Jan Weiler - Kühn hat zu tun

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
    Verlag: Kindler
    erscheint am 6. März 2015


    zum Autor: Quelle Homepage des Autors
    Jan Wei ler, 1967 in Düs sel dorf gebo ren, besuchte die Deut schen Jour na lis ten schule und arbei tete dann elf Jahre lang beim Süd deut sche Zei tung Maga zin in unter schied li chen Funk tio nen, die letz ten fünf Jahre als Chef re dak teur.
    Seit 2005 ist er freier Schrift stel ler. Er ver fasst vor allem Romane, Kolum nen, Hör spiele und Dreh bü cher und tritt auch als Spre cher auf sei nen CDs und als Vor le ser auf Tour neen durch ganz Deutsch land in Erschei nung.
    Er lebt in Ober bay ern und Umbrien.


    zum Inhalt:
    In einer modernen Neubausiedlung auf der Weberhöhe, einem Stadtteil von München, verschwindet ein Mädchen. Am selben Abend findet man eine männliche Leiche direkt hinter Martin Kühns Gartenhecke. Das Opfer wurde gequält und geknebelt. Der 44-jährige Polizeihauptkommissar hat also alle Hände voll zu tun.


    meine Meinung:
    Jan Weiler ist seinen Lesern vor allem durch humorige Schilderungen vom Leben als Mensch ein Begriff. Auch durch seine Lesungen von Antonio im Wunderland verbindet man witzige Lektüre und hat dabei sogar noch den italienischen Akzent im Ohr. Wer das in diesem Krimi erwartet, wird enttäuscht. Der Autor zeigt hier eine ganz andere Seite seines Könnens. Sein Protagonist Martin Kühn ist Polizist aus Überzeugung. Er hat sich schon früh für diese Seite der Kriminalität entschieden und lebt für seinen Beruf. Aber der Mann hat auch ein Privatleben, das sich immer wieder seiner Arbeit unterordnen muss. Da der Tatort nun auch noch direkt vor seiner Haustür abgesperrt wird, vermischt sich dieses Berufs- und Privatleben. Weiler beschreibt ohne viele Worte die unangenehme Aufgabe, wenn der Polizist seine Nachbarn vernehmen muss. Zudem hat er dabei noch mit einer Gruppe Rechtsradikaler zu tun, mit denen sein eigener Sohn sympathisiert.


    So ist es nicht verwunderlich, dass Kühns Gedanken immer wieder um häusliche Probleme wie das Geburtstagsgeschenk für seine Tochter, die Veränderungen seines Sohnes und die Bedürfnisse seiner Frau kreisen. Dabei wird die Figur keineswegs als unfehlbarer Superheld dargestellt, sondern vielmehr als Mensch wie du und ich. Unvermeidlich schlich sich die Frage ein, wann der Mann mal verschnauft. Vielleicht, wenn er sich bei einer Flasche Bier am Gartenzaun seinem Nachbarn anvertraut? Immer wieder hat er dabei Erinnerungen an seine eigene Kindheit, die erklären, warum Kühn jetzt so ist, wie er ist.


    Ein weiteres Plus des Romans ist die Darstellung des Serienmörders mit seiner Motivation zu töten und dem inneren Zwang, es zu wiederholen. Je weiter die Ermittlungen kommen, steigert sich beim Leser die Neugier, wer zu einer derartigen Tat in der Lage wäre und auch die Abscheu, dass eine solche Tat von jemandem begangen wurde, der vielleicht schon seit Jahren gleich um die Ecke wohnt. Dass eben dieser Wiederholungstäter ebenfalls auf der Weberhöhe wohnt, steht außer Frage. Diese Nähe macht einen Teil der Spannung aus, auch wenn die Schreibweise an sich ganz leise ist.


    Es ist nicht nur ein Krimi, der sich hinter dem Titel Kühn hat zu tun verbirgt. Es ist ebenfalls ein Gesellschaftsporträt, eine Familiengeschichte und eine Sache zwischen zwei Männern. Auf jeden Fall ist es ein Lesetipp, nicht nur für harte Jungs.

  • Kann Weiler auch Krimi? Und ob er kann!!!!
    Eine absolute Leseempfehlung von mir an alle, die intelligente, unterhaltsame spannende Lektüre suchen.


    Kühn ist Kommissar, hat ein durchschnittliches Familienleben, ein noch nicht abbezahltes Haus und zunehmend Probleme mit seinem Kopf: da ist soviel drin, daß er in eine Situation geraten ist, in der er scheinbar keine Gedanken mehr ordentlich zuende denken kann. Das macht ihn fertig.


    Dann passieren mehrere Dinge auf einmal, denen er sich in dieser anstrengenden Phase stellen muß: sein Sohn sympathisiert anscheinend mit einer rechts eingestellten Bürgerwehr seiner Siedlung. Die Tochter wünscht sich ein Pferd, was finanziell eigentlich nicht drin ist. In der Siedlung verschwindet ein Mädchen. In den Kellerräumen einiger Häuser der Siedlung entdeckt man anscheinend chemische Ablagerungen, die evtl. von der dort ehemals stehenden Munitionsfabrik herrühren, die wohl Gift im Erdreich eingelagert hat. Und dann noch ein Mord: direkt hinter seinem Haus!


