unter den Nagel zu reißen. Die Reaktion von Angelika ist „Über sein Geld kann er verfügen nach Laune, über mein Herz bitte nicht.“(vgl. S. 28)


    Die Rolle der Angestellten Toinette ist eine sehr interessante. Sie ist zwar Angestellte und man kann davon ausgehen, dass sie über keine Bildung verfügt und dennoch ist sie diejenige, die den wahren Charakter der Menschen erkennt und sie weiß auch, wie man diese entlarven kann. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass sie mitbekommt, wie die Ehefrau von Argan dabei ist, das Vermögen von ihm für sich zu sichern und ihrem Mann eine tiefe Liebe vorspielt. Um Argan die Augen zu öffnen über den wahren Charakter seiner Frau, schlägt sie ihm vor, sich tot zu stellen. Argan lässt sich darauf ein und als seine Frau von seinem vermeintlichen Tod hört, sagt die Frau zur Angestellten: „Gott sei Dank! Daß ich diese Last los bin!! Jetzt sei doch nicht so blöd und gräm dich wegen so was.“ (vgl. S. 70)
    Die Angestellte lässt sich nicht alles gefallen und sie weiß, wie sie ihren Herrn in seine Schranken weisen kann. Wenn es ihr nützlich ist, erinnert sie Argan daran, dass er krank sei (vgl. z.B. S. 21), obwohl sie vom Gegenteil überzeugt ist. Ihr Vorgesetzter versucht durchaus zu zeigen, wer der Herr im Haus ist:
    „Argan: Wo sind wir denn eigentlich? So ein Miststück von Hausmädchen, spricht man so mit seinem Herrn?
    Toinette: Wenn ein Herr nicht weiß, was er tut, hat ein vernünftiges Hausmädchen das Recht, ihn wieder zur Vernunft zu bringen.“(vgl. S. 21)
    Aber nicht nur, dass sie als Angestellte die Menschen durchschaut und sich zu wehren weiß, sondern sie ist auch eine Person, die sich für andere stark macht. Wie sehr sie sich für Menschen einsetzt, zeigt sich, als es um die Zwangsheirat von Angelika geht. Toinette weiß von Angelika, dass sie einen anderen Mann liebt und diesen auch heiraten möchte, aber ihr Vater hat andere Pläne. Toinette verspricht Angelika, ihr zu helfen, doch das ist nur möglich, wenn sie Argan und seiner Frau vorspielt, dass sie ihrer Meinung sei.
    Als Argan den Toten spielt und die Reaktion seiner Frau schon kennt, kommt Toinette auf die Idee, dass er vorerst weiterhin den Toten spielen soll, um die Reaktion seiner älteren Tochter ebenfalls kennenzulernen. Angelika ist in diese Pläne nicht eingeweiht und somit ist ihre Reaktion auf den vermeintlichen Tod ihres Vaters echt. Sie gerät sofort in tiefe Trauer und bereut, dass sie nicht die Heiratswünsche ihres Vaters erfüllt hat und ist bereit, auf ihren Liebhaber zu verzichten. Als ihr Vater diese Worte hört, willigt er in die Heirat des Liebhabers ein.


