'Ein Mann will nach oben' - Seiten 193 - 289 (Ende Kap. 68)

  • Der gute Wagenseil entpuppt sich als echter Fiesling. Viel zu lange hatte Karl Geduld mit ihm und seiner Verschwendungssucht.
    Und auch jetzt unterschätzt er ihn - da kommen noch arge Probleme auf ihn zu, möchte ich meinen.
    Wenn ich das so mit seiner extremen Sparsamkeit in der Familie vergleiche, ist das schon erschreckend, was er den Menschen, die ihm nahestehen so zumutet.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Der gute Wagenseil entpuppt sich als echter Fiesling. Viel zu lange hatte Karl Geduld mit ihm und seiner Verschwendungssucht.
    Und auch jetzt unterschätzt er ihn - da kommen noch arge Probleme auf ihn zu, möchte ich meinen.
    Wenn ich das so mit seiner extremen Sparsamkeit in der Familie vergleiche, ist das schon erschreckend, was er den Menschen, die ihm nahestehen so zumutet.


    Aber immerhin wissen Rieke und Kalli jetzt Bescheid und haben ihre Zustimmung gegeben.



    Kap. 39 - 46


    Wie Karl das Fräulein "Bruder" kennenlernt, ist ja erheiternd, komisch. Mir lief da vor Augen ein Stück wie von einem Stummfilm ab. Karl einfach nur tolpatschig, das Mädchen gleichzeitig schüchtern und frech.


    Nach Jahren trifft Karl von Senden wieder. Ich finde es schön, dass er zuerst nach den Leuten der Zeichenstube fragt, bevor er von sich erzählt. Da zeigt sich Karls gutes Herz. Sein Gefühl gegenüber dem Rittmeister hat sich verändert. Mir scheint, ihr gesellschaftlicher Abstand hat sich verringert. Ich finde, jetzt wäre es an der Zeit, den Stolz hinter sich zu lassen. Er hat doch schon etwas geleistet in seinem Leben. Zumindest reden könnte er mit dem Rittmeister über seine Sorgen. Aber nein, es könnte ja passieren, dass der Rittmeister nicht mehr stolz auf ihn ist. Das ist Karl wichtig. Ist das doch ein bisschen Vater-Sohn-Verhältnis?


    Wagenseil ist immerhin kurz davor, Karls Firma zu ruinieren. Und Karl immer noch der Meinung, man kommt mit Anstand immer durch.
    Ich habe mich gefragt, ob nicht Rieke mal die Idee hatte, sich an den Rittmeister wenden? Aber ihr Prinzip ist, sich bei Karl nicht einzumischen. Karl hätte es ihr sicher sehr übelgenommen. Und außerdem hat sie selbst genug um die Ohren.


    Die Rettungsaktion für Karls Firma ist Stress pur. Das hat auch mich ganz schön reingezogen. Hier muss ich erst mal verschnaufen. Das war spannend, d.h. ist es noch. Karl hat jetzt zwar die rettende Idee, aber noch keinen Geldgeber.


    Übrigens wieder so ein schöner Name: Ziegenbrink


    edit: Sehr schön fand ich auch,wie Karl seine finanziellen Angelegenheiten regelt, als ihm die Pleite unausweichlich schien. Da ist er nicht knausrig und er denkt auch an Minna. Jetzt nimmt er sich sogar vor sie zu besuchen, obwohl seine Firma gescheitert ist. Bei Minna muss er nicht stolz sein. Da wurde mir warm ums Herz.

  • Kap. 47 - 50
    Schon seit Karl Rieke im Zug getroffen hat, frage ich mich immer wieder, ob es immer nur pures Glück ist, dass Karl immer die richtigen Leuten trifft? Sicher nicht. Es ist einfach Karls Art, die Eindruck macht, ob das beim Rittmeister war oder beim Bahnbeamten Kunze. Dass Karl aber die Tochter Gollmers trifft, ist wirklich Glück. Im nachhinein kann man nicht einmal sagen, dass er mit Wagenseil Pech gehabt hat. Nur durch ihn ist er auf die Idee mit den Autos gekommen.