    Nun hat er echt zu tun. Wir werden Zeuge, wie Kühn trotz seiner Überforderung versucht, Ermittlungen zu leiten. Gleichzeitig versucht er, seinen Sohn vor unüberlegten Taten zu bewahren, seiner Frau vorzugaukeln, daß das mit dem Pferd evtl. doch klappen könnte und und und. Tapfer versucht er, seinen Job zu machen und dann werden wir Zeuge, wie sich nicht nur das Chaos in Kühns Kopf beruhigen darf, sondern auch, wie er Licht ins Dunkel seiner eigenen Vergangenheit bringt: wie war das wirklich mit dem "Unfall" damals als Kind, der ihm die Narbe in seiner Augenbraue beschert hat? Hat er jahrelang einer falschen Erinnerung aufgesessen?
    Die Auflösung ist ein wahrer Geniestreich, toll gemacht, Herr Weiler!!


    Ich habe dieses Buch mit unheimlich großem Vergnügen gelesen und kann es nur empfehlen! Könnte auch auf Fortsetzung angelegt sein.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Mir hat das Buch auch sehr gut gefallen! :-] Hier passt einfach alles, die Mordermittlung ist gut beschrieben, spannend und mit einem wirklich gut gemachten Ende, aber auch die Geschichte um Kühn selber - seine Midlife-Crisis, die familiären Probleme, seine Probleme mit sich selbst, mit dem Job... alles wird leise und glaubhaft geschildert und ich bin sicher, dass viele Leser (aber auch Leserinnen) sich zumindest zum Teil in Kühn wiedererkennen werden.


    "Kühn hat zu tun" ist ein Buch, an dem auch Nicht-Krimifans ihre Freude haben können, das gut unterhält, aber auch nachdenklich macht! Ein einziges Pünktchen ziehe ich ab, weil ich gern mehr erfahren hätte, wie es mit den Altlasten im Boden der Weberhöhe weitergeht, und so gibt es von mir sehr zufriedene 9 Punkte! :-)


    LG, Bella

  • Nach einem recht langen Prolog beginnt der Roman wie ein normaler Krimi. Es gibt eine Leiche und Kriminalhauptkommissar Martin Kühn beginnt zu ermitteln. Zu meiner Verblüffung klärt er den Fall allerdings gleich an Ort und Stelle auf, bevor er sich auf der Heimfahrt seinen privaten Sorgen und Nöten hingibt. Und davon hat er - unter anderem durch das Chaos in seinem Kopf - jede Menge. Kühn dabei zu begleiten, macht Spaß, vor allem da man viele seiner Problemchen von sich selbst ihn ähnlicher Form kennt und der Autor das Meiste ziemlich humorvoll herüberbringt. Dennoch kommt der nächste - und deutlich komplexere - Mordfall für den Leser sehr gelegen. Hier ist noch mehr von Kühns Spürsinn gefragt. So bekommt man in der Geschichte eine angenehme Mischung aus privaten und dienstlichen Rückschlägen geboten. Auch wenn das Ende für meinen Geschmack etwas zu konstruiert wirkt, ist der Roman äußerst lesenswert. Gern darf Jan Weiler seinen Helden Martin Kühn auch in einem neuen Fall wieder ermitteln lassen.


    Einziges Manko: Der vorletzte Satz im Roman hätte weiß Gott nicht sein müssen.

  • Ich wusste, das mich hier kein lustiger Roman à la "Maria, ihm schmeckt's nicht" erwarten würde, und so machte ich mich gespannt an die Lektüre. Kühn ist seit 25 Jahren Polizist, einfach weil er sich mal für die gute Seite entschieden hat. Er macht seinen Job gerne und Mordermittlungen bzw. Todesopfer machen ihm nichts aus.


    Doch bei diesem Fall ist es anders. Nicht nur, dass der Mord in der Nähe seines Hauses begangen wurde. Sondern auch, weil sein Kopf voller Gedanken ist, die ihm keine Ruhe lassen. Wieso kommen all diese Erinnerungen hoch?
    Und so will er es allen Recht machen, seiner Familie und seinem Job, bis er fast zusammen bricht.


    Mich hat dieser vielschichtige Roman voll gepackt. Kühn war mir nicht immer sympathisch, doch ich konnte ihn gut begleiten in seinen Handlungen. Er hat eigentlich keine Macken, wie es so oft bei irgendwelchen Kommissaren der Fall ist, sondern ist einfach überfordert durch den Gedankenstrudel, den er durchlebt. Auch seine private Seite ist vollkommen normal, ich denke, dass es viele Menschen gibt, die keinen Zugang zu ihrem Kind haben und Wünsche erfüllen wollen, die sie eben nicht abschlagen wollen.


    Der Fall ist super spannend, mir hat auch die Einbindung des geschichtlichen Hintergrunds der Wohnsiedlung "Weberhöhe" gefallen. Zwischendurch haben mich die Gedankenstrudel gestört, doch alles in allem war es ein stimmiger Krimi, der mir gut gefallen hat.


    Doch auch ich mochte den Abschluss nicht. Muss nicht sein, könnte aber auf eine Fortsetzung hindeuten.


    8 Punkte von mir.

  • Die beste Ehefrau von allen hatte das in ihrem RuB und mit in den Urlaub genommen, weshalb es mir in die Hände fiel. Jan Weiler ist eigentlich nicht so mein Humor, ich hätte es also sicher nicht gekauft. Es wäre mir aber etwas entgangen. Ein mit guter Beobachrungsgabe für Menschen und Situationen geschriebenes Buch. Durchaus mit Spannungsbogen und überraschenden Wendungen versehen. (Die Auflösung des Nikolausbartes fand ich z. B. grandios). Die privaten Nöte des Kriminalhauptkommissars fand ich auch sehr naheliegend und werde daher die Folgebände sicher aus dem RuB befreien.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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