Atme nicht - Jennifer R.Hubbard (ab. 14 J.)

  • Verlag: Beltz & Gelberg
    Taschenbuch: 256 Seiten


    Originalktitel: Try Not to breathe
    Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Koseler


    Kurzbeschreibung:
    Ein bewegender Roman über Zeiten des Überlebens und das Wagnis des Lebens. Eindringlich, überraschend und voll verschlungener Energien. Ryan hat einen Selbstmordversuch hinter sich und versucht, die dunkle Zeit zu vergessen, der er entkommen ist. Das ist allerdings nicht leicht: Seine Eltern würden ihn am liebsten rund um die Uhr bewachen, wenn sie nicht selbst so viel zu tun hätten, und in der Schule gilt er seitdem als Freak. Nur wenn Ryan unter dem Wasserfall steht und das Wasser mit voller Wucht auf seinen Kopf prasselt, fühlt er sich lebendig. Bis er Nicky begegnet, die ebenfalls ein düsteres Geheimnis mit sich herumträgt. Mit sanfter Beharrlichkeit verfolgt sie ihn mit der Frage nach dem Warum und bringt Ryan dazu, sich den Dingen zu stellen, die ihn im Innersten bewegen. Doch was verbirgt Nicky selbst?


    Über die Autorin:
    Jennifer R. Hubbard, geboren in New England, ist eine junge amerikanische Autorin. Atme nicht ist ihr zweiter Jugendroman und ihre erste Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum.
    www.jenniferrhubbard.com


    Mein Eindruck:
    Dieses Buch für Teens befasst sich mit dem Thema Suizidversuch und zeigt die Auswirkungen eines solchen Versuches auf die Person und seine Umgebung wie Schule und Familie.


    Dabei geht die Autorin mit Leichtigkeit und Intensität vor. Sie führt den Leser nahe an Ryan, der durch seinen Selbstmordversuch, der nachfolgenden Therapie und Schulwechsel ein Außenseiter geworden ist.
    Auch schreibt sie so aus der Perspektive von Ryan, dass die Leser sich schnell stark mit ihm identifizieren. Dazu muss man nicht seine Erfahrung geteilt haben.


    Er hält sich viel am Bach mit dem Wasserfall auf. Unter diesen Wasserfall stellt er sich oft beim Baden. Von der Kälte und Kraft des Wasser erfasst, nimmt ihm das den Atem, doch es wirkt gegen den Zustand wie vor einer Glaswand zu stehen.


    Jennifer Hubbard arbeitet viel mit starken Bildern, die Bewusstseinszustande und Emotionen zeigen.
    Das Buch ist auch stark bei kleinen Details, die eine Rolle spielen.


    Am Wasserfall trifft Ryan Nicky, die ihn aus einem bestimmten Grund kennen lernen will. Ich möchte hier aber keine Details vorwegnehmen.


    Die Dialoge sind hervorragend gemacht, vor allen die zwischen Ryan und Nicky, aber auch die zwischen Ryan und seinen (über)besorgten Eltern.


    Außerdem gibt es interessante Passagen, die Ryan zusammen mit seinen Freunden Val und Jake, die er im Hospital kennen gelernt hatte. Sie haben den Selbstmordversuch gemeinsam und haben sich daher sehr eng zusammengeschlossen.


    Die Geschichte ist stimmig und rund. Die Autorin hält das Buch in einer positiven Grundstimmung ohne dabei die Probleme und Auswirkungen zu verharmlosen.
    Das Motto ist: Es kann alles besser werden. Und es kann schon heute damit losgehen.


    Ich gehöre zwar nicht zur Zielgruppe, habe das Buch aber dennoch gerne gelesen. Zumal es mich im positiven Sinne an den Erfolgsroman Die Einsamkeit der Primzahlen von Paolo Giordano erinnert. Ich würde “Atme mich” einen ähnlichen Erfolg wünschen.

  • „Auch über mich gab es Gerüchte, über das, was ich im letzten Jahr getan hatte. In der Schule warfen deshalb alle nur verstohlene Blicke auf mich. Manchmal spielte ich mit dem Gedanken, mit Schaum vorm Mund wilde Selbstgespräche zu führen, weil es die anderen zu enttäuschen schien, dass ich es nicht machte. Aber ich war mir nicht sicher, ob sie begreifen würden, dass das ein Scherz sein sollte.“ (S. 8)


    Vor einem Jahr hat Ryan versucht sich das Leben zu nehmen. So wirklich spricht er mit niemandem darüber. Und Freunde hat er auch keine.
    Doch dann tritt Nicky in sein Leben; Nicky, die einfach Fragen stellt und sich mit einem „Nein“ nicht abwimmeln lässt; Nicky, die plötzlich einfach ständig da ist; Nicky, die selber ein Geheimnis hat…


    Die Geschichte, die Jennifer R. Hubbard erzählt, ist an sich nicht neu. Aber welche Geschichte ist das auch schon? Es geht um Ryan, der einen Selbstmordversuch hinter sich und schon seit langem das Gefühl hat, anderen Menschen durch eine dicke Glasscheibe zu begegnen.


    Nicky versucht auf ihre ganz eigene Art und mit ganz eigenen Beweggründen durch diese Glasscheibe zu Ryan durchzudringen. Und obwohl Ryan sie nicht schroff abweist, ist sein Verhalten ihr gegenüber auch nicht unbedingt einladend. Aber das hindert Nicky nicht daran, weiterhin den Kontakt zu ihm zu suchen, weiterhin Fragen zu stellen und weiterhin einfach da zu sein.


    Die Geschichte wird aus Ryans Sicht geschildert, er ist der Ich-Erzähler. Trotzdem ist mir Nicky noch ein bisschen mehr ans Herz gewachsen. Sie ist quirlig, penetrant, neugierig, stur, gleichzeitig sanft… und tief drin ist sie eigentlich vor allem verletzlich. Die Autorin hat mit Nicky eine Protagonistin geschaffen, die ich am liebsten persönlich kennen würde und die vor meinen Augen Seite um Seite lebendig geworden ist.


    Schon die Leseprobe, die ich zu diesem Buch gelesen habe, hat mich vom Schreibstil der Autorin überzeugt, ohne dass ich die Besonderheit in Worte fassen kann. Hubbard schreibt zum einen so, dass sich das Buch sehr leicht und angenehm liest. Zum anderen schafft sie es aber eine unheimlich fesselnde und einnehmende Atmosphäre aufzubauen und viele Gedanken und Gefühle zu vermitteln, ohne diese direkt zu benennen.


    „Am besten und gleichzeitig am schlimmsten war jener Moment unter dem Wasserfall, wenn ich keine Luft mehr bekam. Das jagte mir Angst ein, war aber irgendwie auch toll. Das eiskalte Wasser, das mir ins Gesicht peitschte, schnürte mir den Atem ab. Wenn ich dann zur Seite trat und nach Luft schnappte, kam mir dieser Atemzug vor wie der erste Bissen, den ein Halbverhungerter herunterschlingt.“ (S. 23)


    Nicky möchte die ganze Zeit von Ryan erfahren, warum er versucht hat, sich umzubringen. Und obwohl diese Frage auch ein bisschen den rote Faden dargestellt, ist es nicht so, dass die Geschichte zwingend auf die Antwort zusteuert. Viel mehr geht es um die Gedankenprozesse, die die Protagonisten durchmachen, um die Gefühle zwischen ihnen, zwischen Ryan und seinen Eltern und vor allem auch um Ryans Gefühle sich selbst gegenüber.


    Ich kann immer schwer mit Büchern umgehen, die einen einzigen Grund für den Selbstmord(versuch) eines Menschen nennen, denn ich denke, dass immer viele Faktoren – solche, die man benennen kann, und solche, die einfach schwer greifbar sind – zusammenkommen. Und genau diese Klippe umschifft Hubbard meiner Meinung nach sehr gut.


    „Atme nicht“ hat mich auf vielerlei Weise berührt: durch seine Charaktere, durch den Schreibstil und durch den bewegenden Inhalt. Ich bin sehr froh, dass eine Bekannte beim Lesen des Buches direkt an mich gedacht hat. Sie hatte vollkommen Recht: „Atme nicht“ ist ein Buch voll und ganz nach meinem Geschmack. 9 von 10 Sternen.

  • Zu mir fand dieses Buch den Weg über eine Leserunde. Das Grundthema sprach mich spontan an und auch wenn ich nicht mehr der Zielgruppe angehöre, so hat mich die Umsetzung der Story dennoch sehr berührt.


    Hier meine Meinung:




    Dieser Roman kommt als Jugendbuch deklariert daher, ging mir jedoch – die ich der anvisierten Zielgruppe bereits das ein oder andere Jahr entwachsen bin – dennoch unter die Haut und hat mich sehr berührt. Ich mag einfach Bücher die es schaffen, mich direkt auf der ersten Seite einzufangen und mitzunehmen auf ihre Reise. Die mich neugierig auf die Geschichten machen, die sie zu erzählen haben. Und dieses Buch gehört für mich definitiv in besagte Kategorie!


    Das Grundthema dieses Romans ist ein denkbar ernstes: Der missglückte Versuch, seinem Leben ein Ende zu setzen. Jedoch nicht nur und hauptsächlich. Die eigentliche Tat als solches könnte einem – sehr oberflächlich betrachtet - sogar fast schon unspektakulär erscheinen. Und genau das ist in meinen Augen das gute an dem Buch: Ryans Geschichte wird nicht reißerisch und oberflächlich erzählt, sondern kommt sehr ruhig daher. Mit Worten und Beschreibungen, die viel Raum für das eigene Kopfkino lassen.


    Als Leser wird man Zeuge des sehr persönlichen Selbstfindungsprozesses des jugendlichen Protagonisten. Mit all seinen Höhen und Tiefen, wie man dies ja zur Genüge aus dem eigenen Leben kennt. Das Buch zeigt auf, was geschehen kann – aber eben nicht zwingend muss – wenn man die Richtung verliert. Wenn man als Suchender gestartet ist, aber scheinbar den rechten Weg nicht findet. Wenn man sich selbst nicht definieren, nicht spüren und leben kann.


    Die Geschichte macht aber auch Mut, lässt den Leser nicht in dunklem Trübsinn zurück. Ryan erkennt irgendwann, dass das Leben einfach immer in diesen Auf- und Abbögen läuft. Das das völlig ok so ist und man irgendwann sogar lernt, damit umzugehen. Er erkennt, dass er nicht „krank“, sondern ein „ganz normaler Mensch“ ist.


    Für mich ist dies ein mehr als lesenswertes Buch, welches sehr zum Nachdenken anregen sollte.

  • x Autorin: Jennifer R. Hubbard
    x Übersetzer: Michael Koseler
    x Titel: Atme nicht
    x Originaltitel: Try Not to Breathe
    x Genre: Jugendbuch
    x Erscheinungsdatum: 28. Januar 2013
    x bei Gulliver
    x 256 Seiten
    x ISBN: 3407811322
    x Erste Sätze: Es war gefährlich, unter dem Wasserfall zu stehen. Trotzdem machten es manche. Und auch ich machte es. Das Wasser spülte meine Gedanken weg und brannte mir auf der Haut. Es peitschte so heftig gegen meinen nackten Oberkörper, dass ich nicht mehr denken konnte.


    Klappentext:


    Ryan hat einen Selbstmordversuch hinter sich und versucht, die dunkle Zeit zu vergessen. Nur wenn er unter dem Wasserfall am Fluss steht und das Wasser mit voller Wucht auf seinen Kopf prasselt, fühlt Ryan sich lebendig. Dort begegnet er Nicki, die ebenfalls ein Geheimnis mit sich herumträgt. Ihre sanfte Beharrlichkeit berührt Ryan wider Willen. Doch was will Nicki wirklich von ihm?