    In dieser Ballettkomödie gibt es demnach zwei Handlungsstränge, nämlich einerseits der Hypochonder Argan und die Heirat von Angelika.
    Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Molière einen Hypochonder darstellen möchte, doch tatsächlich geht es ihm um die Kritik der Ärzte in seiner Zeit. Natürlich kann man den Stand der Medizin zu Lebzeiten von Molière nicht mit unserem heutigen Stand vergleichen, dennoch gab es durchaus Fortschritte und auch Erkenntnisse. Diese Fortschritte wollten aber viele Ärzte nicht anerkennen und hielten an antiken Vorstellungen fest. Diese antiquierte Denkweise wird in der Rolle Thomas (Sohn des Arztes Diafoirus) deutlich. Bei der arrangierten Begegnung von Thomas und seinem Vater, Argan und seiner Tochter Angelika, sowie der Liebhaber von Angelika und Toinette, zeigt sich diese Denkweise. Als Thomas aufzeigen möchte, wie schön Angelika ist, nimmt er Bezug zur antiken griechischen Mythologie. Dieser Bezug ist schon ein Hinweis auf seine Einstellung. Deutlicher wird es, als der Vater von Thomas in seinem Beisein über seinen Sohn und seiner Weltanschauung spricht: „Seine Diskussionsführung ist unerbittlich, auf seinen Grundsätzen besteht er wie ein Moslem, von seiner Meinung weicht er keinen Deut, und einen Beweis führt er durch bis in die letzte Ecke der Logik. Aber am meisten gefällt mir an ihm, dass er, meinem Beispiel folgend, bedingungslos am Alten festhält und niemals auch nur hinhörte, wenn die sogenannten Entdeckungen unseres Jahrhunderts ihre Argumente und Erfahrungen aufmarschieren ließen, egal, ob es sich um den Blutkreislauf oder anderes Wissensgut aus dieser Schublade handelt.“(vgl. S. 36 f.) Das wahre Gesicht der Ärzte wird an folgenden Worten deutlich: „Ehrlich gesagt, ich habe immer gefunden, dass sich unsereins bei den einfachen Leuten besser stellt als bei den Großen der Welt. Die einfachen Leute sind doch prima. Für das, was man tut, muß man keinem Rede und Antwort stehen. Und solange man sich an die Standesregeln hält, kann einem nichts passieren, egal, was passiert. Und bei den Großen, nichts als Unannehmlichkeiten. Kaum sind sie krank, dann wollen sie auch noch, dass ihre Ärzte sie heilen.“(vgl. S. 37 f.) Bei diesen beiden Zitaten wird die Ablehnung des Fortschritts deutlich, aber auch worum es tatsächlich geht, nämlich es geht gar nicht darum, Menschen zu einer Heilung zu verhelfen, sondern um das Geld. Im Anhang des vorliegenden Buches wird es auf die Einstellung vieler Ärzte in der damaligen Zeit auf den Punkt gebracht: „Man muss wissen, dass kaum ein Berufsstand durch gelehrtes Getue, lächerliche Aufmachung, Anmaßung und borniertes Festhalten an alten Lehrmeinungen soviel Ärgernis und erregte wie die Ärzte der Zeit.“(vgl. S. 99)
    Molière kritisiert einerseits diejenigen, die sich ihre Krankheiten einbilden, andererseits kritisiert er die Verhaltens- und Denkweisen der Ärzte seiner Zeit. Ich könnte mir aber vorstellen, dass noch eine weitere Kritik dabei ist. Wie man im Anhang lesen kann, stand Molière in der Gunst des französischen Königs Ludwig XIV.. Außerdem kann man dort nachlesen, dass dieser König ebenfalls eine Art Hypochonder war. Als dieses Stück am 17. Februar 1673 von Molière – er spielte dabei den Argan selbst – aufgeführt wurde, nahm das Leben an diesem Spiel teil, denn Molière war zu diesem Zeitpunkt schwer krank, bekam während der Aufführung einen enormen Hustenanfall und starb wenige Stunden später. Für mich stellt sich die Frage, ob nicht Molière mit diesem Stück auch seinem König zeigen wollte, wie es sich tatsächlich verhält: Der König ein Hypochonder und er, Molière, der wahre Kranke. Doch sein König war mit aller Wahrscheinlichkeit so sehr mit seinen eigenen Krankheiten beschäftigt, dass er seine direkte Umgebung und deren Probleme nicht wahrnahm. Diese Kritik an den König wird wenn überhaupt, nur der König selbst und vielleicht noch der ein oder andere aus der unmittelbaren Umgebung des Königs verstanden haben. Vielleicht wurde Molière durch das Verhalten des Königs mit seinen vermeintlichen Erkrankungen und das Verhalten der Ärzte zu diesem Stück inspiriert.



    Das vorliegende Buch aus dem Suhrkamp-Verlag enthält nicht nur die Tragikomödie selbst, sondern darüber hinaus wird teilweise am Rand der jeweiligen Zeile eine kurze Erläuterung oder Übersetzung in die heutige moderne Sprache angegeben, ein tabellarischer Lebenslauf von Molière ist im Anhang. Zudem gibt es im Text durch besondere Zeichen gekennzeichnet, im Anhang zu bestimmten Sachverhalten weitere Erläuterungen. Im Anhang findet man Erklärungen und Darstellungen zur damaligen Zeit, darüber hinaus wird die Wirkungsgeschichte dieses Stücks in Deutschland aufgezeigt.
    Durch diesen Anhang wird es dem interessierten Laien leicht gemacht, dieses Stück zu lesen und zu verstehen und wie die Literaturwissenschaft diesen Text einordnet.


    Ich habe dieses Stück gerne gelesen, vor allem finde ich die Rolle der Toinette sehr interessant. Des Weiteren gibt es viele Stellen, an denen man herzhaft lachen kann. Wenn Sie also mal wieder was zum Lachen brauchen oder zum Nachdenken oder sich mal wieder über ihren Arzt ärgern, oder, oder, oder, dann lesen Sie dieses Stück.