Jamie Ford - Keiko (Hotel on the Corner of Bitter and Sweet)

  • ungekürzte Lesung
    Sprecher Feodor Chin
    10:52 Stunden
    Hörprobe [EMAIL=http://www.audible.co.uk/pd/Fiction/Hotel-on-the-Corner-of-Bitter-and-Sweet-Audiobook/B008HQF572/ref=a_search_c4_1_1_srTtl?qid=1456864132&sr=1-1]*klick*[/EMAIL]



    Zum Inhalt (vom Berlin Verlag)
    Dezember 1941: Nach dem Angriff auf Pearl Harbor ist auch in Seattle nichts mehr, wie es war. Für den zwölfjährigen Henry bricht eine Welt zusammen, als Keiko, das bildschöne Mädchen aus seiner Schule, plötzlich verschwindet. Ihre Eltern sind Japaner und die Wirren des Krieges beenden eine aufkeimende Liebe. Vierzig Jahre später stößt Henry durch Zufall auf einen Bambusschirm und ist sich sicher: Dieser Schirm hat einmal Keiko gehört. Was ist mit ihr geschehen?


    Zum Autor (vom Berlin Verlag)
    Jamie Ford wuchs in der Nähe von Seattles Chinatown auf. Seine chinesischen Verwandten nannten ihn »Ji Mai«, was bald zu »Jamie« wurde. Er ist Absolvent der Squaw Valley Community of Writers. Nach dem Bestseller »Keiko« ist »Die chinesische Sängerin« sein zweiter Roman. Jamie Ford lebt mit seiner Familie in Montana, USA.


    Zum Sprecher (freie Zusammenfassung von Wikipedia)
    Feodor Chin ist ein amerikanischer Film- und Theaterschauspieler und Autor, der auch als Sprecher für Hörbücher und Computerspiele tätig ist.


    Meine Meinung
    Dank der Leserunde der Querbeet-Eulen :wave :anbet habe ich dieses besondere Buch nach Jahren wieder gehört.


    Wie nur wenige andere Autoren gelingt es Jamie Ford mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit seine Leser nach Seattle in die Jahre 1942 und 1986 zu entführen und eine in ihrer Tragik an Romeo und Julia erinnernde Liebesgeschichte zu erzählen.


    Der 13-jährige Henry Lee wächst bei seinen aus China eingewanderten Eltern auf, inmitten von Seattles Chinatown und besucht anfangs die chinesische Grundschule des Viertels. Sein Vater ist ein erzkonservativer Nationalist und wird später von einer anderen Figur sehr treffend als der nicht schmelzende Eiswürfel in Amerikas Schmelztiegel der Kulturen bezeichnet.


    Mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule verliert Henry nicht nur seinen Freundeskreis, sondern auch die ohnehin schon spärliche Unterhaltung mit seinen Eltern. Über die Kontakte seines Vaters darf er als Stipendiat eine bis dahin rein weiße Schule besuchen, wo er mittags als Hilfe in der Kantine arbeiten muss. Gleichzeitig entscheiden seine Eltern, dass er ausschließlich Englisch sprechen soll – eine Sprache, die sie selbst nicht verstehen. Damit erstirbt die Möglichkeit eines echten Austauschs mit seinen Eltern. Henry bleibt – auch durch den Krieg und die Anfeindungen der Mitschüler – nichts anderes übrig, als früh erwachsen werden zu müssen.


    Zum Glück findet Henry andere Freunde in dem schwarzen Jazzmusiker Sheldon, der oft auf seinem Schulweg spielt und ausgerechnet in Keiko Okabe, einem amerikanisch-japanischen Mädchen, das auch als Stipendiatin an die exklusive Schule kommt. Während seine Eltern in ihrem exilchinesischen Kokon verharren, entwickelt Henry sich eher zu einem amerikanischen Teenager, der den Jazz und Keiko lieben lernt.


    Jamie Ford erzählt von den normalen Loyalitätskonflikten eines Heranwachsenden und den für westliche Leser aus dem 21. Jahrhundert fast unvorstellbaren Lebensverhältnissen der chinesischen und japanischen Einwanderer in den USA. Vor der Lektüre war mir das Schicksal der japanischen Bevölkerung in den USA während des 2. Weltkriegs weitgehend unbekannt. Gleichzeitig ist das Grundthema auch im Jahr 2016 leider immer noch erschreckend aktuell, Anfeindung und Ausgrenzung (vermeintlich) fremder Kulturen, egal ob 9/11, heute in Europa oder der jetzige Wahlkampf in den USA...


