Die Geschichte eines schönen Mädchens - Rachel Simon

  • Die Geschichte eines schönen Mädchens
    Rachel Simon
    Übersetzerin: Ursula Walther
    Rütten und Loening
    ISBN: 978-3352008597
    432 Seiten, 17,99 Euro


    Über die Autorin: Rachel Simon, 1959 geboren, hat in den USA mehrere Romane geschrieben, doch der Durchbruch gelang ihr mit „Die Geschichte eines schönen Mädchens“. Die Vorlage für dieses Buch lieferte ihr das Leben ihrer behinderten Schwester. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Architekten, in Delaware.


    Klappentext: Amerika im Jahr 1968: Die Witwe Martha lebt in ihrem abgelegenen Haus ein einsames Leben. Nur an Weihnachten erhält sie von ehemaligen Schülern Besuch. Dann jedoch stehen zwei wildfremde, verzweifelte Menschen vor ihrer Tür: das Mädchen Lynnie und Homan, ein tauber Afroamerikaner. Beide sind aus einer nahen Anstalt geflohen. Wenig später tauchen ihre erbarmungslosen Wächter auf. Während Homan über den reißenden Fluss entkommen kann, wird Lynnie in ihr trostloses Dasein zurückgebracht. Doch was ihre Häscher nicht wissen: Lynnie hat kurz vor ihrer Flucht ein Mädchen geboren und in dem Haus der Witwe verstecken können. In einem geheimen Augenblick verspricht Martha sich um den Säugling zu kümmern. Eine große epische Reise beginnt, die über vierzig Jahre währt.


    Meine Meinung: Es gibt schon viele positive Meinungen zu dem Buch, denen ich mich aber leider nicht anschließen kann. Im Jahre 1968 stehen zwei fremde, verzweifelte Menschen bei der Witwe Martha vor der Tür ihres kleinen Farmhäuschens, die sie sofort einlässt und versorgt. Es sind der taubstumme Homer und die geistig behinderte Lynnie, die zusammen aus einer Anstalt geflohen sind. Auf der Flucht hat Lynnie ein Baby geboren. Nur wenige Augenblicke nach den beiden treffen die Wärter der nahegelegenen Anstalt ein und während Homer die Flucht gelingt, wird Lynnie abgeholt, doch Martha kann ihr vorher noch versprechen, sich um das Kind zu kümmern.


    Es fiel mir nicht leicht, mit dem Buch warm zu werden. Eine ganze Zeit überlegte ich, abzubrechen, da der Schreibstil mir oft zu verwaschen, zu unpersönlich war. Die Hauptpersonen blieben für mich nicht greifbar.


    Die Autorin, die eine behinderte Schwester hat, wollte mit diesem Roman auf das Schicksal behinderter Menschen aufmerksam machen, die im letzten Jahrhundert in den USA in staatlichen Heimen untergebracht waren und das ist sicherlich eine hehre Absicht, doch hätte ihr Stil meiner Meinung nach mehr Emotionen vertragen. Ihre Figuren blieben mir einfach fremd.
    Es ist sicherlich schwer, sich in die Gedankenwelt eines taubstummen Menschen hineinzuversetzen, der aufgrund seiner Lebensumstände nicht gelernt hat, sich mitzuteilen und auch die Fähigkeiten und Gedanken der geistig behinderten Lynnie waren auf jeden Fall nicht einfach zu beschreiben, doch die Autorin hätte allein schon durch eine genauere Schilderung der Zustände im Heim mehr Empathie bewirken können. Hier lässt sie zwar die Sicht von Lynnie, Homer und auch der Pflegerin Kate einfließen, doch das alles ist immer nur angerissen und bruchstückhaft.
    Das Baby, mit dem Martha nun eine Reise durch die USA beginnt, wird meist nur nebenbei erwähnt und weite Teile des Lebens des kleinen Mädchens bleiben im Dunkeln. Lynnie und Homer machen im Lauf ihrer Geschichte zu erstaunliche Entwicklungen durch, die ich mir einfach nicht vorstellen konnte.


    Irgendwann kommt es dann zu einem Showdown, bei dem die Autorin recht unbeholfen und gutmeinend vorgeht, was dann auch das Ganze zu einem sehr unrealistischen Ende führt.


    Mein Fazit: Es werden sich bestimmt viele Leser finden, die meine Meinung nicht teilen und die sich von dem Buch anrühren lassen, doch mir persönlich war es zu unvollkommen durchkomponiert. 7 Pünktchen für die gute Absicht der Autorin und das schöne Cover…

  • Interessante Rezi. Danke dafür. Aufgrund deines Eindrucks von diesem Buch werde ich dann wohl die Finger davon lassen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe das Buch als Wanderbuch bekommen und gelesen, und ich muss mich leider in weiten Teilen Eskalina anschließen.


    Die Autorin hat dieses Buch geschrieben, da sie selbst eine behinderte Schwester hat, der allerdings das Leben in einer Einrichtung, wie sie im Buch beschrieben wird, erspart geblieben ist. Darüber hinaus hatte die Autorin auch für Homan, den taubstummen Afroamerikaner, ein reales Vorbild, dem sie allerdings in ihrem Buch ein glücklicheres Leben geben wollte, als er es in Wirklichkeit hatte.


    Die Handlung verläuft in drei Strängen: Zum einen wird die Lebensgeschichte von Lynnie erzählt, der Mutter des Babys, die ja sofort wieder eingefangen und in die Behinderten-Einrichtung zurückgebracht wird. Parallel dazu die Geschichte von Homan, dem taubstummen Afroamerikaner und Fluchtgefährten von Lynnie, dem es gelingt, aus dem Marthas Haus zu fliehen und über den reißenden Fluss zu entkommen.
    Und als dritter Strang die Geschichte von Martha, der alten Frau, die das Baby aufnimmt und am nächsten Tag ebenfalls mit ihm flüchtet, damit ihr das Kind nicht wieder weggenommen werden kann.


    Das Buch ist in weiten Teilen sehr langatmig und die Geschichte wirkt sehr konstruiert - v.a. die Wege von Martha und Homan. Da kam mir einiges doch sehr unwahrscheinlich und von der Autorin zurechtgezimmert vor in ihrem Bestreben, dass doch wenigstens im Roman alles gut ausgehen möge, wenn es schon in der Realität nicht der Fall war. Auch habe mich lange Zeit gefragt, warum denn die Geschichte von Homan in solch epischer Breite weitererzählt wurde, wo es doch nicht wirklich wahrscheinlich schien, dass er Lynnie jemals wiedersieht. Auch seine Entwicklung wie auch die von Lynnie erschienen mir sehr unwahrscheinlich und von allzu viel gutem Willen der Autorin geprägt


    Erst im letzten Viertel nimmt die Handlung an Fahrt auf und dann geht alles hoppla hopp und fügt sich für meinen Geschmack zu gut und zu einfach.


    "Die Geschichte eines schönen Mädchens" ist in der Tat eine schöne Geschichte, wenn man viel Zeit hat, sich gern mal ein Tränchen verdrückt, weil es gar so emotional und die Protagonisten so bemitleidenswert sind - mir war sie zu langatmig (und wenn's kein Wanderbuch mit Rezi-Pflicht gewesen wäre, hätte ich möglicherweise abgebrochen) und zu unrealistisch. Schade eigentlich, denn der Klappentext klang vielversprechend...


    Von mir gibt es 7 von 10 Eulenpunkten.


    LG, Bella

  • Anders als Eskalina hat mich der Schreibstil der Autorin und ihre traurig-schöne Geschichte sehr berührt - noch mehr Emotion hätte dem Roman nicht gut getan. Das Verlangen der Autorin, die Geschichte, die Lebensläufe ihrer Figuren zu einem guten Ende zu verhelfen, ist nachvollziehbar und bereits beim Lesen spürt man, dass es eigentlich nur auf ein beinahe märchenhaft-glückliches Ende hinauslaufen kann. Es ist ein sehr persönlicher Roman, dem man anmerkt, dass die Autorin vom Thema betroffen ist.
    Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen, allerdings muss ich wohl dazu sagen, dass ich verschlungene Lebensgeschichten liebe. Wer wie ich John Irvings Romane genau deswegen liebt, dem könnte auch dieses Buch gefallen. Von mir gibt's 8 von 10 Punkten.