Wie der Soldat das Grammofon repariert - Saša Stanišic

  • Ich glaube, Delphins Problem ähnelt meinem. Mein Eindruck ist: Die Literaturkritik steckt, innerhalb des sehr großen Felds "Geschriebenes", aufgrund von uneinheitlichen und für Außenstehende nicht auf Anhieb nachvollziehbaren Vorgaben, ein Terrain namens "Literatur" ab und bestimmt gleichzeitig die Spielregeln, die auf diesem Feld gelten sollen. Diese Spielregeln stehen teilweise im glatten Gegensatz zu dem, was außerhalb des Terrains gilt.


    Ich Doofi sehe schon die Abgrenzungsmarkierungen nicht. Wie soll ich dann wissen, welche Regeln gerade gelten? Darf ich mich ärgern, weil die Syntax aus per Komma aneinander gereihten Fünf-Wort-Parataxen besteht - oder ist das hier gerade "Kunst"?


    Oder, um's anders zu sagen: Ich bin bis heute nicht sicher, ob "Rico Beutlich" mit seinen Betrachtungen zu kleinen, großen und mittleren Regentropfen nicht in manchen Jahren in Klagenfurt einen Preis gewonnen hätte.


    Was sicher mehr (und wenig Erfreuliches) über mich aussagt als über "Literatur".

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

  • Vielleicht kämst Du weiter, wenn Du davon ausgehst, daß es nichts mit 'Doofheit' zu tun hat, wenn man Literatur nicht im Dunkeln erkennt, sondern daran, daß manche Leute sehr lange geübt haben, bis sie die Kerze anzünden konnten?


    Literaturwissenschaft wie Literaturkritik ist ein Beruf. Man liest sehr viel, man lernt, auf eine bestimmte Art mit Texten umzugehen. Das geht über Jahre.
    Niemand kann das aus dem Stand.
    In jedem Beruf gibt es Irrtümer und es wird Schindluder getrieben. Wer, bitte, verlangt aber von reinen Laien, daß sie ein Auto bauen, eine Bank gründen oder ein Modellkleid nähen sollen? Am besten bis morgen früh?


    Man kann sich mit Literaturkritik natürlich auch als Hobby beschäftigen. Das enthebt eine aber nicht von der Aufgabe, sich kundig zu machen, was man da tut. Man braucht Erfahrung und Übung. Und viel Wissen.
    Ist doch überall so. Am Anfang ist vieles verwirrend und schwierig.
    Ist doch normal.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich lese gerade dieses Buch von Sasa Stanisic und habe vor dem Abbrechen die überwiegend positiven Meinungen gelesen und mir danach noch einen Ruck gegeben. Wenn jeder es gut findet, muss doch irgendetwas dahinterstecken.
    Gestern abend las ich die Seiten, wo nur gezählt wird. Seitenlang. Und dann sofort Gedanke: "Ich lese gerade das Buch von Josefa!" :grin


    Jetzt fühle ich mich schon viel besser und kann die Gedanken von Josefa nur unterschreiben. Ein Autor, der soviel zu sagen hat, der richtig gut schreiben kann, warum schreibt der auf diese Weise, so um hundert Ecken, so verwirrend? Er versteckt das, was er sagen will in kindlichen Phantasien, in Banalitäten und zwischen ganz viel Durcheinander.