    Auch beim zweiten Hören beeindruckte mich wieder wie Henry mit jeglichen Widrigkeiten ohne Bitterkeit umgeht, stets versucht das Beste aus schwierigen Umständen machen will und dabei immer wieder das Glück anderer über seine eigenen Wünsche stellt. Der englische Titel „Hotel on the Corner of Bitter and Sweet“ passt perfekt zum Inhalt des Buchs, das eine längst vergangene Zeit durch die Augen eines Heranwachsenden lebendig werden lässt. Gerne würde ich selbst durch Seattles japanisches Viertel Nihonmachi schlendern, bevor es nach der Internierung seiner Bewohner rasch verschwand und die Jazzclubs besuchen – jedoch nicht dort leben müssen, während des Kriegs und all der Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die knapp und eindringlich angerissen werden.


    Geschickt springt die Geschichte zwischen den Jahren 1942-1945 und 1986, zwischen Henrys jetzigem Leben nach dem Tod seiner Frau und seinen Erinnerungen an seine Kindheit, zwischen seinem Leben als Sohn eines distanzierten strengen Vaters und seinem Leben mit seinem eigenen Sohn Marty. Manche Kapitel zeigen nur kurze Episoden aus Henry Leben, andere begleiten ihn über einen längeren Zeitraum. Die Figuren, egal ob Henry und seine Familie, die Mitschüler oder andere Personen denen Henry begegnet, sind facettenreich gestaltet.


    Feodor Chin lässt Henry Gefühle und Gedanken lebendig werden, so dass ich schnell das Gefühl hatte, Henry selbst zuzuhören.


    Fazit
    Eines meiner Lieblingsbücher, das so viel mehr ist als eine Liebesgeschichte oder ein „coming of age“ Roman und sich mit einem schwierigen Kapitel aus der Geschichte der USA beschäftigt, die kein einfacher Schmelztiegel waren, erst recht nicht während des zweiten Weltkriegs für japanische und chinesische Einwanderer. Leider sind heute die Themen Toleranz und Loyalität wieder erschreckend aktuell und ich kann es kaum glauben, dass „Keiko“ der Erstling von Jamie Ford ist, sowohl von der komplexen Themenvielfalt als auch sprachlich.


    Abschließend bleibt nur meine Verwunderung, dass es bis heute keine ungekürzte deutsche Hörfassung gibt und die Hoffnung, dass Jamie Fords (bisher noch nicht angekündigtes) drittes Buch wieder so wundervoll sein wird, wie sein erstes.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von ottifanta ()

  • @ ottifanta


    Meinst Du jetzt diesen Roman (Keiko) von Jamie Ford, den es nicht als deutsche Hörbuchfassung gibt ?
    Diesen gibt es nämlich schon in einer Fassung vom Audio Verlag. Ich habe sie selbst vor einigen Wochen gehört, glaube allerdings, dass sie gekürzt war.

  • Ups, mein Fehler. Irgendwie dachte ich, dass es keine deutsche Hörfassung gibt - hatte allerdings nur bei audible nachgeschaut und dort ist die gekürzte Version tatsächlich nicht verfügbar.


    Habe gerade herausgefunden, dass die dt. Fassung 491 Minuten hat, also leider deutlich kürzer als die englische Ausgabe ist.


    Danke Dir. :-)

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  • Gern geschehen. Bei Audible habe ich damals gar nicht geschaut, ich hätte es zufällig aus der Bücherei mitgenommen. Ob die Kürzung jetzt negativ war, kann ich gar nicht so sagen, da ich es nie gelesen habe. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass an der Geschichte etwas gefehlt hätte.

  • Schön, dass die Kürzungen nicht spürbar sind. :-)


    Du hast vermutlich nicht in die Leserunde reingeschaut und etwas Fehlendes entdeckt.

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  • Ich habe Euch zu danken für die Inspiration. ;-)
    Eigentlich war Eure Leserunde geplant, aber irgendwie war es wieder fix durchgehört... :grin

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