    Also doch: Karl ist unmündig, er darf gar keine Firma haben. Warum hat ihn keiner darauf aufmerksam gemacht? Aber jetzt ist doch sein Vertrag mit Wagenseil ungültig. Da hätte er doch mit Kallis Namen neu anfangen können. Aber die Idee mit den Autos ist ja viel besser.


    Das Kap. 49 mit dem frischen Wind gefällt mir sehr gut. Karl ist glücklich. Die folgende Stelle drückt den Neuanfang so gut aus: "Es wehte ein frischer Wind in der Eichendorffstraße - als Karl Siebrecht an diesem Morgen vor die Ladentür trat, zogen eilige weiße Wolken über die Dächer dahin und der Himmel war um diese frühe Stunde noch klar und hellblau, ohne Dunst..."
    Doch zwischendrin kam für mich die kalte Dusche, das Datum 18. Mai 1914. Das hatte ich völlig vergessen. Am Anfang des Buches ist mir noch aufgefallen, dass der Erste Weltkrieg sicher noch eine Rolle spielen würde. Das kündigt sich jetzt an.


    Wieso nennen sie sich "Kanalljenvögel"? Das ist eigentlich Schimpfwort. Es ist vielleicht eine Trotzreaktion gegen die gehobene Gesellschaft, die abfällig über die Herkunft der Leute wie Rieke denken. Jetzt wollen sie demonstrieren, dass auch sie Großes vollbringen können.

  • Zitat

    Original von made
    Wieso nennen sie sich "Kanalljenvögel"? Das ist eigentlich Schimpfwort. Es ist vielleicht eine Trotzreaktion gegen die gehobene Gesellschaft, die abfällig über die Herkunft der Leute wie Rieke denken. Jetzt wollen sie demonstrieren, dass auch sie Großes vollbringen können.


    Ich habe daran bisher noch nie gedacht, sondern es stets nur auf die (gelben) Kanarienvögel bezogen. Dass die von den Kanarischen Inseln stammen und die wiederum wegen der vielen Hunde (canis) so "benamst" wurden, und die Kanaillen, der "Franz" zB (nicht Wagenseil, sondern der aus Schillers Räubern), sich gleichfalls von den Hunden ableiten, habe ich mir erst jetzt klar gemacht.
    :-) :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Oder ist das nur berliner Dialekt?


    53- 58
    Das fand ich vom Autor sehr gut gemacht: Der Schaffner hat den Zwischenfall mit der Notbremse vergessen. Das war für mich zunächst überraschend. Zuerst der Zufall, dass wieder derselbe Schaffner da ist! Da bin ich davon ausgegangen, dass die alten Zeiten wieder ausgegraben werden. Aber nein! Die alten Zeiten sind vorbei, vergessen.
    Er merkt, dass er auch Rias Aster verloren hat. Das einzige Bindeglied zu seiner Vergangenheit ist Minna. Sie empfängt ihn mit den Worten: "Da bist du ja." Als ob er nur kurz weg gewesen wäre. Und der Rest ist so traurig. Ich hab wirklich feuchte Augen bekommen. Sie glaubt Karl nicht!
    Mir als Leser kommt es so vor, als ob Karls ganze Kindheit ausgelöscht wäre. Man hat sowieso nicht viel davon erfahren, von Freunden, Erlebnissen. Und das wenige, was man wusste, Minna, Ria, hat keine Bedeutung mehr. Ein Mensch ohne Kindheitserinnerungen! Das ist sehr traurig.
    Aber er hat versprochen, Minna zu schreiben! Der letzte Funke!


    Jetzt kann Karl nicht mehr anders als nach vorne schauen. Wird er sich jetzt noch mehr in die Arbeit knieen?

  • 59 - 68
    Was denkt sich Kalli dabei, eine Frau heiraten zu wollen, die in einen anderen verliebt ist? Glaubt er, dass sie ihn dann vergisst? Als Karl schließlich zurückkehrt, wird alles noch komplizierter: Kalli liebt Rieke, Rieke liebt Karl und Karl liebt ... wen eigentlich?


    Die erste Nacht nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft schläft Karl auf dem Sofa. Das erinnert mich an Karls ersten Arbeitstag in Berlin, als er und Rieke ihren Vater in der Baubude finden. Damals lag Rieke mit dem Kopf auf Karls Schoß. Jetzt kommt wieder so eine heimelige Stimmung auf.
    Allerdings steht jetzt schon fest, dass diese Ehe nicht klappen kann.


    Hat Karl denn nichts dazugelernt? Wieder einmal spricht er nicht mit Rieke und Kalli über seine Pläne. Wieder einmal will er sich auf eine zwielichtige Person einlassen.

  • Kalli hat mir wirklich leid getan in diesem Abschnitt. Er weiß ja, dass Rieke ihn nicht liebt. Aber er hofft, sie aus ihrer Lethargie herauszuholen.


    Es war blöd von Karl, nicht zu einem Rechtsanwalt zu gehen. Schon damals beim Kauf der Nähmaschine hätten sie das machen sollen. Denn wenn der Vertrag tatsächlich unwirksam sein sollte, muss auch der andere Teil alles herausgeben, was er erhalten hat. Bis auf eine Art Nutzungsentschädigung.
    Aber es hat sich auch so alles geregelt. Vielleicht viel lehrreicher für Karl als alle anderen Lösungen.

  • Zitat

    Original von made
    Oder ist das nur berliner Dialekt?


    So hatte ich es bis zum Lesen Deiner Zeilen immer gesehen :-)


    Zitat

    Original von made
    Was denkt sich Kalli dabei, eine Frau heiraten zu wollen, die in einen anderen verliebt ist? Glaubt er, dass sie ihn dann vergisst?


    Kalli hält es für sicher, dass Karl nicht mehr lebt.


    Ich glaube nicht, dass er sie allein um seiner Liebe willen heiraten will... oder doch. Aber nicht allein aus dem Grund, dass er hofft, sie werde ihn einst so lieben wie er sie liebt. Er befürchtet, dass sie aus Kummer um Karl zu Grunde gehen könnte. Er hofft, dass eine Ehe und vielleicht Kinder ihr wieder einen Lebensinhalt geben könnten.


    Frage an die Damen: Wer soll Euer Herzblatt sein? Kalli oder Karl? :grin

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Es war blöd von Karl, nicht zu einem Rechtsanwalt zu gehen. Schon damals beim Kauf der Nähmaschine hätten sie das machen sollen. Denn wenn der Vertrag tatsächlich unwirksam sein sollte, muss auch der andere Teil alles herausgeben, was er erhalten hat. Bis auf eine Art Nutzungsentschädigung.
    Aber es hat sich auch so alles geregelt. Vielleicht viel lehrreicher für Karl als alle anderen Lösungen.


    Wenn sie zu einem Rechtsanwalt gegangen wären, hätten sie erfahren, dass sie als Unmündige überhaupt keine Verträge schließen durften. Oder hat ihnen das nicht eigentlich schon Hagedorn gesagt, als er die Nähmaschine wieder abholen wollte?
    Was hätte Karl dann gemacht? Er hätte für seine Firma einen Strohmann gebraucht. Da fällt mir ein, wie konnten sie einen Mietvertrag abschließen? Wahrscheinlich gar nicht.
    Hätten sie Vater Busch als Strohmann verwenden können? Wohl kaum. Sicher wäre Karl auf ganz gefährliche Ideen gekommen.

  • Ich lese eure Worte noch nicht, da ich ja unvoreingenommen das Buch lesen will und noch nicht am Ende des Abschnitts bin. Anders als mit Stückelei geht das ja nun leider nicht.


    Nun hat Karl also Autos aufgetan, auch eine sehr gute Möglichkeit. Zumindest sind so auch die Pferdegespanne keine Konkurrenz für ihn. Mich wundert, welche Talente Karl so alles haben soll. Bauzeichner konnte er sein, Gärtner ist für ihn kein Problem und Organisationstalent hat er ja auch. Ein kleines Wunderkind ist er. Es läuft schon sehr viel für ihn positiv. Nur die Rückkehr in seinen alten Ort ist sehr traurig für ihn. Die vier vergangenen Jahre erscheinen wie eine Ewigkeit bei den vielen Veränderungen.


    Das Silberherz war doch ein Ring seiner Mutter, oder? Und das schmeißt er nun so einfach weg? Traurig.


    Nun kommt der erste Weltkrieg. Bin gespannt, wie Karl sich da aus der Affäre zieht. Genauso spannend wird aber zu lesen sein, wie sich Berlin und die Menschen verändern werden.

  • Zitat

    Original von xexos
    Mich wundert, welche Talente Karl so alles haben soll. Bauzeichner konnte er sein, Gärtner ist für ihn kein Problem und Organisationstalent hat er ja auch.


    Das mit der Gärtnerei kam mir ein bisschen zu viel vor. Zuvor schon trifft er rein zufällig Gollmers Tochter und der hat gerade Ärger mit seinem Garten, wo gerade Karl sich auskennt.

    Zitat

    Original von xexos
    Das Silberherz war doch ein Ring seiner Mutter, oder? Und das schmeißt er nun so einfach weg? Traurig.


    Karl schenkt Ria zum Abschied einen Ring seiner Mutter. Das wird wohl das Silberherz gewesen sein. Nur wieso hat es jetzt Rias Vater? Und wieso sagt Karl, der hätte es doch Ria geben können? :gruebel
    Vermutlich hat der Vater es Ria weggenommen.
    Heftig, dass er es jetzt wegwirft. Er wollte wohl jede Verbindung zu früher abbrechen. Aber immerhin war es von seiner Mutter, vielleicht sogar das einzige Erinnerungsstück an sie. Fotos gabs ja damals nicht häufig.

  • In dem Buch wird nicht darauf eingegangen, wie der Krieg die Menschen seelisch verändert hat. Ja, eine Narbe am Kopf, aber ansonsten klingt es so, als ob er eine Episode gewesen wäre, der Berlin eine Inflation mit all seinen negativen Folgen, wie Schieberei und Prostitution gebracht hat.


    Ich frage mich, ob Karl sich verändert hat, ob er sich nur auf die Waffentransporte einlässt, weil der Krieg ihn risikofreudiger und abenteuerlustiger gemacht hat.


    Ich glaube, ohne den Krieg hätte Karl Rieke nicht geheiratet. Sein Bedürfnis nach Heimat war nach seiner Rückkehr einfach zu groß.

  • Eindeutig Kalli. Ehrlich gesagt finde ich Karl als Romanfigur spannend, aber als Mensch zum Kotzen. Entschuldigung.


    Bei Karl wird, meine ich, ganz deutlich, dass er durch den Krieg verändert ist. Seine Haltung zum Leben ist eine ganz andere. Auch seine schwere Kopfverletzung wird sich auswirken.


    made, so einfach ist es nicht, dass man als Unmündiger keine Verträge schließen darf. Riekes Vater hätte den Vertrag genehmigen können. Jedenfalls könnte er es heute - und ich glaube nicht, dass sich diese Vorschriften groß geändert haben. Außer dass man heute mit 18 volljährig ist. Aber es ist auch wurscht, weil Karl eine andere Lösung gefunden hat.

  • Zitat

    Original von made
    Kalli liebt Rieke, Rieke liebt Karl und Karl liebt ... wen eigentlich?


    Leider nur sich selbst. :peitsch


    Vom Krieg haben wir nun ja gar nichts erfahren und die geschilderten Auswirkungen sind auch nur von außen zu sehen. Bei Karl hatte ich zunächst Hoffnung, dass er nun endlich ein wenig fürsorglicher wird. Zumindest hatte er doch auch an Minna gedacht und sich um sie gesorgt. Rieke dagegen wird von ihm immer nur oberflächlich behandelt. Kalli wäre wirklich der bessere für Rieke. Der sieht Rieke zumindest auch als Mensch. Karl hingegen hat nur Karriere und Selbstverwirklichung im Sinn. Das geht sogar soweit, dass er sich nun mit Dumala einlässt.

  • Ja klar, Dumala ist sicher nicht förderlich für die Karriere. Im Gegenteil.


    Karl will ne Bedeutung haben. Er will nicht das machen, was alle machen. Er ist irgendwie auf der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal. Alle sollen stolz auf ihn sein und ihn bewundern. Nun geht er sogar viel weiter als er es vor dem Krieg wohl gemacht hätte.