Wolf Haas: Brennerova

  • Mittelgut


    Der letzte "Brenner"-Roman "Der Brenner und der liebe Gott" ist 2009 erschienen, aber eigentlich war das schon der "nachletzte", denn Haas hatte sich bereits in "Das ewige Leben" faktisch von der Figur verabschiedet. Warum sie nun wieder aufersteht, spielt genau genommen keine Rolle und ist allein Haas' Sache. Brenner lebt, zwar in Rente und bei Herta, aber er existiert. In anderen Rezensionen würden jetzt Stilzitate wie "aber interessant", "dings" und "Hilfsausdruck" erscheinen, doch ich spare mir das.


    Also der Brenner - dessen Vorname "Simon" im Roman nur ein einziges Mal genannt wird, während er im vorigen unaufhörlich "Herr Simon" genannt wurde - lebt, mehr oder weniger zusammen mit Herta, die allerdings auf der Suche nach ihrem "Krafttier" ist und pausenlos an esoterischen Wanderungen teilnimmt. Eher aus Langeweile hat sich der Brenner durch ein paar Dating-Portale geklickt, schließlich ein Profil angelegt und Kontakt mit der wunderschönen Russin Nadeshda aufgenommen. Er reist sogar nach Nischni Nowgorod, was nicht ganz ohne Blessuren abläuft, und wird von Nadeshda beauftragt, nach der jüngeren Schwester Serafima zu suchen, die von einer vermeintlichen Modelagentur nach Wien geholt wurde und seitdem verschwunden ist. Naheliegend, dass es um Menschenhandel und Prostitution geht.


    Und das tut es tatsächlich auch, jedenfalls teilweise, doch - natürlich - nicht ganz auf die Art, wie man es im Genre erwarten würde. Hauptfigur des Romans ist neben Brenner und Herta ein gewisser "Infra" (Inreiter, Franz), seines Zeichens Tätowierer - und am Ende, wenn man so will, Karrierist. Der Name deutet an, worin. Außerdem wird Herta in der Mongolei entführt.


    Fraglos fehlen diesem achten Brenner-Roman Zauber, Schmäh und Lässigkeit seiner frühen Vorgänger, wobei einem Wunder gleichkäme, wenn es Wolf Haas in dieser Situation anders erginge als sämtlichen Autorenkollegen. Solche Figuren nutzen sich einfach ab, werden mit der Zeit ein bisschen langweilig und unoriginell. Dass "Brennerova" nicht abschmiert, liegt an der weisen Zurückhaltung, die Haas seinem Erzähler auferlegt hat, und an der Unbekümmertheit, mit der Brenner durch den Wiener Rotlichtsumpf patscht. Das Buch ist zwar nicht sehr spannend, aber gespickt mit klugen Beobachtungen, unkonventionellen Schlussfolgerungen und durchaus überraschenden Wendungen, während sich die Selbstzitate glücklicherweise in Grenzen halten. Im Abgang also mittelgut, Tendenz sogar noch ein Stückchen weiter nach oben.


    ASIN/ISBN: 3453438396

  • Die unvergleichliche Schönheit der Russin Nadeshdas wird zwar immer wieder gerühmt, allerdings ohne dass sich Wolf Haas die Mühe machen würde, Nadeshda zu beschreiben.


    Zitat

    Gesagt hat die Herta nichts, sie hat die Nadeshda nur angestrahlt, weil sie war komplett hin und weg, so einen schönen Menschen siehst du nicht alle Tage. (S. 52)


    Ist das neuerdings modern, überirdische weibliche Schönheit heraufzubeschwören, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen? ( Jonathan Franzens hat es in seinem neuestem Roman "Unschuld" Wolf Haas gleichgetan.)

  • Ein komisch-magisches Buch (für mich). Wenn ich darin schmökere, finde ich interessant-komische Sätze, die mich zum Lachen bringen. Dann fange ich von vorne an ... und breche ab, weil ich den Zugang nicht finde. Echt - ist mir schon 2 x passiert. Vielleicht bin ich für dieses Buch ... noch zu jung.

  • Ich habe das Buch auch gelesen. Der Schreibstil wie immer lustig, eigenartige Sätze. Aber die Geschichte reicht nicht an die Vorgängerbücher.

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

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  • Brennerova

    Josef Haas

    Hoffmann & Campe

    Isbn: 978-3-455-40499-9



    Kurzinhalt:

    Der ehemalige Polizist Brenner schaut sich, natürlich nur zum Zeitvertreib, im Internet auf dem Heiratsmarkt um. Als erfahrener Kriminaler weiß er natürlich um die Fallstricke und Maschen, mit denen die Damen die Männer aufs Kreuz legen wollen. Er selbst stellt ja auch ein falsches Profil von sich ein. Aber natürlich erwischt es ihn. Er fährt nach Moskau und wird von einer Kinderbande ausgeraubt und niedergeschlagen. In Nischni Nowgorod begegnet er der schönsten Frau, die man sich vorstellen kann und tappt promt in die Mitleidsfalle und stört die Kreise des Laufhauskönigs von Wien, der unliebsamen Konkurrenten und Schnüfflern die Hände abhacken lässt. Seine Rettung ist ein Dachdecker, der eine Blechzange genau zwischen ihn und die Herta aufs Trottoir schmeißt. Die Herta ist eine frühere Freundin von ihm, die er gleich gar nicht kennt, weil sie sich nach ihrer Zwangspensionierung in eine liebenswerte und gut aussehende Frau verwandelt hat. Auf ihr Kommando heiratet er zum Schein die schöne Nadesha, die ihre verschwundene Schwester sucht, damit sie in Wien bleiben kann. Als die Herta während eines Schamanentrips in der Mongolei entführt wird und er auf einer alten Ural das Lösegeld überbringen muss, lernt er die Welt zwischen Moskau und der Mongolei auf eine Weise kennen, die er nie mehr vergisst.Zusätzlich werden zwei Männern tatsächlich die Hände abgehackt und im Krankenhaus wieder angenäht. Nun überschlagen sich die Ereignisse. Der Oberschurke Lupescu muss dran glauben, die Nadesha heiratet den neunen Zuhälterkönig Infra, ihre Schwester taucht wieder auf. Und als sich der Infra als ehemaliger Jesuit herausstellt, ist die Welt in Wien wieder in Ordnung.


    Meine Meinung:

    Ich habe als erstes Buch von Wolf Haas "Silentium" gelesen. Toll! Wie er da die Wiener Schickimickigesellschaft und die Kirche aufs Korn nimmt. Aber man muss sich schon auf den Schreibstiel der unterschlagenen Wörter einstellen können. Beim zweiten Brenner war es mir direkt etwas zu viel. Aber bei diesem hier kommt mir der Stil etwas entschärft vor, bzw. weniger Unterschlagungen und dadurch flüssiger. Und spannend ist es dazu. Ich muss beim Brenner immer an Josef Hader denken, der ihn ja in den Verfilmungen gespielt hat. Ich habe es genossen!!

    Hoffentlich kommt noch was nach.