'Aufbruch' - Seiten 001 - 109

  • Dann fange ich mal an.


    Bei den ersten Zeilen dachte ich spontan, das mir das Lesen diese Buches wohl sehr schwer fallen würde. Ich kann mit den vielen Dialekt-Dialogen so gar nichts anfangen, verstehe sie auch schlecht, auch wenn Hilla, die ja auch Ich-Erzählerin ist, hochdeutsch spricht.
    Ich habe etwas völlig Anderes vermutet, wie man manchmal schnell ist mit einem Urteil, aber der Roman wartet bisher mit sprachlicher Eleganz und Leichtigkeit gleichzeitig und einer interessanten Geschichte um eine Heranwachsende auf.
    Wie ich gelesen habe, geht es in diesem zweiten Buch Ulla Hahns über Hilla um deren Jugendzeit. Sie ist eine wissbegierige junge Frau, die ihrer Rolle und Herkunft verhaftet ist und trotzdem stellenweise aufbegehrt und aus ihren alten, abgetragenen Klamotten heraussteigen will.
    Sie ist jung und will alles: ein Abitur, um das sie kämpfen muss und eine Liebe. Godehard heißt der reiche Bursche, und ich traue ihm nicht. Ich sehe schwarz für Hillas weiteren Weg und fürchte, dass sie hinter dem Herd und am Kinderbett landet, wenn sie seinem Heiratsantrag nachgibt.


    Ich bin jedenfalls neugierig, wie es weitergeht.

  • Ich habe auch schon einige Seiten hinter mir und war gleich wieder gefangen von Hillas Geschichte.
    Mit dem Dialekt habe ich leichte Schwierigkeiten, es hilft aber sehr zu versuchen, die Sätze laut zu sprechen. Mir jedenfalls.


    Achja - es packt mich jedesmal wieder, da die Geschichte auch viel mit mir zu tun hat. Wie sehr Hilla es auf den Punkt bringt - dieses sich klein und unfähig fühlen angesichts des Lebensstils der "besseren Gesellschaft", da fühle ich mich gleich mit angesprochen.
    Übrigens hatten wir auch dieses "Benimmbuch" im Bücherschrank stehen und genau wie Hilla habe ich es eifrig studiert.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Ich habe auch schon einige Seiten hinter mir und war gleich wieder gefangen von Hillas Geschichte.
    Mit dem Dialekt habe ich leichte Schwierigkeiten, es hilft aber sehr zu versuchen, die Sätze laut zu sprechen. Mir jedenfalls.


    Achja - es packt mich jedesmal wieder, da die Geschichte auch viel mit mir zu tun hat. Wie sehr Hilla es auf den Punkt bringt - dieses sich klein und unfähig fühlen angesichts des Lebensstils der "besseren Gesellschaft", da fühle ich mich gleich mit angesprochen.
    Übrigens hatten wir auch dieses "Benimmbuch" im Bücherschrank stehen und genau wie Hilla habe ich es eifrig studiert.


    Das mit den Dialektproblemen hatte ich auch schon geschrieben. Mir hilft da allerdings auch laut lesen kaum.
    Mir fällt beim lesen immer wieder auf, dass Hills eine mir fremde Welt, ein fremdes Land beschreibt. Ich war zwar zur Zeit unserer Geschichte noch nicht geboren, aber ich stelle fest, dass sich die BRD und die DDR schon in diesen noch recht frühen Jahren schon sehr unterschiedlich entwickelten udn entwickelt hatten.


    Ein Benimmbuch hatten wir auch, den Knigge.

  • Ich bin mit dem Abschnitt noch nicht durch, doch mir geht der Lachstein nicht aus dem Kopf.
    Was für eine schöne Idee!
    Gestern hat mir meine Kollegin auch einen schönen Stein geschenkt. Der ist jetzt mein "Lachstein".


    Auch der Satz "Lachen ist Selbstverteidigung" geistert bei mir immer wieder durch meine Gedanken und ich finde, das ist nicht das schlechteste Lebensmotto.


    Ich habe ja schon das Vorgängerbuch gelesen. Im Moment finde ich, dass Hilla ein wenig den Streber raushängen lässt. So sehr ich ihre Sehnsucht nach Bildung ja verstehen kann, so wenig mag ich diesen Wesenszug.


    Erfreulich finde ich, dass sie anscheinend menschliche Lehrer hat und der Bürgermeister sie weiter fördert.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Lachen ist Selbstverteidung ist wirklich ein hervorragendes Motto.


    Ich sehe das mit dem Streber nicht ganz so, wie du, Regenfisch. Schule und Lernen hat für Hilla einen ganz anderen Stellenwert als für die meisten anderen. Für sie ist die Schule Rettung und die Chance, der Enge in ihrer Familie zu entkommen.
    Nicht eine ungeliebte Pflicht wie für die meisten anderen.


