TaraShea Nesbit: Was wir nicht wussten
DuMont Buchverlag 2014. 256 Seiten
ISBN-13: 978-3832197353. 19,99€
Originaltitel: The Wives of Los Alamos
Übersetzerin: Barbara Schaden
Verlagstext
Sie kommen von überall auf der Welt: Frauen, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass ihre Männer an der Entwicklung der Atombombe beteiligt sind. In New Mexico erwartet sie ein improvisiertes Leben hinter Stacheldraht. Die absolute Geheimhaltung des »Manhattan Project« durchdringt alle Aspekte ihres Alltags: Namen werden geändert, Kontakte unterbrochen. Ihr Leben ist definiert durch die Dinge, die sie nicht sagen, die Briefe, die sie nicht schreiben, die Freiheiten, die sie sich nicht nehmen können. Und doch bildet sich auf dem verlassenen Schulgelände mitten im Nichts allmählich eine Gemeinschaft. Babys werden geboren, Freundschaften entstehen. Das Leben behauptet sich. Und die Frauen wachsen zusammen, bis sie mit einer einzigen Stimme sprechen. Sie erzählt davon, was wirkliche Humanität im Angesicht des Kriegs bedeutet. TaraShea Nesbits unaufgeregte, ruhige Sprache und die ungewöhnliche Erzählperspektive entfalten einen meditativen Sog.
Die Autorin
TaraShea Nesbit lehrt Creative Writing an der University of Denver und der University of Washington. Ihre Texte erschienen in zahlreichen Literaturzeitschriften. Sie lebt in Boulder, Colorado. „Was wir nicht wussten“ ist ihr erster Roman.
Inhalt
Am Ende der Geschichte wird am 16.7.1945 südlich von Los Alamos die erste Atombombe mit einer Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT gezündet werden.
1943 werden unter höchster Geheimhaltung Wissenschaftler aus aller Welt mit ihren Familien in den Bergen New Mexicos nördlich von Santa Fe in einem Lager angesiedelt. Über das Projekt in der abgeschotteten Gebirgsfestung muss gegenüber Freunden und Verwandten eisern geschwiegen werden. Den Kindern wird beigebracht, sich außerhalb des Lagers Fremden gegenüber nicht zu verplappern, wo sie leben. Der Einfluss des Geheimdienstes führt z. B. zu der absurden Entscheidung, dass eine Engländerin keine amerikanischen Kinder unterrichten darf.
Die Erzählerin schreibt eine fiktive Geschichte aus der Sicht der Ehefrauen dieser Wissenschaftler in der Wir-Form. Alles scheint allen gleichzeitig zu geschehen. Die Ehefrauen sind teils selbst Wissenschaftlerinnen, die mit ihrer Heirat die eigene Karriere aufgeben. Diejenigen, die vor ihrer Heirat Physikerinnen waren, könnten sich theoretisch mit ihren Männern über deren Projekt unterhalten, wenn - das Projekt nicht höchst geheim wäre. Mit fortlaufender Handlung entlarvt sich das von außen aufgezwungene „Wir“ zunehmend als Farce; denn Frauen verschiedener Nationalitäten, mit und ohne Berufsausbildung, mit und ohne Kinder können sich kaum als homogene Gruppe erleben. Ihre Kinder werden zu „unsere Michaels, unsere Cheryls“. Die USA befinden sich spürbar im Zweiten Weltkrieg, Benzin gibt es nur auf Bezugsschein. Die Brüder der Frauen sind noch im Krieg und die eigenen Ehemänner könnten jederzeit zur Armee eingezogen werden. Anfangs ist das Lager nicht viel mehr als eine Baustelle, Unterkünfte sind im Bau, Klassenschranken zwischen Steinhäusern und Spanplattenbauten nicht zu übersehen. Wenn das Wasser zur Neige geht, sind Badewannenbesitzer und Duschbesitzer wieder gleichgestellt. Das Leben der Ehefrauen scheint sich auf den Kampf mit der Armee als Behörde um Komfort und Versorgung mit Lebensmitteln zu beschränken. Ihre Ansprüche wirken kindlich-egozentrisch. Selbst wenn in den 40ern Hausarbeit weit aufwändiger war als heute, wirkt die Forderung nach einem Hausmädchen für eine Hütte in der Wüste sonderbar, das Jammern darüber noch exzentrischer, das Hausmädchen nicht von der Armee bezahlt zu bekommen. Am Ende der beiden Jahre in Los Alamos scheint das gesichtslose „Wir“ sich wieder in Einzelpersonen aufzulösen. Die Michaels und Cheryls werden selbst Wissenschaftler, die eines Tages eine Stelle suchen werden. Die Enkel der Frauen von Los Alamos werden eines Tages fragen: Oma, was hast du eigentlich während des Zweiten Weltkrieges getan ...
Fazit
Die Gespräche und Gedanken dieser Frauen sind langweilig, sie nerven in ihrer Ichbezogenheit und Blauäugigkeit. Das Leben müsste nicht langweilig sein; denn sie stammen aus verschiedenen Ländern, könnten sich für ihre Umgebung und die dort gesprochene Sprache interessieren, aber sie jammern. Wenn man das Ereignis kennt, zu dem die Handlung führen wird, kann das sozialpsychologische Experiment hinter Stacheldraht aus der Sicht der Ehefrauen dennoch spannend sein. So wie Form und Abdruck ineinanderpassen, ergänzt der sehr kurze Text die Geschichte der Atombombe aus einer ungewöhnlichen Perspektive. Das Buch hat mich genervt; dennoch bin ich froh, es gelesen zu haben.
7 von 10 Punkten
Für einen historischen Roman finde ich das Buch zu ichbezogen, für Belletristik nicht leicht genug.