    Rezension:


    Auf der Suche nach einem guten Jugendbuch stolperte ich über “Atme nicht” von Jennifer R. Hubbard. Das Cover, eines der wenigen, das auch wirklich perfekt zum Inhalt des Buches passt, sprach mich direkt an, und der Klappentext machte mich neugierig – das Beste ist jedoch: Ich wurde nicht enttäuscht und bekam genau das geliefert, worauf ich hoffte.


    Die Autorin schreibt glaubhaft aus der Sicht des Protagonisten – einem Teenie namens Ryan, der einige Zeit vor dem Einsetzen der Geschichte einen Selbstmordversuch unternahm und noch nicht allzu lange aus der psychiatrischen Klinik entlassen ist, in die er damals eingeliefert wurde.


    Wirklich gut geht es ihm immer noch nicht. Mit seinen einzigen Freunden, Jake und Val, die er beide aus der Klinik kennt, hält er online Kontakt, und so gibt es nur zwei Orte, an denen er sich am liebsten aufhält: sein Zimmer und der Wasserfall, der in der Nähe seines Elternhauses liegt. Was seine überfürsorglichen Eltern nicht wissen sollen: Wenn Ryans Gedankenkarussell zu schnell wird, stellt er sich genau unter diesen tosenden Wasserfall und lässt sich das Wasser hart auf seinen Körper prasseln – eine nicht ganz ungefährliche Strategie.


    Und genau hier befindet sich der Leser am Anfang der Geschichte. Denn am ersten Tag, den wir mit Ryan verbringen, taucht plötzlich die Schwester eines Klassenkameraden auf und spricht ihn an. Kurze Zeit später hat sich Nicki schon in Ryans Leben gedrängt und ist an einem Thema ganz besonders interessiert: seinem Selbstmordversuch, denn Ryan soll ihr helfen zu verstehen.


    Nachdem ich das Buch gelesen hatte, konnte ich mir kaum noch vorstellen, dass diese umfangreiche und fesselnde Geschichte auf weniger als 300 Seiten Platz fand. Einerseits erfährt man recht viel über die verschiedenen Hintergründe aus Ryans und Nickis Leben, und andererseits schafft es die Autorin trotzdem, noch recht viel an Handlung unterzubringen – und das alles, ohne dass die Geschichte überladen oder zu unübersichtlich wirkt. Zudem sind sowohl Ryan als auch Nicki wahnsinnig sympathische Charaktere.


    Es geht um ein schwieriges Thema und der Leser weiß das (wenn er den Klappentext gelesen hat) – ich glaube, genau das ist der Grund, warum diese Geschichte keine langen Erklärungen braucht. Ryans Art zu erzählen und zu denken bringt die Sache einfach auf den Punkt.


    Fazit:


    Eine Handlung, die wie das Leben ist: überraschend spontan und ein bisschen verrückt.


    Bewertung:


    8 von 10 Sternen

  • Ich kann mich den positiven Rezensionen nur anschließen.


    Der Schreibstil ist interessant, das Buch vermittelt eine Ruhe und Emotionslosigkeit - wie es auf den ersten Blick wirkt...lässt man sich jedoch einmal darauf ein, dann schaut man hinter die Fassade und entdeckt eine Menge Emotionen.


    Ich wusste sehr lange Zeit nicht, wohin das Buch führen wird - und das ist mir beim lesen auch regelrecht aufgefallen. Warum haben sich Ryan und Nicky getroffen? Was erwartet sich Nicky wirklich von den Medien (Achtung: hier ist nicht die Presse gemeint, sondern eine Kontaktperson für Übernatürliches)?


    Auf den Hintergrund bin ich nicht gekommen und dennoch fand ich es passend, dass dies genau so beschrieben wurde.


    Ryans Freunde aus der Klinik haben mir auch gut gefallen, sie haben deutlich gemacht, wie das Leben mit dieser Vorgeschichte sein kann - auch Ryan selbst - und dass man trotz geteilter Erfahrungen auf unterschiedliche Resonanzen in der Familie und im Freundeskreis stoßen kann.


    Mir gefiel es auch, dass das Buch einen irgendwo sehr positiv zurücklässt...und das bei dem schwierigen Thema.


    8 Punkte.