    Clare, Hillas Kindheit ist sicher durch die streng katholische und dörfliche Umgebung besonders geprägt. Da gab es auch in den 60ern im Westen andere Welten.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    ...
    Ich sehe das mit dem Streber nicht ganz so, wie du, Regenfisch. Schule und Lernen hat für Hilla einen ganz anderen Stellenwert als für die meisten anderen. Für sie ist die Schule Rettung und die Chance, der Enge in ihrer Familie zu entkommen.
    Nicht eine ungeliebte Pflicht wie für die meisten anderen.
    ...


    Ich meine auch nicht ihr schulisches Streben, sondern dieser leichte Hang zur Besserwisserei bzw. zum Verbessern, besonders in ihrer Familie.
    Verstehen kann ich das, aber nein, ich mag das nicht.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    ...
    Clare, Hillas Kindheit ist sicher durch die streng katholische und dörfliche Umgebung besonders geprägt. Da gab es auch in den 60ern im Westen andere Welten.


    Das meinte ich gar nicht. Dass ihre Lebenssituation nicht so ganz typisch ist, war mir schon klar. Mir ging es eher um das Alltagsleben. Vielleicht auch dem geschuldet, dass ich schon viel weiter bin im Buch und das natürlich meine Eindrücke prägt.

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich bin mit dem Abschnitt noch nicht durch, doch mir geht der Lachstein nicht aus dem Kopf.
    Was für eine schöne Idee!
    Gestern hat mir meine Kollegin auch einen schönen Stein geschenkt. Der ist jetzt mein "Lachstein".


    Auch der Satz "Lachen ist Selbstverteidigung" geistert bei mir immer wieder durch meine Gedanken und ich finde, das ist nicht das schlechteste Lebensmotto.


    Ich fand die Idee mit den Steinen auch gut, allerdings wäre meiner der Buchstein. Die Geschichten des Großvaters müssen sehr inspirierend und prägend gewesen sein für Hilla.
    Aber einen Lachstein könnte man auch gut gebrauchen.


    Zitat

    Ich habe ja schon das Vorgängerbuch gelesen. Im Moment finde ich, dass Hilla ein wenig den Streber raushängen lässt. So sehr ich ihre Sehnsucht nach Bildung ja verstehen kann, so wenig mag ich diesen Wesenszug.


    Erfreulich finde ich, dass sie anscheinend menschliche Lehrer hat und der Bürgermeister sie weiter fördert.


    Ich hatte angenommen, dass die für Hilla wie ein Vorbild wirkenden Menschen bereits im ersten Buch aufgetaucht sind, wo es ja um Hillas KIndheit gehen soll, oder? Ich habe das erste Buch nicht gelesen.


    Ich verstehe Hillas Sehnsucht nach Wissen auch, aber vielleicht verpasst sie dabei viel, was sie nicht mehr nachholen kann. Sie ist schon sehr fixiert.

  • Am ANfang musste ich die Sätze zweimal lesen,weil sie so schön sind.
    Die letzten Bücher habe ich überflogen um zu wissen wie es weitergeht, und hier geniese ich die Sätze.


    Hilla mit ihrer Art ist mir sympathisch, vor allem mit den Lesen.


    Godehard finde ich unsympathisch :gruebel so von seiner Art.


    Was ich bei Hilla verstehen kann , ist dieses den anderen reden zulassen und nur zuzuhören( so bin ich manchmal auch )

  • Zitat

    Ich sehe das mit dem Streber nicht ganz so, wie du, Regenfisch. Schule und Lernen hat für Hilla einen ganz anderen Stellenwert als für die meisten anderen. Für sie ist die Schule Rettung und die Chance, der Enge in ihrer Familie zu entkommen.
    Nicht eine ungeliebte Pflicht wie für die meisten anderen.



    :write :write :write

    Ich glaube eher das sie von all den neuen faszieniert ist und ihrer Familie daran teilhaben lassen will, nicht um sie verbessern sondern eher um ihnen was gutes zutun . SIe ist schliesslich erst 16, in dem Alter denkt man ja immer das man alles besser weiss :lache

  • Clare, die meisten Personen sind auch schon im ersten Buch aufgetaucht. Dort wurde ja ihre frühe Kindheit beschrieben. Mich würde interessieren, was du am Alltagsleben so anders findest.


    Diese Steine sind ganz wunderbar. Es wird ja beschrieben, dass es eine Idee ihres Großvaters war. Der hat viel dazu beigetragen, dass sie sich überhaupt so entwickeln konnte. Ohne ihn hätte sie sich womöglich einfach angepasst.


    Carlinda, ob sie ihrer Familie damit etwas Gutes tun will? Manchmal vielleicht - und auch, die anderen an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Zum Teil ist es aber sicher auch ein Abgrenzen. Ein deutliches Zeichen, dass es auch ein anderes Leben gibt.


