Christiane zu Salm - Dieser Mensch war ich

  • Über den Autor
    Christiane zu Salm, 1966 in Mainz geboren, arbeitete viele Jahre erfolgreich als Medienmanagerin. Sie war Geschäftsführerin des Musiksenders MTV, baute den Privatsender 9Live auf und arbeitete bei der UFA-Fernsehproduktion. Seit 2005 konzentriert sie sich stärker auf soziale Projekte, engagiert sich für die Bertelsmann Stiftung und hat mit ihrer unternehmerischen Kompetenz NFTE (Network for Teaching Entrepreneurship) in Deutschland mitgegründet. Zudem ist sie begeisterte Sammlerin von Kunst, die jenseits des etablierten Systems entsteht. Ehrenamtlich ist Christiane zu Salm als ambulante Sterbebegleiterin für das Lazarus-Hospiz in Berlin tätig und besucht regelmäßig Sterbende direkt zu Hause.


    Kurzbeschreibung
    Sterbende berichten über das, was in ihrem Leben wirklich wichtig war


    Wir wissen, wie große Philosophen, Dichter und Denker starben. Sie haben der Nachwelt oft detailliert hinterlassen, was sie empfanden, was sie bewegte in ihren letzten Stunden. Aber was denkt die Verkäuferin im Supermarkt, was der Kfz-Mechaniker, was die Gemeinde-Mitarbeiterin von nebenan? Wie betrachten ganz normale Menschen ihr Leben im Rückblick, wenn sie wissen, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt? Die ehrenamtliche Sterbebegleiterin Christiane zu Salm hat sie gefragt und die daraus entstandenen persönlichen Nachrufe in diesem Buch gesammelt. Dabei herausgekommen ist ein Zeugnis von ergreifender Echtheit: kein Buch über das Sterben, sondern über das Leben.


    Meine Rezension
    Wie würde wohl der Nachruf auf einen aussehen? Würde er dem Verstorbenen gerecht werden? Er beleuchtet schließlich das Leben des Toten nur aus der Sicht anderer. Andererseits: kann einem nach dem Tode nicht egal sein, was über sein Leben gesprochen wird? Fragen, denen nachzugehen sich unbedingt lohnt. Doch der Tod ist hierzulande eines der großen Tabus im Leben. Kaum einer beschäftigt sich mit ihm, solange es nicht unbedingt nötig ist.


    In diesem Hinblick ist mir auch kürzlich erst bewußt geworden, daß es manchmal vielleicht wichtig ist, sich selbst eine Stimme zu verschaffen: vor einiger Zeit ist eine frühere Kollegin von mir verstorben, die sehr zurückgezogen lebte. Ich kannte sie nur kurz und hatte auch keinen Kontakt zu ihr, daher war ich auch nicht auf der Beerdigung. Mir wurde allerdings berichtet, daß es so schade war, daß die Grabrede auf sie so unpersönlich war und nur wenige Details aus ihrem Leben und über ihre Person enthielten. Sowas würde ich nicht wollen. Dann lieber gar nichts.


    Christiane zu Salm hat eine Ausbildung als Sterbebegleiterin gemacht und sich in dieser Funktion intensiv mit dem Leben und dem Tod auseinandergesetzt. Und sie hat einer Anzahl von schwerkranken und sehr alten Menschen, deren Tage gezählt waren, eine Chance gegeben, ihren eigenen Nachruf zu verfassen.


    Herausgekommen sind dabei sehr interessante Reflexionen, die Menschen am Ende ihres Lebens über ihr Dasein machten. Über das, was sie ausmachte, über das, was sie prägte. Über ihre Fehler und ihr Versagen, über verpasste Chancen aber auch über ihre glücklichsten Momente.


    Mich brachte dieses Buch sehr zum Nachdenken. Ich finde, man sollte nicht erst am Ende seines Lebens Bilanz ziehen, sondern auch immer wieder mal zwischendurch: habe ich erreicht, was ich wollte? Bin ich wenigstens auf dem Weg dahin? Bin ich glücklich? Lebe ich mit mir im Reinen und benehme ich mich immer so, daß ich mich jeden Tag selbst im Spiegel anblicken kann?


    Obwohl das Buch sich ums Sterben dreht und die Tatsache, daß alle Menschen, um die es darin geht, bereits tot sind, finde ich das Buch wichtig für die Lebenden: es ist uns eine Mahnung, jeden Tag so gut und richtig zu nutzen, wie es nur geht. Eines Tages geht das nämlich nicht mehr. Das Leben kann manchmal kürzer sein als man denkt. Tragisch, wenn man zuviele Träume und Ziele auf „später“ verschoben hat.


    Fazit: ein sehr nachdenkliches und lesenswertes Buch.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Was bleibt von einem Menschen nach seinem Tod? Nicht vom Leben der "Promis". Da sorgen schon genügend andere, dass genügend Nachrufe für die Nachwelt erhalten bleiben. Aber was bleibt von denen, die keiner kannte, bis auf die engsten Angehörigen? Interessiert das anders gefragt überhaupt jemand, abgesehen von den nächsten Angehörigen?


    Dieses Buch enthält die Geschichten von unbekannten Menschen und zwar in einer sehr authentischen, manchmal sehr intimen Sicht. Sie alle eint, dass sie am Ende ihres Lebens etwas mitzuteilen haben. Manche räumen auf, manche beichten bisher Ungesagtes, manche vermitteln Botschaften. Diese Botschaften sind nicht unbedingt nur für diejenigen, die sie kannten und die nun um sie trauern, sondern für all jene, die sie hören möchten. Manchmal anrührend, manchmal erschütternd berichten sie von ihrem Leben, ziehen Bilanz und reflektieren, was gut und was weniger gut war. Jedes dieser Leben ist einzigartig und wichtig für diesen Menschen. Mancher bedauert, was er versäumt oder falsch gemacht hat, mancher hinterlässt eine Botschaft für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.


    Überraschend - zumindest für mich - viele rechnen nicht damit, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Eigentlich schade, dass man sie nicht mehr fragen kann.


    Auf jeden Fall ist es ein Buch, dass den Leser nachdenklich stimmt, dass vielleicht auch dazu aufruft, sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen, denn egal, wie es ausgeht, das Ende an sich ist klar und unausweichlich - früher oder später. Man kann leben bis zum letzten Tag, auch ohne sich über diesen letzten Tag lange im Voraus Gedanken zu machen. Man kann aber auch darüber nachsinnen, ob und falls ja, welchen Sinn das persönliche Dasein denn haben sol. Die Antwort ist auf jeden Fall höchst individuell, wie auch die Entscheidung, ob man sich überhaupt damit auseinandersetzen möchte.

  • Danke für die Rezis und eure Gedanken, ihr beiden. Das Buch ist endgültig auf meine Wunschliste gehüpft, da ich jetzt wirklich neugierig bin. Wobei ich dafür wohl etwas Zeit brauchen werde, so fürs Nebenherlesen ist es wohl nicht, oder? :gruebel

  • Ich habe das Buch häppchenweise gelesen, so war es für mich angenehmer. Teilweise waren die Gedanken doch recht schwermütig, da wollte ich auch nicht zuviel auf einmal davon lesen. "Nebenherlesen" würde ich jetzt aber nicht sagen, damit verleiht man dem Buch zuwenig Bedeutung. Aber parallel lesen, das geht. ;-)

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Zuerst erzählt die Autorin wie sie dazu kam, ehrenamtliche Sterbebegleiterin zu werden.
    Wie sie die Menschen, die sie in den Tod begleitete, animierte aufzuschreiben was sie zu sich selbst erzählen würden. Was sie versäumt, verpasst, begeistert oder bewegt hat.
    Heraus kommen berührende, manchmal profane, manchmal dramatische Momentaufnahmen eines Lebens, das bald zu Ende geht. So banal es auch manchmal klingen mag, was diese Menschen zu erzählen haben, so ist es doch für jeden Einzelnen von ihnen wichtig, denn ihre Geschichte erzählt, was ihr Leben ausgemacht hat.


    Wer keine Berührungsängste mit dem Tod hat, wer selbst einmal daran denkt aufzuschreiben, was ihn als Mensch ausgemacht hat, der sollte dieses Buch lesen. Auch ich habe es in Häppchen gelesen, anders geht es, glaube ich, auch nicht. Aber mich hat es bewegt, und es hat mir gut gefallen.


    9 Punkte