    Mir hat übrigens diese Stelle mit dem Wasser aus Lourdes, dass die Großmutter an die Blumen geschüttet hat, gut gefallen. Meine Patentante hatte auch so ein Fläschchen mit dem wundertätigen Wasser. Geholfen hat es aber keinem. Nicht mal den Blumen.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Clare, die meisten Personen sind auch schon im ersten Buch aufgetaucht. Dort wurde ja ihre frühe Kindheit beschrieben. Mich würde interessieren, was du am Alltagsleben so anders findest.
    ...


    Lass mich mal überlegen: Im ersten Abschnitt :gruebel
    Wie gesagt, ich war zur Zeit des Buches noch nicht geboren, aber die Standesunterschiede, arme und reich, gab es in der DDR nicht mehr so offensichtlich. Da wurde reichlich und radikal enteignet. Auch die Probleme der Frauen in diesem Roman sind ganz andere, denn sie sind zum Großteil zu Hause und führen den Haushalt, sobald sie verheiratet sind. In der DDR ging der überwiegende Teil der Frauen arbeiten. Da kreisten die Gedanken eher um organisatorische Fragen und wie was wann zu bewältigen sei oder auch, woher man dieses oder jenes besorgen könnte und nicht um diese rein häuslichen Geschichten und den Tratsch des Dorfes, zumindest nicht im Vordergrund.


    Ich würde diese Unterschiedlichkeit aber gar nicht so in den Vordergrund stellen, denn so stark fällt es mir beim Lesen gar nicht auf. Aber ich habe irgendwo über diese Roman gelesen, dass er ein Sittenbild der BRD in den Sechzigern zeichnet, und ich war neugierig.

  • Dann berührt dich das Buch auf ganz besondere Weise, wie es scheint. Das freut mich für dich.
    Ich kann das nicht von mir behaupten. Mich berührt es leider eher wenig. :-(
    Vielleicht liegt es auch an Hillas eher nüchterner Art. :gruebel

  • Clare, ich glaube, es ist einfacher mit diesem Buch, wenn man die Erfahrungen darin wenigstens in Ansätzen teilen kann.
    Diese enge, verstaubte katholische Welt. Dieser von Hilla ja auch thematisierte Unterschied in der Haltung der Arbeiter und der katholischen Dörfler, denen es keinen Deut besser ging, aber nichts am herrschenden System ändern wollten.

  • Heute morgen habe ich als erste Ferien-Handlung diesen Abschnitt fertig gelesen.
    Ich möchte mich bei euch entschuldigen, dass ich so hinterherschnecke.


    Besonders angesprochen haben mich Hillas Überlegungen zum "Lesen" und die Bedeutung, die Bücher für sie haben.


    Zitat

    Die Verwandlung von Zeichen in eine lebendige Welt war in sich selbst ein Wunder.

    S. 81
    Sie spricht so leidenschaftlich über den Rhythmus, den ein die Sprache eines Buches hat, wie sie mit dem Buch verschmilzt, da habe ich mich schon sehr wiedergefunden.


    Tja, Godehard... :gruebel Ich empfinde ihn als sehr Ich-bezogen. Irgendwie hat er gar kein Interesse daran, Hilla wirklich kennenzulernen, sonder tritt nur als Gönner auf. Und als Spieler auf der Klaviatur der Reichen, die er ihr stolz präsentiert.
    Hier imponiert mir Hilla, wie reflektiert sie Godehard doch wahrnimmt.


    Der Besuch bei Astrid und der nachfolgende Abschnitt haben mich nachdenklich gestimmt. Wie unterschiedlich die Familien ihre Armut leben und erleben.
    Astrid entpuppt sich als fies und ich bin traurig, dass unter den Mitschülerinnen keine Freundin für Hilla dabei ist.


    Das Buch gefällt mir sehr, besonders der Schreibstil.


    Die Szene bei der Sackleinen-Ausstellung hat mich sehr an die vielen Beuys-Ausstellungen erinnert, die ich mit meinem Großvater besucht habe. Er war ein glühender Verehrer und ich ein gelangweiltes Kind. :grin Ich würde gerne heute noch einmal mit gewachsenen Augen schauen, ob sich meine Sicht geändert hat.


    Auch bei den Verlobungs-Uhren musste ich schmunzeln. Meine Schwiegereltern wollten uns unbedingt zur Verlobung goldene Uhren schenken, obwohl wir wussten, dass sie uns gar nicht gefallen. Es gab kein Weg an diesen Uhren vorbei. :lache

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    ...


    Regenfisch, stammst du aus Rheinhessen und kennst diese katholische Dorfumgebung?


    Nein, ich bin nur zugezogen. Wobei Rheinhessen ein gemischt konfessionelles Gebiet ist, geprägt von der Zugehörigkeit zu Frankreich.


    Ich bin in Oberhessen und im Siegerland aufgewachsen, beides protestantische Gegenden. Einmal auf einem richtigen Dorf, einmal auf einem Dorf, das zu einer Stadt gehört. :grin

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin